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Hinterherlaufen

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05.11.2005
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Hinterherlaufen

"Ich Kann nicht mehr, das geht nicht, du musst mir helfen, ich bin zu klein dafür, das geht doch nicht...!"
Sie WAR klein, wirklich klein, jung, vielleicht fünfzehn, aber sie hatte die Augen eines süßen, weisen Indianerhäuptlingsmädchen und ließ ihn sich dadurch nicht einfach als eine verrückte Selbstgesprächeführ-Tante abstempeln. Er hätte sich beeilt an ihr vorbeizukommen, er hätte so getan, als würde er ihr sinnloses Gerede mit der Straßenlaterne gar nicht mitkriegen und ihr im Nachhinein einen heimlichen, mitleidigen Blick zugeworfen. Um zu sehen, wie ein verworrenes Kind mit psychischen Lastern denn nun eigentlich wirklich aussah.
Ihre Augen kamen ihm diesmal allerdings zuvor.
Er lief nicht an ihr vorbei, er lief eine ganze Weile schräg hinter ihr her, um sie sich genauer anzusehen. Blau,grau, grün, braun, gemischt, irgendwie funkelnd, die Iris war von irgendwas lustig Gelben umgeben und erinnerte einen so an eine schwarzbunte Sonnenblume.
Darüber, wie er es schaffte, die Sonnenblumen aus dieser Entfernung überhaupt erkennen und infolgedessen auch noch reinfallen zu können, machte er sich schon keine Gedanken mehr, er fiel einfach und wollte tatsächlich gar nicht mal so schnell wieder landen...
"Hilf mir bitte, bitte, ich bin zu klein dafür...!"
Sie merkte es nicht, sie laberte einfach weiter. ER lief einfach weiter hinter ihr her und wusste, dass das alles irgendeinen hübschen, tiefsinnigen Hintergrund haben musste. In dem kleinen Teil ihrer Augen sah er, dass sie nicht verrückt war. Er spürte es, schließlich war er ein paar Momente vorher hineingefallen...
Es war bereits zu dunkel, um die Kirchturmuhr zu erkennen, die einzigen Geräusche kamen von den nicht mehr allzu befahrenen Straßen, die den seltsamen, kleinen Wohnblock umgaben. Es gab ein paar Restaurants, ein paar Leuchtdinger, den ganzen Kram, den es abends eben noch so gibt in mehr oder weniger zentralen Großstadtvierteln. Und es gab sie. Ihr leises Gemurmel fing an, ihn nicht mehr loszulassen.
"Scheiße, mensch, bitte... du siehst doch, dass es mir schlecht geht."
Sie wussten beide nicht, wie lange sie bereits gelaufen waren. Ungefähr 5 Minuten, so lange brauchte man von der Bushaltestelle bis zu ersten Ecke, an der man abbiegen konnte. Es waren nur noch ein paar Schritte und so langsam fiel ihm auf, dass er nicht mehr viel Zeit hatte. An der Ecke würe sie ihn bemerken und er durfte entscheiden, auf welche Weise:
Er könnte an ihr vorbeilaufen, als würde er sie als verrückte Selbstgesprächführ-Tante abstempeln... Noch ein halber Meter...
"Ich kann nicht mehr..."
"Hey!"
...er entschied sich allerdings zum Ansprechen...
"Darf ich dich mal was fragen?"... er entschied sich zum Ansprechen, da die Spannung langsam unerträglich wurde. Es war ihm egal, dass er dabei einfach ein Gespräch mit einem unglaublich fremden Menschen anfing, es war ihm ein bisschen unangenehm, aber ansonsten... egal...
Selbst ihre Reaktion verstand er, obwohl die das Ganze auch nicht weniger peinlich machte.
Sie hatte sich erschrocken umgedreht, ihm wütend ein Loch in den Kopf gestarrt und war dann -eher beschämt als selbstbewusst, verständlich wenn man kurz vorher beim Verrücktsein erwischt worden ist- kaum hörbar schnaubend und dazu einen Schritt schneller weitergegangen.
"Hey, bitte, warte..."
Warum rennt der Arsch mir hinterher? Warum legt er mir seine schlimme Hand auf die Schulter und was bitte hat man ihm angetan, dass er auf die Idee kommt, fremde Mädchen anzulabern?
