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Hell Yeah, Baby!

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21.10.2009
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Hell Yeah, Baby!

Es hätte eigentlich klar sein müssen, dass ich keiner dieser Männer für eine Nacht bin. Ich meine, seht mich an: ich strahle Klasse aus. Das Hemd von Armani, die Hose von Dolce. Jede Frau, die auch nur halbwegs etwas von Mode versteht, könnte ich mit meinem Auftritt vor Neid zum Platzen bringen. Mal ganz zu schweigen von den Schuhen, Luis Vuittons in glänzendem Schwarz. Die würden selbst in der Nacht noch strahlen.
Hier sitze ich nun und schlürfe an meinem Martini, so wie es sich für einen Mann meines Kalibers gehört, und beobachte die Mittelklassemenschen, wie sie da durch die Bar stolzieren, als wären sie tatsächlich etwas wert. Meine Bezeichnung für sie lautet „Parasit“. Wäre ich nicht so gut erzogen, ich würde es ihnen glatt ins Gesicht schreien, damit sie endlich aufwachen. PARASIT. Genug geärgert.

Die Lounge-Musik sagt mir zu, überhaupt ist das gesamte Ambiente nach meinem Geschmack, stilvoll minimalistisch gehalten mit Verzicht auf überflüssigen Schnickschnack, was diese kleinkarierten Schildbürger hier für gewöhnlich unter Kunst verstehen. Ich schlürfe also an meinem Martini und da fällt mir diese Frau auf. Sie misst knapp 1,75 und trägt ein rotes Kleid, das ihre Kurven vorteilhaft zur Geltung bringt. Dennoch merkt mein geschultes Auge natürlich sofort, dass sie es von der Stange hat.
Auch die Schuhe haben sie sicher nicht arm gemacht, so billig wie die Treter aussehen. Menschen, die nicht in Echtleder investieren, haben in meinen Augen keine Daseinsberechtigung. Dann können sie gleich barfuß laufen. Deshalb spielt es für mich natürlich auch keine Rolle, dass sie abgesehen davon einen netten Vorbau vorzuweisen hat. Und das Hinterteil, soweit ich es von meiner Position aus beurteilen kann, scheint mir auch von erfolgreichen Genen zu stammen. Also alles in einem optisch ein kleines Zuckerstück mit ihren langen schwarzen Haaren.
Aber das Kleid, nein, das geht nicht, das gehört verboten.
Ich sehe, wie sie sich an mich heran pirscht und ein leichtes Schmunzeln umgibt ihre Lippen.
Wenn du glaubst, dass ich dich nun zu einem Drink einlade, muss ich dich leider enttäuschen, meine Süße. So einfach geht das bei mir nicht. Der Hocker neben mir ist frei, so nimmt sie Platz. Dass ich ihr deshalb meine Aufmerksamkeit zukommen lasse, ist ebenfalls ein Trugschluss. Unbeeindruckt lasse ich den Alkohol durch meine Kehle laufen und wippe zum Takt der Musik. Alles gekonnt in Szene gesetzt natürlich.
Ein locker-lässiger Typ in Designerkleidung, so bin ich und will ich von der Außenwelt wahrgenommen werde. Das Weibsbild aus dem Billigkaufhaus stört da nur das Gesamtbild. Eigentlich wünsche ich mir, dass sie verschwindet, auf der anderen Seite aber habe ich so ihr Dekolleté besser im Blick.

