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Große Birken

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04.01.2009
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Große Birken

Liebe(r) Leser,
es schien, als wäre es ein Tag wie jeder andere. Anfangs zumindest. Doch wie ich schnell herausfinden sollte, war er doch ein wenig anders. Es gab gegen Nachmittag ein paar Komplikationen und ein paar Missverständnisse, die nicht hätten eintreten dürfen. Eigentlich ist alles schief gelaufen, was nur schief laufen konnte. Während ich die Geschichte jenes Tages aufschreibe, der übrigens letzte Woche war, sitze ich auf einem Baumstumpf in einem Birkenwald, da ich mich nicht in die Zivilisation wagen kann. Wegen dieser Komplikationen. Ich wäre tot, würde mich auch nur ein einziger Mensch identifizieren und mich zu IHNEN bringen. Doch ich werde IHNEN zuvorkommen, diese Freude werde ich IHNEN verderben. Denn ich fühle mich hier nicht wohl, nein, keineswegs. Ich hasse es hier zu sein. Diese Bäume...
Ich habe Bäume schon immer gehasst, schon seit ich klein bin. Immer schon. Um genau zu sein, habe ich Angst vor ihnen, sie lassen mich nicht schlafen, halten mich wach. Sie verbieten es mir. Sie werden mich für verrückt halten, wenn ich Ihnen sage, die Bäume wären es, die mir befehlen, was ich zu machen und vor allem, was ich zu lassen habe, doch es stimmt. Niemand hat mir das geglaubt, manche taten so als würden sie es, manche sagten mir offen ins Gesicht, ich sei ein Spinner. Doch das stimmt nicht. Sie haben Unrecht, wer so etwas behauptet ist ein böser Mensch, ein sehr sehr böser Mensch. Und böse Menschen haben eine Strafe verdient. Als Beweis für die Liebe, die man ihnen schenkt. Ich habe diese Menschen bestraft, manche härter, manche weniger hart. Doch bewunderte und liebte ich sie, als wären sie meine Brüder. Doch haben auch meine Brüder eine Strafe verdient, wissen Sie, sie können sich auch nicht alles erlauben.
Übrigens ist dieser Brief ein Abschiedsbrief, es ist das letzte, was ich je in meinem Leben schreiben werde. Wenn ich ihn vollende, werde ich bereits tot sein. Meine Leiche wird jedoch sicherlich vor dem Brief gefunden, dass weiß ich. Denn neben meiner Behausung, dem Wald, verläuft eine Bahnstrecke. In zwei Stunden kommt der nächste Zug, ich habe also nicht mehr all zu viel Zeit.
Wie gesagt, anfangs war es ein Tag wie jeder andere. Sogar ein herrlicher Tag, so herrlich ein Tag für mich nur sein konnte. Ich stand auf, die Sonne schien grell durch das Schlafzimmerfenster meiner Wohnung und das Radio lief auf Hochtouren. Rock Antenne, sie spielten eins meiner Lieblingslieder, „Dazed and Confused“ von Led Zeppelin. Wirklich ein super Song mit einem Hammersolo. Ein guter Start in den Tag, baute mich richtig auf.
Mein Ziel an jenem Tage war ein Treffen der Anonymen Alkoholiker. Die Besucher solch eines Treffens sind immer, wie Sie sicherlich wissen, am Boden zerstört und hilflos. Sie wissen nicht mehr weiter, die anderen AA und vor allem der Leiter der Gruppe sind ihre einzige Hilfe. Eine leichte Beute. Ein kleineres Ding, eine Standartnummer für mich. Nichts besonderes, wissen Sie. Das Treffen habe übrigens ich arrangiert. Heute in einer Kirche. Es war das zweite dieser Gruppe und auch das letzte. Wie immer und auch schon das vorige Mal begann ich die Sitzung mit: „Hallo, mein Name ist Brad Weinberg“. Wie immer die einstimmige Antwort, bei deren Klang ich mich jedes Mal schief lachen könnte: „Hallo Brad“
