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Herr B. kauft ein
In unserem Herrenkonfektionsgeschäft am Marktplatz weiß man, es ist wieder soweit. Die Spezie der Gattung Mann in Ausführung von Herrn Brotschkowski, kurz Herr B. genannt, ist wieder unterwegs.
Einkaufen gehört für Herrn B. zu den Höhepunkten des Alltages. Er verbindet diese Ausflüge meist mit einem Gaststättenbesuch. Das Restaurant darf nicht zu teuer sein und sollte die deutsche Küche auf dem Speiseplan haben. Die abgestandene Luft speichert Herr B. gerne in seiner Kleidung.
Mit einem breitem Lächeln und seiner Gattin am Arm betritt er an diesem frühsommerlichem Tag das Geschäft.
Sofort breitet sich dieser typische Geruch nach Kochdünsten, Zwiebeln und altem, frittiertem Öl, aus. Dieser Geruch bildet eine perfekte Symbiose mit seinem eigenem Körpergeruch von altem Schweiß.
Herr B. möchte immer von mir, der Inhaberin, bedient werden. Darauf besteht er. Was auch kein Problem ist, da in dem Moment , wo Herr B. das Geschäft betritt, jeder der Angestellten sofort stark beschäftigt ist.
Ich bewundere sein frisches Aussehen und die geschmackvolle Kleidung. Dann folgt der obligatorische Satz des Herrn B., dass er nur hier in diesem Geschäft kauft. Ich hatte beim Hereinkommen des Herrn B. seine Kleidung taxiert und registriert, dass davon nichts in unserem Angebot war.
Ich lächle.
Herr B. formuliert seine Wünsche. Meist braucht er eine neue Hose. So auch diesmal.
Herr B. isst gerne und gut. Seine Hosengröße schwankt deshalb, nicht so seine Meinung von der Größe. Er muss behutsam auf seine neue Größe vorbereitet werden, ohne seine Eitelkeit zu verletzen und sein Wohlgefühl zu stören.
Halbherzig lehnt sich Herr B. auf. Vergeblich! Der Spiegel ist unbestechlich.
Ganz leise sage ich zu ihm, nur er, seine Frau und ich wissen um seine neue Größe. Außen steht nichts und wir sprechen nicht drüber!
Herr B. lächelt seinem Spiegelbild zu, dreht sich mehrfach um die eigene Achse und meint dann:
"Auf Sie ist Verlass, Sie kennen mich und meine Wünsche. Und deshalb kaufe ich all meine Sachen bei Ihnen. Die Hose passt wieder perfekt und ich lasse sie gleich an." Und dabei strahlt er.
Ich lächle.
Während des Bezahlens macht mich Herr B. darauf aufmerksam, dass er den Gutschein der letzten Weihnachtswerbung, den er gerade nicht dabei hat, noch nicht eingelöst und jetzt gerne gut geschrieben haben möchte.
Dem Lehrling, der zufällig in der Nähe der Kasse steht, fällt der Stapel Hemden aus der Hand. Sein Mund steht offen.
"Du musst noch viel lernen und vor allem ruhiger werden, mein Junge!" sagt daraufhin Herr B. gönnerhaft zu dem Lehrling, der mit rotem Kopf die Hemden aufsammelt.
"Und nun gehen wir Kaffee trinken, oder? Am liebsten würde ich Sie mitnehmen, weil es wieder so nett war!" sagt er zu mir.
Beim Hinausgehen sehen wir alle, dass das Etikett aus der Hose ragt und die Größe deutlich zu sehen ist. Der Lehrling will eilfertig etwas sagen, aber ich meine zu ihm:
"Du willst Herrn B. doch nicht den Tag verderben? Wo er doch so ein Netter ist?"