Hiroshis Begabungen
Als ich Kirie das erste Mal sah, war ich erst acht Jahre alt. Sie war damals sieben. Sie saß am Straßenrand und spielte mit einer kleinen Puppe, als zwei ältere Jungen zu ihr liefen und sie ihr wegnahmen. Ich wurde so wütend als ich sah, dass sie in Tränen ausbrach, dass mein Herz völlig außer Kontrolle geriet. Ich rannte ihr zur Hilfe, baute mich vor den um einiges größeren Jungen auf und sagte: „Gebt ihr sofort die Puppe zurück, sonst…“ „ … sonst was? Willst du uns verhauen Hiroshi? Da hat die Kleine ja noch bessere Chancen!“ Mein Gesicht lief dunkelrot an, was hatte ich mir nur dabei gedacht? Dachte ich wirklich, dass ich gegen diese beiden Jungen etwas ausrichten konnte? Nein, um ehrlich zu sein, hatte ich überhaupt nicht gedacht. Ich saß ganz schön in der Klemme. Plötzlich fingen die zwei an, mich zu schubsen, immer kräftiger. Dann schlug der eine mir so hart ins Gesicht, dass ich hinfiel. Meine Nase blutete. Sie warfen die Puppe nach mir und liefen mit lautem Gelächter davon.
Inzwischen hatte Kirie aufgehört zu weinen und hockte sich neben mich. „Das war ganz schön mutig von dir! Hier, nimm das…“ sagte sie und reichte mir ein wunderschönes Taschentuch. Zögernd nahm ich es entgegen. Vorsichtig versuchte ich den Blutschwall der sich aus meiner Nase ergoss zu stillen, den Blick dabei auf den steinigen Boden gerichtet. Als ich aufsah sah ich, dass sie lächelte.
Meine Kindheit war einmalig schön… Wir besaßen nicht viel doch Kirie war alles, was ich brauchte. Sie war immer für mich da.
Ihre Augen waren aus einem himmlischen Blau, die Haut weich wie samt, weiß wie Schnee. Das schwarze Haar lag sanft auf den schmalen Schultern. Ihre Gestalt war geisterhaft, so schön, dass man meinte, einen Engel vor sich zu haben. Die Stimme, so lieblich und dieses zauberhafte Lachen…
Meine Liebe zu ihr war immer da, vom ersten Moment da meine Augen die ihren erblickten doch gestand ich ihr nie meine Gefühle, aus Furcht sie würde sie nicht erwidern. Ich dachte mir, ich hätte Zeit, dachte, wir würden ewig zusammen bleiben. Doch ich irrte mich. Es begann bei einem Brand in einer kühlen Sommernacht, genau acht Jahre nach unserer ersten Begegnung.
Ziellos lief ich durch die finstere Nacht, das tat ich oft. Ich genoss die frische Abendluft, die Stille, wenn das Dorf um mich herum schlief. Es gab nur mich, das leise rauschen der Bäume unter einer erfrischenden Brise des Windes, das leise Geräusch einer Eule, die auf Jagd ging, meine Schritte auf dem steinigen Boden.
Die Nacht begann wie jede andere zuvor doch hatte ich ein seltsames Gefühl, als würde etwas nicht stimmen...
In der Ferne sah ich Rauch aufsteigen. Ich begann zu rennen. Der ganze Himmel war von den Flammen erhellt. Es war Kiries Haus. Es stand in Flammen. Ich sah sie vor meinem inneren Auge, ihr wunderschönes Lachen, ihre blauen Augen und dann... Tod! Ich konnte sehen, wie sie reglos da lag, die Haut verbrannt, das Gesicht von Ruß verschmiert... Soweit durfte ich es nicht kommen lassen!
Blindlings stürzte ich mich in die Flammen, rechnete jede Sekunde mit unerträglichen Schmerzen... doch diese blieben aus. Dessen ungeachtet lief ich weiter, es war keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen.
Im Haus empfang mich nur Zerstörung. Herunter gestürzte Dachbalken, zersplitterte Fenster… Ich rief immer wieder Kiries Namen doch sie antwortete nicht! Gegen die Flammen ankämpfend arbeitete ich mich bis zum hinteren Teil des brennenden Gebäudes vor. Da fand ich sie.
Ihre Haare waren versenkt und die Haut verbrannt. War sie tot? Nein! Das durfte nicht wahr sein! Verzweiflung ergriff mich. Mein Blick wurde von Tränen getrübt, während der Nebel aus Rauch um uns herum dichter wurde und die Flammen immer näher zu rücken begannen.
Mutlos nahm ich Kiries leblosen Körper in die Arme, wiegte ihn hin und her, während die Tränen über mein Gesicht liefen und ich laut zu schluchzen begann. „Meine arme kleine Kirie. Wie kannst du mir nur so etwas antun? Komm zurück! Komm zurück zu mir!“
Ich weiß nicht wie lange ich reglos mit ihr verharrte, aber ich hätte längst tot sein müssen. Die Tränen sammelten sich auf Kiries Nachtgewand, wurden zu einem See und liefen über die verbrannte Haut. Und dann geschah es. Die Wunden begannen vor meinen Augen zu verheilen. Erschrocken wich ich zurück. Plötzlich- ein lautes Krachen! Das Haus begann einzustürzen.
Kiries Augenlider zuckten. Sie lebte! Die Verbrennungen waren verheilt und sie begann wieder zu atmen! Raus hier! Schnell raus! Eilig sprang ich auf, nahm ihren zierlichen Körper auf und suchte nach einem Ausweg.
