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Herr Schmitzke spricht sich von den Vorwürfen frei

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16.04.2010
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Herr Schmitzke spricht sich von den Vorwürfen frei

Ich persönlich habe gar nichts gegen Homosexuelle. Das weiß hier im Verein jeder, dass ich da sehr tolerant bin, denn auf die Leistung kommt es mir an, einzig und alleine auf die sportliche Leistung. Dafür stand ich und somit der ganze Verein immer ein. Nur die Leistung zählt bei uns, nicht wo einer herkommt, was einer macht oder welches Geschlecht einer bevorzugt. Das hat uns nie interessiert, danach würde ich ja nicht einmal fragen, wenn es in diesem speziellen Fall nicht so offensichtlich gewesen wäre. Ich musste ja nachfragen, der Offensichtlichkeit wegen. Und natürlich der verunsicherten Mitspieler zuliebe, denn ich als Trainer dieser starken Mannschaft muss mich um den Zusammenhalt der Jungens kümmern, um jeden einzelnen. Das sind ja schließlich alles Individuen und zudem auch noch in der Blüte ihrer Jugend.

Kurz nach meinem Gespräch mit Michael machte er es dann ja auch vor der gesamten Mannschaft publik. Er hatte sein so genanntes Outing gehabt, wie das bei jungen Männern wohl heißt, die allen erzählen, dass sie sich eben nicht, wie im Normalfall, zu Frauen hingezogen fühlen, sondern das gleiche Geschlecht vorziehen. In diesem Fall also das Geschlecht der kompletten Mannschaft. Doch das hat nichts, wie vielerorten behauptet wird, mit seinem Ausschluss aus unserem Verein zu tun. Aber es ist wie so oft. Wenn das Selbstvertrauen eines geltungsbedürftigen jungen Mannes gekränkt wird, in diesem Fall aufgrund seines mangelnden fußballerischen Talentes, dann sucht er sich einen anderen Weg, um ins Gespräch zu kommen, um die für ihn so nötige Aufmerksamkeit zu erlangen. Das kommt ja auch nicht von ungefähr.

Das am nächsten Tag direkt der Vater bei mir vorsprach, war absehbar. Doch blieb mir auch hier nichts anderes übrig, als ihn davon zu überzeugen, dass sein Sohn leider nicht der von ihm so erhoffte Fußballstar werden wird, im Gegenteil, er solle sich lieber einen anderen Sport suchen, einen der besser zu ihm passt, vielleicht Leichtathletik. Mir war klar, dass er sofort mit dem Argument kommen würde, dass sein angeblich so guter Sohn in der laufenden Spielperiode einige Tore geschossen habe und man in diesem Fall ja wohl ganz und gar nicht von untalentiert sprechen könne. Er ließ es sich auch nicht nehmen, mich mehrfach darauf hinzuweisen, dass sein Sohn stets im Sinne der Mannschaft spiele und sich für keinen Ball, wie man sagt, zu schade sei. Aber es ist natürlich immer das gleiche. Eltern setzen diese großen Hoffnungen in ihre Sprösslinge, sehen ein vielleicht ansatzweise vorhandenes Talent durch das Vergrößerungsglas ihrer Sehnsucht, die Kinder würden einmal ein besseres Leben führen können als sie selbst. Und es gehört leider auch zu meinen traurigen Pflichten, die Heerscharen von Eltern eins ums andere mal enttäuschen zu müssen. So wie ich auch Michaels Vater davon überzeugen musste, dass sein Sohn zwar ein paar Tore geschossen, und ja, zweifelsohne einen großen Beitrag zum Aufstieg beigetragen hat, und ja, dass er in entscheidenden Momenten Verantwortung übernommen und auch einen der wichtigsten Elfmeter dieser Saison getreten, bzw. verwandelt hat. Doch gehört eben noch viel mehr zum Fußball, als nur dies. Ein Mannschaftsmensch muss man sein, ein Teamplayer, einer auf den man sich verlassen können muss, in jeder Situation. Und es war und ist nun mal mein Eindruck, dafür bin ich ja der Trainer, dass Michael eben dies nicht ist. Für seinen Vater war aber dennoch klar, dass wir uns nur aufgrund der andersartigen Sexualität seines Sprösslings von ihm getrennt haben. Ein Vorwurf, den ich aufs entschiedenste zurückweise, und welcher sicherlich nur aus der Tatsache herrührt, dass sein Vater seiner eigenen Enttäuschung über die mangelnde Leistung seines Sohnes nicht anders Herr wurde. Ich sage, gerade weil ich wusste, dass Michael ein Homosexueller ist, haben wir uns nach Erkennen seiner äußerst mangelhaften Teameinstellung von ihm getrennt. Denn es ist doch klar, dass ich mir ansonsten von den anderen, ich muss es leider so sagen, besorgten Eltern den Vorwurf machen lassen müsste, dass ich den Michael nur deshalb in der Mannschaft lasse, um mir nicht vorwerfen zu lassen, ich schmeiße ihn nur aufgrund seiner Andersartigkeit heraus.