"Mensch bitte! Ich will dich echt was fragen..."
Er war froh, als sie schließlich doch anhielt. Sie sah zwar genervt aus. Aber immerhin, sie hatte angehalten. Sie drehte sich um, sie guckte ihn an, sie ließ ihn von ihren mittlerweile noch undefinierbareren, bunten Sonnenblumenaugen auffressen, nebenbei stand sie wohl in der desinteressiertesten, genervtesten Haltung, in der sie in diesem Moment hätte stehen können. Mit verschränkten Armen und einem Gesichtsausdruck,der normaler Weise symbolisiert, dass man weder Zeit noch Lust auf seltsamen Zulaberscheiß hat.
"Und was bitte soll das?" Er mochte ihre Stimme, seine kam ihm dagegen unglaublich rau und plump vor. "Was soll was? Dass ich dich angesprochen habe?" Sie nickte und sah schon nicht mehr ganz so krampfhaft genervt aus, wie am Anfang. Es war ihr peinlich, beobachtet worden zu sein, doch langsam fing sie an, es toll zu finden, dass ein anderer Mensch sich mit ihr beschäftigen wollte. Beschäftigen. Wie auch immer. Zu dem war es auch noch ein irgendwie ziemlich gut aussehender Mensch...
"Mh, ich hab dir zugehört..."... sie wurde nicht rot, aber sie sah aus, als wär sie in einer Situation, in der andere Leute vielleicht rot werden würden... "Ich hab dir zugehört und mich gefragt, was du da redest." Sie antwortete nicht, also suchte er krampfhaft nach einer unausweichbareren Frage.
"Gehts dir irgendwie nicht gut?" Fein.
"Wie kommst du darauf, dass es mir nicht gut geht?"
"Das weißt du schon... Ich hab dir zugehört..."
Ein bisschen Stille, irgendwo miaute eine Katze, dann wieder ein bisschen Stille, und dann setzte das Mädchen tatsächlich an, etwas zu sagen:
"Ich hab geübt..."
"Wie, du hast geübt? Für was denn?"
Sie gingen weiter, fast ohne es zu merken. Halt ein bisschen langsamer als vorher. Und nebeneinander.
"Keine Ahnung... nur so eben... Zum Spaß."
"Zum Spaß?"
Sie blieb still. Während sie sich wunderte, warum jemand mit ihr über derartig seltsames Zeug sprach. Es war merkwürdig. Das wusste auch er, doch er merkte, dass es ihr gut tat.
"Warum antwortest du nicht?"
Still. Still. Still.
Er wollte sie nicht zwingen.
Sie gingen banale Großstadtminiviertelstraßen entlang, kamen an zwei Pizzerias vorbei, deren niedliche Steinöfen liefen noch auf Hochtouren. Es konnte also noch nicht später als 11 sein.
"Und warum bitte läufst du hier alleine durch`s Dunkle? Hast du kein Zu Hause?"
Warum sagte sie nichts?
"Weißt du, mit 15 darf man nach 10 noch nicht alleine rumrennen draußen..."
"Ich bin nicht 15."
"Ach nein? Wie alt denn? 13?" Es fing an zu fisseln, kaum spürbar, aber grade deshalb so nervig. Die Frage hatte er eher ironisch gemeint.
"Nein. 12." "Haha. Verarsch mich nicht. Im Ernst?" "Ja. 12." Mit 12 ist man noch klein.
"Du siehst älter aus. Mit 12 ist man noch klein, Mädchen, sehr klein."
"Ja. Ich weiß."
"Und du weißt auch, dass man mit 12 nicht einfach alleine draußen rumläuft?"
"Ja. Aber ich kann ja nicht drei Jahre warten."
"Um was zu tun?"
"Um draußen rumzulaufen."
Es fisselte.
Aha.
Und was genau sollte das? Er machte sich strafbar, wenn er nachts mit kleinen Mädchen durch die Straßen lief, die kleinen Mädchen machten sich währenddessen irgendwie auch strafbar, prinzipiell war genau alles an dieser Situation restlos beschissen und das wusste er. Er wusste alles, nur nicht, wie er daraus kommen sollte. ER hatte sie aus irgendeinem undefinierbaren Grund angelabert. SIE guckte ihn an. Und ER fiel immer tiefer. Er fiel immer tiefer doch er merkte, dass es prinzipiell gar nicht mal so schlecht sein konnte.
