Grendel the Wendel
„Und du willst wirklich nicht noch mit auf die Uni-Party kommen?“ fragte Jan seine Freundin Ann.
„Nee, lass mal. Der Rest vom Abend hat mir gereicht, ich fahr nach Hause und sehe dich dann morgen früh. Es sein denn, du schaffst es nachher nicht mehr alleine die Tür aufzuschließen.“ Mit einem spitzbübischen Grinsen im Gesicht fuhr Ann los. Jan drehte sich um und ging seinen Freunden zur Party hinterher. Zurück bleibt ein Hauch von Jasmin in der Luft.
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Der Weg von der Universität zu ihr nach Hause führt Ann durch den Wald. Sie ist eine junge Frau, grade mal 23 Jahre alt. Ihr langes, rotes Haar wird von einem Gummiband zusammengehalten. Die Haut von Ann hat von Natur aus die weiße Farbe von Milch, in der Nacht scheint sie zu leuchten. Wenn Ann lacht, leuchten auch ihre blauen Augen wie Sterne. Um ihre kleine Nase herum gruppieren sich einige Sommersprossen. Die Straße ist nicht beleuchtet, der Mond versteckt sich hinter einigen Wolken, doch Ann kennt den Weg wie ihre Westentasche. Zwar geht es immer nur bergab, doch Ann tritt weiter in die Pedale. Der Rhythmus ihrer schlanken Waden beschleunigt sich immer mehr, der Fahrwind streichelt ihr Gesicht. Jetzt rauscht sie grade am einem Grillplatz vorbei. Doch hat sich da nicht eben ein Schatten bewegt?
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Hunger! Seit Tagen schon gab es keine ordentliche Beute mehr. Tagsüber rotten sich große Beutetiere zu Herden zusammen und verhindern seine heimliche Jagd. Und nachts fängt man nichts ordentliches mehr, bestenfalls ein unvorsichtiges Kaninchen oder einen Vogel. Bald ist es wohl an der Zeit weiterzuwandern. Noch geht es nicht, aber bald bald. Da erweckt der Duft von Jasmin seine Aufmerksamkeit. Neugierig macht er sich auf die Pirsch.
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Da war wirklich ein Schatten!, denkt Ann, dann wirft sie etwas vom Fahrrad. Der Schatten ragt nun über ihr auf. Ein Arm zuckt zum Hieb herab. Geistesgegenwärtig wirft Ann sich flach auf den Boden. Der auf ihren Hals gerichtete Schlag zerfetzt ihr Top. So wie der Schlag den Stoff zerriss, so zerreißen die Wolken am Himmel. Ann's volles Dekolleté zeichnet sich im Licht des zunehmenden Mondes in voller Deutlichkeit ab. Und so wie der Mond die Sommersprossen auf Ann's Brüsten zeigt, so gewinnt auch der Schatten an Substanz. Ann wird vom Anblick des Schattenwerfers geschockt. Sie will schreien, doch da kommt schon der nächste Hieb. Dieser sitzt genau und zerfetzt ihre Kehle. Schwarz zeichnen sich die Blutspritzer auf der weißen Haut ab, Ann's Schrei ertönt nur noch als ein Röcheln in der Nacht.
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Diese Jagt war erfolgreich und die Beute ist groß. So groß, dass er bestimmt eine Woche nicht mehr auf die Jagt gehen muss. Zufrieden beugt er sich über sein Opfer und fängt genüsslich an zu fressen. Jeder Biss reißt große Brocken warmen Fleisches aus dem toten Körper. Doch schon nach wenigen Biss wird er gestört. Ein Fahrzeug nähert sich im. Bevor das Licht des Fahrzeuges ihn erfassen kann, flüchtet er in den Wald. Es bleibt das Aroma von Jasmin und Blut sowie die zerfleischte Ann zurück.
