Godzilla gegen Superman: Emil schaut zu, oder?
Da sitze ich nun am Strand, fetter werdend. Der Krapfenverkäufer teilt die Stunden in 10-Minuten-Einheiten, und alle paar Takte kralle ich ihn mir und tausche Geld, dessen Wert mir erst nach einer Rechenpause bewußt wird gegen einen Krapfen – Schokofüllung, ich Sau.
Irgendwie hat sie es mir angetan. Die hübsche mit dem kurzen Zopf. Der Strand ist in jeweils drei übereinanderliegende Terassen gegliedert, wie ein Kino mit drei Reihen (möchte noch jemand Eis, bitte?). Rein europäisches Kino, was sich vor meinen Augen abspielt: total echt und authentisch, das mit dem Wasser, aber irgendwie langweilig, Gott sei meiner Proletenseele gnädig. Ich liege also eine Stufe über dieser süßen Schweizerin, deren Haut von oben bis unten in ein gleichmäßiges Braun gefärbt ist, bis auf den linken Fuß, mit einem fetten Pflaster bestückt. Die Ärmste hatte gestern mit ihren Geschwistern eines der allseits bekannten Wasser-Schuck-Spiele gespielt. Dabei war sie recht dümmlich in einen Seeigel gestanden, weshalb sich gleich ein paar Spitzen in ihren rechten Fußballen gebohrt hatten und, wie das bei derlei Verletzungen so ist, abgebrochen waren.
Spätestens in jenem Moment hatte sich meine Investition von 70,- DM vor 3 Jahren gelohnt: ein Taschenmesser mit nicht zu viel Schnickschnack dran, dafür aber mit hochwertigen Teilen. Und ja, es war ein Schweizer Taschenmesser. Aber auch ein billigeres wäre wohl serienmäßig mit einer Pinzette ausgestattet gewesen. Wie wichtig ich doch auf einmal war...Welch ein Glück, daß es Igel gibt! Diese für europäisches Kino geradezu Emmerichsche (siehe Independence-Day, siehe Godzilla, verlerne das Sehen...) Wendung hatte mich schlagartig zum Superman gemacht – Superman gegen Godzilla, die japanische Filmindustrie horcht auf, seit Pearl Harbour dahindümpelnd wie ein leergefressener Seeigeltorso, falls man das so nennen kann. Meine Pinzette war willkommen, und ich notgedrungenermaßen auch. Was soll ich sagen? Wir kamen uns näher. Woher kommst Du, was machst Du, wenn Du nicht gerade in Igel trittst, hahaha, ein kleines Lächeln um die schmerzverzerrten Mundwinkel gezaubert usw... Schwitzerdütsch ist ja in seiner reinen Form so gut wie nicht verständlich, aber als leichter Einschlag in lutherschem Hochdeutsch äußerst sexy, also laberten wir uns gegenseitig voll, Seeigelspitzen ziehend. Und irgendwie ging das Gespräch weiter, als die letzte Spitze gezogen war, wie schön.
Sieh an, wenn mal ein Fisch an der Angel zappelt, ist es für ihn zu spät, und man kann ihn, je nach Grad der bei uns allen vorhandenen sadistischen Ader, wie ein Spielzeug hin- und herführen. So dachte ich gestern jedenfalls, und es erschien mir total wichtig, ihre Einladung für den gestrigen Abend erst mal auszuschlagen. Schließlich wollte ich den Fisch nicht verlieren und außerdem hatte ich tatsächlich bereits etwas vorgehabt gestern Abend. Was mit Grillen oder so. Sie meinte, es ginge später irgendwie nicht so gut, verlegen schauend. Pah, dachte ich, das ist der Test, ob ich klein beigebe. Ich sagte, wir schauten einmal – die Nummern hatten wir ja ausgetauscht. Natürlich wollte ich mich nicht melden. Angebissen hatte sie ja schon, wozu also Eile?
Das mit dem Grillen war erwartungsgemäß mittelcool. Der Fisch schmeckte super, da noch vor ein paar Stunden quicklebendig in der Adria über das Leben an Land philosophierend, aber man gewöhnt sich an jeden Luxus, also auch an den fantastischen Essens. Einziger Höhepunkt war der Kellner, der, leicht besoffen, behauptete, mit blutbefleckten Pinzetten ließe sich viel Geld machen in Asien, weil geile Japaner sich damit rektal stimulierten. Undsoweiter. Ich habe meine Pinzette behalten, klar.
Auf jeden Fall sitze ich heute also hier oben und schaue eigentlich auf die Terasse unter mir herab, aber in wirklich schaue ich auf mich selbst herab, lachend und mir gleichzeitig selbst leidtuend. Sonja, das süße braungebrannte Mädchen ist etwa drei Meter von mir entfernt, einen halben Meter neben ihrem heute zugereisten 2 Meter großen Typ liegend.
Ich zähle die Zeiteinheiten des Krapfenmannes nicht mehr. Wann immer ich Lust habe, bestelle ich einen. Ich warte nicht darauf, daß mir dieser Fisch auch noch durch die Lappen geht. Ich meine, 6 Kuna sind etwa 87 Cent, und wenn ich getankt habe, habe ich immer noch genug 2-Kuna-Münzen übrig, auf deren Rückseite ein fetter Thunfisch geprägt ist. So werde ich, nach Deutschland zurückgekehrt, durch nichts an meine gnadenlose Blödheit erinnert werden, es sei denn, ein rektal stimulierter Japaner namens Emil mit schweizer Dialekt macht mir für meine blutbefleckte Pinzette ein Angebot, das ich nicht ausschlagen kann. Ich tilge die Erinnerung an den Fisch an meiner Angel. Ich mache die große Systemreinigung in meinem Hirn, ich...
"Hallo? Zwei Stück bitte... mit Schokolade, ja..."
© Borna Cesljarevic, 2004