„Heute widmen wir uns einem fiesen und äußerst gemeinen Bestandteil unserer Selbst. Er ist es, der uns dazu treibt, die Flasche zu nehmen, sie zu entkorken und sinnlos in uns rein zu kippen. Er ist es, der uns dazu treibt, unsere Frauen zu belügen, schlechte Gefährten aus rauchigen Kneipen als unsere Freunde anzusehen, obwohl sie nichts als ein Haufen Versager sind. Sie sind böse! Er ist es, der uns dazu treibt uns in den Selbstmord zu stürzen, einen langsamen und qualvollen Tod zu erleiden. Lieber sollten wir einen Strick nehmen, oder uns vor einen Zug stürzen“ – hätte ich von meiner jetzigen Lage gewusst, hätte ich diesen Teil mit Bestimmtheit ausgelassen, das können Sie mir glauben – „und uns in Stücke teilen lassen. Doch wollen wir das?“
Vereinzelt und leise kamen Antworten, wie „nein, bestimmt nicht“, oder „nie im Leben“.
„Das klang nicht gerade sehr überzeugend. Ich frage euch noch einmal, wollen wir das?“
Diesmal klang es überzeugt, zwei von den zehn Anwesenden sprangen sogar aus Protest auf. Die Anderen begnügten sich damit laut „nein“ zu rufen.
„Schon viel besser, meine Freunde. Ich glaube ihr wisst jetzt von wem ich die ganze Zeit spreche. Dem innerem Schweinehund, kurz: Der ISH. Ihn gilt es zu überwinden...“
Ich erspare Ihnen weitere Einzelheiten, das würde Sie nur langweilen. Reden war zwar nie eine meiner Stärken gewesen, doch irgendetwas an mir ließ die Leute zuhören, ich zog sie förmlich in meinen Bann, sie glaubten mir jedes Wort. Was hatten sie auch für eine Wahl? Schließlich war ich ihre letzte Hoffnung auf ein besseres Leben. Und das gab ich ihnen. Ein neues, besseres Leben. Vielleicht taten sie es nur aus Mitleid, jedoch war jeder von ihnen einer der wenigen, die mir überhaupt zuhörten und nicht den Blick von mir wandten, oder gar schreiend wegliefen.
Sie fraßen mir aus der Hand und ich liebte sie. Sie waren meine Befriedigung, meine Erfüllung. Währen sie oder die anderen zuvor nicht gewesen, wäre mein Zug schon längst abgefahren. Obwohl sie es nicht wussten, brauchte ich sie genau so sehr, wie sie mich glaubten zu brauchen. In gewisser Weise waren sie meine Nahrung. Und sie schmeckten gut.
Nachdem ich eine Weile geredet hatte, waren sie dran. Ich ließ sie erzählen, was sie schon wieder verbrochen hatten und schimpfte sie, hörte mir an, wie lange sie nun schon nichts mehr getrunken hatten und lobte sie. Mit jedem meiner Worte wuchs ihr Vertrauen, ihre Zuneigung und ihre Liebe zu mir. Auch ihre Abhängigkeit von mir wurde immer größer. Sie konnten ohne mich nicht weiter überleben, oder es durchstehen, nicht zu trinken.
Nur einer an jenem Tag mochte und brauchte mich nicht. Das sah ich ihm an. Er war kein Trinker, dass hatte ich auch beim ersten Treffen schon bemerkt. Sein Gesicht war berechnend und wirkte intelligent und hart. Doch hatte ich geglaubt, er hätte anderweitige Probleme und dachte, ein Treffen der AA könne ihm weiterhelfen. Ich hatte recht, nur nicht wie ich es wollte. Ich hatte mich geirrt und das war mein Fehler. Es wäre besser gewesen, meine Sachen zu packen und schnellstmöglich zu verschwinden. Doch jetzt ist es zu spät, wie es meistens in solchen Fällen zu spät ist.
Sein Name war Helmut. Er war sehr groß, um die zwei Meter, und trug eine schwarze Lederjacke und Jeans, die über seine Springerstiefel ragte. Bestimmt mit Stahlkappen. Ich glaubte ihn schon einmal gesehen zu haben, vielleicht war es auf einem anderen Treffen gewesen, vielleicht auch auf der Straße. Einen so großen Menschen übersah man nicht einfach, meistens blieb er einem im Gedächtnis.
