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Gleis Acht

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04.11.2003
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Gleis Acht

Heute war wieder Montag, endlich. Hans-Jürgen freute sich immer auf den Montag. In der Woche war einfach mehr los im Bahnhof als sonst. Er liebte den Bahnhof. Für ihn war der Bahnhof wie das Leben.
Also ging er den Weg, wie er ihn jeden Wochentag ging. Seine Schritte lenkten ihn als Erstes zu dem kleinen Bäcker vorne rechts. Das Lächeln der Frau, die ihm das Bestellte über den Tresen reichte. Sie könnte seine Tochter sein, dachte er jedes Mal. Er erwiderte die Freundlichkeit mit einem "Danke" und setzte sich an einen der kleinen Tische.
Langsam aß er sein Brötchen, trank seinen Kaffee und überlegte wo er heute als Erstes hingehen würde. Gleis acht, ja, Gleis acht war gut heute. Gleis acht, da kamen die Vorortszüge an. Er mochte dieses Gleis. Die Ironie der nicht mehr so neuen Züge von Gleis acht und die hastenden, modernen Menschen, die schnell ihrer Arbeit entgegeneilen müssen. Die nicht stehen bleiben dürfen, wie eine alte Lok, die ausrangiert wird. Reparatur lohnt sich eben nicht mehr. Ja, Gleis acht.
Hans-Jürgen wischte sich den Mund mit einer Serviette ab und schob das Tablett samt Tasse und Teller voller Brötchenkrümel in den Sammelwagen und ging in Richtung Gleise. Freundlich wurde er von den Mitarbeitern gegrüßt, die ihn kannten.
"Guten Morgen, Herr Michels. Und, wo geht's heute hin?", fragte ihn ein Zugbegleiter.
"Zu Gleis acht", antwortete er.
"Oh, na denn viel Spaß!"
Er ging weiter, freute sich schon.
Langsam ging er die Treppe Gleis hinauf. Wurde überholt von den Menschen, die noch schnell den nächsten Zug bekommen mussten. Hektik gehörte eben dazu, wenn auch nicht mehr zu seinem Leben. Er konnte sich die Zeit nehmen die Stufen nicht hinaufzueilen. Hans-Jürgen würde sich denn auf eine Bank setzen und den Menschen auf dem Weg zur Arbeit zusehen. Er mochte das, es gehörte zum Leben. So wie er mal zum Leben gehört hatte. Als er noch arbeiten konnte, vor seiner Pensionierung. Nun vermisste er etwas und Fernsehen war ihm zu langweilig. Fernsehen war für ihn Leben aus der Konserve. Geheucheltes Lachen in Plastikgesichtern. Nein, nichts für Hans-Jürgen.
Und so saß er auf seiner Bank und sah den hetzenden Menschen nach, hörte die Flüche, wenn jemand den Zug verpasste, das nervöse Auf-die-Uhr-sehen, wenn es wieder einmal eine Verspätung gab.
Das war für ihn Leben, ungeschminkt und ehrlich.
Der zwölf-Uhr-dreizehn Zug rollte ein. Heute war er pünktlich. Das Zeichen für Hans-Jürgen sich ein kleines Mittagessen zu gönnen. Er erhob sich, zupfte sich seinen langen Mantel zurecht und schritt in Richtung Treppe.
Meistens aß er etwas Warmes, wenn es noch so kühl war, wie heute. Schließlich war ja noch nicht Sommer. Das gehörte eben dazu. Also gab es heute den Mittagstisch in dem kleinen Bistro. Schnitzel mit Pommes frites und Salat.
Sollte er heute noch zu Gleich drei? Gleis drei war das Gleis, wo die Fernzüge an- und abfuhren. Die Begrüßungsszenen von Menschen, die sich lange nicht gesehen hatten. Die Tränen und Küsse. Aber auch die Tränen des Abschieds. Die machten ihn immer auch melancholisch. So wie er Abschied nehmen musste in den vielen Jahren, die er nun schon lebte.
Er stocherte in seinem Essen herum, schnitt kaum einmal einen Bissen ab von seinem Schnitzel.
Nein, Gleis drei war heute wohl eine schlechte Idee.
Er würde nach Hause gehen, das Radio anmachen. Nicht zu laut, die freundlich lächelnde Schwester würde ihn sonst nur wieder auf seinen Zimmergenossen aufmerksam machen. Der braucht nun mal viel Schlaf, das sehen Sie doch ein, Herr Michels. Ja, er würde es wieder einsehen, in den Gemeinschaftsraum gehen und sich wieder einsam fühlen.

