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High-Society-Ambiente
Und jetzt ist sie es doch:
Wieder eine dieser furchtbaren Parties.
Laute Musik dröhnt aus den Boxen und macht mir das Denken schwer.
Etwas außerhalb sitze ich an der Bar und beobachte die Menge.
Ich hatte gehofft es würde besser werden. Heute auf dieser Party.
Irgendwie interessanter vielleicht. Vielleicht ohne diese vielen arroganten vor Coolness strotzenden Selbstdarsteller.
Aber ich habe mich getäuscht.
Wichtige Leute sind da, wahnsinnig erfolgreiche Geschäftsmänner, baldige Modells und sicher in Zukunft erfolgreiche Schauspielerinnen.
Man kennt das ja.
Und mächtig aufgefahren haben sie für diese Party.
Allein das Ambiente... ( allein das Wort „Ambiente“, wahrscheinlich bin ich schon infiziert mit dem Coolness-Virus!)...es ist irgendwie lounge-ig.
Eifrige Kellner laufen umher und servieren Cocktails. Am Buffet gibt es Häppchen von denen natürlich niemand isst, „...denn wir wollen ja nicht fett werden!“, haha.
Um es mir einigermaßen erträglich zu machen, genehmige ich mir noch einen Drink. Es ist nicht der Erste und sicherlich auch nicht der Letzte an diesem Abend.
Worauf habe ich mich hier bloß eingelassen?
„Komm lass uns mal richtig feiern gehen!“ hatte sie gesagt.
Die baldige Schauspielerin, meine Freundin.
„Sehen und gesehen werden“ fuhr sie fort, „das ist wichtig wenn man Erfolg haben will!“
Natürlich! Ich will ja nicht schuld sein, wenn ihre Karriere endet, noch bevor sie begonnen hat.
„Okay!“ hatte ich klein beigegeben „Aber nur unter einer Bedingung: Wenn es Scheiße ist und ich mich langweile, dann gehen wir wieder!“.
„Natürlich!“ Jubelnd fiel sie mir um den Hals und bedankte sich. Und dann hat sie noch so etwas gesagt wie: „...du wirst dich sicher nicht langweilen!“ und „...mächtig interessante Leute...!“ und so.
Und jetzt? Kaum auf der Party angekommen, verschwand sie in der wogenden Masse aus Menschen und war nicht mehr gesehen.
„Puh!“. Seufzend sehe ich in meinen Drink. Erstaunlich wie schnell Eiswürfel schmelzen können...!
Wahrscheinlich liegt es an mir, wahrscheinlich bin ich nicht gemacht für das „High-Society- Ambiente“.
Bei nächster Gelegenheit muss ich unbedingt den Test im Frauenmagazin meiner Freundin machen: „Sind sie zum Star geboren?“
Heimlich natürlich!
Nicht auszudenken: „Hihi stellt euch mal vor: Mein Freund hat einen Test aus meiner Zeitschrift gemacht...!“.
Und dann, nach der Beantwortung von „...nur 15 Fragen!“, ziemlich blöden und durchschaubaren Fragen, werden wir ja sehen was Sache ist.
Plötzlich steht ein Mädchen neben meinem Barhocker.
Sie ist vielleicht fünf Jahre alt. Anscheinend ist sie der eigens für diese Party engagierten Nanny entwischt.
Sie hat große Tränen in den Augen.
Auch das noch! Nicht nur, dass die Party zum Kotzen ist jetzt darf ich mich auch noch um High-Society Kids kümmern. Na großartig!
Aber ich bin ja kein Unmensch.
Mühsam lasse ich mich von meinem Barhocker gleiten. Der Alkohol hat mir wohl mehr zugesetzt als ich dachte. Ich gehe auf die Knie so dass ich auf Augenhöhe mit der Kleinen bin.
Hab ich im Frauenmagazin gelesen, dass man das machen soll!
„Na, Kleine?“.
Sie sieht mich an. Sie schluchzt.
„Wie heißt du denn?“
„Lea...“, sagt sie.
„Und Lea? Wieso weinst du denn?“ Ich bemühe mich ruhig zu bleiben.