Überall stürzten Wände ein, die Flammen versperrten jedweden Ausweg.
Als ich das Haus betrat, konnten sie mir nichts anhaben, ich musste es wieder versuchen. Waghalsig rannte ich los. Abermals blieb der Schmerz aus und auch Kirie erlitt keine neuen Verbrennungen.
Im Freien konnte ich endlich wieder frische Luft atmen. Ich schloss die Augen und atmete einmal tief durch.
Als ich sie öffnete, sah ich dass das ganze Dorf da stand und mich anstarrte. Einige unternahmen kläglich scheiternde Versuche, das Feuer zu löschen. Kiries Vater rannte auf mich zu, rühmte mich einen Helden, weil ich das Leben seiner Tochter rettete. Ich war so verwirrt! Jetzt, da wir in Sicherheit waren, stürzten all diese seltsamen Dinge, die geschehen waren auf mich herab, raubten mir die Luft zum Atmen. Mir wurde schwindelig. Vor meinen Augen breitete sich ein schwarzer Nebel aus, nahm mir die Sicht. Das letzte, an das ich mich erinnern kann ist der dumpfe Schmerz in meinem Kopf als er auf den harten Boden schlug.
Ich träumte von einer bezaubernden Frau, einem Engel gleich, mit weisen Augen, die in einem leuchtendem grün erstrahlten. Sie hatte goldenes Haar, das weit über ihre Schultern reichte. Auf dem Kopf trug sie einen Reif aus weißen Blumen, am Leib ein Gewand, weißer als Schnee. Ich wurde von ihren Augen in einen Bann gezogen, drohte in ihnen zu versinken bis diese helle, warme Stimme erklang. Sie rüttelte mich wach. „Hiroshi! Ich bin die Göttin Eleftheria! Die Göttin der Menschen. Zu viel haben sie gesündigt, das Ende ist nah! Doch will ich euch nicht eurem Schicksal überlassen, denn ihr seit nur wehrlose Wesen in einer großen Galaxie. Ihr seit begriffsstutzig, müsstet ihr doch längst gesehen haben, dass ihr eure Welt mit eigenen Händen zerstört. Ihr bringt euch gegenseitig um! Und gleichwohl habe ich Mitleid. Ich kann dir nicht mehr sagen… Es ist keine Zeit mehr… Ich weiß nicht wie lange ich sie noch zurück halten kann! Gehe nach Mariaki, dort wirst du Meister Kimoto treffen… Er wird dir alles erklären… Lauf schnell! Du musst so früh wie möglich aufbrechen! Das Ende naht!“
Ich lag in einem Bett.
Stimmen. Jemand nannte meinen Namen. Meine Mutter, Kirie. Vorsichtig öffnete ich die Augen.
Gleißendes Licht ließ sie mich sofort wieder schließen. Es musste mitten am Tage sein, die Sonne warf ihre hellen Strahlen durch die Fenster. Ich war zu Hause. Neben meinem Bett saß Kirie.
„Hiroshi! Wie geht es dir? Du hast mehrer Tage geschlafen! Du hattest hohes Fieber! Oh Gott, ich hatte solch eine Angst um dich! Und das alles nur wegen mir… Wenn du… wenn du ge… Ich kann es gar nicht aussprechen! Ich hätte mir das nie verziehen!“ Kirie verstummte und viel mir um den Hals. „Au! Nicht so stürmisch Kirie! Mein Kopf!“ Erst jetzt spürte ich den Verband an meinem Kopf. Was war geschehen?
Plötzlich kamen alle Erinnerungen zurück, das Feuer, Kiries Verbrennungen… und dieser merkwürdige Traum! Sanft schob ich Kirie fort und versuchte vorsichtig aufzustehen. „Hiro, bleib liegen, du bist noch nicht kräftig genug!“ Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Ich konnte nicht glauben, dass all das wirklich geschehen war. Ich musste mit jemandem über alles reden… Ich würde Kirie alles erzählen und wenn sie sagt, es war bloß ein Traum, dann würde ich es vergessen, aber wenn sie sagen würde, es hätte etwas zu bedeuten…
„Kirie, ich muss mit dir reden. Aber nicht hier. Irgendwo, wo wir allein sind.“ „Aber Hiroshi, was ist denn los?“ „Nicht hier!“ Meine Stimme klang drängend. „Na schön, hier sind deine Sachen, wir können in den Wald gehen, da stört und niemand. Kirie reichte mir meine Sachen, half mir beim anziehen und aufstehen. Als wir uns gerade auf den Weg machen wollten kam meine Mutter angerannt. „Hiroshi! Du bist wach! Gott sei Dank! Aber wo wollt ihr denn hin?“ „Wir machen nur einen Spaziergang, Mutter. Ich brauche frische Luft.“ „Na schön, aber pass gut auf ihn auf Kirie!“ Kirie antwortete mit einem Nicken und wir liefen in den Wald. Dort ließen wir uns unter einem großen Baum nieder und ich begann zu erzählen, angefangen bei dem seltsamen Gefühl an diesem einen Abend bis hin zu den Verbrennungen und dem seltsamen Traum.