 

Hi Lemmi,

er lebt irgendwo, wo es auch eine Krankenschwester gibt, also in einem Altersheim?
Wieso frühstückt und ißt er auch Mittags nicht dort, sondern gibt tagtäglich Geld dafür aus?
Ein weiteres Rätsel ist für mich, wie er stundenlang - außer im Sommer - auf kalten, zugigen Bahnsteigen sitzen kann? Ich bin immer froh, wenn ich da nicht stehen oder sitzen muss, weil es furchtbar ungemütlich und eisig kalt sein kann.

Ansonsten hat mich der Text auch nicht sonderlich angesprochen. Ich weiß einfach zu wenig von Hans-Jürgen als dass ich mit ihm mitlebe. Auch liegt es ein Stück weit daran, dass es schon soviele Geschichten von alten Menschen gibt, die sich alleine fühlen. Das scheint ein Thema zu sein, was viele anzieht ;).

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo bernadette,

Danke für's Lesen erst einmal.

Er gibt dafür Geld aus, weil er eben noch ein wenig am Leben teilhaben will. Von aller Welt verlassen halt und sucht sich da einen Ausgleich.

Soll jetzt keine Ausrede sein, aber das ist meine erste Geschichte nach etwa 2 Jahren Schreibabstinenz. Da bin ich doch schon froh, dass die erste Kritik nicht gleich ein totaler Verriss war. Oder war es ein gut verpackter und ich habe das nicht mitbekommen?! Wie auch immer, ich hoffe ich komme da jetzt wieder rein und bringe wieder mal mehr zu Papier. Das hier ist halt eher eine Fingerübung gewesen. ;)

Gruß
Lemmi

 

Hallo Lemmi,

hat mir gut gefallen deine Geschichte. Wahrscheinlich deshalb, weil ich mit dem `Kippensammler` vor kurzem etwas sehr ähnliches hier geschrieben habe. Darf ich meinen Sammler mal zu deinem Hans-Jürgen in den Bahnhof schicken? Die zwei würden sich gut verstehen, glaube ich.

Ich finde du hast die Einsamkeit und Isoliertheit von Hans-Jürgen schön aufgezeigt.
Leider, leider gefällt sie mir besser als meine eigene Geschichte zu diesem Thema :hmm:

Bernadette: Endlich mal eine Erklärung, warum meine kg zu diesem Thema so wenig Resonanz hatte (die andere Erklärung könnte natürlich sein, dass sie einfach fast keinem gefällt :D ), ist mir erst mit Lemmis Geschichte aufgefallen, dass das Thema öfter vorkommt. Ich denke aber, dass dieses Thema noch viel mehr an Bedeutung bekommen wird.
Ich musste dabei oft an meine Oma denken, die auch sehr einsam vor sich hinlebt. Einsamkeit macht mir irgendwie Angst.

 

Hallo StBSchwarz,

auch dir erst einmal Danke für's Lesen.

So ein Kritik baut mich doch mal richtig auf. Das macht Mut und gibt Ansporn wieder ans Schreiben zu kommen.

Gruß
Lemmi

 

Hallo Lemmi

Hmm, die Erzählung über einen ganz normalen Tag von Herrn Michels.
Leider mit sehr wenig Begebenheiten, die einen fesseln oder nachdenklich stimmen würden.

Er ging weiter, freute sich schon.
Ich mich auch, auf was da so kommen könnte.
Kam aber nix, schade.
Vielleicht arbeitest du noch einige Details heraus?
Die ältere Getränkewagenverkäuferin, die immer mit dem IC305 auf Gleis acht einfährt und ihm die restlichen Brötchen schenkt.
Oder der Zeitungsjunge mit dem Klumpfuss und den Paninibildchen? oder ... ach dir fällt sicher noch was ein, was dem Leser (dem hastenden Alltagsmenschen) nie auffallen würde.

So bleibt der Ausschnitt aus dem Tag von Herrn Michels relativ blass und farblos.

Sollte er heute noch zu Gleich Drei?
Gleis Drei.
Vielleicht kannst du dabei auch die Wortwiederholung (dreimal Gleis) etwas entschärfen.

Lieben Gruss und alles Gute zum Geburtstag
dot

 

Hallo dotslash

danke für's Lesen, für die Rechtschreibfehlerfindung und ganz besonders für den Geburtstagswunsch.