SIE kannte den Weg nicht, ER kannte ihn dafür unbewusst umso besser. Sie gingen einfach, sie gingen, gingen, gingen, redeten, dachten, redeten, gingen... sie steuerten sein Zuhause an, er kriegte es allerdings auf irgendeine seltsame Weise gar nicht richtig mit.
"Du hast also kein Zuhause?"
Das ist kein Zuhause...
"Oder hast du eins, willst da aber nicht sein?" Sie nickte. Tätäräta. Ihre bis jetzt schnellste Antwort.
Er fiel immer tiefer und merkte, dass es prinzipiell gar nicht mal so schlecht sein konnte.
Dass es gar nicht mal so schlecht sein konnte, denn durch Fallen, durch Sehen und durch Verstehen hatte er eine verdammt kleine Möglichkeit, ihr ein bisschen zu helfen. Mit jedem Meter den sie liefen, mit jedem meter den er tiefer in ihre Augen stürzte, verstand er einen Meter mehr von dem, was sie so seltsam rumlabern lassen hatte. Im Moment war er beim Punkt, zu wissen, dass irgendwas nicht stimmte. Genau wie am Anfang. Aber doch irgendwie ein bisschen anders. Weiter. Ja. Weiter.
"Genau. Ich will da nicht sein."
"Auch nur so aus Spaß?"
"Nein. Das ist ernst bei mir zu Hause."
"Hab ich mir schon gedacht."
Danach war es eine Zeit lang nicht angebracht zu reden, das merkten beide. Das Gute daran war, dass auch beide merkten, wann es denn überhaupt wieder weitergehen sollte. Vorm leerstehenden Autohaus, 5 Minuten entfernt von Hausnummer 17.
"Du bist 12 und rennst draußen rum. Nachts. Und ich bin 19 und gabel dich draußen auf, fang an mit dir zu reden, und erfahr`, dass ich dich draußen aufgegabelt habe, weil`s dir zu Hause ziemlich schlecht geht... kannst du folgen?"
Nicken.
"DU bist also 19?"
"Ja."
"So siehst du auch aus."
"Können wir bitte auf meine Frage zurückkommen?"
"Welche Frage?"
"Die kommt noch..."
"Ach so. Ja klar."
Seltsames Gespräch.
"Es ist merkwürdig und ich versteh nicht, warum wir jetzt grade nebeneinander durch die Gegend laufen, um uns gegenseitig zu erzählen, dass du scheinbar ein mehr oder weniger beschissenes Leben hast...", er atmete tief durch, weil er kurz vergessen hatte, was er sagen wollte. Fing sich dann aber und redete mal wieder im haargenau richtigen Moment weiter: "Ich frag dich also: Willst du drüber sprechen?"
Er hatte erwartet, dass sie ihn anschrie. Ihm vorwarf, was er denn für ein seltsamer Typ war und dass es nicht richtig sei, kleine Kinder auf der Straße anzugraben. Er wollte sie nicht angraben, obwohl sie süß war, er wollte ihr helfen, er war 19 und es war ihm bis her nicht ansatzweise in den Sinn gekommen, Achtklässlerinnen zu ficken. Aber das konnte SIE ja nicht wissen.
"Ich weiß nicht."
Wie, sie weiß nicht? Keine große "Du-hast-ja-total-den-Arsch-offen"-Rede?
"Ich glaub ich würds schon gerne erzählen..."
"Im Ernst?"
"Nicht, wenn du es nicht hören willst..."
"Doch, doch, mach dir darüber keine Gedanken."
"Ich kann dir dafür nicht viel geben."
"Brauchst du nicht. ICH hab dich angesprochen."
"Du kannst mich dafür haben."
"Du spinnst ja."
