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Hofmanns Weihnachtsbaum

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29.01.2010
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Hofmanns Weihnachtsbaum

Mit gedämpfter Stimme, aber doch verständlich, sprach Hofmann, wenn Passanten an ihm vorübergingen, «Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest». Manche bedankten sich, einige wünschten es ihm auch, andere eilten vorbei, ohne ihn zu beachten. Es war Endspurt, um noch letzte Einkäufe zu tätigen. Nur vereinzelte deuteten den Hut, den Hofmann vor ihnen zog, er könnte für eine Kollekte dienen. Die handgefertigten Steppnähte an seinem kamelfarbenen Cashmeremantel wiesen darauf hin, dass es teures Tuch mit handwerklich aufwendiger Verarbeitung war. Der Stoff musste schon bessere Tage gesehen haben. Die Schuhe glänzten, Hofmann war auf ihre tägliche Politur bedacht. Nur von hinten bemerkte man die Schieflage der Absätze. Unerkannt blieb, dass die Laufflächen Löcher hatten und bereits die Brandsohle angegriffen war. Der kalte Boden veranlasste ihn manchmal unauffällig hin- und herzugehen, und wenn es arg wurde, ab und zu ein Warenhaus oder ein öffentliches Gebäude betreten.

Die Wärme des Kaufhauses umhüllte ihn, als er durch die Tür trat. Sein sorgfältig gestutzter Bart verdeckte weitgehend die aufziehende Rötung im Gesicht. Es war die Temperaturschwankung, die seine Blutzirkulation aktivierte. Im früheren Leben hätte ein Bart ihm nicht entsprochen, und auch heute trug er ihn nur der Not gehorchend, denn aus Gründen der Ästhetik.
Langsam spazierte er durch die Etagen. Er achtete darauf wie ein Kunde aufzutreten und nicht den Eindruck zu erwecken, herumzulungern. Damals, als er der beruflich sehr angesehene Herr Hofmann war, hatte er sich nur verächtlich in ein Warenhaus begeben, sofern es unumgänglich war. Einkäufe, die seine persönliche Anwesenheit bedingten, tätigte er in renommierten Geschäften. Andere Güter bestellte er telefonisch, sie wurden über die Hauslieferdienste zugestellt.
Bei den Spielwaren war der Andrang massiv. Dies war an sich günstig, nur einer unter den sich drängelnden Leuten zu sein, doch auch deprimierend. Hier wurden Summen umgesetzt, über die er früher höchstens abschätzig die Mundwinkel verzogen hätte. Heute wäre er froh, nur einen Bruchteil dessen zu besitzen, das die Leute für eines der elektronischen Spielzeuge zahlten. Es veranlasste ihn, eine andere Etage aufzusuchen.
In der Abteilung für Damenbekleidung fiel er nicht weiter auf, es gab da Männer, die noch schnell ein Dessous für ihre Ehefrau oder eine Freundin benötigten. Mancher von ihnen war wohl vom Gedanken abgekommen, Schmuck zu wählen, da solche Präsente in edler Ausführung ihre Investitionsbereitschaft überstiegen.
In der Möbelabteilung setzte er sich auf ein Bett, die Matratze mit der Hand federnd, ihre Qualität abschätzend. Er mochte es nicht zu weich und nicht zu hart. Wie ein gekochtes Ei. Der Gedanke erheiterte ihn einen Augenblick, doch zum Lachen war ihm nicht zumute.
Diese Abteilung war wohl die falsche Wahl. Eine Verkäuferin, der sich derzeit kein anderer potenzieller Käufer bot, stand plötzlich neben ihm. «Sie dürfen sich schon hinlegen, die Matratze ist von sehr guter Qualität. Die Federung ist zwar immer eine Frage des persönlichen Wohlbehagens, aber ich kann sie nur empfehlen. Ich selbst habe auch genau diese und es schläft sich herrlich darauf.»
Hofmann gewann den Eindruck, sie durchschaue seine Situation. Schnell stand er auf. «Danke, aber es ist im Moment noch nicht aktuell. Ich wollte mich nur mal mit dem Gedanken anfreunden, vielleicht wieder einmal eine neue Unterlage in Erwägung zu ziehen.»
«Ich verstehe durchaus, dass Sie diesen Entscheid nicht spontan treffen möchten. Er will gut überlegt sein, man liegt dann ja auch viele Jahre auf ihr. Doch Sie können jederzeit wieder vorbeikommen, ich berate Sie dann gerne.»
«Danke. Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest.» Er konnte es sich gerade noch verkneifen synchron den Hut zu ziehen, sondern tippte nur an die Krempe.
«Ich wünsche Ihnen auch ein ganz schönes Weihnachtsfest», hörte er sie noch ihm nachrufen, als er davoneilte.
Die Weihnachtsmusik berieselte das ganze Haus. Nun noch lauter schien ihm, als würde sie ihn auffordern, kauf endlich ein wie es alle hier tun! Die Hände in den Taschen vergraben, da sie nichts zu tragen hatten, eilte er dem Ausgang zu. Nur weg von hier.