Die Geschichte war ein ziemlicher Schnellschuß nach 2 Jahren Schreibblockade- und abstinenz und deswegen nicht so geworden wie ich sie mir selbst vorgestellt habe. Deswegen verzeihe mir die Fehler und mangelnde Tiefe, ich weiß selber, dass es nicht meine beste Geschichte ist.

Gruß
Lemmi

 

Hallo Lemmi,

ich fand deine Geschichte toll. Sie macht mich nachdenklich. Zudem deutest du bestimmte Sachen nur an, so dass für den Leser noch ein bisschen Raum zum Interprtieren bleibt.
Eine kleine Meckerliste kommt aber noch per PN.

Ciao

Onkel MiK

 

Hallo MiK,

danke für's Lesen und Tollfinden.

Ich habe dir auch per PN geantwortet ;)

Gruß
Lemmi

 

Hallo, Lemmi,

bitte denk´jetzt nicht, ich hätte dich nach dem Lesen deines Kommentars zu meiner mehr oder weniger humorvollen Geschichte erst mal "unter die Lupe nehmen" wollen. Ich stöbere jetzt fast jeden Tag hier herum, lese eure Geschichten und die Kommentare dazu - da kann man nur lernen -, und da hat mich einfach interessiert, mit welchen Themen du dich schreiberisch so beschäftigst.

Gelesen habe ich die Geschichte "Gleis Acht". Und sie gefällt mir richtig gut!
Ich habe die Situation des alten Mannes spüren können und war berührt davon. Ich hatte das Gefühl, du magst ihn sehr, diesen wohl auch traurigen, aber nicht wirklich verzagten Hans-Jürgen Michels. Schließlich hätte er auch die Alternative gehabt, in seinem Altersheim (ich hatte mehr ein Krankenhaus vor Augen, aber das ist ja wurscht) vor sich hin zu dämmern und/oder sich trotzig von jeglichem Leben zurückzuziehen. Er aber entscheidet sich für den Bahnhof mit all den Möglichkeiten dort, sich - auf ganz eigene Art - mit Menschen zu befassen. Ein alter Mann, der sich, wie man annehmen muss, weder auf Familie noch auf Freunde stützen kann und, wenn auch aus der Distanz, dennoch sein Interesse an Menschen bewahrt, ist eigentlich, jedenfalls meiner Ansicht nach, nicht einfach bloß zu bemitleiden, sondern (mindstens) auch zu bewundern. Er hat sich mit dem Bahnhof einen Ort gesucht - an dem er sich zwar nicht so wohlfühlen kann wie etwa in der Familie eines erwachsenen Kindes am Kaffeetisch -, der ihm, wenn auch nur erstzweise, doch zu entsprechen scheint. Vielleicht war er schon immer ein Eigenbrötler, eher ein Beobachter als ein Kommunikationsgenie. Deine Figurenzeichnung lässt diese Überlegung zu, finde ich. Wie du seine spärlichen, aber doch vorhandenen Kontakte zu der Bäckereiverkäuferin und zu den Bahnhofsmitarbeitern beschreibst, deutet die Möglichkeit an, dass dein Herr Michels SEHR viel mehr gar nicht will/braucht. Mich hat es jedenfalls gefreut für ihn, dass diese Menschen ihm freundlich begegnen, sich weder über ihn lustig machen noch sich irgendwie von ihm belästigt fühlen - das nimmt seiner Einsamkeit, die ja immer durchblitzt, ein gutes Stück Trostlosigkeit.

Auch wie du auf das Ende der Geschichte zusteuerst und es dann realisierst, gefällt mir zunächst. Selbst an diesem - welchem auch immer - offenbar ziemlich tristen Ort, an dem er lebt, sucht er sich seine kleine Freude und seinen Bezug zur "Welt" im Radio, auf das er sich freut wie nach getaner Arbeit. Auch wenn da immer eine Schwester ´rumzickt und sein Mitbewohner zu nichts zu gebrauchen ist. Und weil ich das so empfunden hatte, erschrak ich richtig, als ich schließlich ganz unten las: "...und sich wieder einsam fühlen". Ich dachte so: Warum lässt er seinem alten Freund nicht die paar Farbtupfer in dessen sonst wenig buntem Alltag?! Wenn du geendet hättest mit "Ja, er würde es wieder einsehen UND (EBEN) IN DEN GEMEINSCHAFTSRAUM GEHEN", hätte mir das als Hinweis auf ein gewisses (zu Michels ja auch passendes) Maß an Resignation gereicht. Meine Idee dazu: Lass doch Hans-Jürgen sich - auch oder gerade in einem öden Gemeinschaftsraum - ein wenig auf den nächsten Tag mit Kaffee, Käsebrötchen, netten Worten anderer Leute, dem Beobachten der im Alltagsstress gefangenen Menschen an den vielen Bahngleisen freuen! Natürlich nicht als krampfiges Hppyend, denn ein deutlicher Eindruck relativer Einsamkeit muss tatsächlich auch zum Schluss noch bleiben und käme bei meiner (oder einer ähnlichen) Variante trotzdem ´rüber - aber Herrn Michels (und der Stimmigkeit der Figur?) zuliebe.