SIE war scheinbar wirklich ziemlich zerbrochen. Und ER merkte, dass er in zwei Hausnummern angekommen war. 15, 16, 17. Bei sich zu Hause. Bei seinem neuen Zuhause. Vor zwei Wochen war er doch tatsächlich in diese seltsame, kleine Straße mit den schönen Bäumen und den vielen Fahrradständern gezogen, es gab hier wirklich unglaublich viele Fahrradständer, und plötzlich stand er vor seiner neuen Haustür und war sich nicht sicher, ob es nach diesem Wortwechsel noch nötig war, zu fragen, ob sie mit hoch kommen würde.
"Hier wohn ich." Sie guckte ihn nur an. Sie hatte verdammt viele verschiedene Blicke drauf.
"Willst du mit hochkommen?" Sie guckte weiter. Misstrauisch."Ich will dich nicht ficken verdammt, ich will nur, dass du mit wem reden kannst. Es fängt gleich an zu regnen und außerdem ist es draußen ja sowieso total scheiße."
Sie guckte weiter, aber er wusste, dass sie jetzt nichts anderes konnte, als zu antworten.
"Ich hab ein bisschen Angst vor einem Menschen, den ich erst seit 10 Minuten kenne."
"Ich kann dir die Angst nicht nehmen, du seltsames kleines Ding. Aber machst du dir mehr Sorgen darüber, nach Hause zu müssen, als darüber, in der Küche von `nem Menschen zu sitzen, der dir helfen will?"
-
Sie striff sich ihre unglaublich locker geschnürten, gelben Chucks von den winzigen Füßen, als sie reinkamen. Größe 36. SIe schaute sich um, er auch. SIE musste sich an komplettes Neuland gewöhnen, ER musste das nicht mehr ganz komplette Neuland nur noch ein bisschen erkunden. Paul und Sarah waren heute Abend nicht da, eine der guten Eigenschaften seiner neuen Wehgehmitbewohner.
"Das ist ne WehGeh, ich wohn hier noch nicht lange", sagte er und zwar so, als wollte er sich schon direkt beim Reinkommen für den nicht allzu ordentlichen Flur entschuldigen. Es lagen Schuhe rum und Jacken und Umzugskartons, nebenbei war er gelborange gestrichen und ziemlich ... anders ...
"Ist aber schön hier." Sie schien wirklich angetan von gelborangegestrichenen, unordentlichen Fluren. Ihren schwarzen Kurzmantel mit den unglaublich großen Knöpfen schmiss sie, zusammen mit dem rotweißgestreiften Schal, einfach auf den Boden, es folgte die rosa Wollmütze und eine dieser feinen Used-Taschen aus Irgendwelchen zusammen gewerkelten LKWPlanen und Postbeuteln. Ihr Style war relativ cool, alternativ, eben cool alternativ, er bzw SIE passte in die Wohnung, die in ihren Augen dasselbe war.
IHm gefiel SIE echt gut. Als Mädchen. Aber er kümmerte sich um sie als Kind.
"mh... davorne gehts in die Küche."
Blau, rot, rosa. Die Küche. Sie sah aus, als hätte sie ein Mädchen eingerichtet, allerdings so, dass sich auch nette Typen drin wohl fühlten. Es wurde sich obligatorisch auf die weißen Ikeaklappstühle gesetzt, er allerdings sprang erschrocken wieder auf um ziellos und unbeholfen, auf der Suche nach etwas zum Anbieten, durch die Gegend zu laufen.
"Willst du irgendwas haben? Zu essen oder so?" Er kramte in den Schränken, sie musste lachen. "Nein. Will ich nicht." "Ehrlich nicht?" "Ne Mandarine vielleicht..."
"Ne Mandarine?"
"Ja. Wenns geht."
Er fand tatsächlich eine.
"Hier."
"Danke."
Sie pellte ihre Mandarine während er sich wieder hinsetzte, beide hatten längst aufgehört, sich über die merkwürdigen Umstände GEdanken zu machen. Sie saßen zusammen in seiner Küche und saßen und saßen, in der Hoffnung, in dieser Nacht noch irgendwelche brauchbaren Gesprächsfetzen zu fabrizieren.
"Ich mag eure Wohnung...", sagte sie dann nach 3 Seiten Stille, die Mandarinenschalen wurden dabei obligatorisch in den süßen, blauen Restmülleimer geworfen.
"Es ist schön hier."
