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Good day sunshine
Es klopfte.
„Mmmmh“, war alles, was ich raus bekam.
Die Tür wurde geöffnet, jemand ging schnurstracks durch das Zimmer und zog mit einem Ratsch die Rollos hoch. Träge blinzelte ich in das grelle Sonnenlicht.
„Was soll das?“, fragte ich.
„Hi Sara, ich hab was für dich“, sagte Herbert, nachdem er sich auf die Bettkante gesetzt hatte. Er reichte mir einen Zettel rüber, auf den er in seiner unnachahmlichen Kursivschrift mehrere Begriffe notiert hatte.
„Flughafen, Honig und superkalifragelistisch? Was soll ich damit?“
„Eine Ausschreibung. Schreib eine Geschichte, in der all diese Begriffe vorkommen.“
Ich schaute auf den Wecker.
„Bist du bescheuert, mich deswegen um acht Uhr zu wecken? Ich hab bis vor zwei Stunden gearbeitet.“
„Soso, an was arbeitest du denn?“, fragte Herbert und griff nach der leeren Flasche Johnny Walker, die neben dem Bett lag.
„An einem Drehbuch“, erwiderte ich pikiert.
Herbert stand auf und ging zu meinem Schreibtisch. „Was haben wir denn da? >Die Abenteuer von Ratz und Rübe<. Hört sich nach einem Actionfilm an.“ Er grinste.
„Ist für das Kindertheater von Charlotte.“
„Sara, Sara“, sagte er, „ich verstehe nicht, warum du dein Talent so verschleuderst?“
„Ich mag Kinder“, sagte ich. „Und ich mag Charlotte“, fügte ich wehmütig hinzu.
„Raus jetzt. Ich lade dich ein. Ein gutes Frühstück, dann purzeln die Ideen nur so. Wirst sehen.“ Und schon zog er mir die Decke weg. Neidisch schaute ich zu Hamlet, der zusammengerollt neben meinem Kopfkissen lag und selig vor sich hinschnurrte. Solange es nichts zu fressen gab, würde er sich nicht stören lassen.
Ich ging ins Badezimmer und unterzog mich einer Katzenwäsche. Ich habe noch nie verstanden, warum Frau sich morgens stundenlang im Bad rumtreiben soll.
„Das ging aber“, war alles, was Herbert dazu einfiel.
„Abmarsch“, sagte ich.
Trotz der frühen Stunde waren vor dem Extrablatt bereits die Sonnenschirme aufgeklappt. Eine vollbusige Bedienung nahm die Bestellung auf. Sie trug eine silberne Kette mit einem Anhänger in Form eines Flugzeugs.
„Hast du das Flugzeug gesehen?“, fragte Herbert.
„Ich hab mehr auf den Landeplatz geachtet“, antwortete ich, während ich dem Hüftschwung der Kellnerin bewundernd hinterher schaute. Ich musste an Charlotte denken. Die hat auch so einen Hüftschwung.
„Dieses Flugzeug war der größte Chrysopras, den ich je gesehen habe.“
„Der größte was?“, fragte ich und schaute Herbert mit großen Augen an.
„Ein Edelstein. Chrysopras. Kommt aus dem Griechischen und bedeutet Goldlauch. Ist zwar auf den ersten Blick grün, schimmert aber golden. Daher der Name. Musst mal darauf achten, wenn sie wieder kommt.“
Doch sie kam nicht. Wir warteten, drehten Däumchen und Zigaretten, aber nichts passierte.
Langsam wurde ich sauer. Ein Frühstück ohne Frühstück ist schließlich kein Frühstück. Ich stieß meinen Stuhl nach hinten, stand auf und stürmte zum Eingang des Cafes.
„Warte doch mal“, rief Herbert mir hinterher.
Ich riss die Tür auf und stieß mit Miss Flughafen zusammen. Ein Tablett mit Kaffee, Orangensaft, Marmelade, Eiern und Croissants fiel scheppernd zu Boden. Ich machte einen Ausfallschritt, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, und rutschte prompt in einer Kaffeelache aus. Mit den Armen rudernd fiel ich nach vorne. Ich suchte nach Halt und riss die Bedienung mit nach unten. Aus der Nähe betrachtet, schimmerte das Flugzeug tatsächlich golden. Mühsam rappelten wir uns hoch. Ich wischte mir ein paar Krümel von der Bluse und schaute dann meine Gegenüber an. Auf ihrem Dekolleté hatten sich Eier und Marmelade vermischt. Kein schönes Bild. Ich kramte ein Taschentuch aus meiner Jeans und versuchte, das Malheur zu beseitigen.
„Lass das“, sagte sie und hielt meine Hand fest. Ich schaute sie an, und ob Sie es glauben oder nicht, ihre Augen waren grün. Grün wie die Augen einer Katze. Aber wenn man genau hinsah, sah man ein goldenes Schimmern wie bei dem Edelstein mit dem seltsamen Namen. Ich schaute in diese Augen und vergaß alles um mich herum. Es war wie in diesem Evergreen von Caterina Valente, dessen Titel ich mir einfach nicht merken kann. Ich war nicht mehr von dieser Welt. Erst nach und nach kehrten die Geräusche des Alltags zurück. Das Zischen der Kaffeemaschine, das Klappern von Tellern und Tassen und das Radio, das ich die ganze Zeit nicht gehört hatte. Die Beatles besangen den Good day sunshine.
„Lust auf Honig?“, fragte mein Gegenüber. Sie hielt noch immer meine Hand und in ihren Augen funkelte es golden.
„Und wenn du jetzt noch superkalifragelistisch unterbringst, hast du doch eine nette Geschichte zusammen“, sagte Herbert, als wir das Cafe verließen.