Und jetzt bitte ich dich richtig, meine reichlich verfrühte (oder verspätete, ganz wie du willst) Weihnachtsgeschichte mal zu lesen. (Falls du sie findest.) Denn es geht darin auch um einen alten Mann.

Sei gegrüßt,
MUJ

 

Hallo MUJ,

wow, was für ein Kommentar. Danke für deine ausführliche Beschreibung, so viel hätte ja noch nicht einmal ich da hineininterpretieren können :D
Danke dafür, für's Lesen und Ausgraben, für's Gutfinden und Interpretieren und die neuen Ideen. :kuss:
Ich denke ich werde den Schluß so lassen wie er ist, ich glaube nicht, dass ich mich da noch einmal reindenken kann. Ich habe die Geschichte innerlich schon zu sehr abgehakt.

Liebe Grüße
Lemmi

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Lemmi,

habe deine Geschichte gelesen.
Vom Grundgedanken finde ich sie nicht schlecht.
Nur ist es mir ein Rätsel, wie ein Mensch, welcher allem Anschein nach in einem Altenwohnheim wohnt, zusätzlich noch in einem Doppelzimmer (Einzelzimmer sind teurer, der Tagessatz liegt, je nach Art des Hauses, zwischen 150 und 200 Euro am Tag) das Geld hat, Tag für Tag essen zu gehen.
Dieser Mann ist, deiner Beschreibung nach, noch relativ selbstständig. Er macht auch nicht direkt den Eindruck als wenn er eine Pflegestufe hätte oder einen Betreuer benötige.
Leidet der Mann in deiner Geschichte vielleicht unter einer Psychischen Störung?
Ich finde deine Geschichte ein wenig unrealistisch aber nicht schlecht.
Viele Grüße
Alexandra

 

Hallo j-alexandra,

danke für's Lesen und deinen Kommentar. Über die Logik der Geschichte, eben beispielsweise, ob das finanziell passen könnte, habe ich mir, ehrlich gesagt, keinerlei Gedanken gemacht. Ich war froh nach langer Zeit endlich wieder was geschrieben zu haben und zu sehen, dass ich es wohl auch noch kann. Deswegen sorry wegen des logischen Fehlers, ich gebe dir da durchaus Recht, das passt nicht so ganz. Beim nächsten Mal gebe ich mir mehr Mühe ... versprochen ...

Gruß
Lemmi

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Lemmi!

Beim nächsten Mal gebe ich mir mehr Mühe ... versprochen ...
Also ich finde die Geschichte sehr ausbauwürdig. Die Grundidee ist gut – mal kein Obdachloser oder frustierter Teenager, der da seine Zeit sinnlos am Bahnhof verbringt, sondern ein Rentner, der dort das Leben sucht.

alexandra schrieb:
zusätzlich noch in einem Doppelzimmer (Einzelzimmer sind teurer, der Tagessatz liegt, je nach Art des Hauses, zwischen 150 und 200 Euro am Tag)
Ich nehme mal an, daß es nicht nur bei uns so ist, daß es Heime gibt, die Pflegeheime sind, und solche, die Alten-Wohnheime sind. Zumindest bei unseren Altenwohnheimen sind Einzelzimmer Standard, Doppelzimmer sind für Ehepaare. In den Pflegeheimen schaut es freilich anders aus, aber dafür ist der Protagonist ja tatsächlich zu rüstig.
Und es wäre ja kein Problem, ihn zu Mittag im Heim essen zu lassen. Eine Kleinigkeit beim Bäcker für den Vormittag (Frühstück im Heim) kann er sich schon leisten.