Ja, ich glaube es war sein Gesicht, das ihn verriet. Ich hatte schon viele harte Burschen wie ihn in meinen Sitzungen gehabt, sie unterschieden sich alle nicht wesentlich, doch er stach aus dieser Reihe heraus, wie ein schwarzes Schaaf in einer weißen Herde. Er war anders. Seine Augen spiegelten nicht jene Leere wieder, die bei den meisten AAs zu sehen war, sie waren hell wachsam und begutachteten ihr ganzes Umfeld präzise. Er kniff sie immer ein bisschen zusammen wie ein Kurzsichtiger, der versucht etwas in der Ferne zu erkennen. Sein Mund stand immer ein bisschen offen, nicht weit, aber ein kleines bisschen. Er hatte sehr schmale Lippen, die fast nicht da waren. Ich sah sie jede Nacht in meinen Träumen, sie wuchsen aus dem Gesicht, wurden größer und größer und fraßen mich auf. Schrecklich sage ich Ihnen.
Die Träume meine ich, wissen Sie, doch das schlimmste kommt erst noch. Nachdem sie mich aufgefressen haben (die Teile, die sie mir wegbissen, verschwanden einfach, als wären sie zu Luft geworden), war ich einfach wieder da, stand zwischen all den großen Birken, die ihr weißes Licht auf mich warfen. Dann rückten sie immer näher und näher, bis ich richtig eingekeilt war und mich nicht mehr bewegen konnte. Sie übten keinen richtigen Druck aus, sie engten mich nur ein. Wissen Sie, seit ich diesen Traum habe, weiß ich ganz genau, was das Wort Klaustrophobie bedeutet. Ich hatte noch nie Platzangst, doch jetzt...
Das merkwürdigste an diesen Träumen ist jedoch, es sind gar keine. Sie sind real, ob Sie’s mir glauben oder nicht, das alles passiert wirklich. Nicht das mit den Lippen, aber das mit den Bäumen. Wirklich! Ach, Sie glauben’s mir ja sowieso nicht, auch wenn ich Ihnen erzähle, dass ich nach jeder Nacht neue Blessuren, Kratzer, Prellungen, blaue Flecken und Quetschungen habe. Ich könnte mich ja im Schlaf hin und her gewälzt haben, ganz klar. Sie sind ignorant und eingeschränkt und beschränkt, wenn Sie das glauben, das sage ich Ihnen. Aber egal, ich glaube, ich hätte selbst diese Träume überstanden, auch wenn sie mich gequält haben. Wäre da nicht der von gestern gewesen, wissen Sie. Er war noch schrecklicher als die anderen. Diesmal wollten die Bäume mich nicht einquetschen, wie sonst immer, nein, sie wollten mich aus ihrem Territorium verdrängen und mich ausliefern. Sie drängten mich aus dem Wald heraus, bildeten eine Reihe und schoben mich zu einer Lichtung und über diese hinweg. Bis zu einer Hütte. Einer bewohnten Hütte. Toll, nicht? Jeder kennt mein Gesicht und weiß, dass ich nicht hier her gehöre. Ich lebe so, wie ich es nicht sollte, auf freiem Fuß, oder am besten lebendig.
Das erste was mir an dieser Hütte auffiel war die Sattelitenschüssel auf dem Dach. Dort lebte also kein Hinterwäldler, der von Technik nichts wissen wollte. Er kannte mich also. Oder noch wahrscheinlicher, sie kannten mich. Bestimmt waren es mehrere, ein starker Vater, ein starker, schon erwachsener Sohn. Mit Mistgabeln, Prügeln und was auch immer. Höchstwahrscheinlich Gewehren.
Das Licht ging an und plötzlich waren die Bäume verschwunden. Auch die Nacht in der ich mich befand war einem blauem Himmel und der strahlenden Sonne gewichen. Ich wachte auf. Und raten sie mal wo. Ich nehme an, hätten sie drei Versuche würden Sie sagen: Vor dem Haus, vor dem Haus, vor dem Haus. Wie Recht Sie damit haben! Ich wachte tatsächlich vor dem Haus auf, ich lag etwa einen Meter vor der Tür und versuchte durch das Fenster etwas zu erkennen. Ich sah niemanden. Doch als ich gerade aufstehen und schleunigst verschwinden wollte, hörte ich Schritte und das Knarren von alten Holzdielen. Sie kamen immer näher und näher und als ich aufstand öffnete sich die Tür. Ein alter Mann mit Hut stand da und richtete seine Schrotflinte auf mich. Er fragte, wer zum Teufel ich sei, was ich hier wolle und warum ich nicht sofort wieder verschwinden würde. Er war zu langsam. Ich antwortete auf meine Art.