Die Zeit des Ladenschlusses kam näher, die Leute wurden noch hektischer. Er stand vor Ladengeschäften, die zurückgesetzt von der Hausfassade geschützt in einem Bogengang lagen. Die Einnahmen am Morgen hatten für eine Semmel und Wurst als Mittagessen gereicht. Knapp vor Ladenschluss würde er dann, soweit das Geld reichte, etwas einkaufen. Viel könnte es nicht sein. Er konnte den Menschen die vorbeihasteten eigentlich nicht böse sein, früher hätte er Bettler überhaupt nicht beachtet. Ja, als asoziales Gesindel angesehen. Nun war er einer von ihnen, in einer aussichtslosen Situation festgefahren, wenn nicht ein Wunder geschah. Den Gang zum Sozialamt mied er, dieser lag unter seiner Würde.
Noch einmal wechselte er seinen Standort, nun in der Nähe eines Lebensmitteldiscounts, den er kurz vor Ladenschluss aufzusuchen beabsichtigte. Knapp davor senkten sie bei verderblichen Lebensmitteln jeweils die Preise. Für ihn kam da nur Brot und billige Wurst oder auch mal eine Frucht in Frage. Eine warme Mahlzeit hatte er letztes Mal im Frühjahr bei Caritas eingenommen. Doch die schiefen Blicke der anderen und das Getuschel von einzelnen, hielt ihn dann von dort fern.
Mit der Hand in der Tasche zählte er eben seine Münzen, als ein junges Mädchen sich näherte. Sein, «Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest», liess ihren Schritt zögern und ihn ansehen. Er wollte schon verlegen den Hut wieder aufsetzen, als er sah, dass sie in ihrer Handtasche zu wühlen begann. Sie hielt ihm einen Geldschein entgegen, nicht einfach eine Münze. Den Hut ignorierte sie.
«Ich wünsche Ihnen auch von ganzem Herzen, eine frohe Weihnacht und alles Gute.» Mit einem Lächeln zum Abschied ging sie weiter, während er ihr verwundert nachsah. Dies war noch nie vorgekommen, dass jemand so grosszügig war, dachte er beschämt. Es reicht für eine köstliche Mahlzeit und dann bleibt noch genug für einige Tage.

Auf dem Weg zu seinem Unterschlupf, der im Winter aber nur zur Lagerung seiner Habseligkeiten geeignet war, kam er an der Kathedrale vorbei. Bei dieser Kälte musste er täglich schauen, wo sich ein geeigneter Schlafplatz bot. Diese waren rar. Doch ergab sich immer wieder, dass irgendwo eine Schuppentüre nur angelehnt oder eine Telefonkabine, die immer seltener wurden, nicht bereits annektiert war. Auf dem Platz vor der Kathedrale war ein grosser Tannenbaum aufgebaut, dessen unterste Äste den Boden dicht bedeckten. Jedes Jahr wurde dieser Baum durch das gegenüberliegende Finanzinstitut gestiftet und mit elektrischen Kerzen grosszügig ausgestattet. Noch nie hatte er sich etwas daraus gemacht, doch diesmal nahm er ihn wahr. An diesem Baum mit Lichterglanz durfte auch er teilhaben.