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Jan blickt in den Spiegel und erschreckt sich fast vor seinem eigenen Spiegelbild. Als er das Haus betreten hatte, trug er einen leichten Braunton auf der Haut, nun ist er kreidebleich. Seine blonden, schulterlangen Haare sind zerzaust, die grüne Augen zeigen pures Entsetzen. Nur sein Bart, der sieht aus wie eh und je. Er richtet sich zur vollen Größe auf. 1.85 Meter groß und von sportlicher Statur macht sein Bild im Normalfall einiges her. Zur Zeit ist Jan mit den Nerven fertig. Grade eben hatte er Ann's Leiche identifiziert. Der Mitarbeiter der Pathologie war auch von dem Anblick schockiert gewesen. Dieser habe zwar schon viele Unfälle und auch den ein oder andern Mord gesehen, aber so etwas habe er in seiner Laufbahn noch nie gesehen. Die Kehle des Opfers machte den Eindruck, als ob sie von stumpfen Messern zerfetzt wäre, auf dem Gesicht lag ein Ausdruck von Todesangst, doch am schlimmsten waren die Bissspuren. Ann's rechte Brust war weggefressen und aus der Rippengegend fehlten auch Fleischstücke. Beruhigend ist, dass es keine menschlichen Zahnabdrücke sind, sondern die von einem Tier. Ein psychologisch kranker Mörder scheidet damit aus. Beunruhigend ist die Größe der Abrücke. Den Spuren nach zu urteilen könnte es ein Löwe oder ein Bär, möglicherweise auch ein großer Wolf oder Hund gewesen sein. Doch hier gibt es seit Jahrzehnten keine Bären oder Wölfe mehr und Löwen gab es bestenfalls in der Urzeit. Jan verlässt sowohl die Toilette als auch das Leichenschauhaus. Draußen trägt auch der Himmel Trauer, Wolken verdeckten die meisten Stellen des grauen Firmaments. Neben dem Ausgang wartet schon Ralf, Jan's bester Freund. Ralf war drei Jahre älter als Jan, was man ihm jedoch überhaupt nicht ansah. Wenn die beiden zusammen durch die Gegend zogen bot sich den Passanten ein Paar der Gegensätze. Wo Jan groß und sportlich ist, ist Ralf mit 1,65 Meter klein und schmächtig. Schwarze Haare und braune Augen machen die Unterschied komplett.
„Wie geht's dir?“ fragte Ralf.
„Ann ist tot. Ich fühle überhaupt nichts.“ Jan steht auf der Straße und scheint nicht so recht zu wissen, wo er hin gehen soll. „Sag mal Ralf, du stehst nicht zufällig hier, oder? Du hast auf mich gewartet.“
„Das ist richtig. Wir können dich nicht allein lassen. Ann war auch unsere Freundin. Dirk wartet vor dem Krankenhaus, Leo ist bei der Polizei und Andreas steht vor deiner Haustür. Nur Melanie kann sich nicht beteiligen, die bekommt Besuch von nem Inselaffen. Ire, Engländer oder Waliser.“
Langsam gehen die beiden die Straße runter.
„Was wirst du heute noch tun?“ möchte Ralf wissen.
„Noch etwas Papierkram mit den Behörden erledigen und dann muss ich ihre Eltern anrufen. Davor graust es mir ziemlich. Warum fragst du?“
„Nun“ Ralf fühlt sich sichtlich unwohl in seiner Haut. „Wir wollten heute Abend mal bei dir vorbeikommen. Für so ne Art Gedenkfeier im kleinen Rahmen. Natürlich nur wenn du nichts dagegen hast.“
„Nein, ist schon ok. Wann kommt ihr denn?“
„So gegen neun, halb zehn. Wenn du noch irgendetwas brauchst, dann meldest du dich, ok?“
„Werde ich. Ich muss jetzt, der Bus kommt gleich. Und noch was Ralf: Danke“.
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Die Sonne berührt den Horizont, die Schatten werden länger. Jan fährt an die Stelle des Vorfalles. Ein dunkler Fleck zeichnet sich auf dem Asphalt ab, sonst ist kein Unterschied zu den nächsten 100 oder 200 Meter auf der Straße festzustellen. Kein Hinweis auf den oder die Übeltäter. Doch was hatte er auch erwartet? Ein Bekennerschreiben mit Adresse? Seufzend streicht Jan noch mal über den Boden, dann erhebt er sich. Aus den Augenwinkeln sieht er einen Schatten .