Ein paar Sekunden später lehnte er an der Tür und eine Menge Blut sprudelte aus seiner Brust und floss auf den Boden. Ich zog mein Messer aus ihm und ging. Bestimmt hat man ihn schon gefunden und bestimmt kennt man den Täter und sucht hier verstärkt nach ihm. Bestimmt sind Sie, lieber Leser also ein Polizeibeamter, vielleicht sogar sehr groß und haben mich schon mal gesehen. Wie auch immer, ich merke, ich hole zu weit aus. Unser Thema war ja jener Tag, nicht wahr? Was interessieren Sie schon meine Träume... oder was interessiert Sie überhaupt? Egal.
Die Sakristei. Der Pfarrer hat in seinem Glauben an das Gute auch diesen Raum für meine Therapie freundlicherweise zu Verfügung gestellt. Ich benutze sie für die Einzelgespräche. Um meine Patienten noch weiter aufzubauen, wissen Sie. Hier bekommen sie ihren letzten Tritt, ihren Abschied vom Alkohol. Glauben sie mir, niemand hat nach einem meiner Einzelgespräche jemals wieder auch nur einen Tropfen Alkohol angerührt. Kein einziger.
Bis auf diesen großen Kerl vielleicht, bestimmt hat er sich nach diesem Abend eine ganze Flasche Hochprozentigen reingekippt, aus Frust mich nicht gekriegt zu haben. Wie er mich hassen muss. Doch das beruht auf Gegenseitigkeit. Er hasst mich für etwas, bei dem ich keine Wahl habe. Ich habe meine Befehle und führe diese aus. Sonst nichts.
Auf jeden Fall war er der zweite in der Reihe, um den ersten hatte ich mich also noch ungestört kümmern können. Es ging schnell, wie gesagt, ich habe so etwas schon öfters gemacht. Meine spezielle Heilmethode angewandt, wissen Sie, das meinte ich. Als er hereinkam sagte ich ihm, er solle sich setzen. Als er dies tat nahm ich mein Messer und schnitt ihm die Kehle durch. Dann das übliche, großes Röcheln und wenn’s noch ging Heulen, dann fiel er vom Stuhl. Ich fing ihn auf und schaffte ihn in einen Nebenraum, der in diesem Fall das Büro der Pastoralassistentin war. Sie würde sich bei dem schönen Anblick bestimmt freuen.
Danach reinigte ich wie jedes Mal den Tisch, Stuhl und Boden, damit der nächste keinen Verdacht schöpfte. Nur oberflächlich, wissen Sie, keiner sieht genau hin. Sie sind im Normalfall nur auf mich fokussiert.
Doch nicht mein nächster Gast, nein er nicht. Man hatte ihn trainiert auch neben den Hauptobjekten das Umfeld zu untersuchen. Ein kleiner Blutfleck hier, ein paar Reste dort, er musste sie sehen. Und er sah sie. Doch er hatte mich nicht gekriegt, niemand kriegt mich. Ich bin gut. Sehr gut sogar.
Meine Mutter hat zwar immer das Gegenteil behauptet, doch das tut sie schon seit Jahren nicht mehr, wie denn auch? Kann ja nicht mehr reden, seit ich ihr erst ihre Lästerzunge herausgeschnitten habe und sie dann mit zementierten Füßen in den See warf. Man hat sie bis heute nicht gefunden. Soll mir recht sein. Ich hasse sie immer noch.
Hat mich immer schon schlecht gemacht. Versteckt hat sie mich, mir erzählt, etwas stimme nicht mit mir und mich auf den Dachboden gesperrt. Niemand wusste, dass ich lebte. Bis ich etwa 28 war. Ich bin geflohen und wurde in ein Waisenhaus gesteckt. Dort lernte ich lesen und schreiben. Über meine Mutter habe ich immer behauptet, wisse ich nicht, wo sie sei. Und mein Vater wäre tot und das stimmte sogar. Er starb, als ich etwa zwei Jahre alt war, kurz nach meiner Geburt.
