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Happy End
Für den Andi
Die schweren Flügeltüren fliegen krachend auf und knallen zu beiden Seiten gegen die Steinmauer. Gleißendes Licht flutet in die Kammer und verwandelt die herabregnenden Holzsplitter und Scharnierspäne in Goldregen. Und im offenen Torbogen steht strahlend schön: Der Prinz.
Die junge Frau – sie ist Prinzessin und daher selbstverständlich ebenfalls von unvergleichlicher Schönheit- springt auf und läuft mit blitzenden Augen ein paar Schritte auf ihn zu, bevor sie ihre Haltung zurückgewinnt und innehält.
Hoheitsvoll steht sie in der Mitte der voll ausgeleuchteten Kammer.
Der Prinz holt tief Luft, wischt sich hastig Schweiß und Drachenblut aus dem Gesicht, bevor er gemessen auf sie zuschreitet, das Knie vor ihr beugt und sie stolz anlächelt.
Huldvoll reicht ihm die Prinzessin die schmale Hand, ihr leuchtender Blick trifft ihn mitten ins Herz: Endlich!
- Nach fünf Jahren Angst und Bangen, verrückten Zauberern und gräßlichen Monstern: Die Rettung.
- Nach fünf Jahren wilder Verfolgungsjagd, schrecklichen Schlachten und stinkenden Feldbetten: Die Belohnung.
Fünf Jahre, und immer diese Stimme im Hinterkopf: Schicksal, Liebe, Ehre, Ruhm!
Genau zum rechten Zeitpunkt strahlt die blutrote Sonne durch das Kammerfenster und zwitschern im Abendkonzert ganze Schwärme von Vögeln. Glücklich nimmt der schöne Prinz die schöne Prinzessin in den Arm und neigt sich zu ihr hinab – welch perfektes Größenverhältnis! Überhaupt ist beiden klar: Sie sind füreinander gemacht worden, müssen früher Eins gewesen sein, und jetzt endlich sind sie wieder vereint! Der folgende Kuss hebt die Welt aus den Angeln, und irgendwo muss auch ein verrückter Geigenspieler unterwegs sein. Hurra! Tusch und Posaunenschlag!
"Und wenn sie nicht gestorben sind ...“
Dann sinkt die Sonne unter den Horizont und es wird dämmrig in der Kammer. Die Vögel draußen verstummen, und die paar, die noch schreien, klingen irgendwie schrill. Ein kühler Luftzug fährt der Prinzessin durchs Haar und befreit die kunstvoll gelegten Löckchen. Na toll.
Prinz und Prinzessin lösen sich voneinander. Nach der Begeisterung des perfekten Augenblicks glühen die Gesichter noch ein bisschen nach, aber die eben noch feurigen Blicke wirken jetzt ein wenig nervös und der Prinz tritt verlegen von einem Bein auf das andere.
„Hemhem“, räuspert sich die Prinzessin damenhaft. Irgendwie weiß sie nicht so Recht, wie es jetzt weitergehen soll. Soll sie einfach den Prinzen fragen, ob er es weiß? Sie will ja auch die Stimmung nicht verderben, immerhin gefällt er ihr. Also schaut sie ihn einfach nur erwartungsvoll an. Er wird schon machen.
Der Prinz spielt ein wenig ratlos mit der Schulterspange seines Umhangs. Er weiß nicht, was er sagen soll; was sagt man denn zu einer frisch geretteten Prinzessin? Alles, was ihm einfällt, klingt entweder kitschig oder chauvinistisch. Aber er merkt errötend, dass die Pause zu lang geworden ist und murmelt lahm: „Tja. Dann wollen wir mal, oder? Das Pferd wartet.“
Die Prinzessin schaut auf: „Oh. Du hast nicht zufällig an eine Kutsche gedacht, oder? Ich hasse es nämlich, zu reiten, und Pferde finde ich grässlich, und außerdem", misstrauisch hält sie inne. "Ach ... hast du nicht, stimmts?“ Ihre Stimme klingt eine Spur quengelig, als sie das sagt.
Der Prinz zuckt irritiert mit den Schultern, er findet ihr Anliegen albern. „Nein.“
„Na toll.“
Schweigend verlassen sie die Kammer, wandeln zusammen die Wendeltreppen hinunter und über den Hof, wo die Verlierer des vorrangegangenen Kampfes mit dem Prinz stöhnend ihre Wunden lecken. Der Prinz schielt stolz zu seiner neuen Verlobten, aber die rümpft die erblassende Nase und eilt mit abgewandtem Blick zu dem weißen Hengst, der an einer schön gestalteten Hecke knabbert.
Als sie durch das Burgtor reiten, versucht sich die Prinzessin zusammen zu nehmen. Immerhin hat sie fünf Jahre lang auf diesen Tag gewartet. Jetzt wird sie sich den Tag nicht verderben lassen. Sie setzt ihr strahlenstes Lächeln auf und raunt mit einem gelungenen Augenaufschlag: „Ich danke dir, mein tapferer Held.“
Der Prinz schaut verwirrt auf; er war in Gedanken gerade noch einmal bei den besten Schwerttricks des letzten Kampfes. „Äh ... ja, klar! War mir ein Vergnügen! Und sobald wir bei meinen Eltern sind, wird geheiratet“, grinst er leicht hektisch zurück. Sie soll nicht denken, dass er nicht zuhört.
Doch dann erreichen seine eigenen Worte seine Ohren, und er zuckt zusammen. Heiraten? Ja, aber ... keine Bärenhatz mehr mit einer süßen Elfe? Keine Tanzfeste mehr bei der Zigeunerkönigin? Und die Abenteuer der letzten fünf Jahre ... Die Abende in den Schenken! Der Wind um die Ohren, wenn er einem Ork hinterherhetzt! Das süße Adrenalin eines Drachenkampfes ... Alles vorbei?
Oh, und sie freut sich auch noch, die junge Dame! Na warte! „Und dann“, fügt er liebenswürdig hinzu, “lernst du das Königinnenhandwerk. Von meiner Mutter.Ich wette, sie freut sich riesig, ihr uraltes Wissen an eine Jüngere weitergeben zu können. Lesezirkel und so und Blumen arrangieren. Kinder erziehen!“ Ha!
Der Prinzessin erfriert das huldvolle Lächeln zu einer Grimasse, nicht ganz unähnlich der, die sie im Hof gezeigt hat. Blumen arrangieren? Die letzten fünf Jahre hat sie, wenn überhaupt, Schädel arrangiert, um irgendeine stinkende Orkhöhle zu verschönern. Erstaunlich eigentlich, wie gemütlich ein Schädelarrangement wirken kann, wenn man ein paar Blumen hineinpflanzt ... Und mit ihrem Charme hat sie sie alle verzaubert, Orks, Magier, Raubritter: Sogar Drachen! Und jetzt ...Kinder!? Hilflos läßt sie die Arme sinken.
Stumm reiten sie in den Sonnenuntergang. Manchmal suchen sie ratlos den Blick des anderen. Irgendwann murmelt die Prinzessin tonlos: “Und wenn sie nicht gestorben sind...“, aber der Prinz bringt sie mit seiner düsteren Miene zum Schweigen. Na toll, denkt sie, aber extraleise.
Nach einer Weile sagt die Prinzessin nachdenklich: „Weißt du ... im Westen soll es noch Drachen geben ...“