"Findest du wirklich? Ich find mich noch nicht ganz zurecht..."
"Ich find mich bei mir zu Hause auch nicht zurecht."
Was sagt man in so einer Situation?
"Seit ihr auch umgezogen?"
"Nein. Ich wohn da schon ganz lange. Aber es ist zu blöd um sich da zurecht zu finden..."
"Du fühlst dich noch wohl bei dir zu Hause?!"
"Sonst würd ich nicht hier sitzen." Sie wollte mit ihm reden. Sie wollte nicht unbedingt Hilfe, sie wollte einfach nur mit ihm reden, sie war blond und klein und relativ dünn, kein bisschen hübsch, aber wirklich gutaussehend. Ihre langen Haare waren unglaublich unordentlich mit einem rosanen Prinzessinenhaarband zusammengebunden, ein bisschen auftoupiert und ziemlich trashig. Gewollt trashig und infolgedessen hübscheste Friseur die er sich hätte vorstellen können.
"Hat das mit dem da zu tun?" Er beugte sich über den Tisch, strich dem Mädchen den störenden Pony aus dem gesicht und deutete auf irgendeine blaue, aufgeknibbelte Schramme. Reflexmäßig schreckte sie zurück, ließ dann aber alles über sich ergehen.
"Ja. auch."
Gut dass sie so hübsch redet...
"Mein Zuhause ist schrecklich."
"Hast du Geschwister?"
"Nein."
"Tut dir jemand weh?"
Sie sagte nichts.
Manchmal will man alles aus der Nase gezogen kriegen.
"Tut dir jemand weh?"
Sie schüttelte den Kopf. Sie log.
"Ich weiß doch, dass dir jemand weh tut."
"Woher?"
"Deswegen sitzt du hier. Deswegen hast du `ne hübsche Narbe im Gesicht."
Sie zog sich die Ärmel ihres braunen Kapuzensweaters hoch.
Ach du Scheiße...
"Deine Arme sind komplett blau."
Was tut man in so Situationen?
"Wer hat das gemacht?"
Manchmal will man alles aus der Nase gezogen kriegen...
Er seufzte tief, lehnte sich zurück, ein bisschen so, als würde er keinen Sinn darin sehen, weiterzufragen. Er tat es trotzdem.
"Sags mir bitte. Bitte. Es geht dir besser danach. Mir auch."
"Warum gehts DIR besser danach?" Er dachte nach, konnte nicht antworten. Nicht mit Worten.
Er stand auf, rannte gespielt gehetzt durch die Küche, ließ offensichtlich mit Absicht ein paar Pappbecher auf den Boden fallen, um sich danach auf eine Weise zu bücken, die sein Tshirt bis zur Mitte der Wirbelsäule hochrutschen lies. Darauf wollte er hinaus. Bis zur Mitte der Wirbelsäule.
"Ach du Scheiße, was hast du da?" Sie sprang auf, eilte sorgenvoll zu ihm als wär er jemand, den sie seit 30 Jahren kannte. Als sie seinen Rücken näher begutachten wollte, zog er das Tshirt wieder runter. Sie hatte es gesehen, das musste als Erklärung reichen.
"Was hast du da?"
"Bügeleisen. Ich war 14.", sie setzten sich auf den Boden. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund wollten sie lieber auf den kalten Fliesen sitzen.
"Waren es deine Eltern?"
"Ja. Ich sollte mit 14 um Ach zu Hause sein, hab den Bus verpasst und war als 14-jähriger Typ dann erst um halb Neun zu Hause. Bügeleisen ist schon hart."
Sie sah ihn irgendwie mit anderen Augen.
"Das tut mir Leid."
"Verstehst du jetzt, warum ich wissen will, was bei dir los ist?"
"Ja. Ein bisschen schon." Sie guckte auf den Boden und er hoffte, dass das ein Zeichen einer baldigen Antwort war.
"Sag doch was, Kleine."
"Ich weiß nicht genau, was."
"Erzähl`s mir."
Seufzen. Blick zum Fenster. Fingernägelknabbern. Blick zu ihm. Seufzen. Blick auf den Boden. Schwarzweiße Fliesen.