Ein Blick in die Menge verrät mir, dass wohl niemand außer mir, Leas Anwesenheit bemerkt hat oder bemerkt haben will.
Ich spiele kurz mit dem Gedanken, mich auf die Suche nach ihren Eltern zu machen. Das wäre jedoch aussichtslos in diesem Getümmel.
„Mhhh? Wieso bist du denn nicht bei der netten Tante, die im Nebenraum auf euch aufpassen soll?“.
Es ist mir sowieso ein Rätsel! Wieso können sich die hier anwesenden Eltern keinen eigenen Babysitter engagieren? Wieso schleppen sie ihre Kinder mit auf eine Party?
„Uns war langweilig, da sind wir rausgegangen...“,sagt die Kleine.
Die Musik ist so laut, dass ich sie kaum verstehen kann.
„Uns? Wer ist denn mit dir rausgegangen?“.
„Na, Judith !“ Lea klingt vorwurfsvoll, so als ob ich das hätte wissen müssen.
Wieso man diesen kleinen Biestern immer alles aus der Nase ziehen muss?!
„Okay!“ Ich bin genervt, ich kann Kinder nicht leiden...
„Und wohin seid ihr gegangen, Judith und du? Und wo ist Judith jetzt?“.
„ Wir sind...“ Sie fängt wieder an zu weinen.
„...wir haben uns verlaufen...und sind dann dahin wo die vielen Jacken sind.“ Sie zeigt mit ihren kleinen Fingern Richtung Gardarobe.
„...und jetzt...jetzt isses der Judith so schlecht!“.
Gut! Ein Anfang! Lea und Judith war langweilig, dieses Gefühl kenne ich ja nur zu gut; und sie sind rausgegangen in die Gardarobe, wo es Judith offensichtlich schlecht wurde. Warum auch immer!
„Wieso ist es der Judith denn schlecht geworden?“.
„Weil sie so viel genascht hat...! Meine Mama sagt immer, man soll nicht so viel naschen, weil einem dann schlecht wird! Habs der Judith gesagt, war ihr aber egal!“ In ihren verheulten Augen sehe ich das kurze Aufblitzen von Triumph.
Altklug ist sie also auch noch! Na Bingo!
Nun, so sind Kinder nun mal, sie kann ja nichts dafür. Ich sammle mich kurz und frage dann mit ruhiger Stimme:
„Sie hat also zu viel genascht, deine Judith, ja? In der Gardarobe?“.
„Jaha , sag ich doch!“, schluchzt Lea.
„Und wieso zum Teufel weinst du, wenn der Judith schlecht ist?“, frage ich mit barschem Ton.
„Die hat gekotzt!“ Angeekelt verzieht sie das Gesicht.
Nervig, vorwurfsvoll, altklug und zimperlich ist sie auch noch! Wenn sie groß ist wird sie bestimmt `ne super Zicke.
Mein alkoholisiertes Hirn macht es mir nicht leicht. Mir reißt der Geduldsfaden.
„Und was bitteschön hat Judith in der Gardarobe genascht, dass ihr so schlecht geworden ist, dass sie kotzen musste?“ Es tut mir leid, dass ich Lea anschreie.
Sie schaut mich entsetzt an, ihr ohnehin schon blasses Gesicht wird noch ein bisschen blasser und mit zitternder Stimme flüstert sie kaum hörbar:
„Na, die hat den Zucker gegessen, den ganzen Puderzucker den wir in der Gardarobe gefunden haben!“.
Der Schreck fährt mir in die Glieder.
Puderzucker in der Gardarobe?!
Mit einem Mal bin ich völlig klar, völlig nüchtern.
Ich packe Lea auf den Arm und kämpfe mich durch die Menge; Richtung Gardarobe.
Als ich den abgelegenen Raum betrete und Judith erblicke, ist mir auch nach Heulen zumute:
Sie liegt in ihrem Erbrochenen, mit weit aufgerissenen Augen da. Blut rinnt aus ihrer Nase.
Ich setzte Lea ab, die wieder weint und ihr Gesicht sofort in einer der Jacken verbirgt.
Ich stürze zu Judith, doch es ist zu spät.
Judith atmet schon lange nicht mehr.