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- 28.12.2008
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Guten Morgen
Er stand auf. Als seine Füße sie fanden, lagen die Hausschuhe ordentlich zusammengestellt an seinem Bett. Er liebte das Streicheln des Flaumes im Inneren, wenn sich seine Zehen ungeduldig in die Sohlen bohrten. Das Fenster müsste mal wieder geputzt werden, dachte er bei sich, als er den metallenen Griff kraftvoll in seine Schranken wies und es aufklappte.
Die Morgenluft roch noch ein wenig nach Tau. Hoffentlich wird sich das verziehen.
Die Kaffeemaschine stand an ihrem gewohnten Platz. Sorgfältig breitete er den Filter hinein, das faltige Geräusch gefiel ihm und darüber musste er schmunzeln. Das Wasser tunkte den Filter in eine seltsame Starre.
Über den Linoleumboden ging er ins Bad. Jedes mal versuchte er ein wenig mehr zu rutschen. Irgendwann einmal würde er sicher von der Küche, um die Ecke rutschen und direkt am Knauf der Badtür landen.
Die weißen Fliessen im Bad fingen das Licht der aufgehenden Sonne ein und verteilten es im ganzen Raum. Es bildete ein diffuses Dreieck. Er trat in dessen Mitte und lächelte zurück als ein Lichtschweif über sein noch müdes Gesicht zog.
Die Dusche stand auf lauwarm. Zögernd berührten die Finger den Hahn und sein Körper zitterte als er aufdrehte. Aber tatsächlich: lauwarmes Wasser. Nichts ist morgens schlimmer als auf lauwarmes Wasser warten zu müssen, während kaltes Wasser eine Gänsehaut über seinen ganzen Körper jagt. Er ließ das Wasser über seinen Arm laufen und manchmal sah es dann so aus, als würden kleine Wasserstrahlen aus seinen Fingern kommen, so wie heute.
Zufrieden rieb er sich den Rasierschaum über die Haut. Das Brennen, während die Klinge über die in der Nacht gesprossenen Stoppel fuhr, rüttelte ihn wach. Manchmal schnitt er sich dabei, aber nicht heute. Beim Abtrocknen liefen ihm noch ein paar Tropfen über das Gesicht, die er genüsslich abwischte. Sein Anzug lag schon bereit und er streifte ihn mittlerweile schon automatisch über. Nur die Krawatte, die hatte er sich gestern Abend noch nicht herausgesucht. Sorgfältig strich er über die hundert Krawatten, die sich im Laufe der Jahre angesammelt hatten und da sah er sie: Orange Muster, fast wie Intarsien, die sich auf ein saftiges Grün legten. Er zog die Krawatte an, die die erste in seiner Sammlung gewesen war und die er schon verloren geglaubt hatte. Sein Spiegelbild strahlte ihn beim Anlegen an.
Träumend ging er in die Küche: der Kaffee war schon durchgelaufen und in dem Moment als er eine halbe Drehung über dem Parkett machte und erst seine Arme ausstreckte und dann mit seinem Zeigefinger herausfordernd auf den Toaster zeigte, sprangen zwei Scheiben heraus, die mit einem leichten Knacken antworteten. Auf die eine Käse, auf die andere Wurst und die Tasse in der Hand stand er lächelnd in der Küche. Sein Arm bewegte sich von ganz allein, damit die Ärmel des Sakkos den Blick auf die silberne Armbanduhr freigaben.
Er schloss die Augen beim Aneinanderreiben des Sakko- mit dem Hemdsärmel. Spät.
Die Aktentasche in der linken und die Zeitung unter dem rechten Arm schloss er seine Tür auf. Der Tau hatte sich verzogen und eine leichte Windbrise strich ihm über die Haare; ja, das ist ein guter Morgen.