„Hiroshi! Was redest du denn da? Ist das wirklich wahr?“ „Ich weiß es nicht Kirie! Was kann das nur alles bedeuten? Du musst mir helfen, was soll ich bloß tun?“ „Oh mein Hiro! Ich weiß es nicht aber als ich bewusstlos war, hatte auch ich einen Traum… Ich träumte von schrecklicher Zerstörung… Überall brannten Häuser und dort waren schreckliche Ungeheuer… Vielleicht sind unsere beiden Träume von Bedeutung… Wir müssen der Sache auf den Grund gehen… Lass uns nach Mariaki gehen und sehen ob es Meister Kimoto wirklich gibt. Dann haben wir Gewissheit!“ „Nein Kirie. Ich werde gehen, du bleibst hier. Das ist meine Aufgabe. Wenn wirklich geschieht, was du gesehen hast, bist du hier am Besten aufgehoben. Ich möchte dich auf keinen Fall in Gefahr bringen!“
Noch am selben Abend brach ich auf. Meiner Mutter sagte ich nichts, sie hätte mich nicht gehen lassen. Ich hinterließ ihr nur eine kleine Notiz in der ich sagte, dass ich gehen müsse, Gründe nannte ich nicht. Außerdem versprach ich, dass ich zurückkommen würde, dabei dachte ich nicht, dass ich es wirklich tun würde. Nachdem sie schlafen gegangen war nahm ich ein paar Sachen und etwas zu Essen, das ich in das Taschentuch wickelte, das Kirie mir einst schenkte.
Kurz bevor ich unser Dorf verließ hörte ich Schritte hinter mir. Erschrocken fuhr ich herum und sah in Kiries bezaubernde Augen.
„Ich wollte mich von dir verabschieden… und dich bitten vorsichtig zu sein…“ Kiries Augen füllten sich mit Tränen. „Es tut mir leid. Ich will ja gar nicht weinen. Es ist nur… Ich habe so ein Gefühl… als würde etwas Schreckliches auf uns zukommen… als würde ich dich nie wieder seh…“ „Sag so etwas nicht! Kirie! Wir werden uns wieder sehen!“ Spontan schlang ich meine Arme um ihren schönen Körper und drückte meine Lippen auf die ihren. Dann wandte ich mich um und lief ohne mich noch einmal umzusehen davon.
Es war eine kühle Nacht, der Sommer neigte sich gen Ende. Ich zog meinen Umhang enger. Der Himmel war Sternenklar und der Mond war vollkommen. Wenn ich mit dieser Geschwindigkeit weiterliefe würde ich Mariaki am nächsten Abend erreichen. Während der Nacht begegnete ich niemandem. Erst als die Morgendämmerung hereinbrach gelangte ich in ein kleines Dorf, in dem ich eine kurze Rast einlegte und ein kleines Frühstück zu mir nahm. Ungeahnt hörte ich einen lauten Schrei. Er kam von einem Kind. Sofort sprang ich auf und rannte los in die Richtung aus der der Schrei kam und sah…
Zwei kleine Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, die in der frischen Morgenluft kriegen spielten.
Ich machte mich wieder auf den Weg und lief ohne weitere Rast bis ich in ein weiteres Dorf gelangte. Mariaki.
Es war ein sehr großes Dorf, um nicht zu sagen eine kleine Stadt, und ich hatte nicht den blassesten Schimmer wie ich Meister Kimoto jemals finden sollte bis ein alter Mann mich fragte, ob er mir helfen könne. „Ja“, sagte ich. „Ich suche Meister Kimoto“, wenn es ihn überhaupt gibt, fügte ich in Gedanken hinzu. Er sah mich mit entsetzten Augen an, begann zu zittern und wollte schnell davon eilen doch ich kam ihm zu vor, packte ihn am Arm und durchbohrte ihn mit meinem Blick. Ich konnte seine Furcht förmlich riechen. „Sag mir was du weißt! Warum fürchtest du dich?“ Der Zorn in meiner Stimme war nur vorgetäuscht doch er erzielte die von mir gewünschte Wirkung. Mit stockender Stimme begann er zu reden: „Es… es gibt Gerüchte… Kimoto… S-s-s-seit Jahren lebt er verborgen in unserem Dorf. N-niemand kennt ihn, n-niemand hat ihn je aus der Nähe gesehen. Vor nun mehr als vierzehn Jahren kam er her, er muss in ihrem Alter gewesen sein... Er sprach mit niemandem, tat es bis heute nicht.
Er ist ein merkwürdiger Mann, Kimoto, lebt in einem verborgenen Haus am Rande unseres Dorfes im Wald.
Man sagt, er stünde mit dem Teufel im Bunde… Ich warne dich davor, ihn aufzusuchen!“ Seine Worte erschreckten mich, aber ich wollte mich nicht von meiner Furcht leiten lassen. „Ich habe keine andere Wahl“ erwiderte ich mit fester Stimme. „Mir bleibt keine andere Möglichkeit, also führe mich zu ihm!“ Ich verstärkte meinen Griff, um meinem Befehl Nachdruck zu verleihen. Er zögerte, doch als er meinen entschlossenen Blick sah, willigte er ein und führte mich hinaus aus dem Dorf in den Wald.
Wir folgten einem verwachsenen Pfad. Das Gestrüpp peitschte mir hart ins Gesicht und zerkratzte mir Arme und Beine. Ein kleines Blutrinnsal lief an meiner Wange hinab.
„Von hier an müssen sie alleine weiterlaufen, ich werde kein Stück weitergehen!“, sagte der Alte. Er erklärte mir noch den Rest des Weges und ich setzte den Marsch alleine fort.
Es dauerte nicht lange, da kam ich an eine Lichtung. Ich setzte mich nieder um eine kurze Rast einzulegen doch plötzlich sah ich durch das Geäst etwas schimmern...
Ich trat näher und erblickte ein gebieterisches Haus.
„Ich habe dich schon erwartet!“, erklang plötzlich eine bedrohliche Stimme und ließ mich zusammen zucken.
