Was ist neu

Glasbausteine

Mitglied
Beitritt
30.09.2005
Beiträge
137

Glasbausteine

Irene Kipp fegte die Reste des zerbrochenen Tellers mit dem roten Handfeger auf.
Auf dem Esstisch aus dunklem Ahorn brannte gerade die letzte Kerze herunter, aber das merkte sie nicht, denn sie hatte das Licht eingeschaltet als sie kamen und hatte es nicht wieder ausgeschaltet nachdem sie gegangen waren.
Sie ging in die große amerikanische Küche hinüber und warf die Scherben in den Abfalleimer.
Diese Küche wollte sie nie haben, ihre alte Kiefernholzküche mochte sie lieber, das helle Holz strahlte für sie Wärme und Geborgenheit, der graue Kunststoff der neuen Küche wirkte kalt und abweisend.
Sie würde sich eine neue Küche kaufen, überlegte sie sich, als sie die Reste ihres Abendbrots betrachtete, die auf dem übergroßen Herd in der Mitte des Raums in der Pfanne kalt geworden waren.
Hubertuspfanne mit frischen Pfifferlingen, dazu gemischter Salat.
Sie hatten gegessen und dazu ein Glas Rotwein getrunken. Diesen, den er so gerne mochte und sie so verabscheute. Sie mochte eigentlich überhaupt keinen Alkohol, trotzdem musste sie immer diesen abscheulichen Wein trinken.
Sie nahm die noch halbvolle Flasche und goss den Rest in den Ausguss.
Nie wieder würde sie dieses Gebräu trinken, schwor sie sich.
Er war einfach vom Stuhl gekippt als sie gerade die Teller in die Küche bringen wollte. Vor Schreck fielen ihr beide aus der Hand. Komischerweise war dabei nur einer auf dem dunklen Parkettboden zerbrochen.
Er war umgefallen wie ein Stein und liegen geblieben.
Zwei Minuten hatte sie dagestanden und ihn angestarrt wie er so dalag.
Erst als er einen lauten Furz von sich gab und daraufhin seine helle Baumwollhose einnässte, war sie überzeugt das er tot war.
Obwohl ihr bewusst war, dass die Darm- und Blasenentleerung im Tod ein natürlicher Vorgang ist, dachte sie daran, dass er das extra getan hatte, um sie ein letztes Mal zu demütigen.
Sie hatte nicht versucht, ihm Erste Hilfe zu leisten oder ihm eine Herzmassage zuteil werden lassen, sie war zurück zum Tisch gegangen – bedacht, ihm nicht zu nahe zu kommen - hatte sich auf ihren Stuhl sinken lassen, den Kopf mit den Armen am Tisch aufgestützt und laut Luft in ihre Lungen gesogen. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie scheinbar seit längerer Zeit die Luft angehalten hatte.
Sie wusste nicht mehr, wie lange sie dort gesessen hatte und ihn anstarrte, bis ihr klar wurde, dass sie die Polizei oder einen Arzt rufen musste.
Als sie aufstand, machte sie einen großen Bogen um ihn, denn sie hatte Angst er könnte plötzlich ihren Knöchel umklammern, sie zu Boden reißen und ihr mit seinen alten Zähnen in die Brust beißen wie er es so oft getan hatte, tagsüber und nachts, und dabei würde sein gehässiges Lachen tief aus seiner Kehle kommen.
Aber keine Hand griff nach ihr, als sie zum Telefon im Flur ging, und auch kein Lachen war zu hören.
Als sie an ihm vorbei war, lief sie rückwärts tastend zum Telefon, sie wollte ihn nicht aus den Augen lassen. Sie hatte immer noch Angst vor ihm, selbst jetzt, wo er offensichtlich tot war.
Als sie die Notrufnummer wählte, schaute sie immer wieder aus den Augenwinkeln zu ihm rüber, aber er bewegte sich nicht. Er war tot und blieb tot, was auch der Arzt befand, der später den Todesschein ausstellte und ihr eine Beruhigungsspritze gab, die sie auch wirklich benötigte. Eher aus Aufregung als aus Trauer.
Sie nahmen ihn mit und mit ihnen verschwand auch ihr altes Leben. Sie war nun frei.
Trotzdem fühlte sie sich hilfloser als zu den Zeiten, in denen er sie so malträtierte, dass sie um ihr Leben bangte. Was sollte sie nun tun? Allein.
Irene Kipp ging hinauf ins das für ihren Geschmack viel zu prunkvolle Badezimmer und schaute in den übergroßen Spiegel über dem Waschtisch mit den goldenen Armaturen.