Die Strassen waren ruhig, als er mit seinen Habseligkeiten für die Nacht, an der Kathedrale vorbei wieder auf den Platz trat. Ein paar einzelne Schneeflocken fielen, nicht viele, es reichte noch nicht, die Landschaft weiss zu verzaubern. Von dem Baum ging ein warmes Leuchten aus.
Als er näher trat, vermeinte er die Wärme auch körperlich zu spüren. Das musste es sein, ein Bett für die Weihnachtstage. Vorsichtig schob er die untersten Äste auseinander. Neben dem Stamm und der Befestigung war genügend Hohlraum. Sich umschauend, kein Mensch war zu sehen, schob er die Tasche mit seinem Schlafsack und andern Habseligkeiten in den Hohlraum. Schnell zog er noch seinen Mantel aus, mit dem Futter nach aussen legte er ihn zum Kopfkissen zusammen und verschwand unter den Zweigen.
Behaglich schien ihm die Wärme in seinem Weihnachtsbaumnest, er hatte sich ein angenehmes Lager gestaltet. Nicht zu früh. Bald darauf hörte er Stimmen, erste Personen, welche zur Weihnachtsmesse in die Kathedrale gingen.
Leise rieselte die Musik aus der Kathedrale, wohl ein offenes Oberlicht, das ihm dieses Konzert ermöglichte. Die erste Weihnacht seit seiner Jugend, die ihm eine feierliche Stimmung erweckte. So behaglich hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt.
Die Kälte ergriff seinen Körper immer stärker, doch er spürte es nicht, satt und mit wohligem Gefühl, nur halbwegs zugedeckt, war er eingeschlafen. In seinem Traum schloss sich eine Schneedecke, einem Hermelinpelz gleich, über allem. Der Weihnachtsbaum hob sich daraus hervor, die warmen Lichter strahlten. Sie erloschen flackernd mit Hofmanns letztem Atemzug.

 

Es war Endspurt, um noch letzte Einkäufe zu tätigen -
's ist also wieder an der Zeit, wenn völlig unerwartet und somit überraschend die Zeit vor Weihnacht einbricht und die Kassen klingeln, dass die Geschäftsleute, speziell der Einzelhandel, von den erfolgreich "getätigten" rekordverdächtigen Umsätzen berichtet, dass deren Jargon (übrigens auch in Verwaltungen) auf den gemeinen Konsumenten übergreift, bevor ordentliche Bürger den Mythos der Isis und des wiederauferstandenen Osiris ins geschundene Kanaan verlegen. Kein Wunder, dass der ehemals angesehene Herr H. dem sich nicht entziehen kann
Einkäufe, die seine persönliche Anwesenheit bedingten, ...

Hallo Anakreon,

das ist gewohnt solide erzählt (sehn wir mal vom doppelten Partizip ab

federnd abschätzend
, auch mit feiner Ironie (wenn etwa die Musik leise rieselt) über die letzte Weihnacht des in prekäre Verhältnisse geratenen Herrn H., der auch schon einmal bessere Zeit(en?) gekannt haben muss.Du verknüpfst den Nebelmonat mit Allerheiligen bis Totensonntag mit dem Fest der Konsumfreude.

Gelegentlich wären Kommata zu überdenken (nix aufregendes) und hinzu käme noch das Anredepronomen

Ich verstehe durchaus, dass sie diesen Entscheid nicht spontan treffen
und direkt danach
Doch sie können jederzeit wieder vorbeikommen, ich berate sie dann gerne.

Wie immer gern gelesen vom

Friedel

 

Lieber Anakreon,

diese Geschichte ist mir zu arg klischeebehaftet. Der Obdachlose zu Weihnachten ist so oft schon gebracht worden wie der Jugendliche, der sich bei seinem ersten Liebeskummer umbringen will. Rührseligkeit unter Zuhilfenahme von Klischeefiguren hast du gar nicht nötig, denn ich habe von dir schon gute Geschichten gelesen. Du kannst es also auch anders.

