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Grauwand, bröckelnd.

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12.08.2006
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Grauwand, bröckelnd.

Grauwand, bröckelnd.

Leichen. Baumleichen. Schräg auf karger Ebene. Wind. Jammernd. Krank klingend. Stinkende Luft. Fiepende Geräusche des besagten Windes. Stöße. Harte Stöße der bewegten Atmosphäre dringen heran an das baufällige kleine Haus. Ein bemitleidenswertes Haus. Ein simples Gebäude, gegen das angekämpft wird. Wind, ja Sturm, drückt gegen den Mauerstein. Hart. Überhart. Gräser biegen sich, zeigen auf das kleine Haus. Erbarmungslos …

Die grauen Wände sacken nach innen ein. Zimmer zerstört. Flure ein Bad der Verwüstung. Und innerhalb der einbrechenden Mauern: Helle Tierchen! Maden. Oder etwas den Maden ähnliches. Hell jedenfalls. Diese ganzen berstenden Wände - bestehend aus Maden, Larven, Puppen? Wenn ja, warum? Oder nein? Keinerlei Derartigkeit? Faktum aber: Getöse, am Himmel wütende Wolkenspitzen - an den Rändern fast schon schwarz. Dreizacke. Wolkendreizacke …
Kurzum fällt das Haus …

Mein Haus. Ich fliehe. Ich zog heftig von dannen.

Ich rannte weg. Denn ich sah bizarres. Die Wände schienen wabbelig zu werden, weniger fest, grau, fast weiß an mancher Stelle. All das kam nach innen. Bewegte sich zu auf mich entsetzt Fliehenden. Ich sah meinen Sohn. Wie er ertränkt wurde durch Mauern-Maden. Er hatte keine Überlebenschance. Und ich hatte ihm mit keiner Silbe helfen können … Hineingerissen in den Whirlpool des blanken Entsetzens. Tot. Zerrissen. Großstadt schlägt zu am Ortsrand …

Sie waren hereingekommen - Wände … Gestürzt. Betrübt vielleicht. Auf jeden Fall war eine Ursache da gewesen, die wie fast immer für eine Wirkung gesorgt hatte. Ursache Alkohol, Wirkung schlechte Laune. Oder so in dieser Art. Tatsache: Ich wäre erschlagen worden von Trümmern, hätte ich den Entsetzens-Ort nicht verlassen.

Und so rannte ich davon vor dem Einsturze. Immer nur geradeaus. Mein ganzes Hab und Gut: Im Geiste sah ich es restlos schmelzen … Erkannte die Sohn-Leiche. Und ich schimpfte über mich. Hart. Überhart.

Auf einer Lichtung kam ich an, nach Stunden der Flucht durch dichten Wald. Was sah ich - musste ich sehen? An meinem Schuh eine weiße Made. Ich bewegte das Bein sehr heftig vor, ich kickte das leicht schleimig wirkende Tierchen. Und irgendwo prallte es auf. Riss ein Loch in die Erde. Tobende Laute, hart. Nun bin ich taub deswegen. Und fast blind. Denn ich sah zusammenfallen den halben Teil der Welt vor meinen Füßen. Ausgelöst vermutlich durch - eine Made an meiner Schuhspitze …

Heute sitze ich vor einer morschen Hütte, verblieben auf dem Rest des Planeten. Ich rauche Huflattich. Und ich denke nicht mehr nach …
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Hallo Leichnam,

Fiepende Geräusche des besagten Windes.
Der Satz fügt sich nicht so gut in die bisherigen stakkato-artigen Ein-Wort-Sätze. Vielleicht nur "fiepende Geräusche" oder "fiepender Wind"?

Oder etwas den Maden ähnliches.
"Oder etwas Madenähnliches." klänge denke ich flüssiger.

Ich zog heftig von dannen.
Hier wechselst du plötzlich ins Imperfekt. Wieso?

Schön mal wieder was von dir zu lesen. Deine Geschichte gefällt mir gut, sie ist sehr ausdrucksstark. Mehr ein Bild oder eine Bild gewordenen Empfindung, denn eine Geschichte, die von konkreten Begebnissen erzählt, so will mir scheinen. Wenn so etwas gut gemacht ist - und das ist es hier - eine feine Sache. Auch scheinst du hier dich mehr als bei manch früherem Versuch um das sprachlich-formale bemüht zu haben, deine Sprache ist nicht mehr ganz so "eigen". (Ich habe zumindest keinen zieselnden Wind gefunden...;))
Ich würde dir aber fast raten, die ganze Geschichte ins Präsenz zu setzen, um die Intensität noch zu steigern. Dann müsstest du natürlich "heute" im letzten Satz durch ein "jetzt" oder so etwas ersetzen.
Hm, über das, was in der Geschichte tatsächlich abläuft, muss ich noch einmal nachdenken. Es scheint mir um das Eindringen eines verderblichen Einflusses in die Alltäglichkeit zu gehen (schwache Wände, die eingedrückt werden und dann fallen), teilweise auch um verstörende Erinnerungen (die Made auf dem Schuh).
Na ja, wie dem auch sei, mir hat's gefallen.


Gruß,
Abdul

 

Tach Leichnam!

Zuerst wusste ich nicht so recht, was ich mit deiner Geschichte anfangen sollte und es hat ein bisschen gedauert, bis ich so dahinter gestiegen bin... ;) Aber jetzt muss ich sagen, sie hat mich doch ziemlich beeindruckt. Diesen durchgehend elliptischen Stil mag ich nicht oft an Geschichten, es muss schon sehr gut gemacht sein, also mein Kompliment. Oft nervt mich das auch, immer nur kurze eigentlich-nicht-Sätze lesen zu müssen, aber du hast das in meinen Augen gut gemacht.
Diesen Satz hier allerdings

Er hatte keine Überlebenschance.
könntest du meiner Meinung nach ersatzlos streichen. Ist überflüssig, jeder kann sich denken, dass der Sohn stirbt, wenn er
ertränkt wurde durch Mauern-Maden
(übrigens Mauer-Maden oder? :confused:). Der Satz hat bei mir diese schöne, gerade aufgebaute bizarre Stimmung zerstört und das war schade.

Und trotzdem, gern gelesen!
Liebe Grüße,
Apfelstrudel

 

Glück auf an die beiden Leser!

Sorry für späte Antwort - und ich bin überrascht, dass die kurze Sache hier überhaupt so angenommen wurde. Das war mal was Experimentelles. Es stimmt, dass es ein Bild war, das da im geistigen Raum stand. Wobei bei mir Unzufriedenheit herrscht, da die eigentlich geplante Endstimmung nicht voll erreicht wurde. Es ist nicht leicht, mit Worten zu hantieren, um eine konkrete Stimmung zu übermitteln.

Die Ratschläge habe ich durchdacht und finde sie richtig.

 

Gedankenstrudel!

Hat mir gefallen die Geschichte.Fetzen von Gedanken ohne Ausweg.Nur in Richtung Verderben gehend.Ich spüre förmlich wie mich selbst die Maden durchdringen,langsam das Fleisch abnagen und auffressen.
MADEN schreckliche kleine Tierchen.MADEN...(erinnere mich an SÄURE...)
Weiter so Leichi...
Gruß Koi

 

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