Die dreiundfünfzig Jahre gingen nicht spurlos an ihr vorüber, sie wirkte eher wie weit über sechzig.
Ihr graues Haar hing strähnig auf ihren Schultern, die einst so blauen Augen waren nun stumpf und keine Hoffnungen und keine Träume blitzen in ihnen auf. Falten zogen tiefe Furchen durch ihr eingefallenes Gesicht.
Ihre ehemalige Schönheit sah man ihr nicht mehr an. Sie war so dünn und wirkte sehr zerbrechlich und so fühlte sie sich auch.
Sie drehte den Hahn auf, schöpfte kaltes Wasser in ihre zittrigen Hände und fuhr sich damit durch das Gesicht.
Sechsunddreißig Jahre hatte sie mit ihm verbracht. Sechsunddreißig Jahre Schläge, Bisse, Quälereien psychisch und physisch. Sie hatte sich nie gewehrt und fest damit gerechnet, dass er sie irgendwann umbringen würde. Nun war er tot.
Die Ironie des Schicksals, jetzt war sie auf sich allein gestellt.
Natürlich hatte sie oft daran gedacht, ihn zu verlassen, aber sie wusste, dass sie dazu nicht fähig war und dass er sie niemals hätte gehen lassen. Zu viel Spaß machten ihm seine Peinigungen an ihr.
Als er sie heiratete, war sie jung und naiv gewesen. Zu naiv um zu begreifen, dass Traumprinzen nur in Kitschromanen vorkamen. Er war so charmant und zuvorkommend gewesen, dabei hatte er ihr auch schon damals gern mal schmerzhaft in den Po gezwickt oder ihr beim Sex in die Brust gebissen. Sie hatte darüber hinweg gesehen, zu lebhaft war ihre Phantasie vom Traumprinzen.
Er hatte Geld und sah gut aus, sie kam vom Land und hatte außer dem Kühe melken nicht viel gelernt. Es kam ihr wie ein Märchen vor, als er damals auf den Hof ihrer Eltern kam, ihr Komplimente machte und sie bereits nach dem dritten Abend fragte, ob sie seine Frau werden wollte. Sie hatte zugestimmt und damit wurde der Traum zum Alptraum.
Bereits in der Hochzeitsnacht verprügelte er sie so brutal, dass sie vier Tage nicht gerade laufen konnte. „Mein kleiner Bauerntrampel“, hatte er sie gehässig genannt, bevor er ihr eine Minute lang die Luft abdrückte. Im völligen Schock hatte sie angefangen zu weinen, worauf er mit Fäusten auf sie einschlug. Als ihre Lippe aufgeplatzt, ihr Auge zugeschwollen und ihr sämtliche Glieder weh taten, stieß er sie aufs Bett und nahm sich, was nun ihm gehörte.
Hinterher dachte sie, sie hätte etwas Falsches getan oder gesagt und bemühte sich, ihm von nun an alles Recht zu machen , aber als er sie in der Dusche fesselte und eine Stunde das kalte Wasser hatte laufen lassen, nachdem sie sieben Stunden das Haus auf Hochglanz poliert hatte und danach noch einen frischen Schweinebraten serviert hatte der ihr exzellent gelungen war, hatte sie von diesem Gedanken Abschied genommen und ihr wurde klar, dass er nun mal einfach so war.
Er brauchte keinen Grund um sie zu foltern, es machte ihm einfach Spaß, er war ein Sadist gewesen.
Er war kein Alkoholiker, auch kein Choleriker, eher ein ruhiger Typ und sehr charmant, nur Zuhause ließ er seine wahre Natur durchblicken.
Alles, was sie sich von ihrem Leben erträumt hatte, alles was sie sich wünschte, nichts als Trümmer waren geblieben.
Anfangs hatte sie sich in Tagträume geflohen, dort war es immer schön, er brachte ihr Blumen mit und küsste sie sanft auf die Stirn wenn sie abends gemeinsam gegessen hatten.
Doch auch diese Welt verließ sie irgendwann, als sie begriff, dass er sich niemals ändern würde.
Zwar hatte sie nun ausreichend Geld, aber darauf hatte sie nie Wert gelegt.
Irene war immer bescheiden gewesen, aber ihr größter Wunsch wurde ihr verwehrt. Kinder.
Sie hatte sich so sehr Kinder gewünscht, mindestens vier. Aber er wollte keine und hatte sie nach drei Jahren eh nicht mehr angerührt. Sie hatte das Thema nie angesprochen, nachdem er ihr in einer Nacht klar gemacht hatte, was er von Nachwuchs hielt. Stattdessen hatte er seine Huren mit nach Hause gebracht und sie gezwungen zuzusehen, wenn er sich mit ihnen in ihrem Ehebett vergnügte.