"Es ist, seit ich klein bin." Guck mich an. "Es ist, seit ich klein bin. Ich weiß nicht was ich da Schlimmes gemacht hab, man kann ja nicht viel machen mit 4." Sie war 4 gewesen, als es anfing. "Ich find`s gar nicht so schlimm. Ich find`s schlimmer, wenn sie mich anschreien."
"Wer sind sie?"
"Meine Mama. Und manchmal auch mein Papa. Ich hasse sie. Weißt du...", sie musste sich vorm Weiterreden erst noch die passenden Worte zusammenfriemeln, "es fühlt sich immer gleich an. Das einzige Schlimme ist, dass ich weiß, was sie machen."
Er wusste, was sie meinte. Er wusste es genau und grade deswegen fühlte er sich, als würde er sie und ihre Situation schon unglaublich lang kennen.
"Willst du vielleicht zu ner Beratungsstelle oder so? Ich würd mit dir dahin gehen, manchen hilft das echt."
Sie sprang auf, rollte mit den Augen, war kurz davor aus der Küche zu rennen und vermittelte damit klar, dass das einer der absurdesten Gedanken war, den er hätte ansprechen können.
"Ha ha... Lustig..." Sie stand im Türrahmen. Eher bereit zu gehen, als sich wieder hinzusetzen.
"Hab ich mir schon gedacht, dass du das nicht willst. Hätte ja sein können." Sie stand immer noch im Türrahmen. Jetzt wiederum eher dazu bereit, sich wieder hinzusetzen, als zu gehen.
"Hast du `ne Idee, wie ich dir helfen könnte?"
"Ja."
"Und was für Eine wäre das?"
Sie kam tatsächlich wieder rein, hockte sich tatsächlich wieder neben ihn. Sie fand ihn hübsch. Feine Mischmaschaugen mit etwas lustig Gelben um der Iris. Sonnenblumenmäßig. Braune Haare, bis zum Kinn, mit einer tollen Trackerkappe oben drauf. Ansonsten sowieso cool.
"Darf ich hier übernachten?"
Er nickte. Sofort.
"Ja. Klar. Aber wie soll`s dann weitergehen?"
Sie zuckte die Schultern. Auch sofort.
"Ist mir jetzt erstmal egal." Ihr Gähnen steuerte sein Gähnen, beide gähnten sich infolgedessen die Seelen aus dem Leib und sahen das als relativ vernünftiges Zeichen, sich langsam mal Gedanken über die Schlafmöglichkeiten in neubezogenen StylomatenWGs zu machen. Vorher sollte allerdings noch eine Frage geklärt werden.
"Wie heißt du eigentlich?", fragte er und war unglaublich gespannt.
Warum sagte sie denn nichts?
"Warum sagst du nichts?" Stille. "Also... ich bin Hannes... solltest du dir vielleicht mal merken." Stille. "Willst du es mir nicht doch sagen?"
"Laura." Nicht im Ernst Laura.
"Laura? Ernsthaft?" "Ja. Ich hasse den Namen." "Ich find ihn schön." Er dachte wieder nach. Darüber, ob es angebracht war, das FÜR zu erörtern. "Ich find ihn schön. Meine kleine Schwester hieß so."
"Warum hieß?"
Seufzen. Das 80000. an diesem Tag.
"Sie ist tot. Sie war so alt wie du." ER guckte noch mal, irgendwie ziemlich intensiv, auf ihre Narbe. Während SIE unglaublich froh war, diese Nacht nicht zu Hause sein zu müssen.

 

Ich Kann nicht mehr
Hallo Tanzkind,
Wenn so der erste Satz aussieht, vergeht mir gleich die Lust am Lesen, befürchte ich doch, dass es nur wieder darin endet, über zwei Stunden endlose Korrekturlisten zu erstellen.
Sie WAR klein, wirklich klein, jung
Wenn so der zweite Satz aussieht, vergeht sie mir vollends, sehe ich doch, dass mich die Autorin für so dumm hält, dass ich nicht einmal im Stande bin, eine simple Satzbetonung zu erfassen, wenn sie nicht mit geschriener Großschreibung unterstützend gleich klar stellt, welches Wort hier betont werden soll. Dabei hätte eine einfachere Ausdrucksweise doch vor allem gleich diese Passage hier verdient:
aber sie hatte die Augen eines süßen, weisen Indianerhäuptlingsmädchen und ließ ihn sich dadurch nicht einfach als eine verrückte Selbstgesprächeführ-Tante abstempeln
weil sie also die Augen eines süßen weisen Indinaermädchens hatte, konnte er sie sich nicht als ... vorstellen?