Erschrocken fuhr ich herum und blickte in die Tiefen klarer, blauer Augen.
Es waren die Augen Kimotos. Er saß auf der Veranda des Hauses und schien mich mit seinen Blicken zu durchbohren.
„Setz dich zu mir. Wir haben eine Menge zu bereden.“ Zögernd trat ich näher. „Du brauchst dich nicht zu fürchten! Ich bin auf deiner Seite. Nun komm schon und trink etwas Tee mit mir!“ Seine Stimme hatte nichts Bedrohliches mehr und seine beschwichtigenden Worte gaben mir den Mut, näher zu treten.
„Ich bin Meister Kimoto. Eleftheria hat dich zu mir geschickt. Nun möchte ich dir erst einmal erklären, wer sie ist, wer ich bin und wer du bist. Eleftheria ist eine von vielen Göttern. Sie ist die Göttin der Menschen. Sie ist für ihr Wohlergehen verantwortlich. Doch sie ist nicht stark genug gegen diese Ungeheuer… Es sind schreckliche Wesen, die die Dörfer zerstören und die Menschen töten. Sie kommen direkt aus den Tiefen der Hölle. Noch kann Eleftheria sie zurückhalten, doch sowie diese Ausgeburten des Teufels in die Erdatmosphäre eindringen, kann sie euch nicht mehr helfen. Sie nahm vor vierzehn Jahren erstmals Kontakt mit mir auf. Schon damals wusste sie, was uns bevor steht. Es gibt Menschen, die besondere Gaben besitzen. Jedoch nur noch sehr wenige. Ich sollte sie ausfindig machen, damit sie kämpfen können, sobald es soweit ist. Doch bist du der einzige, den ich noch finden konnte. Seit vierzehn Jahren verfolge ich dein Leben, erst jetzt bist du alt genug, um all das zu erfahren. Du besitzt die Fähigkeit, Wunden zu heilen, Gefahren zu ahnen und abzuwehren. All jene Kräfte hast du bereits einmal angewandt. An dem Tag als du deiner Freundin das Leben gerettet hast. Eleftheria hat dich zu mir geschickt, damit ich dir all das erkläre und dich lehre, deine Fähigkeiten bewusst einzusetzen. Außerdem soll ich dich im Schwertkampf unterrichten.“
Was Kimoto da alles gesagt hatte erschien mir so… so unwirklich! Sollte ich ihm glauben? Ja. Schließlich blieb mir gar nichts anderes übrig. Wie sonst hätte er von dem Brand wissen sollen? Wie sonst, von Eleftheria. Da ich keine Ahnung hatte, was ich sagen sollte nickte ich nur zum Zeichen, dass ich ihn verstanden hatte. Ich war sehr müde. Das lag wohl nicht nur daran, dass ich fast zwei Tage nicht geschlafen hatte sondern auch daran, dass all diese erschreckenden Informationen, dass ich gegen diese Wesen, was auch immer sie auch sein mochten, kämpfen sollte, einfach zu viel für mich waren.
„Nun, Hiroshi, ich sehe, dass du müde bist. Ich zeige dir wo du schlafen kannst. Morgen wird dein Training beginnen.“
Sowie ich mich niederlegte schlief ich auch schon ein.
Als ich erwachte stand die Sonne schon hoch am Himmel. Ich konnte spüren, dass mich jemand anstarrte. Erschrocken wand ich den Kopf zur Seite und erblickte Meister Kimoto. Schweigend saß er in einer Ecke und sah auf mich herab.
„Es ist schon spät Hiroshi. Ich ließ dich schlafen, weil du eine lange Reise hinter dir hast aber denke nicht, dass das nun jeden Tag so laufen wird! Nun frühstücke erst einmal und dann wird dein Unterricht beginnen.“ Meister Kimoto reichte mir ein Paar gemütliche Sachen zum anziehen und einen Brei, den ich tatsächlich essen sollte, bei dessen bloßen Anblick mir jedoch schon übel wurde.
Wir begannen mit einfachen Übungen und Krafttraining. Ich musste Eimer mit Wasser schleppen und er sah amüsiert zu, wie ich mich quälte. Mir blieb kaum Zeit, an Kirie oder meine Mutter zu denken und sogar den Grund, warum ich mich so abquälen musste, hatte ich bereits vergessen. Am Abend war ich so hungrig, dass selbst der Brei schmeckte und gleich danach fiel ich in einen tiefen Schlaf, selbst zum Träumen hatte ich keine Kraft mehr.
So ging das eine ganze Weile. Ein Schwert bekam ich nicht einmal zu Gesicht und auch meine Fähigkeiten erwähnte Kimoto mit keiner Silbe. Irgendwann riss mir der Geduldsfaden.
„Kimoto“ platzte es wütend aus mir heraus „wann lehren sie mich endlich den Umgang mit meinen Fähigkeiten und dem Schwert?“
„Nun, ich denke es ist tatsächlich an der Zeit, mit dem eigentlichen Training zu beginnen.“ Seine Stimme hatte einen sachlichen Ton angenommen und sein Gesicht verzog sich zu einem verschmitzten Lächeln.
Von diesem Tag an, wurde das Training noch härter. Ich lernte mit dem Schwert umzugehen und mich vollkommen auf meinen Köper zu konzentrieren. So hieb er mit einem Stock auf mich ein, und ich sollte mich gegen die Schläge verbarrikadieren. Doch misslangen diese Versuche kläglich und am Abend legte ich mich mit schmerzenden Gliedern nieder. Nur der Schwertkampf fand bei mir seinen Gefallen. Die verschiedenen Techniken und Schritte zu erlernen bereiteten mir eine Menge Vergnügen. Auch gefiel es mir, dass Meister Kimoto mich ständig lobte. Doch auf dieses Vergnügen folgten die Schläge und der Schmerz.