Sie zog sich aus und schlüpfte in das weiße Baumwollnachthemd, das ihr viel zu groß um die dünnen Knie schlotterte.
Sie ging hinüber ins Schlafzimmer und zog die schwere rote Tagesdecke vom gemeinsamen Ehebett. Einige Minuten saß sie auf der Bettkante, bevor sie sich mit ihrer Bettdecke auf den Boden legte.
Das war ihr erster Schritt in ihr neues Leben. Ihr eigener Wille. In ihrer Angst und Verzweiflung spürte Irene einen kleinen Anflug von Stolz in ihrer Brust schwellen. Sie rollte sich auf dem harten Boden in Embryostellung auf die Seite und zog sich die Decke bis zum Kinn.
Schwaches Licht vom Bad schien durch die Glasbausteine, die das Schlafzimmer vom Bad trennten. Fred hatte sie damals anbringen lassen, das Einzige in diesem Haus, was auch ihr gefiel. Sie ließ das Licht im Bad brennen.
Sie fiel in einen unruhigen Schlaf.
Sie wusste nicht was sie geweckt hatte. Sie schaute auf den Wecker neben dem Bett.
Drei Uhr Vierzehn. Sie wollte sich gerade auf die andere Seite drehen als, sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Im Bad, hinter den Glasbausteinen.
Sie schaute direkt hin und sah einen kleinen schwarzen Schatten von links nach rechts durchs Bad huschen, in Richtung Schlafzimmertür.
Irene setzte sich auf, ihre Knochen schmerzten an jeder Stelle ihres Körpers.
Sie war etwas beunruhigt. Was konnte das sein? Für einen Einbrecher war der Schatten zu klein gewesen, aber ein Tier konnte es auch nicht sein, sie hatte doch alle Fenster und Türen geschlossen. Hatte sie doch, oder?
Mit Schrecken fiel ihr ein, dass das Kellerfenster von heute Morgen noch geöffnet war, weil sie Wäsche zum Trocknen aufgehängt hatte. Durch den ganzen Schlamassel hatte sie vergessen, es zu schließen, und etwas war hereingekommen und war nun bei ihr hier oben.
Sie wohnten zwar in Waldnähe, weil Fred die Abgeschiedenheit liebte. Nicht zuletzt, weil er hier unbehelligt seinem Hobby nachgehen konnte, immer neue Foltermethoden an ihr auszuprobieren. Aber größere oder gar gefährliche Tiere gab es hier nicht, nahm sie an.
Für ein großes Tier war der Schatten viel zu klein gewesen, außerdem hätte es auch gar nicht durch das Kellerfenster gepasst.
Als sie noch überlegte, was sie nun tun sollte - denn Entscheidungen hatte sie bisher nicht so oft getroffen - sah sie den Schatten wieder. Er verharrte direkt vor den Glasbausteinen, und sie hatte das absurde Gefühl, dass dieses Etwas sie anstarrte, was natürlich überhaupt nicht möglich war, denn die Steine waren milchig, man konnte zwar Umrisse erkennen aber keine genauen Konturen, und sie selbst sah nur einen Schatten, in ihrem Schlafzimmer brannte kein Licht, der oder das auf der anderen Seite konnte eigentlich gar nichts sehen. Eigentlich.
Trotzdem schauderte sie und starrte wie gelähmt auf die Wand. Das waren keine menschlichen Konturen, einen Einbrecher konnte sie also ausschließen. Viel mehr waren es die Umrisse eines kleinen Tieres. Eine Katze vielleicht. Sie hoffte nur, dass es keine große Ratte war. Das Ding vor den Steinen bewegte sich nicht.
„Ich habe jahrelang mit einem Tyrannen verbracht, warum sollte ich jetzt Angst vor einer kleinen Katze haben“, dachte Irene sich und stand langsam auf. Dennoch war sie relativ wacklig auf den Beinen, als sie sich erhoben hatte. Sie blickte sich in dem dunklen Zimmer um und versuchte etwas auszumachen, das sie als Waffe benutzen konnte. Sie musste das Viech rausscheuchen und wäre Fred noch hier gewesen, dann hätte er sie auch ohne Waffe da rausgeschickt. Sie ertastete neben dem Bett ihre Filzpantoffeln und nahm einen davon in die Hand. Damit konnte sie sich zwar nicht unbedingt verteidigen, aber sie hoffte, wenn sie den Schuh nach der Katze - und sie wünschte sich immer noch, dass es eine Katze war – warf, würde diese vor Schreck das Weite suchen. Sie ging zur Schlafzimmertür, ohne das Licht einzuschalten und verlor den Schatten dabei nicht aus den Augen. Er bewegte sich nicht, aber sie hatte immer noch das Gefühl, dass ein Augenpaar ihr folgte.
Langsam drückte sie die Klinke herunter und zog die Tür zum Badezimmer auf. Sie atmete noch einmal tief durch und streckte dann ihren Kopf und den erhobenen Arm mit dem Filzpantoffel durch die Tür.