„Hey“, spricht sie mich doch tatsächlich an. Sieht sie nicht, dass ich ihrem Niveau keineswegs entspreche? „Wie ist dein Name?“ Mein Name? Der wäre dir zu hoch, Schätzchen, den könntest du nicht einmal buchstabieren.
„Lafayette“, lüge ich gekonnt. Klingt prunkvoller, meiner Wenigkeit angemessen. Nach ihrem Namen frage ich nicht, sie nennt ihn mir trotzdem. So erfahre ich, dass ich es mit Lucy zu tun habe. White Trash Lucy, na, vielen Dank auch, bin hoch erfreut und spüle meine Freude sogleich mit einem kräftigen Schluck hinunter. „Noch einen, bitte“, ordere ich. Wahrscheinlich hatte sie jetzt etwas anderes erwartet, nicht mein Problem.
„Nun, Lafayette, du bist nicht oft hier oder warum sehe ich dich das erste Mal?“
Scharf kombiniert, meine dümmliche Schönheit. Genau genommen hat es mich wirklich das erste Mal hierher verschlagen. Merkwürdigerweise hatte ich noch nie zuvor von dieser Bar gehört. Ganz zufällig bin ich darauf gestoßen, als ich mit Prellungen im Krankenhaus lag und die Zeitung durchging. Der verdammte Unfall hatte mir ein paar sehr unschöne Blessuren beigebracht, Hämatome an Stellen, an denen ich gerne darauf verzichtet hätte. Auch das war ein massiver Eingriff ins Gesamtbild, zum Glück ist inzwischen alles verheilt, ich kann mich wieder sehen lassen und füge mich perfekt in dieses Ambiente. Gute Entscheidung, hierher zu kommen. Mein Martini wird serviert und ich antworte: „Ja.“
„Kurz angebunden?“ Nein, nur nicht interessiert. Es ist mir sofort klar, was sie von mir will. Jedes Schattengewächs will sich einmal im Licht sonnen, nur sollte sie gehörig aufpassen, dass sie sich dabei keinen Sonnenbrand einholt. Dass ich nicht einer dieser Männer bin, der sich auf sie einlassen würde, sollte eigentlich klar sein, aber das habe ich bereits ausführlich genug erläutert.
„Ich bin hier Stammgast“, überflutet sie mich mit überflüssigen Informationen und schlägt dabei ein Bein über das andere, so dass ich für kurze Zeit einen Blick auf ihre Unterwäsche erhaschen kann.
Weiß, Baumwolle, höchstens drei Euro. Wer nicht in Unterwäsche investiert, sollte sich direkt von der Brücke werfen. Ich versuche ihr diesen Vorschlag unter Verwendung von Telepathie nahe zu bringen, aber sie scheint mich nicht zu verstehen. Überhaupt liegen wir nicht auf einer Frequenz oder, wie man so grässlich formuliert, „auf einer Wellenlänge“.
„Gefällt es dir hier, Lafayette?“ Dass sie mein Pseudonym so merkwürdig betont, fällt mir erst auf, als ich schon geantwortet habe. „Ja,“ gebe ich zu Protokoll. „Ist ganz nett.“
Ganz nett, abgesehen von den Frauen in den Second-Hand Mänteln und den Männern in den weißen Socken natürlich. Und überhaupt, wo kommt auf einmal dieses grässlich kitschige Gemälde eines Engels her, der von Putten umzingelt ist? Das ist mir vorher gar nicht aufgefallen und dabei stört es doch so offensichtlich die architektonische Harmonie, wie es da über der modernen Bar hängt.
Mich überkommt ein leichter Brechreiz, den ich mit einem viel zu wässrigen Martini hinunter zu spülen versuche. „Barkeeper“, rufe ich. „Nimm den zurück und mach mir einen besseren. Das Zeug ist eine Beleidigung für meinen Gaumen.“ Ich würge und spucke in eine Serviette, während mich meine neue Freundin Lucy ausgiebig mustert.
„Du kommst mir bekannt vor. Irgendwo habe ich dich schon einmal gesehen.“
Wäre nicht unwahrscheinlich. Ein Mann von Welt, wie ich es bin, kommt viel herum und wird viel betrachtet. Es gibt sicherlich keinen Menschen, der seinen Blick von mir nehmen würde. Bestimmt hatte sie bereits das Vergnügen gehabt, mich auf einer exklusiven Feier anzutreffen, doch, wenn ich genauer darüber nachdachte, in dem Outfit? Bestimmt nicht, völlig unmöglich. Dann musste sie von mir geträumt haben. Genauso sage ich es ihr.
„Nein, nein, nein“, winkt sie lachend ab und ihr Gesicht verzieht sich zu einer grinsenden Fratze, wodurch sich ihr Mundwinkel nach oben verschieben und sie die Augen zusammen kneift, was ihr den Ausdruck einer Wahnsinnigen verleiht. „Da war doch was, da war doch...Lass mich nachdenken, die grauen Zellen anstrengen. Nur einen Mom... Jetzt erinnere ich mich wieder. Na klar, ich kenne dich aus der Zeitung!“
Zeitung? Dass sie bereits Reportagen über mich bringen, ist mir neu, aber bei genauer Betrachtung nicht ungewöhnlich. Schließlich...
„Genau. Aus der Zeitung. Da war ein Bild von dir in einem Cabrio. Das hatte eine ziemlich große Delle im Kotflügel. Und darunter stand so etwas wie, lass mich kurz überlegen... Es stand:


