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Hochzeit

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29.10.2007
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Hochzeit

Er ist froh, dass die Braut wenigstens fett ist. Als sie mit dem Vater den Gang zum Altar entlang trampelt, wirkt sie jedenfalls ausgesprochen fettleibig. Das Kleid quetscht die Brüste bis zum Kinn, die speckigen Schultern ragen wie eklige Schwimmflügel aus diesem Rüschentraum. Er sieht zu seiner Freundin, grinst boshaft, doch sie schaut an ihm vorbei, besieht sich die Braut.
„Na?“
„Was?“
„Sie ist fett!“

Man sitzt nun schon fünf Minuten in der Kirche, langweilt sich. Wochenlang hat man ja mit Furcht diesen einen Tag erwartet, hat mit Blick auf den Kalender die Stirn gefurcht oder die Nase gerümpft, hat gesagt: „Verdammt, warum musste ich diesen verschissenen Christen kennen lernen! Warum nur? Warum ich? Ausgerechnet den Christen, den verschissensten aller denkbar verschissenen Menschen! Diese Fotze! Und warum muss mich diese gottverdammte Fotze nun zu seiner schleimfotzigen Hochzeit einladen? Weiß er denn nicht, dass ich ihn hasse?“ – Hat also geflucht, getobt, indes die Freundin zuhörte; beschimpfte aber im Grunde sich selbst.

Er hatte ihn ja angeblickt an der Bushaltestelle. Sonst niemand. Er war es gewesen. Dabei hatte er sich zuvor monatelang, jahrelang!, vor einem Blickkontakt gedrückt, war diesen grauen Augen stetig ausgewichen, scheinbar in ein Buch vertieft, anscheinend in Gedanken. Doch stets ängstlich den kleinen Mann mit den grauen Augen, den Segelohren, dem rasierten Kopf aus den Augenwinkeln beobachtend. Im Sommer trug das kleine Männlein bunte Shorts und Sandalen, wirkte wie ein Kleinkind. Im Winter nun balancierte es eine viel zu große Pudelmütze durch die Seminare, die Mensa, die Vorlesungen, den Bus, bis hin zur Bushaltestelle. Ganzjährig wiederum blätterte ihm die ausgetrocknete Haut von Stirn und Wangen. Einmal hatte er sich mit dem kleinen Finger der rechten Hand Schmalz aus den Ohren gepult, die trockenen Körner auf die Straße vor der Bushaltestelle schnippend. Stets stand er da und suchte den Blickkontakt, stets den Mund schon halb geöffnet, kleine Rattenzähnchen zeigend, bereit, ein Freund fürs Leben zu werden. – Und dann, eines Morgens, war es eben geschehen. Er hatte hingesehen, direkt in diese grauen, milchigen und langweiligen Augen – und hatte damit eine Maschinerie in Gang gesetzt, die nun, hier in der Kirche, den vorläufigen Höhepunkt findet.

„Sie ist fett“, beharrt er. – Doch seine Freundin schweigt, scheinbar hochkonzentriert die nun ablaufende Zeremonie verfolgend, die man ja kennt und er daher nicht weiter beachtet. Allein die Freude, die Braut des Christen so dermaßen hässlich und fett daherkommen zu sehen, beherrscht ihn jetzt, erfüllt ihn mit der süßen Gewissheit: Das hat dieser Christ aber auch verdient!

Der Christ. Ein unmöglicher Mensch. So gottverdammt glücklich, so furchtbar tolerant, zufrieden, freundlich, vernünftig. Und dann auch noch gläubig, tiefreligiös. Was ja eigentlich eine Entgleisung ist, denn Gläubige sind stets Trottel, die man sehr einfach verarschen und also in sich besiegen kann. Doch der Christ schafft das Unmögliche, macht aus seinem Glauben eine wunderschöne, reflektierte und insgesamt angenehme Angelegenheit – verarschungsresistente Emotionen, zum Kotzen!