Keine Katze stürzte sich auf sie und auch keine fette Ratte hockte an der Glaswand.
Die Stelle, wo sie den Schatten gesehen hatte war leer.
Das Ding musste in dem Moment weggehuscht sein, wo sie die Tür geöffnet hatte. Schnell drehte sie den Kopf in alle Richtungen des Bades, konnte aber nichts erkennen und auch keine Bewegung ausmachen. Sie hatte nur das Licht über dem großen Spiegel angelassen und deshalb war das Bad in ein seichtes warmes Licht gehüllt, die Ecken wurden dadurch aber nicht richtig erhellt und das Biest konnte auch unter der Badewanne mit den goldenen Krähenfüßen hocken.
Sie musste nachsehen, sonst konnte sie nicht wieder einschlafen, was ihr aufgrund der vorhergegangenen Ereignisse sowieso schon schwer fiel.
Wenn sich das Viech nicht im Bad befand, dann war es durch die Badezimmertür irgendwo ins Haus gehuscht, dann würde sie die Badezimmertür verschließen und morgen nachsehen.
Wenn es allerdings hier wäre, dann würde sie das Gefühl nicht loswerden, dass dieses Ding sie im Schlaf beobachten würde.
Langsam ging Irene mit dem Rücken an die Glasbausteine gedrückt zur Badezimmertür, die zum Rest des Hauses führte und schloss diese schnell. Dann schaltete sie das große Licht ein.
Es war kein Tier zu sehen. Die einzige Möglichkeit war jetzt noch die Badewanne.
Zögernd ging sie in die Knie, um einen Blick unter die Wanne werfen zu können.
Darunter war alles dunkel. Kein Schatten, keine Katze kein Ding.
Sie richtete sich wieder auf und sah sich noch einmal im Bad um.
Nichts.
„Sieht so aus, als wenn ich jetzt auch noch verrückt werde“, dachte sie sich und ließ nun endlich den Pantoffel sinken. „Wahrscheinlich war ich einfach nicht mehr richtig wach und habe mir den Schatten nur eingebildet“. Sie löschte die große Lampe und das Bad fiel wieder in ein seichtes Licht.
Zurück im Schlafzimmer schloss sie die Tür und legte sich wieder auf den Boden neben das Bett.
Sie drehte sich so auf die Seite, dass sie ins Bad sehen konnte.
Nachdem sie einige Minuten auf die Glasbausteine gesehen hatte und nichts passiert war, schloss sie die Augen. Das Gefühl, beobachtet zu werden war zwar immer noch da, aber sie schob es nun auf ihr sowieso ziemlich angekratztes Nervenkostüm.
Sie öffnete die Augen. Irene wusste nicht, ob sie schon eingeschlafen war, es war jedenfalls immer noch dunkel. Ihr Blick fiel auf die Glasbausteine.
Ruckartig setzte sie sich auf und bereute dies im selben Augenblick als ein stechender Schmerz ihren Rücken durchfuhr.
Der Schatten war wieder da, aber dieses Mal schien er größer zu sein, als sie ihn in Erinnerung hatte.
Auch ihre Hoffnung dies könnte eine Katze sein zerplatzte nun wie eine Seifenblase, die Konturen erinnerten eher an einen Engel mit ausgebreiteten Flügeln. Ein ziemlich kleiner Engel.
Und dieses Ding starrte sie durch die Wand an, dessen war sie sich nun ziemlich sicher.
Und wieder ging nicht die kleinste Bewegung von dem Schatten aus.
Trotz allem - oder gerade deswegen - was sie in den letzten Jahren mitgemacht hatte, spürte sie nun eine lähmende Angst in sich aufsteigen. Mit einem Schlag war nun die Müdigkeit von ihr abgefallen.
„Das ist keine Einbildung“, dachte sie und ihr Körper verspannte sich schmerzhaft.
Sie war unfähig, sich zu bewegen, stierte auf die Stelle hinter der Wand, der Wand die sie von dem Schatten auf der anderen Seite trennte.
Sie spürte das Herz in ihrer Halsschlagader klopfen, der Hals war furchtbar trocken und sie spürte den kalten Schweiß in ihren Händen.
Niemals vorher hatte sie solch eine Angst verspürt. Bei Fred wusste sie zwar nicht, was genau auf sie zukam, aber sie wusste mit wem sie es zu tun hatte.
Das Ding auf der anderen Seite schien so fremdartig zu sein, dass sie einfach keine passende Erklärung für diesen Schatten auf der anderen Seite fand.
Sie hatte Angst davor ihre Augen auch nur für einen Wimpernschlag zu schließen, Angst, dieses Scheusal könnte durch die Wand kommen und ihr Schmerzen zufügen, von denen sie nicht mal ahnte, dass sie existierten.
Nach einigen Sekunden konnte sie die Augen nicht mehr offen halten. Sie kämpfte gegen ihre Lähmung an und schloss die Augen und hielt sie geschlossen. Nichts passierte.
„Da ist nichts, da ist nichts, da ist nichts“, sagte sie langsam zu sich selbst und öffnete dann wieder die Augen.
