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HA!

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23.09.2008
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HA!

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Ruckartig geht der Kopf hin und her. Schwarze Federn werden aufgeplustert, Flügel gespreizt. Zwei dünne Knorpelbeine wippen auf dem Rand des Nestes, dessen Boden mit gesprenkelten Eiern gefüllt ist. Ein kalter Blick aus starren Pupillen fixiert die Hände der Frau. Beobachtend, abwartend, lauernd.

„Diese verfluchten Biester!“, schimpft sie, zielt und lässt das Gummiband mitsamt Kiesel nach vorne schnellen. Der Stein löst sich vom Band, wird nach oben katapultiert und landet im Blätterdach des Baumes.
„Mist!“ Enttäuscht lässt sie die Arme sinken. "Verfehlt."
„Ach, lass sie doch“, sagt der Mann gähnend, während er seine Beine auf der Gartenliege übereinander schlägt. „Diese paar Kirschen machen uns nicht ärmer“. Gemächlich blättert er die Seiten der Zeitung um.

„Wie? Was soll das heißen, lass sie doch?!“ Aufgebracht fährt sie sich mit der linken Hand durchs Haar, während ihre ausgestreckte, rechte, mitsamt Zwille auf den Baum zeigt. „Guck sie dir doch an!“
Ihre Augen suchen seinen Blick, doch er hebt demonstrativ die Zeitung in die Höhe, deren Rand an seinem Haaransatz endet.
„Hallo? Ich rede mit Dir!“
Sein Gesicht bleibt verborgen. Er antwortet nicht, nur das Papier raschelt.

Sie nimmt den nächsten Kiesel und zielt erneut. Er fliegt schnell und mit ihm viele, schwarze Flügelpaare, die plötzlich in den Himmel aufsteigen. Mit einem dumpfen Plopp landet er am Baumstamm.
Die Vögel kreisen aufgeregt über den Baumwipfeln der Nachbargärten, kehren mit lautem Krächzen zurück und lassen sich erneut auf dem Kirschbaum nieder.

Wütend dreht sie sich um. „Und du? Du hast nichts Besseres zu tun, als dich hinter deiner Zeitung zu verschanzen! Wie immer!“
Seine gemurmelten Worte dahinter sind kaum zu verstehen. „Nicht mal am Wochenende hat man seine Ruhe“.
„Was? Ich hör wohl nicht recht?!“
„Nichts. Schon gut.“
Während sie ihre Handrücken in der Taille abstützt, überfliegen ihre Augen die Schlagzeile: Deutsches Kampfflugzeug in Afghanistan abgeschossen, steht da. „Was soll das nun wieder heißen?", fragt sie mit zornig bebender Stimme, "nichts, schon gut?!“
Das Geräusch des Seitenumblätterns wird lauter. „Nichts! Sagte ich doch bereits.“
„Aha. Nichts. Na, prima!“ Sie nickt, dreht abrupt ihren Kopf und starrt in den Baum. „Der Herr sagt mal wieder NICHTS!“
Entschlossen greift sie nach dem nächsten Kiesel und platziert ihn präzise in der Mitte des Gummis. Ihr Ziel anvisierend kneift sie das linke Auge zusammen, presst die Zähne aufeinander und zischt leise: „Na warte, dir werd ichs zeigen. Schluss damit – ein für allemal.“
Während dieses Geschoss endlich sein Ziel erreicht, entschlüpft ihr ein triumphierendes, „HA!“

 

Don't mess with the crows! :)

Ich finde die Wut, die die Hauptperson schon am Anfang auf die Vögel hat, bleibt zu unklar. Vielleicht könntest du da einen Rückblick auf ein Kindheitserlebnis einfügen oder so etwas.
Ich mag persönlich auch keine Zeitungsbericht-Enden. Die Situation, in welcher eine Person sehr aufgebracht ist, eine Situation, die sich dann komplett wendet, finde ich grundsätzlich sehr interessant und lustig. Die myistischerweise zielgerichtet angreifenden Krähen wiederum, halte ich für zu übertrieben. Ich will keine eigene Geschichte daraus machen, aber ein etwas subtilerer Schluss würde mir besser gefallen- (z. B. Eine Krähe attackiert sie und dabei stürzt sie, so etwas in der Art..)

Liebe Grüße,
Tobias

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Tobi,

danke für die Hinweise.

Dein Ende klingt auch ganz witzig - danke für die Idee.
Habe drüber geschlafen und aufgrund Deiner Anregung den Schluss komplett herausgenommen.
Einen Rückblick in die Kindheit bedarf es nicht, denn die Wut der Protagonistin gilt nicht den Krähen ...

L.G. Sua Sponte

 

Hallo Sua Sponte,

verzeih, dass ich zuvor die Zweideutigkeit des Textabschnitts vor dem Zeitungsartikel überlesen habe. Der Artikel hat dazu geführt, dass es für mich Eindeutig wirkte. Ohne den ist es besser!

Irgendwie gefällt mir die kurze Geschichte, aber ich kann nicht sagen, warum. Die Hauptfigur ist mir grundsätzlich unsympathisch und ich kann mir eine Frau mit einer Zwille einfach nicht vorstellen! - Dabei habe ich fast schon ein bisschen Mitleid mit dem Mann.. Sollte man das?

LG, Tobias

 

Hallo Sua,
ich fand das Zeitungsartikelende eigentlich gar nicht schlecht.
Aber auch so ist es schön und ich finde die Vorstellung von ihr mit der Zwille sehr amüsant :D

Mitleid mit dem Mann habe hingegen gar nicht

LG Frenchy

 
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Moin Moin Tobias,

es freut mich, dass Dir der Text gefällt.
Ja, so ist das mit den "Amazonen" - Frauen haben mehrfach männl. Domänen erobert, sogar das Zwillenschießen. ;-)

Meine KG beschreibt einen Konflikt, der schon länger schwelt ... erkennbar an ihrem Satz, "Der Herr sagt mal wieder NICHTS".
Er "glänzt" durch mentale Abwesenheit, sie ist darüber stinkig. Das alte Mann-Frau-Thema: Er ist stumm, sie motzt.
Und je mehr sie motzt, umso mehr verstummt er. Da stellt sich doch unweigerlich die Frage - was war zuerst da? Huhn oder Ei? ;-)
Beide "doktern" in dieser KG an den oberflächlichen Symptomen herum, verausgaben sich an Nebenkriegschauplätzen. Sie ist dabei der aktive, er der passive Part. Dein Mitleid für ihn ist deshalb durchaus verständlich!


Moin Moin Frenchy,

ausgehend vom Zeitungsartikel, (s.u., habe ihn für Dich nochmal angefügt), der so Wort für Wort in der Zeitung stand, habe ich daraus diese Geschichte "ersponnen". Es hätte auch eine beliebige andere sein können; aber daraus einen Beziehungskonflikt zu basteln, fand ich ganz lustig.
Fein, dass Du mit ihr fühlst. ;-)

An euren beiden Kommentaren wird deutlich, dass Frauen und Männern sehr unterschiedlich empfinden - wider allen aufgestellten Thesen und Behauptungen.
Und das ist gut so. ;)

Krähen-Angriff​
Eine Frau in Hamburg wurde bei einem Spaziergang im Park von 20 Krähen angegriffen. Die Vögel stürzten sich auf sie und wollten sie in den Nacken picken. Die Frau wehrte den Angriff ab.
Kurze Zeit später kam sie mit einem Polizisten und einem Polizeihund an den Tatort zurück. Wieder stürzten sich die Krähen auf die Frau. Den Polizisten und den Hund ließen sie mysteriöserweise in Ruhe.

 

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