Was meinen Eindruck noch intensiviert hat, sind kleine Andeutungen, die mir den Protagonisten nicht näher bringen, eher ihn noch mehr ins Klischee stürzen.
Da wird von ehemals wertvoller Kleidung gesprochen, davon, dass er nicht Geld vom Sozialamt entgegennimmt, aber er bettelt und geht auch zur Caritas. Wie geht das zusammen? Das erklärst du leider nicht, könnte aber durchaus spannend sein.

Die anfängliche Beschreibung deines Obdachlosen ist ansich gut gelungen bis auf einen Punkt, auf den ich gleich noch komme, aber die Geschichte dröppelt weiter dahin, ohne, dass etwas passiert, was der Geschichte etwas Spannendes gibt.
Er wandert in diesem Kaufhaus umher und legt sich am Ende des Tages auf die unteren Zweige eines Tannenbaumes vor der Kirche. Weihnachten, Kirchenmusik und Tod durch Erfrieren.

Im Kaufhaus dachte ich noch, dass alles ein bis dahin gezogener Spannungsbogen war, der jetzt seinen Höhepunkt mit einem ungewöhnlichen überraschenden Geschehen erreicht, aber leider habe ich mich getäuscht.

Es tut mir leid, dass ich dir so rein gar nichts Positives zu deiner Geschichte vermelden kann. Vielleicht steckst du gedanklich viel zu tief in den alten Weihnachtstraditionen, dass dir nie in den Sinn käme, einmal eine ungewöhnliche Weihnachtsgeschichte zu schreiben.

Vielleicht stört mich auch an deiner Geschichte eine Haltung, die ganz besonders uns Deutschen wie Blei an den Beinen hängt: Wir schaffen es einfach nicht, Weihnachten als etwas grundsätzlich Fröhliches zu leben.
Der Anlass (dieses obendrein fiktiven Geburtsdatums) ist doch allemal ein Grund zum Feiern.
Warum sind Weihnachtsgeschichten fast nie fröhlich, lustig, übermütig, witzig? Weshalb kommt keine Partylaune auf? Weihnachten sind wir feierlich, aber wir feiern nicht.

Nun, bevor ich dir das ganze Verhaltenselend eines Teils der Menschheit zu Weihnachten vorwerfe :D
noch eine sprachliche Kleinigkeit, die mir auffiel:

Die handgefertigten Steppnähte an seinem kamelfarbenen Cashmeremantel wiesen darauf hin, dass es teures Tuch war.
Nein, das tun sie nicht. Sie weisen daraufhin, dass es sich um eine handwerklich aufwendige Verarbeitung handelte, die selbstredend mit mehr Kosten einhergehen.

Ich wünsche dir, trotz meiner Kritik, eine angenehme Adventszeit


lakita

 

Hallo Anakreon,

wie lakita schon sagte: Obdachloser im Kaufhaus gehört zum Standard-Repertoire in der Weihnachtsabteilung. Allerdings bringt deine Geschichte eine ungewöhnliche Perspektive: Sie lässt Blicke auf Hofmanns Leben vor der Obdachlosigkeit zu und zeigt seine Scham. Die Frage, wie er vom offenbar gut gestellten Herren zum Obdachlosen wurde, lässt du offen, was den Text interessanter macht.

Das Ende mit der Schneedecke, die sich wie ein Hermelinpelz über Hofmanns Träume breitet, finde ich schön.

Du verwendest oft Partizip 1, was für meine Ohren künstlich und daher unschön wirkt, etwa hier:

Sich umschauend, kein Mensch war zu sehen, schob er die Tasche mit seinem Schlafsack und andern Habseligkeiten in den Hohlraum. Noch schnell seinen Mantel ausziehend, mit dem Futter nach aussen, ihn zum Kopfkissen zusammenlegend, verschwand er unter den Zweigen.