Pfeifend entwich die Luft aus ihrer Lunge, als sie auf die Glasbausteine starrte.
Der Schatten war weg.
„Das kann einfach nicht….wahr sein“ sagte sie und drehte sich hastig in alle Richtungen um sich zu vergewissern, dass nichts hinter in ihr war.
Soweit sie in dem dunklen Schlafzimmer erkennen konnte war dort nichts. Trotzdem sprang sie so schnell auf, wie es ihre schmerzenden Muskeln zuließen und schaltete das Licht ein.
Es war nichts zu sehen, auch unter dem Bett nicht, nachdem sie sich mutig hinuntergebeugt hatte.
Blieb nun abermals das Badezimmer zu überprüfen.
Sie wollte das nicht tun, alles in ihr schrie, wegzulaufen. Aber dazu musste sie durch das Badezimmer, es gab keine weitere Tür in ihrem Schlafzimmer.
Sie schaute auf die gelben Filzpantoffeln am Boden.
Irgendwie schien ihr das nun nicht mehr die geeignete Waffe zu sein.
Ihr Blick fiel auf den Kerzenleuchter, der seit Jahren nun schon auf der Fensterbank stand.
Manchmal vergisst man Dinge, wenn man sie jeden Tag sieht. Sie sind zwar da, aber man nimmt sie nicht mehr als solche wahr.
Sie nahm ihn herunter und er fühlte sich sehr schwer in ihrer Hand an, dieses riesige, hässliche Ding hatte er eines Tages angeschleppt und seitdem stand es dort und mit Schrecken fiel ihr auf, dass sie nie bemerkt hatte, dass er dieses Ding vielleicht für sie mitgebracht hatte und eines Nacht vielleicht danach gegriffen hätte, während sie ruhig schlief…
Dieser Schatten war allerdings so Furcht einflößend gewesen, dass sie sich selbst mit einer Schusswaffe nicht sicherer gefühlt hätte.
Sie versuchte ihren Mut zu sammeln, bevor sie auf die Tür, die sie vom Bad trennte, zuging.
Dieser Versuch fiel allerdings eher jämmerlich aus, sie zitterte am ganzen Körper, und der Kerzenhalter in ihrer Hand vibrierte von den unkontrollierten Zuckungen.
Sie drückte langsam die Klinke herunter, welche ihr beinahe aus der verschwitzen Hand glitt.
Sie öffnete die Tür und rechnete fest damit, dass sie etwas anfallen würde, aber kein Untier lauerte hinter der Tür. Auf Zehenspitzen ging sie hinüber zum Lichtschalter. Sie wollte diesen Raum so wenig wie möglich berühren, wollte eigentlich gar nicht in ihm sein. Helles Licht floss durch den Raum, nachdem sie den Schalter gedrückt hatte. Der Schrecken blieb aber als dicker Kloß in ihrer Kehle zurück und auch mehrfaches Schlucken half nicht, ihn zu vertreiben.
Soweit sie mit einem schnellen Blick durchs Bad ausmachen konnte war dort nichts.
„Nein, ich weiß was ich gesehen habe“, dachte sie und kniete sich langsam hin, um unter die Wanne zu sehen.
Nichts.
Sie schaute zum Fenster, draußen begann es bereits zu dämmern. Der Tagesanbruch schaffte dies, was sie selbst nicht vermochte, er begann ihren Schrecken zu lindern, alles würde gut werden, wenn die Sonne erst aufgegangen war.
So stand sie da mit dem Kerzenhalter in der Hand, verharrte auf der Stelle, unschlüssig, was sie nun tun sollte.
Ihr Kopf fühlte sich nun schwer an, bleierne Müdigkeit kehrte nun in ihren Körper zurück.
Sie atmete tief durch.
„Wahrscheinlich war es diese verfluchte Beruhigungsspritze“, dachte sie und wollte soeben das Licht löschen, als in ihrer unmittelbaren Nähe ein Geräusch erklang.
Und dieses Geräusch kam von oben.
Von der Decke.
Sie erstarrte augenblicklich.
Adrenalin schoss durch jede kleinste Pore ihres Körpers.
Ihre Augen waren starr auf die gegenüberliegende Wand gerichtet. Unbewusst hielt sie den Atem an. Dieses Geräusch kam ihr auf grauenhafte Weise bekannt vor.
Augenblicklich wurde ihr klar, dass sie sterben würde, wenn sie zur Decke hinauf sehen würde.
Ihr Gehirn würde sich jäh weigern diese Information, dieses Grauen, das, was einfach nicht existieren darf, anzunehmen und mit sofortiger Wirkung seine Dienste einstellen.
Kein Mensch konnte so was ertragen, niemand würde es überleben, das zu erblicken, was aus den tiefsten Abgründen der Hölle heraufgekommen war, um sie daran zu erinnern, dass sie niemals im Leben und durchaus nicht im Tode frei sein würde.
Ihre Muskeln gaben nach, der Kerzenhalter fiel polternd zu Boden, streifte ihren Fuß und hinterließ eine klaffende Wunde in ihrem dicken Zeh, aber den Schmerz spürte sie nicht.
Langsam hob sie resignierend ihren Blick und hieß den Tod willkommen.