Eines Tages erfüllten mich die Schmerzen, die zu nichts und wieder nichts führten mit regelrechter Wut. Bis ich beinahe zu zerplatzen drohte doch plötzlich schien etwas mit mir zu geschehen… Ich konnte die Schläge nicht mehr spüren, darüber hinaus zerbrach der Stab, als er wieder einmal auf meine Haut traf. Ich hatte es endlich geschafft! Später erklärte Kimoto mir, dass das daher rührt, dass ich starke Emotionen empfand. Dieses Mal war es die Wut und damals die Angst um Kirie. Er gab mir den Rat, wenn es soweit wäre an jemanden zu denken den ich besonders liebte oder auch hasste. Nun hatten wir die erste Bürde überstanden. Nun musste ich lernen, meine Gabe des Heilens anzuwenden. Beim letzten Mal verheilten Kiries Verbrennungen als die Tränen sie trafen. Kimoto erklärte mir, dass es auch noch eine andere Möglichkeit gab. Wenn ich über eine Verletzung strich, dann musste ich die Augen schließen und an etwas so wundervolles denken, dass mein ganzer Körper von Glücksgefühlen durchströmt würde. „Aber wieso sind dann Kiries Wunden verheilt? In dieser Nacht verspürte ich alles andere als Glück!“ „Das, Hiroshi, hatte mit etwas ganz anderem zu tun. Das war kein Zauber, der durch irgendwelche Gaben ausgelöst werden kann, das war der Zauber der Liebe. Deine Liebe zu Kirie, auch wenn du sie noch nie ausgesprochen hast, war in dem Augenblick so groß und die Trauer so schmerzhaft… Ich weiß nicht, was es mit diesem besonderen Zauber auf sich hat, doch ich weiß, dass es der stärkste von allen ist. Nun, versuch es. Ich habe mich heute Morgen geschnitten. Versuche, meine Verletzung zu heilen!“ Einen Moment saß ich noch reglos da, dachte über das, was ich gerade gehört hatte nach, dachte an den Schmerz, als ich Kiries leblosen Körper in meinen Armen hielt und die Liebe, die ich für sie empfand. Erst als Kimoto meinen Namen wiederholte, erwachte ich aus meinem tranceähnlichen Zustand und versuchte mich auf seine Verletzung zu konzentrieren. Aber es funktionierte natürlich nicht. Ich war einfach zu aufgewühlt. Er schickte mich früher als sonst zu Bett und ich lag noch lange Zeit wach. Ich dachte zum ersten Mal wieder an meine Kirie. Wie sehr ich sie doch vermisste und wunderte mich, wie ich sie nur so lange hatte vergessen können. Ich war schon über ein halbes Jahr bei Kimoto.
Die Zeit verstrich. Jeden Morgen stand ich mit der Sonne auf und begann mit dem Training. Ich wurde immer besser mit dem Schwert und schaffte es sogar ein paar Mal Meister Kimoto zu entwaffnen. Außerdem schaffte er es immer seltener mir Verletzungen zuzufügen, weil ich langsam lernte mich gegen jeden Hieb zu verbarrikadieren und wenn er mich dann doch einmal verletzte, so war ich dazu in der Lage, die Wunden zu heilen. Dabei dachte ich immer an meine wunderschöne Kirie. Sie fehlte mir so sehr.
Mir war bewusst, dass meine Zeit bei Kimoto langsam zu Ende ging. Er hatte mir alles beigebracht, was ich zu lernen hatte.
Eines Abends wollte er mich sprechen. Ich war mir sicher, bereits zu wissen, was er mir sagen würde aber ich wollte ihn nicht verlassen! Er würde mir fehlen… außerdem fürchtete ich mich vor dem, was mir bevorstand.
„Es ist an der Zeit für dich, mich zu verlassen, mein lieber Hiroshi. Ich habe dir alles beigebracht, wozu ich in der Lage bin. Nun ist die Zeit für dich gekommen, dein Können anzuwenden. Morgen wirst du aufbrechen. Drum geh jetzt und schlaf. Du musst ausgeschlafen sein.“
Als Kimoto mich weckte befand sich die Sonne noch hinter dem Horizont. Er gab mir ein Schwert, mit einer Klinge, die Gestein spalten konnte sowie ein Pferd und etwas zum essen. Der Abschied hielt sich kurz. Kimoto klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Hiroshi, ich weiß, dass du es schaffen wirst. Du bist unsere letzte Hoffnung, pass auf dich auf. Reite immer in Richtung Süden. Dort wirst du auf unsere Feinde treffen.“ Er gab meinem Pferd einen Klaps, das sofort mit mir davon trabte. Er sagte noch etwas, doch der Wind trug seine Worte fort, bevor sie meine Ohren erreichten. Nie sollte ich die Chance bekommen, ihn zu fragen, was er an jenem morgen sagte.