Mann fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit und rammte einen Kleinwagen.
Dessen Fahrer verlor die Kontrolle und kam von der Straße ab.
Seine Ehefrau und ihre beiden Kinder starben noch an Ort und Stelle.
Der Fahrer des Kleinwagens wurde ins Krankenhaus gebracht und erlag
nur wenige Stunden später seinen Verletzungen.
Der Raser kam mit Blessuren und einem Schrecken davon.
Habe ich richtig rezitiert?“
Ich verstehe nicht, wovon sie spricht. Mir wird nur plötzlich unglaublich heiß. Ich zerre an meiner Krawatte und knöpfe mir mein Armanihemd auf. Nur soweit, dass es lässig wirkt. Um mich herum tanzen die schlecht angezogenen Menschen zu meiner Lounge-Musik. Verdammt, will ich schreien, dazu tanzt man nicht, dazu wippt man nur mit dem Fuß. Und überhaupt, seit wann gibt es hier eine Tanzfläche? Und woher kommt dieses andere Bild her, das neben dem Engel und den Putten, auf dem diese Horde von Tierbabies abgebildet ist? Solcher Kitsch ist eine Beleidigung für meine Augen, noch schlimmer aber sind diese unstylischen Bobfrisuren, die ich da auf den Köpfen der Frauen sehe. Eine trägt sogar eine Dauerwelle. Seit wann trägt man denn wieder Dauerwellen?
Und warum sieht hier plötzlich alles so überladen aus?
Ich befürchte in ein Delirium zu verfallen, wenn ich nicht sofort etwas zu trinken erhalte. Wie auf Kommando stellt mir der Barkeeper mein Glas hin, na, es geht doch – und dann fehlt die Olive.
Das ist kein Martini ohne Olive, das ist höchstens ein Mart oder ein Tini.
Gerade will ich los brüllen, da fällt mir auf, dass etwas ganz und gar nicht an mir stimmt.
Und ich brauche auch nicht lange, bis ich das Übel erfasst habe. Meine Luis Vuittons, sie sind weg!
Stattdessen trage ich an meinen Füßen verdammte weiße Slipper.
„Warte, ich habe noch etwas vergessen“, spricht das unheilbringende Weib. Ich habe ganz verdrängt, dass sie noch neben mir sitzt.
„Das war noch nicht der ganze Artikel, soweit ich mich erinnern kann. Die interessanteste Stelle habe ich noch gar nicht erwähnt.
Raser erhängt in der eigenen Wohnung gefunden.
Waren es Schuldgefühle?
Nun, Markus, vielleicht möchtest du mir diese Frage beantworten.“
Mein Name, woher kennt die Hexe meinen Namen? Hatte ich ihn ihr doch genannt? Diese Hitze macht jeden rationalen Gedanken zunichte. Ich knöpfe mir mein Hemd noch weiter auf. Inzwischen ist es mir egal, wie ich dabei aussehe. Meine Haare kleben in dicken Strähnen an meiner Stirn. Zwei Stunden hatte ich gebraucht, um sie in Form zu bringen. Alles umsonst. Das Outfit ruiniert. Mir ist zum Heulen zumute und doch ist das einzige, das ich zustande bringe, schwitzen.
„Es ist so verdammt heiß hier drin“, stöhne ich und Lucy lacht. Sie sitzt da in ihrem billigen Fummel und lacht mich aus.
„Heiß? Was erwartest du? Du bist tot, Baby, und das ist die Hölle, die du dir ausgesucht hast.
Du solltest dich besser daran gewöhnen.“
Sie zwickt mich in die Wange und verschwindet in der tanzenden Menschenmenge, die ihre Arme und Beine gegen den Takt der Musik herumwirbeln.

 

Grüß dich, scabbed!

Das ist stark geschrieben, vor allem der Anfang. Der Kerl kommt in seiner Widerwärtigkeit extrem gut rüber, ich kann ihn mir vorstellen, wie er in seinen Designerklamotten an der Bar sitzt, erhaben über den Rest der Menschheit.