 

Hallo Sumpfkuh,

erstmal muß ich sagen, dass deine Geschichte viele Kommafehler hat. Ich hoffe, es kommt noch jemand, der sie dir raussucht. Ich bin da zu faul zu. :D

Die dreiundfünfzig Jahre gingen nicht spurlos an ihr vorüber, sie wirkte eher wie weit über sechzig.
waren nicht spurlos vorüber gegangen

Sie war so dünn und wirkte sehr zerbrechlich und so fühlte sie sich auch.
"sehr" streichen

Sechsunddreißig Jahre Schläge, Bisse, Quälereien psychisch und physisch.
Ich würd das umstellen: "psychische und physische Quälereien"

er war ein Sadist gewesen.
streichen. Show, don´t tell.

Alles, was sie sich von ihrem Leben erträumt hatte, alles was sie sich wünschte, nichts als Trümmer waren geblieben.
schön.

Anfangs hatte sie sich in Tagträume geflohen, dort war es immer schön, er brachte ihr Blumen mit und küsste sie sanft auf die Stirn wenn sie abends gemeinsam gegessen hatten.
der Satz gefällt mir so nicht:
"Anfangs hatte sie sich in Tagträume geflohen, in denen er ihr Blumen mitbrachte und sie sanft auf die Stirn küsste, wenn sie abends gemeinsam gegessen hatten."

Sie wollte sich gerade auf die andere Seite drehen als, sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm.
Das Komma hier zB ist ganz falsch.