Ich kam mit meinem Pferd schnell voran, aber dennoch vergingen Tage, ohne dass ich auch nur einer Menschenseele begegnete. Nachts schlief ich im Wald. Doch schlafen wäre vielleicht übertrieben ausgedrückt. Meist lag ich stundenlang wach, ruhte nur für kurze Zeiten der Dämmerung, wenn die ersten Sonnenstrahlen durch das dichte Geäst der Bäume fielen. Dann lag ich da, in der absoluten Finsternis und fühlte mich einsamer als jemals zuvor in meinem Leben. Während ich das Taschentuch von Kirie in den Händen hielt und liebevoll über dem samtenen Stoff strich füllten sich meine Augen mit Tränen, die über meine Wangen liefen bis sie sich in meinen dichten schwarzen Haaren verloren. Ich erinnerte mich an meine Kindheit, an den Tag der ersten Begegnung mit Kirie, an all die schönen Dinge, die wir zusammen erlebt hatten. Dann dachte ich an den Moment, da ich Kiries leblosen Körper erblickte und mein Körper begann zu zittern. Die Sehnsucht zu ihr war so groß, dass ich dachte, sterben zu müssen, vor Kummer. Viel zu lange waren wir schon von einander getrennt. Der Kuss, es war atemberaubend. Es fühlte sich richtig an, sie zu küssen.
Am sechsten Tag meiner Reise hatte das ständige Warten ein Ende. Ich erreichte ein Dorf, in dem mich Tod und Verderben erwarteten. Zerstörte Häuser, Leichen von Frauen und Kindern. Überall war Blut. Ich war zutiefst erschrocken.
Die Hand um den Griff meines Schwertes gelegt lief ich vorsichtig durch die verlassenen Straßen. Aus irgendeinem Grund kam mir das Dorf so bekannt vor…
Es war mein Heimatdorf! Diese Erkenntnis traf mich wie ein Messerstich direkt durchs Herz. Während meiner Abwesenheit hatte sich so viel verändert… Alle meine Freunde, meine Mutter, Kirie! Waren sie alle tot?
Ich rannte los, zu dem Haus, indem ich 16 Jahre gelebt hatte. Doch es war nicht mehr da. Dort, wo es einst gestanden hatte, fand ich nur einen riesigen Haufen Schutt. Doch ich konnte ein Geräusch hören, ein leises, schmerzlich klingendes Stöhnen! Ich lief darauf zu und fand meine Mutter.
Ihr nahezu ganzer Körper war vergraben. Tränen des Schmerzes rannen aus ihren Augen und ich konnte sehen, wie das Leben aus ihnen schwand. „Mutter!“, schrie ich. „Hiro… Ich habe gewusst, dass du dein Versprechen einhalten würdest. Komm näher… Ich möchte noch ein letzte mal deine Hand fühlen!“ „Nein! Rede nicht so! Ich kann dir helfen! Du wirst nicht sterben!“„Ach, Hiro. Du bist ein guter Junge“ sie sprach mit einer brüchigen, sehr leisen Stimme. „Mein Leben neigt sich dem Ende. Aber das ist unwichtig. Mein einziger Wunsch war, dich noch einmal zu sehen. Dir in deine wunderschönen grünen Augen zu blicken. Du siehst genauso aus, wie dein Vater. Bald werde ich bei ihm sein. Doch vorher muss ich dir noch etwas sagen…“ ihre Stimme wurde immer schwächer. Die Augen wurden glasig. Ich streckte meine Hand aus, wollte sie festhalten. Sie schloss die Augen. Ich wusste, es war vorbei. Doch noch ein letztes Mal öffnete sie sich, sie umklammerte meine Hand und sagte: „Sie haben Kirie!“ Dann schloss sie die Augen, dieses Mal für immer.
Ich stieß vor Schmerz einen lauten Schrei aus, der noch Meilen weit entfernt zu hören gewesen sein musste: „Nein! Warum? Warum ich? Ich schaff das nicht! Ich schaffe es einfach nicht!“ Doch dann spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Erschrocken fuhr ich herum und blickte in die schönsten, tief bauen Augen, die ich jemals gesehen habe. Es war Kirie. Ich war sprachlos. „Doch Hiro. Du wirst es schaffen. Ich brauche dich! Ich liebe dich. Habe dich immer geliebt. Lass mich bitte nicht im Stich, bitte.“ Doch sie verschwand sofort wieder. Es war nur meine Einbildung aber die Worte, die dieses Trugbild sprach, gaben mir Kraft. Ich konnte Kirie nicht einfach im Stich lassen! Auch die Mörder meiner Mutter und aller Dorfbewohner durften nicht ungestraft davon kommen. Ich durchkämmte das Dorf auf der Suche nach Überlebenden, doch alle wurden vom Tod heimgesucht. Also machte ich mich auf den Weg. Weit konnten sie noch nicht gekommen sein!
Schon am nächsten Tag fand ich sie.
Es waren etwa fünf - wie sollte man diese Ungeheuer anders nennen? - Wesen. Ich hätte mit Mehreren gerechnet. Sie hatten große, schwarze Flügel, die aussahen, als beständen sie aus Leder und ihre Gesichter sahen aus, wie das pure Böse! Ich wagte es nicht, ihnen direkt in die Augen zu schauen. Es würde nicht einfach sein, sie zu besiegen, das wusste ich, doch es war sicher nicht unmöglich. Sie rechneten nicht mit einem Angriff und auch nicht mit meinen Talenten. Ich hob das Schwert, stieß einen Angriffsschrei aus und stürzte aus dem Gebüsch. Die ersten beiden enthauptete ich mit einem einzigen Hieb doch die anderen hatten genügend Zeit, die Gefahr zu erkennen.