Die Einleitung ist genau richtig lang, und als dann die Handlung los geht, als also die Frau kommt, war ich gespannt, wirklich gespannt, was passiert. Das knistert ja so richtig zwischen diesen beiden Personen da.

Der Plot selber ... ja, den fand ich eher mittelmäßig. Mann stirbt und kommt in eine private Hölle. Okay. Das kann man so schon machen, aber es hat mich jetzt nicht so begeistert wie der Text an sich. :)

Ich hätte mir gewünscht, dass noch mehr passiert. Also dass mit der Spannung, die du am Anfang so schön aufpaust, auch etwas angefangen wird.
Denn ... so, wie du das hast, ist das wie: Du baust etwas auf, sagen wir, einen Turm, und dann lässt du ihn aber nicht mit Getöse einstürzen, leider, sondern du zoomst raus und ich stelle fest, dass der Turm doch nicht so hoch war. Und ich hab mich umsonst gefreut.

Aber wie gesagt, die Stärke in dem Text ist die Figur dieses Schnösels da und die Sprache, die ihren Teil dazu beiträgt.

Hab ich sehr gern gelesen.

Ein paar Vorschläge hab ich noch:

Also alles in einem optisch ein kleines Zuckerstück mit ihren langen schwarzen Haaren.

"Also, mit einem Wort, optisch ein kleines Zuckerstück ..."

("alles in einem" klingt so nach einem übersetzten "all in all")

Ein locker-lässiger Typ in Designerkleidung, so bin ich und so will ich von der Außenwelt wahrgenommen werde.

Oder ohne das "ich". .... "So bin ich und will von der .."

Bestimmt hatte sie bereits das Vergnügen gehabt, mich auf einer exklusiven Feier anzutreffen, doch, wenn ich genauer darüber nachdenke, in dem Outfit?

Sie zwickt mich in die Wange und verschwindet in der tanzenden Menschenmenge, die ihre Arme und Beine gegen den Takt der Musik herumwirbelt.

Weil ... die Menge wirbelt das alles herum.

Bis bald,

yours

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo scabbed

Herrlich, diese Arroganz und Selbstgefälligkeit, treffend gezeichnet. Das Kehrbild spürte ich direkt heraus, wenn er einer Dame von Welt begegnete, gäbe es für ihn ein jämmerliches Auflaufen.

Der Übergang in die Hölle war mir im ersten Moment etwas gewöhnungsbedürftig, und eigentlich doch stimmig, wie eine Hommage an Sartre, „Geschlossene Gesellschaft“ oder „Das Spiel ist aus“. Letzteres lese ich derzeit.

War mir eine angenehme Ergänzung.

Gruss

Anakreon

 

Hallo Scabbed,

Hat mir auch richtig gut gefallen der Text. Satirisch, überspitzt, und doch in sich stimmig, das spricht mir zu. Diese Klamottenbesessenheit erinnert mich an Ameican Psycho, und doch, so schlimm ist er nicht, er fährt nur zu schnell. Kommt man deswegen in die Hölle? (Wenn wir jetzt theoretisch diesen Gedanken einfahch mal verfolgen..) Kann sein wenns schief geht, aber unser Prot wird nicht deswegen vom Leser verurteilt, sondern wegen seiner eingebildeten Art.. deswegen schicken wir in die Hölle... das mit dem Rasen klingt insofern eher wie eine rechtfertigung dafür, dass wir ihn schmoren lassen dürfen...
Aber das ist vielleicht alles zu psychologisch. Als Geschichte ist das stimmig.

mfg,

Julian

 

Hallo scabbed,

weniger wäre mehr, fällt mir als erstes zu deiner Geschichte ein. Insgesamt übertreibst du es mit dem abwertenden Blick des Prots. Klarstellen ist wichtig und richtig, denn sonst wirkt das mt der Privathölle nicht, aber dann müsste das mehr zwischen den Zeilen durchschimmern, als es immer und immer wieder so penetrant zu erwähnen.
Geschrieben überwiegend stark, aber einige Formulierungen hinken noch.
Mja und die Auflösung dann ... Finde die Idee schon gut, aber insgesamt fehlt da noch der letzte Kick, die Olive im Martini. In der angebotenen Form läuft das so klanglos aus, hier hätte es aber nach meinem Geschmack noch eines Knalls bedurft.
Trotzdem gerne gelesen.

grüßlichst
weltenläufer

 

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