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Die Jagd war gut, doch die Beute hatte er schnell wieder verloren. Jede Menge der Aasfresser kamen und nahmen mit, was eigentlich sein war. Heute ist er wieder auf der Jagt, früher als sonst. Er kehrt an den alten Ort zurück, in der Hoffnung einen der Aasfresser zu erlegen und sich dann an seinem warmen Fleisch zu laben. Er braucht Nahrung, schnell und viel. Er schämt sich für seine gestrige Gier, wo er alle uralten Regel vergaß. Und er hat Glück, einer von ihnen beugt sich über die Straße. Lautlos kommt er näher, bis sich seine Beute aufrichtet und ihn ansieht. Das ist kein Aasfresser, kein feiges Ungeziefer, welches nur ein Gruppen stark ist. Er sieht sich einem anderen Jäger gegenüber. Er flüchtet so schnell er kann, in seinen Gedanken hat sich das Bild der Augen des anderen eingeprägt: Grüne Augen, erfüllt vom Feuer des Zornes.
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So schnell wie er kann läuft Jan nach Hause. Vor der Haustür warteten bereits seine Freunde auf ihn, selbst Melanie ist dort.
„Huch, wo hast du deinen Iren gelassen?“ fragt Jan erstaunt.
„Das ist ein Engländer und der schläft schon. Die Jugend von heute hält einfach nix mehr aus, nur weil er gestern einen langen Tag hatte. Hallo auch.“
„Aha. Kommt erstmal rein, ich muss euch was erzählen.“ Jan wirkt leicht hektisch, als er die Tür öffnet. Nachdem sich alle über das Sofa, den Sessel und teilweise über den Boden verteilt haben beginnt Jan mit seiner Erzählung.
„Also ich bin eben an der Stelle gewesen, nur um sie mal zu sehen.“ Jeder weiß, welche Stelle Jan meint. „Da hab ich etwas im Wald gesehen. Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll. Sah aus wie ein Bär, nur kleiner und irgendwie geschmeidiger. Die Ohren sahen aus wie von einem Hund oder Wolf aber das merkwürdigste waren die Augen: Die waren hell. Wie gesagt, ich weiß nicht so recht ob meine Beschreibung so stimmt, hab das Ding auch nur kurz gesehen.“
„Nun ja, das klingt fast nach einem Werwolf.“ kommentiert Andreas das Gehörte. Andreas ist knapp 1.80 groß, von kräftiger Statur und hat hellbraune Haare und einen Vollbart. „Soweit ich weiß gibt es aber überhaupt keine Werwölfe. Das sind mehr Geschichten aus dem Mittelalter über die Angst des Menschen. Sigmund Freud hätte seinen Spaß dran gehabt.“ Wie zu bemerken ist, studiert er Psychologie.
„Es ist kein Werwolf.“ Dirk schaltet sich in das Gespräch ein. Wenn er jemandem zuhört, hat er meist die Augen geschlossen. Nun öffnet er sie wieder und blickt mit klaren, blauen Augen die anderen an. Die Zusammenstellung von blauen Augen, blasser Haut und schwarzen Haaren ist selten. Dirk ist grad mal 1,65 Meter groß und schlank. „Der Beschreibung nach würde ich sagen, Jan hat einen Wendel gesehen. Das sind die schlimmen Brüder der Werwölfe, die kommen, glaube ich, in der nordischen Sagenwelt vor. Morgen fahre ich nach Hause, da werde ich mal nachschlagen, was man gegen so ein Ding tun kann.“
„Ich glaube auch nicht an den Wentel. Ich denke eher, dass es irgendein verkleideter Perverser ist, das ist ne Sache für die Polizei.“ Andreas gibt wieder eine seiner zynischen Meinungen ab.
Die Diskussion, was das im Wald gewesen sein kann, zieht sich noch einige Zeit hin. Man spricht über den Verkleideten und die Möglichkeit, dass es ein Serienmörder ist, über wilde Hunde, unerkannt hier lebende Wölfe und manchmal auch über verschiedene mythische Gestalten.
„Egal was es ist, ich will es haben!“ Jan blickt entschlossen in die Runde. „Morgen gehe ich nochmal zu der Stelle zurück und suche nach Spuren. Wer von euch hilft mir?“
„Ich bin kein Schläger, aber zusammen packen wir das schon.“ Leo ist bekennender Pazifist, auch wenn er nicht danach aussieht. Mit einer Größe von fast zwei Metern, einem Kreuz wie ein Kleiderschrank und ein Bürstenhaarschnitt wirkt er mehr wie das Musterbeispiel eines Soldaten. Sein Spitzname im Zivildienst war Wardrobe.
