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Herr L., einer der letzten Superhelden

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21.04.2004
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Herr L., einer der letzten Superhelden

Herr L. war Sachbearbeiter im mittleren Dienst. Er war, gelinde gesagt, nicht sonderlich beliebt bei seinen Kollegen, da er chronisch mit seiner Arbeit versackt war und als faul galt.

Dies war ihm zwar bekannt, machte ihm aber nichts aus. Immerhin war er einer der letzten verbliebenen Superhelden auf der Erde und der Job nur eine Tarnung.

Früher hatte es viele Superhelden gegeben, aber die meisten hatten ihre Kräfte verloren. Genau diese Kräfte waren es, die ihnen zum Verhängnis geworden waren.

Nach alter Superheldensitte hatte nämlich nur der Anspruch auf Superkräfte, der diese im Verborgenen einzusetzen wusste und das große Geheimnis bewahren konnte. Sprich; war erst einmal bekannt, dass jemand über Superkräfte verfügte, wurden ihm diese durch den hohen Rat umgehend entzogen und er musste fortan das Dasein eines normalen Menschen fristen.

Herr L. musste grinsen, als er an Superman und Spiderman dachte. Diese nassforschen Idioten konnten es ja nicht lassen. Überall hatten sie mit ihren Kräften rum protzen müssen und tausende von Menschen auf theatralischer Art und Weise vor irgendwas gerettet. Sogar Comics hatte man nach ihnen benannt, sie aber bei der Vergabe der Tantiemen offensichtlich vergessen. Superman, dieser Loser, machte jetzt Platte, weil er mit dem Verlust der Kräfte nicht klar kam und Lois ihn für einen Gewichtheber verlassen hatte. Na ja, der konnte sie wenigstens noch über seinen Kopf stemmen. Spiderman war jetzt Busfahrer bei den städtischen Verkehrsbetrieben, was, bei genauer Betrachtung, auch nicht viel besser war.

Herr L. war da schlauer gewesen. Ihm war es bisher stets gelungen, seine Kräfte geheim zu halten, obwohl er sie regelmäßig einsetzte und sogar in seinem Tarnjob stets heimlich trainierte. Seine Heldentaten zählte er schon lange nicht mehr, weil es einfach zu viele waren.

Er hatte millionenfach das Leben von Menschen verändert und ist oftmals nicht mal bemerkt worden. Selbst wenn er mal bemerkt worden war, gelang es ihm bisher jedes Mal, rechtzeitig zu verschwinden.

Bei der Vergabezeremonie war er damals zunächst neidisch auf die anderen gewesen, da sie offensichtlich erheblich spektakulärere, aktivere Kräfte erhalten hatten, als er. Dies legte sich aber spätestens dann, als er die lächerlichen Anzüge gesehen hatte, die von den anderen getragen werden mussten. Er konnte seinen Dress, der im wesentlichen aus einem langen Trenchcoat bestand, immerhin täglich in der Öffentlichkeit tragen und musste sich nicht dauernd eine Telefonzelle oder ein Dixi-Klo zum Umziehen suchen. Auch konnte er mit seinen Kräften Menschen beeinflussen, ohne dass sie es bemerkten. Dies war von erheblichem Vorteil und die meisten, vor allem die größten seiner Heldentaten, hatte er auf diese Weise vollbracht. Aktiv, also durch seinen Körper, vollbrachte er nur relativ wenige Taten, weil er sich nicht teleportieren konnte.

Er wusste genau, dass noch viel Arbeit vor ihm lag und er noch viele Leben zu verändern hatte. Sicher wartete draußen schon ein Unfall, eine Straftat oder vielleicht sogar Schlimmeres auf ihn.

Er zog seinen Trenchcoat an, verließ das Haus und steckte die Hände in die Taschen.

Er lächelte, denn er würde seine Kräfte ewig behalten. Er war der "Unterlasser".

©Vanarcion 23.04.2004

 

Hallo vanarcion,

erstmal ein herzliches Willkommen hier :)

Deine kleine Geschichte hat mir gut gefallen, trotz ihres nachdenklichen Endes habe ich mich stellenweise sehr amüsiert. Die Frage, wo die ehemaligen Superhelden sind und warum z.B. Superman nicht auftaucht wenn ich in Not bin, hast Du witzig aufgegriffen und umgesetzt.

Wie gesagt: das Ende stimmt nachdenklich, ist daher gelungen. Wie viele dieser heimlichen Superhelden gibt es in unserer Gesellschaft? Wohl viel zu viele. Allerdings ist der Begriff des "Helden" ja eher positiv besetzt und wird für die Menschen verwendet, die das Leben anderer zum Guten beeinflussen und wenden und nicht negativ.

Trotzdem frage ich mich, ob nicht ein kleiner Denkfehler in Deiner Geschichte ist: Dein Prot ist der Unterlasser. Sein Job, in dem er faul ist, gilt als Tarnung. Müsste er nicht eher extrem fleissig und hilfsbereit sein, um nicht als "Unterlasser" aufzufallen? :confused:

Liebe Grüße von
Juschi

 

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