Ich habe die unbedingte Pflicht, jeden nach denselben Maßstäben zu beurteilen, egal ob Homosexuell oder nicht. Zuerst habe ich mir ja auch gar nichts dabei gedacht, als der Michael immer so gerne und lange duschen ging, nach den Spielen. Ich hielt ihn einfach für gründlich. Angestarrt habe er einige meiner Schützlinge und wenn er rannte, hatte er seine Arme immer so komisch bewegt. Das sagten zumindest einige meiner Schützlinge, denn ich war ja meistens nur am Anfang im Duschraum zugegen, um die Disziplin zu überprüfen, denn auch das gehört zu meinen Pflichten als Trainer. Zu überwachen, das die Jungens sich ordentlich verhalten und keinen Unsinn treiben. Sobald aber alle unter der Dusche standen, habe ich mich entfernt und bin die Spielnotizen durchgegangen um mich auf die Nachbesprechung vorzubereiten. Das war also schon immer etwas eigenartig und gestern kam ja auch heraus, dass der Michael gerne in Unterwäsche sein Bett neu bezieht oder so Sachen macht, in seinem Zimmer. Schon oft wurde er dabei beobachtet, von Kindern, wie er in Unterwäsche sein Bett neu bezog oder irgendwelche Kleidungsstücke zusammenlegte. Dabei hätte ihm doch bewusst sein müssen, dass sein Zimmer im ersten Stock von der Straße gut einsehbar ist. Und das die Kaiserstraße sich in unmittelbarer Nähe der Käthe-Kollwitz-Grundschule befindet, sich also tagtäglich Kinder durch diese hindurchbewegen, an seinem Fenster vorbei, hinter dem er scheinbar immer zu Schulanfang oder Ende irgendwelche Dinge in Unterwäsche verrichtete. Das ist doch komisch, ein solches Verhalten. Und als einmal Werners Sohn nach unserem alljährlichen Feuerwehrfest auf dem Weg nach Hause vom Fahrrad stürzte und sich die Knie blutig schlug, da war zufällig dieser Michael vor Ort und hat ihm geholfen. In den Arm genommen hat er ihn und etwas Süßes geschenkt, ihm danach zugezwinkert und über den Kopf gestreichelt, wie eine Mutter. Das hat Werners Sohn zu Hause berichtet, eigentlich glücklich über den Kaubonbon vom Michael und dankbar für die Hilfe, doch dem Werner kam das gleich komisch vor, dieses Umarmen und über den Kopf streicheln. Ein einfaches Hinstellen seines Sohnes und ein aufmunternder Klaps auf die Schultern hätten seiner Ansicht nach ja auch gereicht. Aber dann auch noch das Bonbon! Und dafür hatte Werners Sohn dann auch noch Ärger bekommen, da er doch nichts Süßes von Fremden Männern nehmen sollte, wobei dieser trotzig entgegnete, dass der Michael doch kein Fremder sei, wonach sein Vater nur laut raunte, von der Schwuchtel solle er schon gar nichts nehmen. Nach diesen aufregenden Ereignissen lag Werners Sohn wahrscheinlich abends im Bett und fragte sich, was eine Schwuchtel ist. Ha!

