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Hilfe, meine Tochter wird erwachsen!
Seufzend schaltete Marek den schrill klingenden Wecker aus und zog sich die Decke ein letztes Mal bis über den Kopf. Wie beinahe jeden Morgen dachte er sich, dass es viel zu früh war, um aufzustehen – doch sein Arbeitgeber war anderer Meinung.
Aus der Küche war schon leises Geklirr zu hören. Sophia, seine Tochter.
Gähnend zwang er sich aus dem Bett und zog sich an. Warum schaffte es ein dreinzehnjähriges Mädchen problemlos aus dem Bett und er nicht? Für ihr Alter war sie ziemlich vernünftig. Manchmal hatte er sogar das Gefühl, sie würde sich um ihn kümmern und nicht umgekehrt. Aber eben nur manchmal.
Erst eine kalte Dusche brachte es fertig, ihn vollends aufzuwecken. Zufrieden musterte er sich im Spiegel. Als Vater sah er gar nicht mal so schlecht aus – fand er – und wollte schon nach seinem Rasierer greifen, als er verwundert inne hielt. Da lag doch tatsächlich ein rosa Venus–Rasierer neben dem seinen. Sofort kam ihm Sophia in den Sinn. Ein unbehagliches Gefühl machte sich in ihm breit.
„Meine kleine Tochter rasiert sich!“, schrie er in Gedanken mit einem Anflug von Panik und eilte aus dem Bad in die Küche, wo sie am Küchentisch vor einer Tasse Kaffee saß.
„Morgen!“, begrüßte sie ihn.
„Morgen.“ Er setzte sich ihr gegenüber und musterte sie, als hätte er sie vorher noch nie gesehen. Lange blonde Haare, die gestuft ihr Gesicht umrahmten, braune Augen und eine recht zierliche Figur, bei der allerdings bereits eindeutige Rundungen zu sehen waren. Sie war das genaue Ebenbild ihrer verstorbenen Mutter.
„Kann ich ins Bad?“, fragte sie. „Mir ist irgendwie schlecht heute …“
Marek nickte.
„Ach und … Du musst mich heute nicht zur Schule fahren. Patrick holt mich ab.“ Damit war sie auch schon weg. Patrick? Marek stutzte.
„Wer ist Patrick?“, rief er ihr nach.
„Na, ich hab dir doch von ihm erzählt. Der süße Typ aus der Zehnten.“, erklärte sie aus dem Bad. „Er hat – Oh Gott!“, schrie sie plötzlich. „Aaaaaaaaaaaaaaaa!“
Marek hastete zur Badezimmertür.
„Was ist? Sophia?“
Die Tür ging auf und Sophia sah ihm zögernd entgegen.
„Ähm … Ich habe da ein kleines Problem.“, murmelte sie.
„Problem?“ Marek verstand nicht sofort.
„Na, DAS Problem.“ Sophia blickte ihn mit einem viel sagenden Blick an. Und plötzlich verstand er.
„Oh Gott!“ Er fuhr sich nervös durch die ungekämmten Haare. „Auch das noch!“
Das Mädchen lächelte zaghaft.
„Und … Ich … war nicht so ganz darauf vorbereitet.“, gestand sie. „Hast du … Binden?“
„Binden?“ Marek wurde bleich. Daran hatte er nicht gedacht. Um genau zu sein, hatte er noch nie daran gedacht.
„Oh bitte, Papa. Sag, du hast mal welche gekauft. Als Vorsichtsmaßnahme. Bitte!“ Sophias Lächeln verschwand
„Moment.“ Marek eilte ins Wohnzimmer und kam mit einer Packung Taschentücher zurück, die er ihr triumphierend entgegenhielt. Sie sah ihn verständnislos an.
„Ok, ok.“ Er seufzte. „Der Supermarkt ist noch zu. Und sonst auch alles….“ Wieder einmal wurde ihm bewusst, dass eine weitere Frau in ihrer beider Leben fehlte. Die knallende Badezimmertür riss ihn aus seinen Gedanken. Dann das Geräusch des Schlüssels.
„Sophia! Mach sofort die Tür auf!“
„Nein!“, bekam er nur als Antwort. So gut kannte er seine Tochter nun schon, dass er hinter diesem einen Wort mehr verstand, als es bedeutete. Es war kurz vor Alarmstufe rot. Er musste handeln. Was für ein Morgen, dachte Marek sich und entschied sich für die anscheinend letzte Möglichkeit. Wofür gab es denn Nachbarn? Also klopfte er an die Nachbarstür und wartete. Erst jetzt kam ihm der Gedanke, seine Nachbarin könne noch schlafen. Für einen Rückzug war es allerdings zu spät, denn die Tür ging auf und eine Frau mittleren Alters stand in einen Morgenrock eingewickelt vor ihm.
„Guten Morgen“, begann Marek. „Ich … Es tut mir sehr Leid, dass ich Sie heute so früh wecke, aber ich habe einen kleinen Notfall.“ Er erzählte ihr alles. Frau Rosenstolz lächelte beruhigend und kurz darauf hielt er eine Packung Binden in den Händen.
„Ihre Tochter ist jetzt eine Frau. Ich gratuliere.“
Warum nur missfiel ihm diese Tatsache?
Mit den Binden marschierte er daraufhin wieder in seine Wohnung.
„Sophia, mach die Tür auf!“, forderte Marek ein zweites Mal. „Ich habe etwas.“ Die Tür ging auf und er gab sie ihr.
„Danke, du bist ein Schatz, Papa!“, rief sie hinter der wieder verschlossenen Tür. „Wo hast du die denn her?“
„Frau Rosenstolz.“
„Waas?“, schrie sie.
Marek biss sich auf die Zunge. Das hätte er nicht sagen sollen. Er hätte wissen sollen, dass Sophia über sein Handeln nicht gerade froh sein würde.
Die Tür ging auf und Sophia kam wütend heraus stolziert.
„Du weißt doch hoffentlich, dass spätestens heute Abend jeder aus diesem Haus es wissen wird!“, fauchte sie und holte ihren Rucksack. „Ich kann mich hier nicht mehr blicken lassen! Tschüss!“ Damit war sie weg.
Müde lehnte Marek sich an die Wand. Es graute ihm vor den nächsten Jahren.