Doch ich wusste wo meine Mutter lebte und besuchte sie. Vier Jahre nach meiner Flucht. Da war ich dann um die 50. Sie hatte mich sofort wieder erkannt. Auch den Dachboden besuchte ich abermals. Alles war so wie ich es zurückgelassen habe. Die Bücher, die ich damals nicht entziffern konnte lagen immer noch gleich angeordnet auf dem staubigen Boden. Es waren viele unterschiedliche Genres. Von jedem Genre nur eins. Außer von Naturbüchern, davon lagen viele herum. Und diese waren die einzigen mit Bildern. Ich denke Sie haben’s erraten, was auf den Bildern war. Eine Menge Bäume natürlich. Sie sahen böse aus, ich hatte große Angst vor ihnen, wie sie mit ihrer phänomenalen Größe in den Himmel ragten und auf mich herabsahen. Ja, sie sahen mich an. Und nicht gerade freundlich. Sie glauben mir eh nicht, doch denken Sie was Sie wollen. Ist mir egal. Die Bäume haben mich angestarrt, ob Sie’s glauben oder nicht.
Ich weiche vom Thema ab. Hab nicht mehr so viel Zeit, vielleicht noch ein bisschen mehr als eine Stunde. Dann, tschu tschu, kommt der Zug. Ja, ich bilde mir ein ihn schon jetzt zu hören, aber egal. Wir wollten ja bei der Sache bleiben.
Er kam hinein und setzte sich. Wir plauderten ein wenig, ich wusste, dass ich vorsichtig mit ihm sein musste. Ihn gleich zu töten wäre gefährlich gewesen, erst musste ich ihn ablenken. Ich versuchte es, doch er war schneller. Er hatte die Blutflecken bemerkt, zog seine Knarre und richtete sie auf mich. Er schrie irgendwas von Hände hoch und keine Bewegung. Ich hörte ihn kaum. Mein Kopf war erfüllt von Geräuschen des Waldes, vor meinen Augen taten sich riesige Bäume auf, die von ihren Kronen hasserfüllt und drohend zu mir herab blickten. Ich weiß bis heute nicht, was es war, doch irgendetwas nahm ich blitzschnell vom Tisch und warf es nach einer dieser Kronen. Ein dumpfes plock war zu hören und die Bäume verschwanden wieder und es wurde still. Helmut hielt sich seinen Kopf, die Pistole lag neben ihm. Trotzdem wagte ich es nicht, ihn zu töten, er hätte vielleicht schneller sein können. Ich lief weg ohne mich umzusehen. Er folgte mir, doch ich war schneller. Irgendwann schaffte ich es ihn abzuhängen. Ich sah ihn nie wieder.
Doch er sah mich. Bestimmt täglich. Auf den Bildern nämlich, die überall in der Stadt hingen. Die Bilder auf denen mein Bild war, mein Phantombild. Es war gut geworden, unverwechselbar. Jemanden wie mich verwechselte man nicht leicht, von meiner Sorte gibt es nicht so viele. Etwa 50 weltweit.
Nun ja, Sie wissen ja was Sache ist. Ich habe sowieso nicht mehr lange zu leben, dennoch möchte ich nicht, dass mich einer von IHNEN tötet. Ich will es selbst tun. Aber SIE würden mich sowieso nicht töten, dazu wären SIE nicht fähig. In einem anderen Land vielleicht, aber nicht hier. 15 Jahre Psychiatrie wahrscheinlich, oder Gefängnis und wegen guter Führung nur die Hälfte. So oder so würde ich es nicht überleben. Dafür ist meine Zeit zu knapp.
Für die letzten beiden Absätze habe ich sehr lange gebraucht, wissen Sie, es fiel mir nicht leicht über meine Krankheit zu sprechen. Ich weiß es nicht wieso. Vielleicht weil sie der Grund dafür ist, dass meine Psyche ist, wie sie ist. Am meisten Schuld trägt natürlich meine Mutter. Ich weiß jetzt, dass die Bäume nicht echt waren. Genau wie mein Leben. Aber sie haben mir den Weg gewiesen, um mich für kurze Zeit glücklich zu machen und mich meine Progerie vergessen zu lassen. Wenn ich mordete verschwanden sie und dann waren sie wieder da und trieben mich zum nächsten. Und so weiter. Seit meiner Mutter ging das so. Ich...
Der Zug kommt. Wirklich. Ich muss gehen.