„Ich sag es noch mal: Das ist ein Fall für die Polizei und nicht für uns. Ich mach nicht mit, wünsche euch aber viel Glück.“ Andreas macht seine Abneigung gegen eigenmächtige Aktionen klar.
Der Rest der Anwesenden hilft Jan bei der Suche, Melanie versucht ihre Hilfe mit dem Besuch des Engländer's zu koordinieren. Man macht einen Treffpunkt aus und dann löst sich die Gesellschaft auf.
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Am nächsten Tag trifft sich der Suchtrupp am frühen Abend an der Zufahrtsstrasse zur Universität. Zumindest fast alle. Melanie hat angekündigt, dass sie einige Minuten später kommt. Doch letztenendes kommt auch sie mit ihrem Besuch an. Die beiden könnten fast Zwillinge sein, beide ungefähr 1.70 groß, schwarze schulterlange Haare, braune Augen, fast gleiche Gesichtszüge und die gleiche schlanke Gestalt. Aus der ferne fällt Melanie's geringe Oberweite nicht auf, so dass es sich durchaus um zwei Männer hätte handeln können.
„Hi, my name is Steve.“
I'm Jan and this is Ralf and Leo.“ stelle Jan sowohl sich als auch seine Freunde vor.
„So you want to help us in our search?“
„Yes, Melanie told me yesterday what happend to your girl-friend. I'm sorry.“
Mit diesen Worten schloss sich Steve den anderen an und gemeinsam gingen sie zu der Stelle von Ann's Tod. Dort begann die Suche nach Hinweisen. Sie schauten in die Büsche um eventuell eine Spur zu finden. Sie sahen auch auf den Boden, in der Hoffung Fussspuren ausmachen zu können. Doch durch die tagelange Trockenheit hatte der Boden die Festigkeit von Beton, so dass, was weniger als ein Panzer wog keine Spuren hinterließ. Mit zunehmender Suchdauer wurde Jan immer frustrierter. Nicht den Hauch einer Spur können sie entdecken. Jan beschließt dem Ganzen ein Ende zu machen.
„Es ist sinnlos, lasst uns aufhören. Hier finden wir nichts. Ich danke euch für eure Hilfe. Ich kann jetzt nur hoffen, dass die Polizei mehr Erfolg bei der Suche hat.“
„What did you say?“ fragt Steve, welcher kein Deutsch versteht.
„I said that we cancel the search. We couldn't find any footprints, it's hopeless, the ground is to hard.“ übersetzt Jan seine Aussage ins Englische.
„Maybe you can tell me exactly what we seek. I mean describe me everything, size, color and so on. I only know that you saw somekind of bear.“
Jan beschreibt das Wesen so gut er kann, jede kleine Einzelheit, an welche er sich erinnert wird aufgezählt. Steve hört aufmerksam zu. Nach kurzer Überlegung ergreift Steve dann das Wort. „Well, let's check the boughs and bushes around here. Maybe we can find a track, from which direction the thing came.“
Die Gruppe verteilt sich ein weiteres Mal im Wald. Nach wenigen Minuten ruft Leo die anderen. In den Dornen von Brombeeren hatte sich ein kleines Stück Haare oder Fell verhakt. Einige Meter weiter war irgendetwas durch die Zweige einer kleinen Tanne gebrochen. Die Gruppe bildet eine Linie quer zu der Spur und sucht weiter. Immer wieder finden sie Hinweise, dass jemand oder etwas diesen Weg entlang gekommen war. Auf einmal bleibt Steve stehen und geht kurz in die Knie.
„Did you find anything?“ will Jan wissen.
„Yes, absolut nothing“. Steve richtet sich wieder auf. „I thought i saw some kind of track, but it was just a stone.“
Jan kam näher um sich die Sache mal anzusehen. Er weiß nicht wieso, es war mehr ein Gefühl es tun zu müssen. Er beugte sich über die von Steve genannte Stelle. Bevor er allerdings den Boden unter die Lupe nehmen kann, fällt sein Blick auf einen Baum, direkt neben ihm. Dort sind drei tiefe parallele Kratzer zu sehen.
