Gewohnt
Sie schluckt. Es hat geklingelt. Und es kann nur er sein. Er hat gesagt er würde kommen. Immer wieder fällt ihr der Alptraum von neuem ein. Ihr Herz zieht sich vor Angst zusammen. Vor Schmerz. Seine Umrisse zeichnen sich verschwommen hinter dem Glas ab. Ein langezogener, ungenauer Fleck. Sie öffnet die Tür. Sie blickt ihn an. Zitternd zieht sie den Atem ein.
„Hi“, sagt sie schwach. Er sieht aus wie immer. Aber es ist nicht wie immer. Wieder kommt es in ihren Kopf. Wieder kommt der Schmerz. Der Flur ist kalt. Sie fühlt die Platten durch die Socken.
„Also dann ist es wohl vorbei...“, hat das Telefon zu ihr gesagt. Und sie mit Salz auf den Lippen zurückgelassen. Dabei war sie es, die ihn zurücklassen wollte. Die die Wahrheit sah.
In seinem Gesicht kann sie nichts lesen. Keine Bewegung und kein Anzeichen. Sie schaut zu ihm auf. Sie hält es nicht mehr aus.
An jenem Wochenende war er nicht der Richtige. Nicht der Richtige seit einem Jahr, sieben Monaten und 13 Tagen. Die Zweifel wachsen wenn man alleine ist. Ihre Augen waren rot. Gestern hat sie nicht schlafen können.
Tränen laufen ihr die Wangen hinunter. Zögernd nähert sie sich ihm. Seine Augen fixieren sie entschieden. Sie krallt sich in seinen Pulli. Er tut es ihr gleich, lässt sie in seine Arme.
Sie hält es nicht mehr aus. Es geht nicht.
„Ich liebe dich doch“, flüstert sie und hält ihn fest. Der Putz hat kleine, unregelmäßige Löcher. Rau und weiß. Ihr Herz schlägt.
„Ich dich doch auch...“, sagt er. Sie küsst ihn, lässt ihn nicht los.
Zusammen gehen sie die Treppen hinauf. Sie ziehen die Decke über sich.
Sie fühlt die gewohnte Haut. Sie fühlt die gewohnten Haare. Sie küssten den gewohnten Mund.
Alles wird gut werden.