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Heute retten wir...
Dienstag.
Über der Landsbucker Allee bläut ein klarer Sommerhimmel, als Rentner Erwin Kalles kleinen Lebensmittelladen an der Ecke betritt.
»Moin Erwin.«
»Moin Kalle.«
»Wo hast'n deine bessere Hälfte gelassen?«
»Erna is in der Apotheke drüben bei Schmidtlers.«
»Wird doch wohl nich krank sein? Bei dem schönen Wetter!«
»Nee nee, keene Angst, Kalle. Is nur wegen die hungernden Kinder in der Saharara-Zone.«
»Wegen was?«
»Na, die Kinder drüben in Afrika. Mensch, ditt kennst'e doch, Kalle!«
»Und? Kapier ich nich. Wat hat dis denn mit der Apotheke vom Schmidtler zu tun?«
»Na, wegen dem Fernsehbericht von gestern Abend!«
»Wat fürn Fernsehbericht? Gestern kam doch Fußball auf ZDF.«
»Aber meine Frau wollte doch diesen Fernsehbericht kiecken.«
»Na und?«
»Nix: na und! Da haben se gesagt, dass in der Sahala-Zone täglich zehntausend Menschen verhungern! Und über einen Millionen Kühe und Ziegen und so. «
»Warum essen die dann nicht die Kühe und Ziegen? Ich meene, die sind doch eh tot.«
»Keene Ahnung, Kalle. Aber die haben da och nischt zu trinken, haben se im Bericht gesagt. Und außerdem sind die da unten alle bazillenverseucht. Haben die Scheißerei und wat wees ich noch alles.«
»Schlimm schlimm!«
»Ja, genau. Und deswegen hat meine Erna gesagt: wir müssen wat unternehmen! Sie meint, jetzt wo der Willi ausm Haus is, haben wir sowieso genug Zeit und nischt weiter vor. Und deswegen sind wir gleich heute früh rumgefahren und haben angefangen, was dagegen zu tun.«
»Und was wollta dagegen tun, Erwin?«
»Na, zuerst warn wa natürlich auf der Bank und haben wat gespendet. Dat is gut, hat Erna gesagt, weil dann der Willi die Quittung von der Steuer absetzen kann.«
»Is klar.«
»Und jetzt sind meine Frau und ich unterwegs, um de nötigen Besorgungen zu machen. Erna klappert alle Apotheken ab und kauft Vitamin C, Kamilletinktur und Magenbalsam und n Haufen so Zeug, was gesund ist für de Afrikaner. Und ich soll den Rest holen.«
»Was willste denn haben, Erwin?«
»Na, Konserven und so. Wat hastn da? Suppen wärn gut. Muss aber ohne Rind sein. Da fällt mir ein, wie viel Mineralwasser hastn hier, Kalle?«
»Fünfzehn Kästen hinten im Lager. Is aber nur Medium!«
»Egal. Erna sagt, ich soll alles koofen. Die sollen sich halt da unten nich so anstellen.«
»Genau.«
»Kannste mir de Kästen schon mal rausstellen lassen, Kalle? Ich hab nich soviel Zeit.«
»Wieso'n?«
»Na, de Erna sagt, dass wir noch die zwanzig Briefe an de Kinder schreiben müssen.«
»Wat für Briefe? Ich dachte euer Willi wohnt draußen in Schmelle. Und wieso denn zwanzig?«
»Na, wegen de afrikanischen Patenkinder! In der Bank lagen so Broschüren rum. Erna hat jede mitgenommen, die da war, und gleich ma angerufen und uns überall eintragen lassen.«
»Meine Güte, zwanzigfache Vaterschaft! Und das in deinem Alter, Erwin.«
»War och erstaunt.«
»Na jut, Erwin. Dis mit de Kästen geht klar. Musste dir von hinten vom Lager abholen. Und de Konserven pack ich dir och noch ruff.«
»Allet klar, Kalle. Denn bis morgen dann.«
»Gut. Bis morgen, Erwin.«
***
Mittwoch.
Kleine Wattewölkchen treiben gemütlich über die Landsbrucker Allee hinweg. Rentner Erwin ist mal wieder zu seinem Kumpel Kalle unterwegs.
»Moin Erwin.«
»Moin Kalle.«
»Und? Wat machen deine hungernden Kinder in Afrika?«
»Keene Ahnung. Negerkinder waren gestern. Heute retten wir die Wale!«