„What is this?“
„Oh, that. Well, Jan, I think this is just vandalim. Some child's with an interesst in treasurehunt.“
Jan streckt die Hand aus und legt sie über die Kratzer. Wenn er die drei mittleren Finger spreizt, liegt jeder Finger genau über einer Kratzspur. Die Gruppe nimmt die Suche wieder auf, jedoch ohne ein Ergebnis. An einer weiteren Straße verlor sich die Spur. Enttäuscht kehren sie wieder an den Ausgangspunkt zurück. Morgen will man es erneut versuchen, Jan zeichnet die Spuren bis dahin auf einer Karte ein. Nachdem jeder seiner Wege ging. kommt Jan noch ein Gedanke: Wo war eigentlich der Stein, der wie eine Fußsspur aussehen sollte, geblieben?
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Andere sind hier, eine Gruppe der Aasfresser, zusammen mit dem Jäger. Sie scheinen etwas zu suchen. Vielleicht ihn? Wollten sie ihm etwa in Zukunft die Beute streitig machen. Oder, was noch schlimmer wäre, wollte sie selbst auf Jagd gehen und Beute machen? Den letzten Gedanken verwirft er sofort wieder. Auch wenn es viele sind, dass sind nur Aasfresser, er ist ein Jäger. Beim nächsten Mal würde er zeigen, wer Jäger und wer Beute ist. Er zieht voller Vorfreude die Lefzen hoch und schleicht davon.
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Am nächsten Morgen wird Jan von einem Anruf aufgeweckt.
„Guten Morgen Jan.“ tönt Dirk aus dem Telefon. „Ich hab noch ein paar Sachen über die Wendel rausgefunden.“
„Hi Dirk, lass mal hören. Aber bitte langsam, bin noch nicht so ganz wach.“
Dirk fängt an, die Ergebnisse seine Recherche zu berichten.
„Also, wie ich mir gedacht habe, kommen die Viecher aus der nordischen Geschichte. Viel steht da nicht geschrieben, dass meiste kommt von Mönchen auf Überzeugungsreise. Wundert mich nicht, schließlich waren die Nordmänner auch Europa's Barbaren. Ok, zurück zu den Wendeln. Nach den Berichten tauchen die immer in strengen Winter auf und greifen einzelne Reisende an und jagen Vieh auf abgelegenen Höfen. Nur gelegentlich wird von Gruppenbildung berichtet. Alle Opfer sind zumindest teilweise aufgefressen. Jetzt kommt der wirklich interessante Teil. Eine Zeitlang wurden die Überfälle immer häufiger und gingen bis in den Spätfrühling hinein. Verschiedenen Stammesführer planten deshalb einen Gegenschlag um der Bedrohung Herr zu werden. Gruppen von Krieger lauerten im Hinterhalt auf die Wendel und töteten diese. Daraufhin bildeten die Wendel selbst Gruppen um die Hinterhaltsgruppen der Menschen zu überfallen. Schlussendlich kam es dann wohl zu mehreren Schlachten, welche die Menschen durch die zahlenmäßige Überlegenheit gewannen. Die letzte Schlacht drehte sich um eine Art Geburtshöhle oder Nest, seitdem gibt es keine Berichte mehr über ein erneutes Auftreten.“
„Das ist ja alles schön und gut, doch was willst du mir damit sagen?“
„Jan, seit bitte vorsichtig. Die Beschreibungen von dir und den Berichten stimmen überein, nur hast du nichts von Krallen und Reißzähnen erzählt. Des Weiteren sind die Dinger auf jeden Fall schnell und tödlich, sowie möglicherweise intelligent wie Menschen.“
„Ok, wir werden vorsichtig sein. Wir sehen uns dann nächste Woche.“
Jan dachte über das Gehörte nach und fasste einen Entschluss.
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Die Gruppe hat sich wieder an dem Grillplatz versammelt, auch Steve war wieder dabei, bereit für eine neue Runde Mörderjagd. Nur Jan erscheint nicht. Nach einer geschlagenen halben Stunde ist es endlich soweit. Jan kommt mit einem schwerbeladenen Rucksack die Straße herunter.
„Hallo Leute, tut mir leid das ich etwas später komme. Dafür hab ich ein paar nette Spielsachen mitgebracht.“
Jan öffnet den Rucksack und verteilt den Inhalt. Es sind einige Messer, zwei Hanteln, ein Fahrradschloss sowie ein Klappspaten.
