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"Goodbye to romance"
Da lagen sie nun, langsam schob er ihr Haar hinter ihr zierliches Ohr. Sanft suchten seine Lippen ihren Hals. Seine Hand strich über ihren nackten Bauch. Ihr Atem fühlte sich schön an auf der nackten, feuchten Haut seines Unterarms. Vorsichtig drücke er ihren Körper fester an sich. Sie war so zerbrechlich, so zart, so… einmalig, einfach.
Zärtlich küsste er ihren Nacken, sie genoss die Liebkosungen.
„Soll es das wirklich gewesen sein?“, dachte er. Er war so verliebt in diese Frau. Als Kinder waren sie schon zusammen auf Bäume geklettert.
„…but the stars that we reach were just starfish on the beach …“
gingen ihm plötzlich Terry Jacks Worte durch den Kopf. Warum musste das nur passieren? Hätte sie damals, leicht betrunken, nicht seine Anspielungen ignorieren können. Nie in den gesamten Jahren war etwas zwischen den beiden gewesen, keine Küsse, keine Zärtlichkeiten. Nur Freundschaft, diese aber in reinster Dosis. Immer hatte er für sie ein offenes Ohr gehabt, und er konnte sich stets darauf verlassen, dass sie für ihn da war. Wie oft hatten sie sich gegenseitig beieinander ausgeweint.
„Würdest du wieder alles genauso machen?“
Sie drehte sich zu ihm um. Ihre blau-grauen Augen waren in dem fahlen Licht der aufgehenden Sonne deutlich zu erkennen.
„Schatz - ich weiß es nicht.“
„Ich hab dich lieb, warum musst du nur gehen?“
„Ich brauche das, ich muss endlich zur Ruhe kommen. Du weißt doch am besten, dass ich das hier nicht kann.“
Zärtlich küsste sie ihn. „Ich komme doch wieder“.
„Und was ist dann?“, frage er.
Er wusste doch wie es war. Wenn sie wieder käme, wäre sie ein anderer Mensch, und er wahrscheinlich auch.
Sie würde in der Ferne Menschen kennen lernen, die anders waren, Situationen erfahren, wie er sie nur aus dem Fernsehen kannte. Sie würde neun Monate auf sich selbst gestellt sein, Abgründe der Menschlichkeit sehen. Sich über sich selbst ins Klare kommen…
Und er? Er würde dieselben Fehler machen, die er immer machte wenn er verlassen wurde. Er würde anfangen, Unmengen von Alkohol in sich zu pumpen, nur damit er nichts mehr spürte, damit die Abende in dem dunklen Zimmer etwas erträglicher werden würden. Alle seine Freunde würden ihm immer und immer wieder sagen:
„Hey, sauf nicht soviel, du weißt doch am besten, dass dir das nicht weiterhilft“
Natürlich wusste er das, er wusste, dass Alkohol keine Probleme löste. Aber genauso gut wusste er, dass der Alkohol zu einer Sache durchaus in der Lage war: Schmerzen zu betäuben, nicht lange, das wusste er auch. Aber es reicht, um schlafen zu können, um durchzuhalten, um zu leben.
Er würde damit anfangen, die Stunden zu zählen seit sie gegangen war, bald Tage, dann nur noch leere Flaschen auf dem Boden seines Zimmers und schließlich die Vollräusche, seit sie weg war. Kurz darauf würde er sich entschließen, Geld zu sparen und ihr nachzureisen.
Schließlich käme wohl der Tag, an dem er nicht mehr in der Lage wäre, irgendetwas zu zählen.
Er würde eines Tages in seinem heruntergekommenen Einzimmerappartment aufwachen, Kopfschmerzen haben und sich plötzlich fragen, was er da eigentlich gerade täte. Er könnte sich im Spiegel nicht mehr ansehen. Dieses aufgedunsene Gesicht würde ihn dazu bringen, Gewicht verlieren zu wollen, denn irgendwas musste er ja tun, jetzt da er gerade den Alkohol abgeschworen hatte brauchte er etwas anderes, das ihn abends kurz vorm ins Bett gehen müde genug machte, um einschlafen zu können.
Er würde kaum mehr essen und sich dann, wenn er merkte, dass das alleine seinen Körper nicht attraktiver machte, ein Fitnessstudio aufsuchen.
Aber davon war er noch etwa 2 Monate, etliche Flaschen Wodka und zahlreiche Vollräusche entfernt. Außerdem wurde er dieses mal nicht verlassen, sondern zurückgelassen.