Ich stürzte mich auf zwei gleichzeitig, die sich ziemlich sicher fühlten und mich offenbar unterschätzten. Auch sie setzte ich mit einigen gekonnten Hieben außer Gefecht. Sie zeigten nur wenig Widerstand. Der fünfte jedoch war nicht so einfach zu erledigen. Er lies sich nicht von meiner kleinen, schwach aussehenden Gestalt beirren. Er hob seinen rechten Arm, mit Krallen, die einem Schwert glichen. Aber ich empfand keine Furcht. Dieses Wesen würde mich nicht verletzen. Setze deine Fähigkeiten ein… Es ist nur eine Frage der Konzentration! Die Stimme von Kimoto hallte in meinem Kopf wieder. Ich versuchte mich auf meinen Körper zu konzentrieren und es klappte! Als es nach mir schlug, prallten die Klauen auf meine Haut, die härter zu sein schien, als Beton und zerbarst! Das Ungeheuer war so erschrocken, dass ich mein Schwert in seine Brust stoßen konnte. Ich riss es zur Seite und spaltete seinen Körper.
Erschöpft sank ich nieder. Ich hatte es geschafft! Aber irgendwie war es zu einfach. Außerdem, wo war Kirie? Hatte Mutter nicht gesagt, dass sie sie mitgenommen hatten? Ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Plötzlich: Eine Stimme! Sie kam mir so vertraut vor. Aber etwas war anders... Als ich den Kopf hob, stand vor mir eine Frau in einem schwarzen Gewand. Es war die Göttin Eleftheria! Aber als ich sie ansah, war alle Wärme aus den Augen gewichen und mir wurde plötzlich bewusst, was an ihrer Stimme anders war: Sie klang böse! Ich senkte sofort den Blick, ich fürchtete, dass wenn ich ihr zu lange in ihre Augen sähe, der Hass, dieses pure Böse, auf mich überginge.
„Ich wusste doch, dass du es bist Hiroshi! Suchst du deine kleine Freundin?“ Ich konnte es nicht glauben! Hinter ihrem Rücken zog sie eine kleine, verängstigte Gestalt hervor. Mit Entsetzen stellte ich fest, dass es Kirie war. Aber ich dachte, Eleftheria wäre auf meiner Seite! „Was hast du vor! Was willst du von Kirie? Bitte, lass sie laufen! Warum bist du plötzlich so böse?“ „Ach, Hiro! Du bist einfach zu gut gläubig! Genauso ein Narr wie Kimoto. Aber er wird mir nicht mehr in die Quere kommen…“ Oh nein! Er durfte nicht Tod sein! „Wenn wir uns zusammen tun dann… dann können wir alles erreichen! Ob du willst oder nicht! Entweder du schließt dich mir an oder deine kleine Freundin wird meinen Zorn zu spüren kriegen!“ Sie machte eine drohende Geste in Kiries Richtung. Das würde ich niemals zu lassen! Sie warf mir immer wieder ängstliche Blicke zu. Die ganze Zeit wimmerte sie vor sich hin, versuchte zu schreien, doch sie war gefesselt und geknebelt. „Ich werde alles tun, wenn du ihr dafür die Freiheit und das Leben schenkst!“ „Na schön! Ich werde sie frei lassen, vorausgesetzt, du wirst alles tun, was ich von dir verlange!“ „Das werde ich! Aber bitte, lass sie gehen!“ „Schwöre es! Schwöre mir, das du alles tust!“ „Ich schwöre es!“
Auf ihrem Gesicht machte sich ein verrücktes Lächeln breit. Ihre äußere Erscheinung, deren Schönheit mich einst so verzauberte, begann sich vor meinen Augen zu verändern… Das seidenglatte Haar begann auszufallen, die Haut wurde schrumpelig und ihre Hände wurden zu Furcht einflößenden Klauen. Und plötzlich begann sie - es? - zu lachen, kein freudiges Lachen, ein bösartiges Lachen, das die ganze Umgebung erzittern lies.
Als sie sich beruhigte, begann sie zu sprechen, mit einer dunklen, kratzigen Stimme: „Mein erster Befehl an dich lautet: Gib mir dein Schwert!“ Ich tat, was sie mir befahl. Was hätte ich auch anderes tun können? Sie tötete meine Mutter und Kimoto, den Mann, den ich wie einen Vater zu lieben begonnen hatte. Nun musste ich verhindern dass sie mir auch noch Kirie nahm.
Als ich ihr mein Schwert übergab, stieß sie Kirie von sich, packte mich am Arm und stieß mit ihren beängstigenden, lederartigen Flügeln in die Luft.
Sie brachte mich in eine verborgene Höhle in den Bergen. Endlich konnte ich ihr Fragen stellen: „Warum hast du mich zu Kimoto geschickt und warum hast du zugelassen, dass ich deine Wächter oder wie man diese Wesen nennen soll, alle erledige?“ „Nun benutze doch mal deinen Kopf! Kimoto hat mir eine Menge Arbeit erspart! Was hätte es doch für Zeit beansprucht, wenn ich dich persönlich trainiert hätte? Und meine Wächter, wie du es so schön ausgedrückt hast, waren doch sowieso nichts Wert, wenn man jemanden wie dich haben kann! Sieh es endlich ein, Hiroshi! Das alles war von Anfang an geplant!“ „Aber was willst du von mir? Was hast du denn nur vor? Warum tötest du all die Menschen?“ „Ich möchte, dass die ganze Welt mir zu Füßen liegt, darum bin ich gekommen, deshalb töte ich und du bist meine Versicherung. Nicht, dass ich dich brauche aber mit dir kann gar nichts mehr schief gehen. Ich werde mir ein Königreich bauen… und nie wieder in dieses dreckige Loch gehen, in das man mich einst verda… Warum erzähl ich dir das überhaupt?!“ Ihre Stimme nahm erst einen verträumten Ton an doch sicherlich fürchtete sie, mir zu viel zu erzählen. Aber das kümmerte mich nicht im Geringsten. Ich hatte mir sowieso schon ein Bild gemacht. Sie war der Teufel! Mit ihrer Habgier, Gewissenlosigkeit…
Während der nächsten Tage geschah gar nichts. Sie gab mir zu essen, zu trinken, jedoch keine Chance zu fliehen. Ständig verschwand sie, ich konnte nicht einmal erahnen, wohin. Fragte ich nach Kirie, so bekam ich keine Antwort. Ich studierte ihr Verhalten. Versuchte einzuschätzen, wie stark sie war, wo ihre Schwächen lagen… Ich fragte mich, ob ich sie besiegen könnte. Eleftheria hatte das Schwert vor mir versteckt aber ich wusste längst, wo es sich befand. Es lag draußen zwischen den Felsen versteckt.