„Was immer wir auch jagen, es ist vermutlich gefährlich.“ ,setzt Jan zu einer Erklärung an, „Ich dachte ein paar Waffen könnten nicht schaden.“
„What a fucking kind of weapon!“ Steve, welcher durch eine Übersetzung von Melanie auf laufenden ist, wirkt nicht sonderlich begeistert. „We actully have no guess what we hunt and you bring some knifes. Oh damm, I should go now.“
„Better than yesterday and I don't know where I can buy a gun here.“
Gegen diese Aussage kann Steve nichts entgegen setzen. Außerdem ist er freiwillig hier. Genau wie alle anderen greift er sich das, was seiner Auffassung nach einer Waffe am nächsten kommt. Als Nächstes teilt Jan die Gruppen ein, Steve geht zusammen mit Ralf, Melanie mit Leo und Jan zieht allein los.
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Heute sind sie wieder hier. Genau wie er es erwartet hat. Die Beute ist berechenbar geworden. Jetzt wird es Zeit ihnen zu zeigen, wer der wahre Jäger ist. Lautlos beobachtet er weiter, während seine Beute sich verteilt. Er hat sein Opfer schon ausgemacht. Er bringt sich in Position, um es zu erlegen.
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„Somebody help!“
Jan blickt vom Boden auf, dass war doch Steve! Was ist bei ihm und Ralf vorgefallen? Rücksichtslos durchbricht er das Unterholz. Als er Steve erreicht sieht Jan rot. Roter Boden, rote Kleidung, alles rot von Ralf's Blut. Ralf selbst liegt reglos auf dem Boden, vermutlich bewusstlos. Aus drei Schnittwunden in der Brust fließt Blut auf den Boden wie Wasser die Victoria-Falls herunter. Genau diese Wunden versucht Steve irgendwie zu schließen. In diesem Moment kommen Melanie und Leo aus einer anderen Richtung angelaufen. Leo, welcher seinen Zivildienst beim Roten Kreuz geleistet hatte, übernimmt das Kommando. Leo, Steve und Jan verbinden notdürftig die Wunden von Ralf mit Stofffetzen um den Blutverlust zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen, Melanie ruft in der Zwischenzeit einen Krankenwagen.
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Einige Stunden später erscheint Leo in Melanie's Wohnung in der Innenstadt.
„Hallo Leute. Die gute Nachricht ist: Ralf ist außer Lebensgefahr. Jetzt die schlechte: Er wird noch mehrere Tage im Koma bleiben müssen. Er kann uns also nicht erzählen was vorgefallen ist.“
Man kann deutlich an den Gesichtern der Freunde sehen, wie Erleichterungen die dunklen Wolken der Sorge zumindest teilweise vertreibt.
„Ich war in der Zwischenzeit auch nicht untätig“, ergreift Melanie das Wort, ich habe mal ein wenig recherchiert. Dabei ist mir etwas Interessantes aufgefallen, was ich euch zeigen möchte.“
„Einen Moment bitte“, unterbricht Leo sie, „es gibt da einen Punkt über den wir uns unterhalten sollten: Steve. Ich traue ihm nicht. Was hat er gemacht als Ralf überfallen wurde? Warum ist er unverletzt geblieben? Und wo ist er überhaupt jetzt?“
„Nebenan,“ Melanie deutet auf eine Tür, „er schläft. Ich hab ihm ne Schlaftablette gegeben, er macht sich große Vorwürfe, weil er Ralf nicht helfen konnte.“
„Weck ihn auf, zumindest ich muss mal dringend mit ihm reden.“
Melanie verschwindet im Nebenzimmer und kommt nach wenigen Minuten mit Steve zurück.
„Melanie told me that you suspect me to do what?“
„I think that you are the monster that we are hunting. Ralf is in the hospital and you are uninjurd, why?“
„I can't tell you. It was so fast. One moment Ralf stood next to me, the other he lay on the ground and blood was everywhere.“
„Yesterday you told me something about a stone that looks like a footprint.“ Jan mischt sich in die Auseinandersetzung ein. „But there was no stone. Explain that!“
„Hey, there was a stone. I threw it away.“
„Shut up! Everybody!“. Melanie steht auf, Funken von Zorn sprühen aus ihren Augen. „I have found information, that six weeks ago a deer was found by the forrester. It was half eaten. Then I found more records of unusual figur's in the night, missing pets and ripped animals. He is not the monster we seek.“
Leo läßt nicht locker. „Why are you so sure?“
„Because five weeks ago I received a letter from Steve. He wrote that he was in jail because he drunk and drove.“
Leo dreht sich zu Steve um. „Is that the truth?“
„Yes“, Steve blickt Leo ernst an, „but you never give me the chance to tell you. For you it was simple: I'am the new and so I'am, the monster.“
Nun haben Leo und Jan allen Grund, betroffen zu blicken. Jan versucht sich zu entschuldigen.
