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Gut gegen Böse
Er saß in der Falle. In der Zeit seiner Ausbildung war er oft genug auf genau solche Situationen vorbereitet worden. Alleine im Kampf gegen mehrere Feinde und diese auch noch ausgestattet mit den modernsten Waffen und Techniken, er selbst ohne Hoffnung auf bald eintreffende Verstärkung.
Sein Mentor pflegte ihm immer zu sagen dass es immer einen Ausweg gebe, dessen Schlüssel sich im Besinnen auf seine eigenen Fähigkeiten und Instinkte befände. Stephen schloss die Augen und atmete mehrere Male tief ein und aus. In seinem Kopf ging er die momentane Situation durch. Der Lagerraum in dem er sich befand mit den drei Fenstern rechts von ihm, der alten aber dennoch sehr stabilen Massivholztür zu seiner linken. Er sog den Gestank des alten und faulen Gebäudes in sich auf und lud seine Waffe mit dem letzten ihm zur Verfügung stehendem Magazin ganz automatisiert, ohne dabei das klare Bild des Industriegeländes in seinen Gedanken zu verlieren.
Es waren ziemlich genau einhundertundzwanzig Meter Luftlinie bis zur sich schräg gegenüber befindlichen großen Lagerhalle, da war er sich sicher. Distanzen abzuschätzen gehörte bereits seit seiner frühen Kindheit zu seinen Stärken mit denen er seine Mitschüler stets verblüffte. Er wusste auch, dass er es mit mindestens fünf sehr gut ausgebildeten Gegnern zu tun hatte. Und die hatten sich mittlerweile sicherlich in der Lagerhalle an strategisch günstigen Positionen in Stellung gebracht. Ein direkter Angriff würde ohne weitere Verstärkung definitiv zu seinem Tod führen, sie würden direkt auf ihn schießen, keine Frage. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen.
Stephen war schon immer ein bekennender Einzel- und Draufgänger. Arbeiten im Team brachte nur unnötige Komplikationen mit sich, das hatte er von seinem Mentor bereits gleich zu Beginn seiner Ausbildung eingetrichtert bekommen. Anfangs hatte es sich nicht bestätigt.Doch bei einem Einsatz vor zehn Monaten verlor Stephen zwei seiner Kollegen auf tragische Weise. "Diese verdammten Bastarde verfügen einfach über immer präzisere und tödlichere Waffen" dachte Stephen ohne dabei das Gelände aus dem Auge zu verlieren. Um sein eigenes Leben zu retten musste er damals das Leben seiner treuen Leute, wie er sie immer nannte, opfern. Warum also jetzt auf Hilfe von außen warten und unnötig seine Jungs in Schwierigkeiten bringen? „Besinne dich auf deine Fähigkeiten und Instinkte!“ flüsterte er sich zu. Stephens Stimme klang ruhig und höchst konzentriert. Er war einer der Besten, hatte schon viele Male seine Feinde in Schach gehalten. Warum sollte es also ausgerechnet an diesem verregneten Novemberabend anders sein. Allerdings blieb ihm nun nicht mehr viel Zeit, Stephen musste improvisieren. Er liebte es wenn er herausgefordert wurde, dann konnte er an seine Grenzen gehen, ja sogar darüber hinaus. "Wer bekommt in seinem Leben schon mal die Chance dies zu tun?" pflegte er immer zu sagen.
Er war das Gelände noch einmal vor seinem geistigen Auge bis auf den kleinsten Stein abgegangen. Die Vorbereitung und die Ausarbeitung eines Plans, eines Ersatzplans und eines Ersatzplans für den Ersatzplan waren unumgänglich für das Überleben in diesem Job. In jungen Jahren kamen Stephen diese immer wieder kehrenden Phrasen seines Mentors langweilig und übertrieben vor. Mittlerweile dankte er ihm jeden gottverdammten Morgen für diese Weisheiten die ihm schon so oft das Leben gerettet hatten. In diesem besonderen Fall kam Stephen nun zum Entschluss zu Ersatzplan B zu greifen. Es war unmöglich alle Zielobjekte auszuschalten und da niemand sonst von seinem Aufenthaltsort wusste, arbeiten im Team brachte nur unnötige Komplikationen mit sich, blieb ihm vorerst nur die Flucht um sein eigenes Leben zu retten. Der Kanaldeckel ungefähr achtzehn und ein halber Meter hinter dem Lagerraum war seine Rettung. Doch wie diesen Deckel erreichen, öffnen und fliehen ohne von zahlreichen Geschossen durchlöchert zu werden?
Ein Ablenkungsmanöver musste her. Eine weitere grundlegende Regel die Stephen zu beherrschen wusste. Er richtete sich auf, klopfte den Staub von seinen Schultern und griff zur vor ihm liegenden Eisenstange. Er atmete wiederum einige Male tief ein und aus. Er dachte für einen kurzen Moment an seine Frau und seine kleine Tochter Emilia. Eisige Stille über dem Industriegelände, dann zündete Stephen die Bombe in seinem Wagen der auf halbem Weg zwischen ihm und den Personen die ihn töten wollten geparkt war. Stephen riss die große Holztür des Lagerraumes auf und sprintete zum Kanaldeckel. Er war bereits an das Geräusch einer explodierenden Autobombe gewöhnt, dennoch verwunderte ihn diese enorme Explosion ein klein wenig. Allerdings machte sie ihn auch auf eine gewisse Art und Weise stolz. Die umherfliegenden Autoteile und die enorme Rauchentwicklung verschafften Stephen genau die Zeit die er benötigte um in den Kanal zu steigen, den Deckel hinter sich wieder zu schließen, und in den unendlichen Weiten des Kanalwesens unter der Stadt zu verschwinden.
Als Stephen Miller am nächsten Morgen in seiner gerade spärlich aber dennoch frisch
eingerichteten Wohnung bei einer Tasse schwarzen Kaffees die Zeitung aufschlug, huschte ein kleines lächeln über seine Lippen als er die große Überschrift auf der ersten Seite zu lesen bekam:
„Gesuchter Bandenanführer erneut entkommen!„