„Ich glaube an Gott“, vermerkte der Christ ja irgendwann, ruhig und gelassen. – „Ach“, erwiderte wiederum er, noch überheblich. Und: „Gott ist aber schon ein seltsamer Gedanke, oder? Ich könnte nicht an Gott glauben ...“ – Worauf der Christ achselzuckend das Thema wechselte und ihn damit sicherlich demütigte.

Er bläht die Wangen und die Braut haucht in diesem Augenblick die Bejahung. Der Christ weint, die Mutter des Christen weint, alle weinen. Er weint nicht, er möchte fort. Immerhin hat er schon immer Hochzeiten gehasst (diese naive Freude!), doch diese hier scheint sein persönliches Fiasko zu werden. Er und seine Freundin kennen ja niemanden, denn er ist der Studienfreund des Christen, mehr nicht. Warum hat man ihn eingeladen? Und warum hat er zugesagt?

Der Pfarrer redet irgendwas, erzählt dann von Flügeln, die stets paarweise auftreten, denn: Ein Flügel allein könne nicht fliegen. – „Sehr schön“, ätzt er zu seiner Freundin hin, sucht die Zigaretten, denn der Griff um das Päckchen wird ihn beruhigen. Doch es hilft nicht und er steht mit allen auf, öffnet den Mund zu einem dieser Lieder, sitzt wieder, sich fragend, aus welchem Grund er überhaupt noch den Singenden gebe, schiebt dies aber auf seine Erziehung und denkt an die Messen seiner katholischen Kindheit.

Dann endet es und das Brautpaar, weinend, verlässt die Kirche. Sie alle hinterher.
„Warte noch“, warnt ihn seine Freundin, „zuerst die Eltern.“
„Ich weiß, keine Sorge“, lügt er und tritt in die Bank zurück. Und sieht den Eltern beim Gehen zu: Die Augen strahlen, die Wangen glänzen, die Rücken kerzengerade – eine schöne Hochzeit.

„Sie ist fett“, sagt er und zündet draußen erst einmal eine Zigarette an. Sie möchte auch und so rauchen sie abseits unter einem Baum. Die Sonne scheint, natürlich. Die Kirche ist ein Traum, auch das hat er vorher gewusst. – Vor dem Portal werden Küsse verteilt, Hände geschüttelt.
„Eigentlich“, meint sie, „müssten wir jetzt auch gratulieren ...“
„Ja, aber ich warte noch ...“

Am Ende haben sie zu lange gewartet und der Christ kommt mit seiner Frau zu ihnen unter den Baum.
„Michael!“
„Andreas! Glückwunsch!“
„Danke.“
„Anja! Zum ersten Mal sieht man sich!“
„Ja, schön dich endlich einmal kennen zu lernen, Michael.“
„Das ist Nicole.“
„Glückwunsch.“
Und so weiter. Er raucht derweil, verbirgt die Zigarette aber hinterm Rücken, schiebt seine Freundin vor. Man redet, dann wird es aber Zeit, es geht zur eigentlichen Feier.

„Ich kotze gleich!“, ruft er, als sie endlich im Wagen sitzen. – „Ja, die Hochzeit war kitschig.“ – „Und die Braut ist fett, findest du nicht?“ – „Na ja, sie ist dick ...und das Kleid war unvorteilhaft.“ – „Fett ist sie“, stellt er ein für alle Mal fest, denn diese Tatsache ist ihm wichtig, wobei ihm selbst nicht so ganz ersichtlich ist, weshalb. Doch es freut ihn, also das Fett, denn wäre die Braut nun auch noch schön gewesen, dann hätte er in der Kirche zwischen seine Füße gekotzt – oder gleich in den Klingelbeutel.

Ihr Wagen befindet sich ganz am Ende der Kolonne. Man hupt, winkt, eine Frau im dritten Wagen öffnet das Schiebedach, drückt sich heraus, steht nun aufrecht im Wagen, breitet die Arme aus. „Wie ein verkoteter Engel“, stellt er fest und seine Freundin muss lachen: „Ja, schlimm.“ – „Sehr schlimm. Das hier sind alle Verrückte. Alle“, erklärt er düster, macht die Musik lauter, schaut aus dem Fenster.