Blau,grau, grün, braun, gemischt
fehlendes Leerzeichen
und erinnerte einen so an eine schwarzbunte Sonnenblume.
Die Augen sahen also aus wie das Fell einer Kuh?
Darüber, wie er es schaffte, die Sonnenblumen aus dieser Entfernung überhaupt erkennen und infolgedessen auch noch reinfallen zu können,
Da fehlt etwas. Ist er auf die Sonnenblumen herein- oder in die Sonnenblumen hineingefallen?
"Hilf mir bitte, bitte, ich bin zu klein dafür...!"
dafür(Leerzeichen)...!
ER lief einfach weiter hinter ihr her
Gewöhn dir diese Großschreibung ab. Sie ist nichts als ein Mangel an Ausdrucksfähigkeit oder zumindestens ein Mangel an Vertrauen in diese.
...er entschied sich allerdings zum Ansprechen...
man entscheidet sich für etwas, nicht zum etwas (und mal wieder die Leerzeichen.
"Darf ich dich mal was fragen?"... er entschied sich zum Ansprechen
und die Wiederholung eines Fehlers macht ihn auch nicht richtiger.
Sie hatte sich erschrocken umgedreht, ihm wütend ein Loch in den Kopf gestarrt und war dann -eher beschämt als selbstbewusst, verständlich wenn man kurz vorher beim Verrücktsein erwischt worden ist- kaum hörbar schnaubend und dazu einen Schritt schneller weitergegangen.
ach Gott, wer wirklich verrückt wird, kann sich keine Gedanken mehr darüber machen, ob er es wird.
Zu dem war es auch noch ein irgendwie ziemlich gut aussehender Mensch...
Mal sind diese Auslassungspunkte ja ganz nützlich, du benützt sie aber so oft, dass es eher wie eine marinierte Attitüde wirkt. Hier sind sie völlig überflüssig.
... sie wurde nicht rot, aber sie sah aus, als wär sie in einer Situation, in der andere Leute vielleicht rot werden würden...
Hier jeweils auch.
Sie antwortete nicht, also suchte er krampfhaft nach einer unausweichbareren Frage.
Da könnte die Frage nicht ausweichen. Meinen tust du aber, dass der Frage nicht auszuweichen wäre. Also suchte er nach einer nicht auszuweichenden Frage oder nach einer "weniger auszuweichenden Frage".
Hast du kein Zu Hause?"
In diesem Falle: kein Zuhause?
"Weißt du, mit 15 darf man nach 10 noch nicht alleine rumrennen draußen..."
"Ich bin nicht 15."
"Ach nein? Wie alt denn? 13?" Es fing an zu fisseln, kaum spürbar, aber grade deshalb so nervig. Die Frage hatte er eher ironisch gemeint.
"Nein. 12." "Haha. Verarsch mich nicht. Im Ernst?" "Ja. 12." Mit 12 ist man noch klein.
"Du siehst älter aus. Mit 12 ist man noch klein, Mädchen, sehr klein."
"Ja. Ich weiß."
"Und du weißt auch, dass man mit 12 nicht einfach alleine draußen rumläuft?"
"Ja. Aber ich kann ja nicht drei Jahre warten."
"Um was zu tun?"
"Um draußen rumzulaufen."
Spätestens nach diesem Dialog hätte ich aufgehört zu lesen, wenn es nicht auch darum gegangen wäre, ob die Rubrik überhaupt richtig ist.
Er machte sich strafbar, wenn er nachts mit kleinen Mädchen durch die Straßen lief
Warum?
mit jedem meter den er tiefer in ihre Augen stürzte
Meter
er war 19 und es war ihm bis her nicht ansatzweise in den Sinn gekommen, Achtklässlerinnen zu ficken.
mit 12 kann sie allerhöchstens in der 7. wahrscheinlicher in der 6. Klasse sein.