Was ich Dir aber viel mehr ans Herz legen will, ist, die Beobachtungen und die aufkommende Melancholie …

Die Begrüßungsszenen von Menschen, die sich lange nicht gesehen haben. Die Tränen und Küsse. Aber auch die Tränen des Abschieds. Die machten ihn immer auch melancholisch. So wie er Abschied nehmen musste in den vielen Jahren, die er nun schon lebte.
… mit einem richtig schönen Rückblick zu verbinden, in dem er sich an etwas erinnert, was ihn so mit den Zügen bzw. dem Bahnhof verbindet. Etwas, wodurch der Leser weiß, was die Melancholie ausmacht, welche Gefühle er in seinem Inneren hat. Von wem mußte er in den vielen Jahren Abschied nehmen? Oder vielleicht eine Kindheitserinnerung, die erste große Liebe, was auch immer Dir einfällt, was ihn mit den Zügen so verbindet und dabei melancholisch macht.
Die Stelle mit den hetzenden Menschen würde ich dafür kürzen, den Mann auch schon zeitlich früher zum Gleis drei gehen lassen.
Das wäre zwar eine ziemlich große Baustelle, aber wenn Du die Geschichte als Fingerübung abtust, wäre es schade um die Idee mit dem Alten. Auf welcher Seite ist die Waage jetzt schwerer? ;)

Ich leg noch ein Gewicht drauf: Wenn Du die Geschichte so richtig herausputzt, hast Du nachher sicher Freude damit, und die hilft beim Schreiben der nächsten noch viel mehr. :)

Auf jeden Fall hab ich noch ein paar Kleinigkeiten:

»Seine Schritte lenkten ihn als erstes zu dem kleinen Bäcker, vorne rechts.«
– als Erstes
– ohne Beistrich nach Bäcker

»Ein Brötchen mit Käse und einen Kaffee trank er denn.«
– er trank also ein Brötchen? ;) Zudem klingt der Satz verdreht. Vorschlag: Er aß ein Brötchen mit Käse und trank einen Kaffee, oder: Ein Brötchen mit Käse aß er und trank einen Kaffee (dazu).

»Das Lächeln der Frau, die ihm das Bestellte über den Tresen reichte. Sie könnte seine Tochter sein, dachte er jedes Mal. Er erwiderte die Freundlichkeit mit einem "Danke"«
– Auch hier wäre eine Möglichkeit, mehr in die Tiefe zu gehen. Was ist mit der Tochter, woran denkt er, wenn er an seine Tochter denkt?

»Langsam aß er sein Frühstück, trank seinen Kaffee und überlegte wo er heute als erstes hingehen würde.«
– als Erstes (Wiederholung)
– Hm, jetzt ißt und trinkt er gleich noch einmal. Ich würde den Satz von vorher (»Ein Brötchen mit Käse und einen Kaffee trank er denn (dann?)«) streichen und stattdessen hier schreiben: Langsam aß er sein Brötchen mit Käse, trank …

»Gleis Acht, ja, Gleis Acht war gut heute.«
– Gleis acht (kommt dann noch vier Mal, und Gleis drei kommt drei Mal, wenn ich mich nicht verzählt hab. Daß es sich ein paar Mal wiederholt (und noch ein paar weitere Gleise im Text stehen), muß ich jetzt nicht dazusagen, oder? *hüstel* Zwischen den Gleisen sind ja z. B. auch noch die »Bahnsteige«, oder man kann auch einmal »Schienen« sagen … ;)

»Die nicht stehen bleiben dürfen, wie eine alte Lok, die ausrangiert wird.«
– Vergleicht er sich irgendwie mit der Lok? Wenn ja, dann würde ich das auch noch im ein paar Wörter ausbauen.

»Reparatur lohnt sich eben nicht mehr.«
– Wenn der Lok-Vergleich einer mit Hans-Jürgen sein soll, würde mich natürlich dann auch interessieren, ob und wie das mit ihm zusammenhängt. Es klingt so, als würden sie ihm aufgrund seines Alters irgendwas nicht mehr operieren. – Aber ich kann das natürlich auch zu weit hergeholt haben.

»"Guten Morgen Herr Michels.«
– Morgen, Herr

»Langsam ging er die Treppe zum Gleis hinauf.«
– hier kannst Du »zum Gleis« überhaupt streichen – man weiß ja schon, wohin er geht.

»Wurde überholt von den Menschen, die noch schnell den nächsten Zug bekommen mussten.«
– Warum die Menschen laufen, kann man sich eigentlich auch denken; wie wär’s mit ein bisschen show? Z. B.: Menschen rannten an ihm vorbei, er drückte sich zur Seite, ging entlang der Wand.