Mit freundlichen Grüßen

Brad

Ich bin zurück. Sie werden nicht glauben, was gerade passiert ist. Ich kann es selbst kaum glauben, doch habe ich es mit eigenen Augen gesehen. Wissen Sie noch, was ich Ihnen im letzten Abschnitt über die Bäume erzählt habe? Ich denke schon, doch hiermit widerrufe ich es. Lesen Sie es in der Zeitung nach, oder falls Sie den Brief recht bald finden, können Sie sich ein Bild davon machen, was gerade passiert ist. Ich möchte vorneweg noch sagen, dass es windstill ist. Es weht kein einziges Lüftchen im Schänwald. Dennoch liegen einen Kilometer lang mehr als drei Dutzend Birken auf der Fahrbahn. Der Zug wurde aufgehalten.
Mir bleibt keine andere Wahl.
Ich muss weitermachen, bis meine Krankheit mich dahinrafft. Oder bis SIE mich kriegen...

 
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Willkommen auf KG.de, B.

Dein Erstling hat mich gut unterhalten, weil ich mich herrlich über die Geschwätzigkeit des Erzählers aufregen konnte. Positiv zu vermerken ist eine weitestgehende Fehlerfreiheit. Du hast dir also Mühe gegeben und willst wirklich schreiben.

Das wichtigste Problem deines Textes: Zuviel Gelaber, zuviel absolut unnötige Information, die die Geschichte leider schnell der unfreiwilligen Komik preisgibt. Ansonsten hast du dich der "Die-Stimmen-haben-mich-gezwungen-es-zu-tun"-Thematik angenommen, leider eine der augelutschtesten Plot-Schablonen überhaupt. Mit mehr Blut hättest du für kurzweiligen Splatter sorgen können, bleibst aber bei einem ziemlich elanfrei beschriebenen Messermord.

Wie Didi, der Doppelgänger einst sagte - Ich brauche mehr Details:

Doch wie ich schnell herausfinden sollte, war er doch ein wenig anders.

Überflüssig. Wenn dem nicht so wäre, gebe es gar keine Geschichte zu erzählen.

würde mich auch nur ein einziger Mensch identifizieren und mich zu IHNEN bringen. Doch ich werde IHNEN zuvorkommen, diese Freude werde ich IHNEN

Durch die Ich-Perspektive gibt das einen ganz blöden Effekt. Als würde der Typ sich ständig zu mir rüberbeugen, seine Stimme heben und laut und deutlich IHNEN sagen … wirkt albern.

schon seit ich klein bin

Wenn er jetzt groß ist, war er klein. Abgesehen davon meinst du „jung“.

die anderen AA

So würde man es bei der Zeitung machen. Erst ausschreiben, dann abkürzen. Ist aber nicht sehr literarisch. Hier gibt es doch nun wirklich tausende herrlicher Alternativen: Spritbirnen, Suffköppe, Säufer, Alkis, Fässer ohne Böden, und, und, und …

Standart

Standard

Sein Name war Helmut.

Brad Weinberg, aber sein Name war Helmut. Immer diese Unentschlossenheit die geographische Einordnung einer Geschichte betreffend. Deutschland ist OKAY! Deutsche Namen sind OKAY! Übrigens fühle ich mich gerade ziemlich an Fight Club erinnert. Deshalb Brad?

Schaaf

Schaf

die bei den meisten AAs

:rotfl:

sie waren hell wachsam und begutachteten ihr ganzes Umfeld präzise

ganzes unnötig

Das merkwürdigste an diesen Träumen ist jedoch, es sind gar keine. Sie sind real, ob Sie’s mir glauben oder nicht, das alles passiert wirklich. Nicht das mit den Lippen, aber das mit den Bäumen. Wirklich! Ach, Sie glauben’s mir ja sowieso nicht, auch wenn ich Ihnen erzähle, dass ich nach jeder Nacht neue Blessuren, Kratzer, Prellungen, blaue Flecken und Quetschungen habe. Ich könnte mich ja im Schlaf hin und her gewälzt haben, ganz klar. Sie sind ignorant und eingeschränkt und beschränkt, wenn Sie das glauben, das sage ich Ihnen.

Ähem. Tipp auf die Uhr.