Es wurde sich obligatorisch auf die weißen Ikeaklappstühle gesetzt
Nein, es wurde sich auf die obliagorischen weißen Ikeaklappstühle gessetzt.
beide hatten längst aufgehört, sich über die merkwürdigen Umstände GEdanken zu machen.
Spätestens hier wird klar, dass du dir nicht einmal die Mühe gemacht hast, die Korrektur deines Schreibprogramms mal drüberlaufen zu lassen.
"Seit ihr auch umgezogen?"
Seid ihr auch
mit einem rosanen Prinzessinenhaarband
rosanen gibt es nicht. Mit einem rosa oder rosafarbenem
Gewollt trashig und infolgedessen hübscheste Friseur die er sich hätte vorstellen können.
Da fehlt ein Artikel
strich dem Mädchen den störenden Pony aus dem gesicht
Gesicht
Reflexmäßig schreckte sie zurück
Reflexartig
Manchmal will man alles aus der Nase gezogen kriegen...
Diese Wiederholung finde ich gut. Besser wäre, du würdest sie dreimal unterbringen.
"Bügeleisen. Ich war 14.", sie setzten sich auf den Boden.
- vierzehn (Zahlen in Belletristik (fast) immer ausschreiben.
- falsche Zeichensetzung: "Bügeleisen. Ich war vierzehn." Sie setzten ... (wenn du mit Komma und klein weiterschreiben willst, dann keinen Punkt)

"Ja. Ich sollte mit 14 um Ach zu Hause sein, hab den Bus verpasst und war als 14-jähriger Typ dann erst um halb Neun zu Hause
Das Alter reicht einmal, sonst wirkt es wie ein penetranter Hinweis. Also hier nur: Ich sollte um acht zu Hause sein und habe den Bus verpasst. - Alles weitere überlasse dem Leser.
" Sie war 4 gewesen, als es anfing. "
Völlig überflüssig.

Zum Ende hin wirst su in der Geschichte dann ja noch warm. Aber leider beendest du sie dann auch, als sie eigentlich interessant werden könnte. Die angebotene Lösung kann keine auf Dauer sein, das Mädchen wird wieder nach Hause müssen oder auf den Bahnhofsstrich, weiter geschlagen werden.
Natürlich braucht so eine Geschichte keine Lösungen. Und natürlich ist das lange Eingangsgeplänkel, das du gebraucht hast, oft real. Nur darf dabei nicht vergessen werden, dass auch das Interesse des Lesers geweckt werden muss. Und dazu ist es zu lang.
Kinder werden auch heute immer noch geschlagen. Das wissen wir alle. Darauf hinzuweise ist sicherlich immer wieder notwendig. aber anrühren tut deine Geschichte hauptsächlich, als die beiden Protagonisten sich endlich zaghaft öffnen.

Lieben Gruß, sim

 

Die Geschichte ist gut, der Erzählstil hat Potential, mach draus ein Buch. Die Rechtschreibfehler sind "nur" Formsache. Ich fands total spannend herauszufinden was mit ihr los ist...und auch seine Taktik sie zu knacken fand ich gut. ne 1- als deutsche Schulnote von mir.

Kritik: Teilweise redet sie ziemlich distanziert daher. Meine Erfahrungen in dem Bereich sind zwar klein, wenn's um Schläge, aber recht groß wenn's um Psychosen bei 12-jährigen geht. Bisher hab ich oft erlebt, dass eine riesige Distanz vorhanden ist, ist aber das Eis gebrochen und die Erzählung geht ins Detail, wird emotional, dann muss die Distanz aufhören. Aber vielleicht sieht das "Laura" anders / ist sie anders. Kann ja sein. Der Anfang ist tatsächlich etwas aufgesetzt, abgehackt. Das Ende war gut, hier wird eine symbolische Handlung vollführt die nicht den Anspruch hat die Welt in ein Paradies zu verwandeln, aber temporär etwas Licht ins böse Dunkel gebracht. Die Emotionen des Hannes wurden meistens beschrieben, am Ende aber nicht, dadurch wirkt es etwas...kurz. Hastig.

Grüße
Sinepp

 

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