„I'am so sorry. I didn't know that...“
„I'm not upset, but I leave your searchparty today.“
Steve steht auf, verabschiedet sich noch von Melanie und geht.
„Jungs, das hab ihr wirklich toll hinbekommen. Bevor wir jetzt mit irgendwelchen Schuldzuweisungen anfangen, zeige ich euch lieber was ich noch gemacht habe.“
Melanie holt eine Karte der Umgebung hervor. Ungefähr halbkreisförmig sind Kreise über die Karte als Markierung eingetragen.
„Hey, wenn ich jetzt die Karte richtig lese, ist hier die Sichtungen unseres Freundes eingezeichnet!“
„Ganz richtig, Jan. Ab hier, „ Melanie deutet auf den Kartenrand, „gibt es keine Karte mehr. Leider auch keine Nachrichten über ihn. An den beiden Seiten des Halbkreises ist nur Wald, da sind noch nicht mal Försterwege oder Schleichpfade.“
„Dann muss der Bau des Monters irgendwo in der Mitte des Kreises liegen.“ Leo beteiligt sich auch an der Kartenanalyse. „Was sollen denn die Kreuze in der Stadt bedeuten? Die passen nicht in das sonstige Schema.“
„Das sind die Wohnungen, die ich bei meinem Umzug hierher besichtigt habe. Die Karte ist eben schon etwas älter.“
„Oh“ Leo's Ohren fangen an wie ein Glühwürmchen auf Sparflamme zu leuchten.
"Melanie, Leo, ich weiß nicht wie ihr das seht, aber ich gehe morgen früh auf die Jagd."
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Eine Lüge. Jan wird morgen früh nicht auf Jagd gehen. Er ist jetzt schon auf der Jagd. Zwar findet er selbst es nicht in Ordnung seine Freund anzulügen, doch seine Freundin ist tot und einer seiner Freund liegt verletzt im Krankenhaus. Noch mehr Verluste kann und will er nicht miterleben. Entweder er bringt das Ding zur Strecke oder er kommt nicht zurück. Problem an der Sache ist nur: Wie den Bau des Monsters finden? Die Markierungen auf der Karte waren nicht exakt kreisförmig gewesen. Und selbst wenn, dass abzusuchende Gebiet ist für ihn alleine immer noch zu groß. Es steht ja auch nicht ein Schild neben dem nächstem Baum mit der Aufschrift: Monsterhöhle 300 Meter rechts. Im Stillen verflucht Jan seinen Übermut.
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Etwas ist anders diese Nacht. Er kann es deutlich spüren. Es ist nichts festes, kein Geruch und keine Sichtung. Leise macht er sich auf den Weg, um im Wald nach der Störquelle zu suchen.
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Was ist das?, Jan steht vor einer Tür, mitten im Wald. Nachdem er schon aufgeben wollte, erfüllt ihn sein Fund mit neuer Zuversicht. Zwischen einige Hecken verborgen hat Jan sie mehr durch Zufall als durch Können gefunden. Er stand einfach auf der kleinen Lichtung vor den Hecke, da fiel ihm etwas auf. Nichts großes, vielleicht nur ein Lichtstrahl vom Mond, welcher das verrostete Metall zum Leuchten brachte. Es könnte ein Bunker aus dem letzten Krieg sein oder ein altes Lager der Uni, vielleicht auch ein Schmugglerlager. Jan ist es egal, möglicherweise ist das der Bau der Bestie. Jan hofft es jedenfalls. Langsam tritt er durch die Tür.
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Nichts, niemand. Kein Spur, kein Geruch und kein Geräusch. Nichts unterscheidet diese Nacht von so vielen Nächten zuvor. Leider ist auch nicht mehr Beute zu finden, sobald er kann, zieht er weiter. Hungrig trottet er zurück zu seinem Heim.