Sie kommen an. Eine Art Turnhalle, das Gemeindezentrum des kleinen Ortes, wie der Christ ihm sagt.
„Sieht aus wie eine Turnhalle.“
„Ja, hier machen die Junggruppen auch manchmal Sport. Ich gehe mal rein, ihr kommt gleich? Es gibt Kaffee, danach wird gespielt.“
„Okay“, sagt er, dann, als der Christ verschwunden ist: „Gespielt?“
„Ja. Auf so Hochzeiten macht man Spiele.“
„Was für Spiele?“
„Ich sag es dir lieber nicht ...“
„Okay ...“

Drinnen viele Tische, die üblichen Dinge. Kaffee. Er sitzt an einer Ecke unmittelbar am Ausgang, gegenüber einer langhaarigen Frau, die aus sehr großen Augen beseelt umherstarrt, das Glück wohl nicht fassen kann. In ihrem Arm ein Baby. Der Kaffee wird serviert, es gibt Torte, die er nicht anrührt. Die Frau gegenüber öffnet die Bluse, eine bleiche Brust mit riesigem Warzenvorhof klappt heraus, die Lippen des Kindes stülpen sich penetrant über die Warze. Er schaut woanders hin, doch da steht der Christ schon neben ihm, lächelt penetrant: „Und? Wie viele Kinder bekommt ihr?“ – Sein Atem stinkt fürchterlich, sicherlich die Aufregung. Dann ist er wieder weg.
„Er hat Mundgeruch.“
„Ja.“
„Ob er schon beim Jasagen Mundgeruch hatte?“
„Vielleicht.“
„Schlimm für die Braut ... auch kein Traum: Vor dem Altar beim Jasagen aus dem Maul zu stinken wie eine Kuh aus dem Arsch. Als Braut hätte ich Gewissensqualen und Zweifel.“
„Ich glaube, der Geruch kommt aus dem Magen.“
„Bei ihm? Oder immer?“
„Bei ihm.“
„Vielleicht hat er Krebs. – Kennt man ja: Stets an Gott geglaubt, selbst das Auto jährlich segnen lassen, doch dann Hodenkrebs. Und Hodenkrebs ist keine spaßige Angelegenheit, weiß Gott nicht! – Gehen wir rauchen?“
„Gleich, noch ist es zu früh.“

Also bleibt er sitzen, ärgert sich über seine Freundin, die einfach zu bürgerlich daherkommt, stets vorsichtig ist, niemals das tut, was sie möchte, sondern stets die Meinung anderer Menschen als wichtig erachtet. Er hasst das. Doch allein hat er auch nicht den Mut, vor die Tür zu gehen. Denn, und dies ist schlimm, es raucht niemand, keine Seele. Es trinkt auch keiner Alkohol. – Gut, es ist noch ein wenig früh, doch in den Kreisen, in denen er sich bewegt, wird jetzt schon ein Bier getrunken, werden auch die Zigaretten ausgepackt. Hier jedoch: Nichts. Junge und alte Leute sitzen einfach nur da, haben Spaß ohne Zigaretten, ohne Alkohol.

„Sie rauchen nicht“, erklärt er daher fünf Minuten später vor der Tür, „sie trinken nicht. Sie haben Spaß. Unglaublich.“ – „Ist doch eigentlich gut“, meint seine Freundin und er schaut ihr ins Gesicht: „Das meinst du nicht so, oder?“ – „Warum nicht? Ich finde das mal ganz gut, besser jedenfalls, als diese ewigen Saufgelage. Immerhin sind ja viele Kinder dabei.“ – „Hm ...“, macht er, wendet sich ab.