Sehen Sie, so möchte ich ja gar nicht reden. Wir haben hier überhaupt nichts gegen diese Homosexuellen. Die meisten sind ja ganz normal und tun einem ja nichts. Das sind ja oft sehr saubere Männer, die auf ihr Äußeres achten. Dinge, für die ich bei meinem Job, oder auch der Werner, bei der Feuerwehr, oder die meisten anderen Männer hier im Ort, bei ihren harten, körperlichen Arbeiten, gar keine Zeit haben. Homosexuelle gehen halt öfter zum Friseur und laufen anders, als, ich sag mal, Werner oder ich. Daher erkennt man sie ja meistens auch ganz gut, an ihrer Art zu gehen oder wie sie ihre Hände halten beim Reden. Beziehungsweise am Reden selbst, diese besondere Art, die Worte lang zu ziehen mit nasaler Stimme. Nicht alle sind so, aber doch die meisten, denke ich. Michael hat sich wahrscheinlich sehr verstellen müssen, um hier im Verein nicht aufzufallen, doch jetzt im Nachhinein gesehen, fallen sie mir immer mehr auf, die Hinweise. Die angewinkelten Handgelenke in der Teambesprechung, das stets überkorrekte Erscheinungsbild, die sich stets auf dem neusten Stand befindende Frisur, wobei, dass muss man sagen, da stehen ja jetzt alle diese jungen Männer drauf, diese neuen Frisuren mit gefärbten Haaren und diese Ohrstecker. Das gab es bei uns ja nicht und von daher ist es beim Michael ja auch erst gar nicht aufgefallen. Die Art zu rennen, ein bisschen wie der Miroslav Klose, wobei der ganz bestimmt kein Homosexueller ist! Außerdem war er in den Zweikämpfen der mit Abstand unaggressivste Mitspieler. Natürlich ein weiterer Grund für seinen Ausschluss, denn ich benötige nur Spieler, die sich im Ernstfall durchsetzen können. So einer war Michael nie. Ich leugne auch gar nicht, dass es mir ganz recht ist, dass Michael den Verein verlassen hat, denn aufgrund dieser Homogeschichte hätte er doch einige Probleme in den Verein geschleppt. Wer hätte mit dem noch duschen wollen, wenn doch klar ist, dass es ihn sexuell erregt? Dass man das eventuell widerlich finden kann, muss man doch verstehen. Wer hätte ihn nach einem Torjubel umarmen wollen, ohne Gefahr zu laufen, mit anderen als rein sportlichen Gedanken am Hintern berührt zu werden? Schon jetzt, kurz nach seinem Ausschluss, sind die Jungens beruhigter und spielen konzentrierter, sich darüber gewiss, keinen scharfen Bruder, wie sie es nennen, unter sich zu haben. Ich gebe es zu, der Ausschluss Michaels ist mehr als gut für uns und wird in jedem Fall aufrechterhalten. Aber ich bleibe dabei, dass sowohl der gestrige gewalttätige Übergriff auf Michael als auch der Ausschluss aus unserem Verein nichts mit seiner Sexualität zu tun haben!

 

Hervorragende Geschichte, willkommen bei kg.de.

Spannendes Thema, schön umgesetzt, die Figuren dabei ernst genommen und sie zwar in der Bigotterie gezeigt, aber nicht zu Karikaturen werden lassen - das find ich immer wichtig. Das ist diese latente Angst vor Homosexualität, die wie ein Virus wirkt. Besonders schön in dieser "Ich muss ja auch kurz beim Duschen zugucken, aber bin dann sofort wieder weg"-Auseinandertüftelei oder "Na ja, wenn wir sonst einander auf den Hintern schlagen ist das sportlich, aber wenn der das macht, dann ..." und die Passage mit dem Kind und dem Bettbeziehen - das ist schon richtig gut gemacht. Diese selektive Wahrnehmung, so funktionieren Menschen auch.

Kompliment, hab ich gern gelesen
Quinn

 

Hallo Herr Gorke,

der Nick irritiert mich, da die Ansprache im Forum normalerweise "du" ist, ich ihn aber als deutlichen Hinweis sehe, beim "Sie" zu bleiben.
Dank der Amarell-Affäre ist das Thema ja zurzeit (leider unter ungünstigen Vorzeichen) ein wenig in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten. Hier in Hamburg lief/läuft (das müsste ich nachschauen) auch ein Theaterstück mit Stefan Jürgens zu dieser Thematik.
Von der Struktur her finde ich es in Ordnung, die Geschichte über eine Verteidigungs/Rechtfertigungsrede zu schreiben, auch, wenn ich mir gewünscht hätte, du wärest dabei deutlicher in der Geschichte Michaels geblieben. Vielleicht ist er schon als Bambini angefangen, war da schon "komisch" aber besonders niedlich. Dann empfände ich auch die Länge eher als gefüllt und gerechtfertigt, in der momentan einiges wiederholt wird und gestrafft werden könnte. Michaels Vater würde ich aus der Geschichte raushalten oder von Beginn an als Adressaten der Rede verwenden, dadurch wird die Struktur klarer.
Die Episode, in der Michael häufig in Unterhosen im Zimmer etwas tut, finde ich ungeschickt, auch wenn sie durchaus landläufige Vorurteile beschreibt. Aber so wie sie geschildert ist, trägt sie nicht drängend genug zu "Verteidigung" bei, ähnlich wie die Schilderungen über "Werner" nicht zwingend genug "entlasten". Beides wäre der Geschichte eher dienlich, wenn der Vereinsvorsitzende, sie nutzen würde, um seine Hände wirklich in Unschuld zu waschen (Ich konnte doch gar nicht anders, man hätte mich nicht wiedergewählt).
Im Tonfall sind Sie nicht konsequent. Mal typische "wörtliche Rede" mit fast inflationären "dass"-Konstruktionen, dann Formulierungen wie

Schon jetzt, kurz nach seinem Ausschluss, sind die Jungens beruhigter und spielen konzentrierter, sich darüber gewiss, keinen scharfen Bruder, wie sie es nennen, unter sich zu haben
. Dadurch wird die Charakterzeichnung des Erzählers, die ja aufgrund der Form nur über dessen Sprache und dem Inhalt seine Äußerungen stattfinden kann, unscharf, mal Fußballprolet, mal hochgeschliffen.
Insgesamt eine gute Geschichte, die sich noch optimieren ließe.

Lieben Gruß
sim

 

Hallo Herr Gorke
und willkommen auf kg.de :)

Auch mir hat die Geschichte gefallen. Gekonnt, der aufgezeigte Spagat zwischen entlarven einerseits und auf- dem- Boden- bleiben andererseits. In dem Stof liegt das Potential einer Satire, aber die gewählte Form gibt der Brisanz des Themas meiner Meinung nach viel mehr Raum. Wird dem ganzen auf eier bizarr-realistichen Weise gerecht und regt zum nachdenken an.
Insofern:*Gelungene Geschichte.

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Moikka Herr Gorke,

auch von mir ein herzliches Willkommen. :)

Eine sauber geschriebene Geschichte mit lobenswerter Intention, ganz zweifelsohne.

Leider krankt sie für mich an der gewählten Form:
Erstens, weil ich diese Satire schon oft und vermutlich zu ersten Mal vor zwanzig Jahren gelesen habe (im Grunde deckungsgleich, vllt nicht unbedingt ganz speziell im Fußball-, aber im Sport-/Armeeumfeld). Jedenfalls kannte ich jeden einzelnen joke, und fand das Ende absehbar.
Zweitens, weil der Text lediglich preaching to the converted (oder im Szenekontext selbstironisch perverted) betreibt. Ein richtig dickschädeliger Vollspießer würde evt. nichtmals die Ironie verstehen, sondern sagen, jo, genau so isses doch! Ein toleranter, aufgeklärter Mensch zuckt mit den Schultern und denkt, jo, solche Deppen gibt es tatsächlich, und gar nicht wenige davon. An sich hat ein solcher Text nur eine sinnvolle Funktion, wenn man ihn z.B. in Schulen einsetzt - bei Leuten mit wenig kritischem Hintergrund, die sich aber bei Geschichten mit erhobenem Zeigefinger langweilen.

Ich denke, er ist in dieser Form viel zu lang (um 1/3 gekürzt würde mEn nix verlorengehen) - denn der Witz daran wird in den ersten Sätzen deutlich, und was dann folgt, ist keine Entwicklung, sondern nur ein mehr desselben. Die kleinen Antijokes sind austauschbar, und der Handlungsverlauf auch: ob der schwule Spieler ausgestoßen, verprügelt, gar umgebracht wird ist nur Variation zum Thema. Und das nennst Du bereits im Titel.

Interessant wäre vllt gewesen, hier eine Variation reinzubringen, etwas Unerwartetes. Ein kleiner Dreh zum Abschluß, der mit unseren Erwartungen spielt. Uns intellektuell ein bißchen mehr engagiert, als das abnicken zu können.

Herzliche Grüße,
Katla

 

Sehr gern gelesen, sehr authentisch, sehr anschaulich!
Politikergeplaudere oder man möchte an den guten Mixa denken...schon allein die stetige Wiederholung des Wortes "homosexuell" in Verbindung mit der Versicherung, gegen selbige nicht zu haben.
Sehr fein!

 

Hallo,

vielen Dank für die Kritiken. Ich werde mir den einen oder anderen Rat hinter die Ohren schreiben!

Gruß

Herr Gorke

P.S. Ihr könnt mich natürlich gerne duzen, Herr Gorke ist ja nur mein Name und sollte nicht distanzieren. Ich habe nur leider keinen Vornamen...

 

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