Eines Tages, als sie wieder einmal verschwand, begann ich meine Fesseln an einem der zahllosen Felsen zu zerschneiden. Ich schaffte es tatsächlich! Das Glück schien auf meiner Seite zu stehen. Ich verließ die Höhle, holte das Schwert und ging zurück an den Platz, wo sie mich zurückgelassen hatte, gefesselt und geknebelt. Ich nahm den Knebel wieder in meinen Mund und legte mich so hin, dass das Schwert und die gelösten Fesseln nicht zu sehen waren. Als sie dann wenig später zurückkam, kniete sie sich, wie schon so oft nieder, um den Knebel zu entfernen. Sie hatte zwar kein Herz, aber ich wusste, dass sie trotzdem einsam war. Auch sie war mal ein Mensch, da war ich mir sicher, ich konnte es in ihren Augen sehen. Hinter der Boshaftigkeit befand sich etwas… Gutes! Doch ich wusste, mir blieb keine Wahl!
Als sie sich, nichts von meinen Plänen ahnend, zu mir hinunter beugte, riss ich das Schwert in die Höhe, Und stieß es ihr ins Herz, oder dahin, wo sich das Herz hätte befinden müssen. Sie stieß ein raues Keuchen aus, sackte in die Knie, ihre Augen verloren an Boshaftigkeit und die dunklen Wolken am Himmel verzogen sich. Die Flügel verschwanden, die Haut wurde weiß und schön, und ich hatte wieder die junge Frau vor mir, die mir einst im Traum erschienen war. Ich zog mein Schwert aus ihrer Brust, setzte mich neben sie und strich mit geschlossenen Augen über die Schnittwunde. Wundervolle Dinge spielten sich in meinem Kopf ab, alles Schöne, was ich in meinem Leben erlebt hatte. Die Momente mit Kirie, die Zeit, bei meiner Mutter und natürlich der Kuss… Dann fiel ich in einen tiefen Schlaf.
Ich träumte von Eleftheria, aber nicht von der bösen Version, sondern von der guten, liebenswürdigen. Sie sprach wieder zu mir, mit dieser sanften, reinen Stimme: „Hiroshi! Es tut mir leid! Du hast wahren Mut bewiesen! Du hast mich befreit. Mit deiner Liebe zu Kirie die so stark war, dass selbst der Teufel dir nicht den Glauben an das Gute nehmen konnte hast du mich befreit. Du darfst mich nicht hassen… Dieses Ungeheuer, war nicht ich! Vor einem Jahr, nachdem ich bei dir war, wurde ich… entführt!
Man hat mich missbraucht… der Teufel hat mich missbraucht, um an dich heranzukommen. Aber du warst stark! Du hasst den Teufel zurück geschickt, du hast ihn nicht besiegt, denn es muss einen Teufel geben, er wird immer da sein, denn, kann das Gute ohne das Böse bestehen? Nein, das geht nicht. Du hast den Teufel zurück gejagt, zurück an den finstersten Ort, du hast ihn für eine Weile von der Erde verbannt und das Leben der Menschen, mein Leben, gerettet. Ich danke dir. Doch eine Menge Menschen starben, Dörfer sind zerstört und Kinder ohne Familie. Ich möchte dich um einen letzten Gefallen bitten, ich bitte dich, gemeinsam mit Kirie das Land wieder aufzubauen, wo es zerstört ist. Kümmert euch um die Menschen, die Hilfe brauchen, ich weiß, dass ihr beide es schaffen werdet. Ich kann euch nicht mehr helfen, meine Zeit geht nun zu Ende. Mach dir keine Sorgen mehr, es geht Kirie gut. Ich werde dich zu ihr führen, dass ist das einzige, was ich noch für dich tun kann.“ „Ich danke dir. Ich verspreche, mein bestes zu tun, wenn Kirie bei mir ist, werde ich alles schaffen.“
Eleftheria nahm meine Hand und es fühlte sich so an, als würde ich von allem Bösen rein gewaschen. Ich schloss meine Augen, und als ich sie öffnete, war ich allein, allein mit kirie in den Trümmern unseres Dorfes. Wir sahen uns in die Augen, nur für kurze Zeit, die mir vorkam wie die Ewigkeit. Dann schritt ich auf sie zu, packte sie behutsam an den Schultern und küsste sie. Dann senkte ich den Blick zum steinigen Boden. Was dachte ich mir bloß? Doch als ich den Blick hob, sah ich, dass sie lächelte und wusste, wir würden alles schaffen, denn wir liebten uns.