Er sorgt sich, sorgt sich noch, als sie schon wieder drinnen sitzen, den Spielen ausgeliefert. Zuerst tritt eine Freundin des Paares als alte Frau verkleidet auf, erzählt lustige Geschichten aus beider Leben. Dann eine sorgsam vorbereitete PowerPoint-Präsentation, doch im Grunde werden nur Fotos gezeigt, dazu lustige Sprüche, niemals derb. Dann ein Spiel. Alle Männer müssen irgendwelche Gegenstände suchen. Er muss mitmachen, verliert aber die erste Runde, geht eine Zigarette rauchen (kann jetzt ungefährdet gehen).

Sicher, denkt er, all dies hat schon was. Hat Charme, hat eine gesunde Ausstrahlung. Hier rastet niemand aus. Alle freuen sich einfach nur, harmlos, glücklich. Ja, sie sind glücklich, wirklich und wahrhaftig glücklich.
„Na?“, kommt seine Freundin.
„Diese Menschen sind glücklich“, sagt er ein wenig zögerlich, fürchtet, sie an dieses Glück zu verlieren.
„Scheint so.“
„Aber ...“, hebt er an, doch es gibt nichts zu sagen. Die Menschen drin sind glücklich, sie hier draußen sind es sicherlich nicht. Und sie sind es wegen ihm nicht, weil er ein zynisches, ironisches Arschloch ist, das alles verarschen, verhöhnen und kritisieren muss. „Aber all dies ist doch schwachsinniges Zeug“, startet er einen Versuch, sich gegen dieses Glück zur Wehr zu setzen, sucht nach Worten, Begründungen, ergänzt schlaff: „Die Welt ist doch nicht so ... verstehst du? Die Welt ist beschissen, das ist die Wahrheit! Und dies hier“, er deutet auf die Turnhalle, „ist eine Lüge. Mehr nicht.“

Seine Freundin nickt, doch sie scheint nicht überzeugt. Vielleicht bildet er sich all dies auch ein, doch es nagt in ihm. Nagt indes der nächsten Spiele: Einige Teenager führen einen Poptanz auf, tanzen wie die Spears zu einem christlichen Lied: Gott ist groß, Gott ist mächtig. „Das ist eine Sekte“, raunt er ihr zu und sie nickt. Fassungslos schaut er den jungen Mädchen zu, die wilde Verrenkungen anstellen, beobachtet das Publikum – beseelt lächelnd, zufrieden zum Rhythmus nickend. Die Eltern stolz, natürlich. Doch nicht zu stolz, man merkt, dies hier sind selbstverständliche Verhaltensweisen, keine Besonderheiten. Die christliche Gruppierung in diesem Dorf hat ihr ganz persönliches Seelenheil gefunden. In einer Welt, die jede Ahnung eines Seelenheils rigoros verneint. Er ächzt.

Und spürt den Drang in sich, dieses Glück zu zerstören, denn letztlich ist seine Haltung um einiges realistischer als diese hier dargebotene Scheiße, deren Naivität einfach nur stinkt. Der Zynismus, der Pessimismus – alles Anzeichen wahrer Intelligenz. Ein Hochverrat dagegen die Naivität! Ein Verbrechen das dekadente Glück! Glück ist als Gefühlslage vollkommen überbewertet, hat zwar Ziel zu sein, muss jedoch unerreichbar bleiben. Hat man es erreicht, ist man nur verdummt, singt lallend vor sich hin, brabbelt, sabbert. – Zerstören sollte man daher diese Glückseligkeit! Sollte zum Beispiel die Braut vergewaltigen, ja, ihr auf der Toilette auflauern – ihr Mores lehren und eben andeuten, dass diese Welt keinesfalls ein Honigschlecken ist, dass die Sonne Hautkrebs verursacht, die Torte Hämorrhoiden, die Ehe Enttäuschung und Verrat. Er muss hinaus, eine Zigarette rauchen. Seine Freundin kommt mit.

„Es raucht tatsächlich keiner ... das ist doch nicht normal!“
„Stimmt, so etwas habe ich noch nie gesehen.“
„Das bekommt man nackte Angst, wirklich. Das ist wie ein böser Traum.“

Da kommt der Christ, „Schon wieder draußen“, sagend, dabei lächelnd. Dieses Lächeln ärgert ihn, ach was!, bringt ihn zur Raserei. In dieses Lächeln sollte man hineinschlagen, kurz, heftig, blutig. Der Christ würde taumeln, niederfallen. Dann in die Turnhalle, allen die Weltlage erklären, die Braut befummeln, alles zerstören, abhauen.
„Ja.“
„Kommt gleich wieder rein! Die Spiele gehen in die nächste Runde!“
„Sehr schön.“
„Ja, es sind noch viele Spiele, lasst euch überraschen.“
„Werden wir ...“
„Schön.“

Die Tür fällt zu, sie sind wieder die Außenseiter, die gottlosen Raucher, die zynischen Realisten. Sie? Prüfend sieht er seine Freundin von der Seite an. Er vertraut ihr nicht, doch das ist schon okay, er traut sich ja nicht einmal selbst, weiß um die Wankelmütigkeit und Widersprüchlichkeit des Menschen. – Ihre Augen sind auf das Dorf gerichtet, auf die Häuser, in denen diese Leben konsequent weitergelebt werden.
„Ob sie heimlich fremdgehen, heimlich trinken, heimlich rauchen?“
„Ich weiß nicht“, sagt er. „Ich denke aber schon. Jeder Mensch heutzutage ist so“, auf sich deutend, „nicht so“, auf die Turnhalle zeigend, „da bin ich mir eigentlich sicher. Wir sind normal, die nicht. Jedenfalls war ich mir da sicher ...“
Sie schweigt.
„Meinst du nicht?“
„Keine Ahnung ...“
„Hm“, macht er da. Verliert den Mut. Seine Lebenssicht ist, das merkt er, auch nicht zu erklären, nicht zu belegen: Er kann sie nicht überzeugen. Sich selbst auch nicht. Und drinnen feiern die Glücklichen, feiern naiv zur Melodie Gottes, müssen nichts verteidigen, bedürfen keines Beweises. Sie glauben, basta.

Die Zigaretten sind geraucht. Man zögert.
„Also“, sagt sie, „ich finde das alles sehr seltsam hier.“
„Ja?“
„Ich möchte nicht mehr rein.“
„Ich auch nicht.“
„Dann fahren wir“, sagt sie und hält schon die Autoschlüssel in der Hand.
„Meinst du? Einfach so?“
„Ja.“
„Gut.“
Sie laufen, lachend. Werfen sich in den Wagen, sie startet sofort den Motor, die Reifen quietschen, Schotter spritzt umher.
„Los!“
„Ja, los!“

 

Hallo Roman,
mit Interess habe ich deinen Text gelesen. Streckenweise fand ich es recht witzig, dein Schreibstil gefaellt mir auch ganz gut. Aber es war irgendwie letztendlich unbefriedigend. Diese einfaeltigen, vor sich hinduempelnden "Christen" die fett sind, aus dem Mund riechen usw. das ist mit zu schwarz-weiss. Und der Prot, mit seiner Aggressivitaet, da ist es nicht zu verstehen, warum er ueberhaupt dort hingegangen ist. Z.B. gleich der zweite Absatz, mit all dem "verschissen" und "Fotze" - es ist einfach unglaubwuerdig fuer mich: wenn ich SO ueber jemanden denke, gehe ich doch garantiert nicht auf seine Hochzeit. Damit bin ich auch schon beim Hauptproblem, dass ich sehe: es wird nicht so recht klar, wie der Prot in diese Situation geraten ist, es zwingt ihn ja keiner. Der "Christ" muss also irgend eine Wirkung gehabt haben, aber das kommt viel zu kurz. So unangenehm, geradezu eklig und simple-minded wie er beschrieben wird, ergibt es keinen Sinn, wieso sich der Prot naeher mit ihm eingelassen hat.
Ich hoffe, du kannst meinen wirren Zeilen entnehmen, was ich meine.
viele gruesse,sammamish

 

Tja,

sammamish, warum ist der Protagonist ueberhaupt hin? DAS ist doch die Frage! Weil er eine recht erbaermliche Figur ist. Und das Schwarz-Weiss-Schema, nun, das reflektiert sich doch allein dieser Protagonist zusammen - als Versuch, dies zu ertragen. Was zu ertragen? Die Erkenntnis, eine ausgehoehlte Figur zu sein. Und das hat lea victoria geschrieben! Und es stimmt.