Ich lebe so, wie ich es nicht sollte, auf freiem Fuß, oder am besten lebendig.

Der letzte Teil des Satzes macht keinen Sinn.

Ich nehme an, hätten sie drei Versuche würden Sie sagen: Vor dem Haus, vor dem Haus, vor dem Haus. Wie Recht Sie damit haben! Ich wachte tatsächlich vor dem Haus auf

:sleep:

Wie auch immer, ich merke, ich hole zu weit aus.

Na endlich.

Unser Thema war ja jener Tag, nicht wahr?

Äh, nein, das Thema war, IHNEN glaube ich ... und dann war da noch ein Säufer namens Helmut und ein Zug, der demnächst abfährt, oder nee, warte ... Müssten Sie das nicht eigentlich wissen, werter Ich-Erzähler?

Hat mich immer schon schlecht gemacht. Versteckt hat sie mich, mir erzählt, etwas stimme nicht mit mir und mich auf den Dachboden gesperrt. Niemand wusste, dass ich lebte. Bis ich etwa 28 war.

Hollywood-Küchenpsychologie. Kann mit Liebe zum Detail Spaß machen wie alle Klischees und Stereotypen. Aber das hier ist lieblos.

Sie glauben mir eh nicht, doch denken Sie was Sie wollen. Ist mir egal. Die Bäume haben mich angestarrt, ob Sie’s glauben oder nicht. Ich weiche vom Thema ab.

ICH WERD GLEICH ZUM TIER HIÄÄÄ!!!

Dann, tschu tschu, kommt der Zug.

Bis jetzt bester Satz und beste Stelle der Geschichte. Ernsthaft.

Ein dumpfes plock

Lautmalerei ist schwer. Mach doch einfach ein dumpfes, schlagendes Geräusch daraus o.ä.

Und so weiter.

An Stellen wie diesen strotzt die Geschichte vor Selbstironie, was aber vermutlich nicht beabsichtigt ist.

Der Zug kommt.

Gott sei Dank.

Ich bin zurück. Sie werden nicht glauben, was gerade passiert ist.

AAAAHH! Eine Horrorstory, fürwahr.

Die erste Geschichte verreißen ist natürlich unfein, aber das hier war einfach eine Steilvorlage. Talentfrei bist du meiner Meinung nach jedenfalls nicht. Deshalb: Dranbleiben, Fehler machen und daraus lernen. Nächste Geschichte schreiben.

Viele Grüße
JC

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo, bravenewworld84,

auch für meinen Geschmack krankt die Geschichte an ihren Ausschweifungen.

Aber davon abgesehen: Ich habe vor einiger Zeit eine Dokumentation über ein an Progerie erkranktes Kind gesehen und denke deshalb, dass dein Text auch dahingehend nicht funktioniert. Die Kinder erreichen kaum das Teenageralter. Sie altern rasend schnell und sterben letzendlich an entsprechenden Alterskrankheiten.

Schon ein gesundes Kind wird seine Probleme haben, einen Erwachsenen zu erdolchen, geschweige denn, dessen Leichnam in ein Nebenzimmer zu schaffen oder die Mutti mit Betonfüßen in den See zu werfen. Auch wachsen Progeriekranke nicht normal, sie bleiben klein und zierlich und bleiben - vor allem - immer noch Kinder, wenn wohl auch häufig sehr kluge. Dennoch würde ein solches Kind keinesfalls als Erwachsener durchgehen und ganz sicher kein AA-Vorturner sein. Kurz gesagt: Dein Plot ist Unsinn.

Außerdem ist es meiner Meinung nach geschmacklos, ausgerechnet ein Progeriekind zum Monster zu machen. Das ist so, als würdest du ein todgeweihtes krebskrankes Kind zum Protagonisten dieser Geschichte wählen und auf den Schockeffekt der Chemotherapie-Folgen hoffen. Das mag vielleicht literarisch vertretbar sein, erfordert aber dann mit Sicherheit eine ganz andere Textqualität und Hintergrundrecherche als die, die du geliefert hast.

Ich kommentiere normalerweise keine Geschichten mehr, die mir nicht gefallen, aber ich hab mich wirklich extrem an der "Pointe" gestoßen. Bitte schreib beim nächsten Mal wenigstens über Dinge, von denen du etwas verstehst.

Gruß

Richard

 

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