Sie wohnten zwar in Waldnähe, weil Fred die Abgeschiedenheit liebte.
"zwar" streichen

Bin wie bei deiner letzten Geschichte auch hier sehr unschlüssig, wie ich da Ende finden soll. Also, der Anfang und die Beschreibung ihrer "Ehe" haben mir sehr gefallen.
Ich mag aber offene Enden aus Prinzipip nicht, außerdem verstehe ich wirklich nicht, wie sich der zweite Teil auf den ersten bezieht. Kommt Fred durch die Hölle zurück, um seine Frau zu holen? Oder ist da einfach so ein Monster im Bad aufgetaucht?
Das Symbol der Glasbausteine hast du gut eingesetzt. Das sie nur dahindurch diese Kreatur erkennen kann. Ansonsten war diese Geschichte trotz der Spannung, die zwischenzeitlich aufgebaut wurde, nicht so mein Fall.

Grüße
Eike

 

Hallo Eike!
Schade, das dir die Geschichte nicht so gefallen hat.
Am Anfang hatte ich eigentlich nur den Titel im Kopf. Wie das so ist kommt man dann vom Hölzchen auf`s Stöckchen.
Wegen den Komma Fehlern werde ich noch mal jemanden dransetzten der sie korrigiert :-).
Ich dachte eigentlich, das der Satz "...sie würde niemals frei sein...", am Ende genug Raum für Interpretationen lässt, aber schon darauf hinweist, dass es was mit dem toten Fred zu tun haben muss.
Vielleicht war Fred ja gar nicht brutal, sondern nur zu Lebzeiten von einem Dämon besessen der nun in seinem eigenen Körper zurückgekehrt ist.
Oder Fred hat sich über seinen wenig ruhmreichen Abgang so geärgert, das er noch mal zurück gekommen ist.
Wer weiß das schon so genau.
Aber bei der nächsten Geschichte versuche ich dann mal ohne offenes Ende auszukommen :D

Gruß,
Sumpfkuh

 

Hallo Sumpfkuh,

erstmal herzlichen Glückwunsch zu deinem Pseudonym. :D

Bei der Frage offenes Ende oder nicht würde ich mich nicht beeinflussen lassen, das ist absolut Geschmackssache, was Eike in seiner Antwort ja auch andeutet:

Ich mag aber offene Enden aus Prinzip nicht

Wenn du da Lust drauf hast und glaubst, dass es zur Geschichte passt, dann mach das auch so, versuch jetzt nicht krampfhaft einem offenen Schluss aus dem Weg zu gehen.

Ich fand die Geschichte recht gut bis auf die nicht wirklich schlüssig zu beantwortende Frage, wer denn nun Irenes Mörder/Henker ist. Du schreibst von einer animalischen Form und implizierst, dass der Zombie-Ex zurückgekehrt ist, um sich für den Giftmord zu rächen. Na ja, aber was denn nun genau? Da ist Eike zurecht verwirrt, wenn er fragt:

Kommt Fred durch die Hölle zurück, um seine Frau zu holen? Oder ist da einfach so ein Monster im Bad aufgetaucht?

So weit geht die Liebe zum offenen Ende dann auch nicht. ;)

Und aus dem Schlusssatz würde ich das "resignierend" streichen und durch die leere Menge ersetzen. Ich persönliche resigniere, wenn ich zum fünften Mal versucht habe, irgendeine Software zu installieren und es immer noch nicht klappt. Wenn ein untoter Ex from beyond the grave über mich herfällt, erscheint es mir als Understatement, lediglich "resigniert" den Blick zu heben. Das Adjektiv nimmt hier die Wucht aus dem Satz, und da es sich um den Schlusssatz handelt, wirkt sich das verwässernd auf die gesamte Geschichte aus.

Gruß,
Proof

 

Hey Proof!

Danke für deine Kritik :D .
Aber hey- hab ich irgendwas von Giftmord geschrieben??
Der Typ hatte einfach einen ganz banalen Herzinfarkt, oder Schlaganfall, oder was auch immer.
Okay, ich sehe ein, dass ich zumindest hätte schreiben sollen, was es denn nun eigentlich mit dem Viech auf sich hat.
Ich werde versuchen mich zu bessern, habe nur Angst, dass solche Beschreibungen der geschichte den Grusel nehmen.

Gruß,
Sumpfkuh

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom