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Heute ist Miracolitag
Wenn schon gekocht wird, dann aber auch richtig. Frische Zutaten und nahezu alles selbst produzieren, ohne irgendwelche Tütchen, Fixe, oder sonstige Helferlein. Ansonsten kann ich mir die Arbeit sparen und direkt zu MC Donalds fahren, was öfter vorkommt, da mache ich mir nichts vor.
Vorgefertigtes Essen finde ich nicht nur in Anbetracht des Zeitaufwandes für die Zubereitung überschätzt, es ist auch meist sehr eigen im Geschmack, vollgepackt mit allerlei ungewünschten Inhaltsstoffen, die Wurzel vielerlei Übels aus medizinischer Sicht; dass einen oft schon die Anleitung in den Wahnsinn treibt, lasse ich bei Letzerem, aus Befangenheit, außen vor.
Conveniencestufe drei ist für mich das Allerschlimmste. Pulverisiertes, konzentriertes Teufelswerk, angereichert mit Geschmacksverstärkern und Aromastoffen, versteckt in einem bunt bedruckten Tarnmantel aus bewusst betont recycelter Pappe, der mit ansprechenden Visualisierungen, der entsprechenden Zielgruppe ein köstliches Mahl, unter Aufwendung des geringsten zeitlichen, sowie physischen Aufwandes, inklusive gutem Gewissen suggeriert. „Astronautennahrung“ sagte meine Großmutter dazu, „Zivilisten-EPa“ mein Herr Vater. Ich, nenne es unnötig.
Ließt man sich die rückwärtig, klein abgedruckte Liste der Inhaltsstoffe durch, sollte einen schon das Grauen überkommen; spätestens aber, nach der Fertigstellung, unter klagender Bezeugung des Ergebnisses.
Warum ich letztendlich doch zu einem dieser Produkte gegriffen habe, lag wahrscheinlich daran, dass eine nostalgische Stimmung, gepaart mit der Sehnsucht nach einem vergangenem Moment, meinem über Jahrzehnte mühsam antrainiertem Defätismus überwog und mich zu dem Entschluss kommen ließ, dass heute „Miracolitag“ sei, und ich dem einhergehenden Sodbrennen –dies blieb mir gut in schlechter Erinnerung- ganz easy, mit präventiv bevorrateten Mitteln aus der sorgfältig angelegten Hausapotheke meiner Lebensgefährtin gegenübertreten würde.
Nun mag es an meiner Art liegen, dass ich über die, als garantiert einfach angepriesene Zubereitung, auf ein Hindernis stoßen sollte, bei dem ich mir bis heute fast ziemlich sicher bin, dass ich weder der Erste war, noch der Letzte sein würde, der sich an diesem Problem den Kopf zerbrach.
Es war nicht die Pasta, bei der es bekanntlich wichtig ist, dass jene „niemals auf die Soße wartet“, sofern man den Virtuosen der großen italienischen Küche Glauben schenken mag, sondern vielmehr die Soßenbereitung. Drei Komponenten die es zusammen zu rühren galt, boten nicht unbedingt eine Herausforderung die unbezwingbar erschien, aber wenn man einmal eine Situation zerdenkt, dann ist auch die kleinste Aufgabe manchmal zur Unlösbarkeit verdammt.
Eine gestrichelte Linie bezeichnet das Maß, an das es sich beim Auffüllen der metallenen Tüte, mit gewöhnlichem Leitungswasser, zu halten gilt. Im Grunde keine anspruchsvolle Sache, eine bedienerfreundliche Lösung, ein durchdachtes Konzept, hätte ich nicht beim Zusammendrücken der blöden Tüte bemerkt, dass sich je nach Druck, die Außenkanten entweder einander nähern, oder sich voneinander entfernen. Bislang ein simples, einleuchtendes, physikalisches Gesetz. Ebenso nachvollziehbar, der sich dadurch verändernde Pegelstand innerhalb der Tüte, was sich aber schließlich, nach unbewusstem, fast ferngesteuertem praktischem Erforschen der jüngst errungenen Kenntnisse, wohl doch als nicht zu unterschätzendes Problem herausstellte.
Nach flüchtiger Ersteinschätzung, unter Beachtung der möglichen Ober- und Untergrenze des Wasserstandes, war hier mit einer Differenz von bis zu 30 Millilitern zu rechnen, was in einem zwanghaften Perfektionisten ernsthaftes Unbehagen hervorrufen kann.
Nach Aufgabe stand mir aber nicht der Sinn, also war es daran eine Lösung zu finden; wobei es mir als das Naheliegendste und somit Logischste erschien, es damit zu versuchen einen Mittelwert zu akzeptieren, nachdem ich mit dem Wagnis die Vorhergehensweise nachzuvollziehen, welche sich der Erfinder diesbezüglich einst hatte erdacht haben müssen, in einen gedanklichen Irrweg geraten bin.
Wahrscheinlich basierte später auch die, unter anderem, geschmackliche Enttäuschung letztendlich weniger auf einer fehlinterpretierten Wassermenge, oder der „neuen“, vermeintlich „verbesserten Rezeptur“, sondern auf übertriebener Erwartungshaltung und der outrierten Hoffnung die Zeit, auch wenn nur für einen vergänglichen Moment, zurückzudrehen, um darin zu verharren. Nachdem ich aber einem, mit Hoffnung vollgepacktem, letzten Bissen dieser fantastischen Illusion die Chance bat, das Ruder herumzureißen, alles doch noch zum Guten zu wenden, wie in den verkackten Hollywoodstreifen, schüttete ich den Rest dieser verträumten Kindheitserinnerung in die Toilette, zog zweimal ab und fuhr zu Burger King. Ich hatte noch ein paar Sparscheine und einen wahnsinnigen Appetit auf ´was Genormtes.