- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
Herr A.
Heute war Sonntag, gewiss war heute Sonntag, denn gestern war Samstag und auf Samstag folgt nun einmal Sonntag. Als wäre diese Tatsache nicht schon genug Beweis, dass es Sonntag war, gab es noch ein weiteres untrügliches Zeichen dafür: Obwohl die Kirchenglocken schon längst mit ihrem aus der Nähe ohrenbetäubenden und auch in der Ferne noch störenden, ja das war das richtige Wort, Läuten die siebente, achte und auch neunte Stunde des Tages angekündigt hatten, lag Herr A. noch immer in seinem Bett. Das Bett war es nicht Wert, näher beschrieben zu werden, auch das Zimmer nicht, geschweige denn das ganze Haus und schon gar nicht Herr A. selbst. Das Wichtigste, was man über Herrn A. wissen musste, war, dass er Herr A. hieß.
Erst kurz bevor die Glocken heute zum zehnten Mal geschlagen hatten, die Glocken schlugen nur stündlich, wohl aus dem Grund, dass niemand mehr Kirchenglocken brauchte, um zu wissen wie spät es sei, stand Herr A. auf öffnete das Fenster und ging dann in die Küche, um sich Frühstück zu machen. Heute war ein schöner Tag, obwohl der Ausdruck schön subjektiv ist, und jeder etwas anderes darunter versteht, würde kaum jemand Einwände haben, diesen Tag schön zu nennen. Die Sonne stand leuchtend und froh, verträumte Naturen würden sogar darauf bestehen, ein Lächeln zu sehen, am Himmel, die Blätter der Bäume, deren Farben schon erste Anzeichen des kommenden Herbstes trugen, wogen in der leichten Brise, die dafür sorgte, dass die Temperatur nicht zu heiß war, langsam und fast erhaben hin und her. Dazu noch diese angenehme Ruhe, nicht zu ruhig, dass man von einem Gefühl der Beklommenheit ergriffen werden konnte, sondern einfach eine Ruhe mit dem gewissen Pegel an Lärm, die eine Ruhe nun mal braucht um eine angenehme Ruhe zu sein. Ja, alles war schön an diesem Sonntag.
Nachdem Herr A. das Frühstück gegessen hatte, ein einfaches Frühstück, wie es in seiner Schlichtheit überall auf der Welt Leute zu sich nehmen, räumte er den Tisch ab und warf einen kurzen Blick in die Zeitung, wie jemand, der zwar wissen wollte, was am vorigen Tag in der Welt geschehen war, aber einfach keine Zeit oder Lust hatte, jeden Artikel genau zu lesen. Nun ging er ins Bad, rasierte sich, wusch sein Gesicht und putzte sich die Zähne. Herr A. tat dies alles ohne übermäßige Sorgfalt, aber er achtete trotzdem darauf, das nicht irgendein Haar ungewollt in seinem Gesicht sproß, oder ein Rest vom Frühstück zwischen den Zähnen sichtbar war. Dann zog Herr A. sich an, er nahm eine Hose, die man wohl im jedem Kleiderschrank findet, und auch ein dazu passendes Leibchen. Als Herr A. fertig war suchte Herr A. seine Schuhe und ging dann auf die Straße hinaus, ohne zu vergessen, die Tür abzusperren, wie in diesen Zeiten ja viele Leute darauf achten, ihr Haus nicht unveschlossen zu lassen.
Die Straße war breit, auf beiden Seiten gab es Gehsteige und alle paar Meter waren Bäume gepflanzt, von denen ein paar schon mächtige Stämme hatten, die schier unglaublich hoch in den Himmel ragten und beinahe am Himmel kratzten, um Gott die Hand zu geben, einige Meter weiter waren winzige Schößlinge, bei denen man Angst hatte, sie würden umfallen, wenn man nur zu schnell an ihnen vorbei gehen würde. Auf dieser Straße, genauer gesagt auf dem Gehsteig dieser, war Herr A. nun und ging mit gemächlichen, aber nicht trödelnden Schritten des Weges. Er ging Sekunden, Minuten, Stunden. Das Wetter wurde schlechter, dunkle Wolken, die schon an biblische Ereignisse erinnerten, bildeten sich und bald schon fand Herr A. sich in einem heftigen Regenguß wieder. Es waren große, schwere Tropfen, wobei man ja zu Regentropfen nicht wirklich sagen kann, dass sie groß und schwer sind, denn wer hat denn schon einmal Regentropfen abgewogen oder gemessen? Auch die Ruhe hatte sich bald verflüchtigt, der Geräuschpegel wuchs langsam, aber stetig und ehe man sichs versah, war Lärm überall rund um Herr A.
Herr A. war nach einigen Stunden des Gehens, die Kichenglocken hatten ihre Aufgabe mindestens viermal vollbracht, seitdem Herr A. sein Haus verlassen hatte, am Stadtrand angekommen. Er lenkte seine Schritte zu berühmten Schlucht, die der Stadt viel Ruhm und noch mehr Toruisten eingebracht hatte. Diese Schlucht war praktisch der Lebensnerv der Stadt, ohne dieseSchlucht und die dadurch kommenden Touristen würde es die Stadt nicht geben. Auf diese Schlucht lenkte Herr A, nun seine Schritte zu. Der Regen hatte ihn nun völlig durchnässt und der Tag war gewiss nicht mehr schön. Vor der Absperrung, die Leute daran hindern sollte, in die Schlucht zu stürzen, blieb Herr A. stehen. Nur kurz, der Regen wurde sogar in dieser kurzen Zeitspanne, die Herr A. stehen geblieben war, noch stärker, dann stieg Herr A. über die Absperrung. Er ging, nein er lief rasenden Schrittes auf den Abgrund zu, warf einen Blick hinunter und ging nach Hause.