»Hektik, die gehörte eben dazu,«
– Hektik gehörte eben dazu, …

»Er konnte sich die Zeit nehmen die Stufen nicht hinauf zu eilen.«
– nehmen, die Stufen nicht hinaufzueilen (zusammen)

»Hans-Jürgen würde sich denn auf eine Bank setzen und den Menschen auf dem Weg zur Arbeit zusehen. Er mochte das, es gehörte zum Leben. So wie er mal zum Leben gehört hatte. Als er noch arbeiten konnte, vor seiner Pensionierung. Nun vermisste er etwas und Fernsehen war ihm zu langweilig. Fernsehen war für ihn Leben aus der Konserve. Geheucheltes Lachen in Plastikgesichtern. Nein, nichts für Hans-Jürgen.
Und so saß er auf seiner Bank und sah den hetzenden Menschen nach,«
– Statt dem würde-Satz könntest Du ihn auch gleich setzen und den Menschen zusehen lassen.
– würde hier »mal« ausschreiben: So, wie er einmal …

»das nervöse Auf-Die-Uhr-Sehen, wenn es mal wieder eine Verspätung gab.«
– Auf-die-Uhr-Sehen
– auch hier würde ich »einmal« vorziehen: wenn es wieder einmal eine Verspätung gab

»Das war für ihn Leben, ungeschminkt und ehrlich.«
– Wenn Du meinem Vorschlag von oben, bei der Stelle ein wenig zu kürzen, nicht folgst, würde ich hier ganz gerne wissen, warum gerade diese Hektik Leben für ihn bedeutet. Du erzählst zwar ein paar Sätze lang, daß es so ist, aber ich kann es nicht nachvollziehen, weil richtiges Leben für mich etwas anderes ist, als die Hektik von Menschen, die zur Arbeit unterwegs sind. Vielleicht sind ja hier irgendwelche Erinnerungen? Ein Park zum Beispiel wäre ja dem Leben viel näher, da spielen Kinder, treffen sich verliebte junge Menschen, usw. Daß es gerade der Bahnhof ist, hat doch sicher einen tieferen Grund?

»Der zwölf Uhr dreizehn Zug rollte ein.«
– Zwölf-Uhr-dreizehn-Zug

»Meistens aß er was Warmes, wenn es noch so kühl war wie heute.«
– würde »etwas« statt »was« schreiben
– war, wie

»Schließlich war ja auch noch kein Sommer.«
– nicht nicht Sommer; das »auch« würde ich streichen: Schließlich war ja noch nicht Sommer.

»Schnitzel mit Pommes Frites und Salat.«
– scheint ja erstaunlich gesund zu sein, der Mann. Trotzdem ißt er nach neuer RS »Pommes frites«

»Die Begrüßungsszenen von Menschen, die sich lange nicht gesehen haben.«
– gesehen hatten

»Er stocherte in seinem Essen rum, schnitt kaum mal einen Bissen ab von seinem Schnitzel.«
– »herum« und »einmal« fände ich schöner
– stochert man nicht eher z. B. in einem Nudelgericht herum, als in einem Stück Fleisch? Alternativ könntest Du ihn auch lang darauf herumkauen lassen.


Liebe Grüße,
Susi :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Häferl,

erst einmal Danke für deine ausführliche Kritik und deine Anmerkungen. Ich werde deinen Text jetzt einfach mal ausdrucken und mir denn mal die Geschichte noch mal vornehmen. Die Ideen und deine Gedanken dazu hören sich zu gut an um sie einfach unbeachtet zu lassen ;) Und vielleicht bastel ich denn ja noch dran rum ...

Danke
Lemmi

 

Hallo!
Ich fand die Geschichte ebenfalls ganz nett. ich meine es ware keine sonderlich gro0ßen Überraschungen enthalten, aber sie war angenehm zu lesen.
Besonders hat mir der Satz gefallen "Das war für ihn Leben, ungeschminkt und ehrlich." Ich mochte das irgendwie..
viele Grüße,
Fanny

 

Hallo Fanny,

danke auch dir für's Lesen. Und dafür, dass es dir einigermaßen gefallen hat. Zum Überarbeiten und einfügen einer neuen Szene habe ich bisher leider noch nicht den Schwung gehabt. Häferl Kritik liegt aber in Sichtweite, ich werde da also sicherlich noch in absehbarer Zeit drüber gehen.

Gruß
Lemmi

 

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