Doch ich wage mal die Frage, ob der Protagonist nicht fuer den Intellektuellen steht, dessen Konstrukte insgesamt floeten gegangen sind - gleichgueltig, ob Strukturalismus, Marxismus oder eben Kantianismus. Alle diese Gedankensysteme sind doch obsolet geworden - und der Intellektuelle steht hilflos dem naiven Glauben gegenueber (vom Fanatismus ganz zu schweigen!)

Und: Hauptsache, es hat ein wenig Spass gemacht, diese Geschichte zu lesen. Soll es ja.

Gruss
Roman

 

Hallo Roman,

diesen Text habe ich gern gelesen, das hast du flüssig geschrieben, das flutscht nur so dahin. Der Hass des Typen kommt genau rüber, auch sein Eigenhass und die Verlorenheit, die ihn umtreibt. Das ist auch ein Stück Erkenntnis des Alleingelassenseins, niemand, der mit ihm raucht, niemand, der mit ihm lästert. Auch Angst, dass seine Freundin was gut findet, was er ablehnt.
Problematisch finde ich den Einstieg, wie schon von sammamish erwähnt: Warum geht der Typ dorthin, wenn er doch den, der ihn eingeladen hat, überhaupt nicht leiden kann? Oder braucht er diese Umgebung, um sich aufzugeilen? Ist er hingegangen, um zu provozieren? Hat ihn seine Freundin überredet? Gibt es verwandtschaftliche Beziehungen?

Ich finde es gut, dass du den Prot nur in seinen Emotionen wüten (Lea victoria), und dass du in diesem Fall gerade nicht analytischen Murks mit einfließen lässt. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass du die Christenbagage dekuvrieren (auch Lea) wolltest, eher wohl das Verhalten deines Prot.

Jedenfalls habe ich mich beim Lesen gut unterhalten gefühlt. Und was zum Nachdenken ist auch dabei.

Viele Grüße
Hawowi

 

Hallo Lea,

loesch mal nicht, ist doch vollkommen in Ordnung. Und gegen den Glauben an die Vernunft (sic!) habe ich nun gar nichts. Aber der Protagonist - ich sehe den naemlich als gebildet; er hat sich also an den Entwuerfen der Vernunft abgearbeitet (womit ich nun weniger politische Entwuerfe meine, auch keine philosophischen Konzepte: das kommt mir stets ein wenig hochtrabend vor, da Politik und Philosophe sich nur schlecht im Alltag leben lassen. Es geht wohl eher um Welthaltungen (hier wiederum Lebensphilosophien inbegriffen ... Existentialismus und so weiter, die ich nicht als ordnungsgemaesse Systeme bezeichnen moechte - in diesem Sinn kommt dann auch wieder der Marxismus zum Tragen, der frueher teilweise als Lebensphilosophie genutzt wurde)), ist nach der Abarbeitung im Zynismus gestrandet - eine Haltung, die heutzutage in der Intelligentia sicherlich sehr ausgepraegt ist. Die beiden Protagonisten fliehen daher, muenzen diese Flucht jedoch zu einer Art Erfolg um - die Auseinandersetzung bricht ab, die Aufklaerung streicht die Segel.
Ueberhaupt: Religion ist sanktionierte Unvernunft, weshalb der vernuenftige Diskurs hier gar nichts bringt. Interessant war hier beispielsweise beim Kerner letztens die Diskussion zwischen Kirchenvertretern und dem Dawkins - hier war kein Konsenz moeglich.

Und, Hawowi, das freut mich. Denn tatsaechlich lag mein Hauptaugenmerk auf der Fluessigkeit des Textes. Und zum Denken angeregt hat der Text auch noch?! Was will ich mehr! Ziel erreicht!

Gruesse
Roman

 

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