„Ich vermisse dich jetzt schon.“
„Ach komm, ich bin doch noch gar nicht weg.“, erwiderte sie, küsste ihn zärtlich auf die Lippen und kuschelte sich fester an ihn.
„Aber du bist auch nicht mehr richtig da….“. Sanft strich er über ihre Brust.
„Ich hab solche Angst, dass du wiederkommst und alles ist anders als jetzt. Ich habe Angst, dass du vergessen hast, wie schön es war. Angst, dass du das „Uns“ vergisst.“
Das Licht, das durch die Fensterläden hereinbrach wurde langsam heller. Die ganze Nacht waren sie wachgelegen, hatten sich geliebt, sich gegenseitig die Wünsche von den Augen abgelesen, miteinander geweint und jetzt das. Die erbarmungslosen roten Digitalziffern ließen ihn wissen, dass sie noch zwei Stunden miteinander hatten.
„Was soll ich machen, soll ich den Flug vielleicht canceln?“ Leicht gekränkt drehte sie ihm den Rücken zu, griff aber im nächsten Moment nach seinem starken Arm und legte ihn sich um die Taille.
„Ich weiß nicht wer ich bin, wenn ich zurückkomme, aber genauso wenig weiß ich, wer du bist, wenn ich zurückkomme.“, flüsterte sie, und versuchte die Träne zu verstecken, die sich langsam in ihrem Auge gesammelt hatte.
„Hey Schatz, brauchst nicht weinen. Du hast es dir ausgesucht und ich steh hinter dir.“, versuchte er sie zu beruhigen.
Sanft drückte er den Körper, den er über alles liebte, noch näher an sich. Ihr Herz klopfte, sie weinte.
Noch ein letztes Mal schliefen sie miteinander. Es war wie immer, aber was hatten die beiden erwartet. Erschöpft fielen sie einige Zeit später nebeneinander ins Bett. Ihre nackten, feuchten Körper klebten aneinander, sie genossen es. Ein letztes Mal.
Dann schliefen sie ein, zusammen, ein letztes Mal.
Eine Stunde später, langsame Gitarren Klänge, sanfter Schlagzeugsound, sie wurden geweckt.
I took a walk around the world
To ease my troubled mind.
I left my body lying somewhere
In the sands of time.
But I watched the world float
To the dark side of the moon.
I feel there is nothing I can do, yeah
Vernahmen sie es, langsam wach werdend aus der Anlage, die mit dem Wecker gekoppelt war.
„I feel there is nothing I can do”, zitierte er Brad Arnold von 3 Doors Down. “Yeah”, dachte er sich.
Sie blickte hinauf zu ihm, wie sie es schon so oft getan hatte in den letzten Monaten.
„Ich vermiss dich auch, lass es einfach auf uns zukommen.”
„Ich geh jetzt, ich kann diesen ganzen Abschiedsstress mit diesen freundschaftsheuchelnden Typen später am Bahnhof nicht ausstehen.“
„Bleib noch.“
„Nein, sorry, bitte zwing mich nicht dazu, du weißt, was ich von den meisten deiner Freunde halte.“ „Frühstückst du noch mal mit mir?“
„Nein – Es wäre kein Frühstück mit dir, sondern ein Spießrutenlauf mit deiner Familie.“
Sanft küsste er sie auf ihre zartrosafarbenen Lippen, ihre Zungen berührten sich. Ein letztes Mal.
„Danke.“
„Ich wünsche dir alle Gute in diesem fernen Land.“
„Keine Angst ich werde nicht vergessen.“
„Das sagst du jetzt, ich wünschte, ich könnte dir glauben.“
Er war aufgestanden, hatte sich schlaftrunken die Hose angezogen, und war gerade dabei gewesen, das Hemd zuzuknöpfen.
„Ich glaube - ich liebe dich.“
Warum hatte er das jetzt sagen müssen? Noch nie zuvor waren die Worte über seine Lippen gekommen.
„Ich wünsche dir viel Spaß in den nächsten Monaten, bitte schreib mir mal.“ Wieder sammelte sich eine Träne in ihren wunderschönen Augen und rann ihre Wange hinunter.
„Weine jetzt bitte nicht – Ich bin immer bei dir, aber bitte pass trotzdem auf dich auf.“, sagte er und lächelte ihr zu.
„Bernd – bitte trink nicht soviel.“
Er zündete sich eine Zigarette an, nickte, warf ihr einen Kuss zu und ging.
"Don't look back in anger"