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Es ist der Bau des Monsters. Er ist viel sauberer als Jan gedacht hatte. Nach einem kurzen Stück mündet der Gang in einen großen Raum. In einer Ecke liegen Blätter und Gräser, wohl als eine Art Bett zusammengebaut. Direkt neben dem Gang ist ein kleines Häufchen Knochen aufgeschichtet, wohl die letzte Mahlzeit. Ein Geräusch lässt Jan erstarren. Da war es wieder, irgendwas ist noch hier! Behutsam schleicht er durch den Raum zu dem Bett hin. Darin liegen einige kleine Fellbündel. Junge!, schießt Jan durch den Kopf. Die Bestie vermehrt sich. Er greift sich das erste Kleine. Als er es in der Hand hält, stoppt er. Der kleine Wendel sieht aus wie ein Hundewelpen und blickt aus großen Augen Jan an. Dann drängt sich Jan das Bild von Ann vor die Augen. Nicht die Tote, sondern die lebenslustige Ann, die er so geliebt hatte. Er zerschmettert den Körper an der Wand und wendet sich dem nächsten Jungen zu.
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Etwas war hier, sein Bau wurde entdeckt! Diese Entdeckung schockiert ihn. Was ist mit seinen Jungen, geht es ihnen gut? Jemand kommt aus seinem Heim. Es ist der mit dem Blick des Jägers. Seine Nüstern fangen den Geruch von Blut auf. Seine Jungen sind tot. Er will nur Rache. Leise schleicht er sich durch die Büsche, um seinen Gegner mit einem Sprung zu überraschen.
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Da war doch ein Geräusch hinter mir! Instinktiv weicht Jan einen Schritt zur Seite. Ein Schatten rast an ihm vorbei, nur um zwei Meter vor ihm gegen einen Baum zu prallen. Ein wütendes Knurren zerfetzt die Stille der Nacht wie ein Eisbrecher die dünne Einschollen im Hafen, während der Schatten sich umdreht und seinen Körper im Mondlicht präsentiert. Der Wendel ist ungefähr so groß wie Jan, dolchlange Zähne blitzen auf, an jeder Hand sind vier Krallen. Auch die Füße sind mit Krallen bestückt, ähnlich wie bei einem Bären. Doch es ist kein Bär, der aufrechte Gang, dass Funkeln der großen Augen und die weit vorspringende Schnauze sprechen dagegen. Geschmeidig macht sich der Wendel zu seinem nächsten Angriff bereit, Jan kann das Spiel von festen Muskeln unter dem dunklen Fell ausmachen. Aus einer Wunde am Oberschenkel fließt Blut und verklebt das Fell. So sieht also ein Wendel aus, ist der erste Gedanke von Jan. Der zweite folgt sogleich: Scheiße, wie mach ich das Vieh jetzt platt? Der sieht ziemlich gefährlich aus. Jan greift nach dem mitgebrachten Messer, jetzt ist die Zeit der Entscheidung da. Bestie oder Mensch, wer wird der Jäger und wer die Beute sein? Die Kontrahenten stürzen sich aufeinander. Fänge knallen dumpf aufeinander, wenn ein Biss daneben geht, Messerhiebe zerschneiden Luft und Fell zu gleichen Teilen, Rinde wird von einem Baum gesprengt als ein Krallenhieb diesen trifft. Minutenlang tobt der wilde Kampf, ohne das einem der beiden der entscheidende Treffer gelingt. Dann ist es mit einem Male vorbei. Schwer atmend und zerschunden stehen sich die beiden Gegner gegenüber, keiner bringt mehr die Kraft für den nächsten Angriff auf.
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Er hat nicht gesiegt. Der andere Jäger ist stärker als erwartet. Zwar ist er nicht geschlagen, aber dennoch wird er sich ein neues Revier suchen. Und dann, sobald er stärker geworden ist, dann kommt er wieder zurück. Dann bekommt er seine Rache, der Mörder seiner Jungen wird leiden, eines Tages. Er fletscht noch einmal die Zähne und weicht dann langsam in den Wald zurück.
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Jan konnte seinen Gegner nicht töten. Die Bestie, welche Ann ermordet hatte, ist zu stark für ihn. Hasserfüllt richtet er die Worte an das Monster: „Heute bist du mir entkommen, aber damit kommst du nicht durch. Ich werde dich jagen und töten und wenn es das letzte ist, was ich tue. Eines Tages liegst du tot vor mir.“ Danach zieht Jan sich zurück, in Gedanken schmiedet er bereits einen Plan, wie er Ann's Tod rächen will.