Ansonsten gern gelesen,

Berg

 

Lieber Friedel

… auf den gemeinen Konsumenten übergreift, bevor ordentliche Bürger den Mythos der Isis und des wiederauferstandenen Osiris ins geschundene Kanaan verlegen. Kein Wunder, dass der ehemals angesehene Herr H. dem sich nicht entziehen kann

Schön dein Brückenschlag zwischen der Gegenwart des gemeinen Konsumenten zum Isis und Osiris-Mythos, dessen Faszination schon Plutarch anzog und es als Kosmogonie deuten liess. Die indirekt doppelsinnige Anspielung zwischen mythischer Welterklärung und rationaler Deutung fügt sich ein, in die auftretenden Gegensätze.

das ist gewohnt solide erzählt (sehn wir mal vom doppelten Partizip ab

Oh danke. (Eine Satzerweiterung folgt bei Tageslicht, den kleinen Lapsus kaschierend.)

Gelegentlich wären Kommata zu überdenken (nix aufregendes) und hinzu käme noch das Anredepronomen

Peinlich, dass ich über diese drei Höflichkeitspronomen (inkl. zwei Kommata) bei x-fachem Lesen stolperte, obwohl die Geschichte seit ihrer Geburtsstunde im Sommer in diesen Sätzen keine Änderung erfuhr.

auch mit feiner Ironie (wenn etwa die Musik leise rieselt) … verknüpfst den Nebelmonat mit Allerheiligen bis Totensonntag mit dem Fest der Konsumfreude.

Die Vorbilder aus Antike und Mythologie müssen mir diesbezüglich unbewusst Pate gestanden haben, wurde bei kultischer Opferung und gezeigter Demut, doch anschliessend immer dem leiblichen und geistigen Genuss gefrönt.

Das gern gelesen freut mich. Eigentlich war mir eine wirklichkeitsnahe Erfassung dieses Themas tabuartig verschlossen, wenn ich über die Lebensweise Obdachloser sinnierte. Doch die Figur des Herrn H. liess mich diese Klippe wenigstens ideell überwinden und es in einem kleinen Text erfahrbar zeigen.

Danke dir fürs Lesen und Kommentieren.


+++


Liebe lakita

Ich war durch deine Ausführungen in etwa zu gleichen Teilen überrascht und zum Schmunzeln animiert. Dies meine ich jetzt keineswegs ironisch, dazu Schätze ich dich zu sehr um solche Scherze zu treiben. Doch der Reihe nach.

Vorab zur Präzisierung meiner Intentionen. In meinem Leben habe ich noch nie Weihnachten begangen, auch wenn ich einem köstlichen Festmenü nicht abgeneigt bin. Der Grund ist simpel einfach, ich wurde nicht religiös sozialisiert und vermisse dies auch nicht. Wenn ich trotzdem einige Kenntnisse zu Religionen besitze, so deshalb, da ich aufgrund persönlicher Bekanntschaften spezifische, theologische Schriften las, zugleich aber die Bibel nicht kenne. Hinzu kommt, dass ich von meinem Naturell her keine Neigung zu Kultischem aufweise. Das Positive dabei ist aber, es erspart mir Animositäten gegen Gläubige irgendwelcher Religionen, die dies brauchen.

diese Geschichte ist mir zu arg klischeebehaftet. Der Obdachlose zu Weihnachten ist so oft schon gebracht worden …. Rührseligkeit unter Zuhilfenahme von Klischeefiguren hast du gar nicht nötig, denn ich habe von dir schon gute Geschichten gelesen.

Dies war mir überraschend! Ich hatte ja ein paar der Geschichten in dieser Rubrik gelesen, obwohl mich dieses Thema nicht sehr berührt. Eine eigentlich klassische Weihnachtsgeschichte oder gar eine zu Obdachlosen war mir nicht aufgefallen. Aber möglicherweise lag dies an meiner Selektion. Ich hatte vor langem Mal den Gedanken zu dieser sozialen Randgruppe etwas zu schreiben, doch verwarf ich dies wieder, da mir einfach der Bezug dazu fehlte. In heissen Sommertagen kam mir dann plötzlich die Idee zu diesem Text auf. Mir selbst ist es auch kein Klischee, dazu fehlt mir die Identifikation, als mehr eine besondere, vielleicht ausgefallene Perspektive. Na ja, vielleicht erzeugt mir hier meine Distanz eben eine Unschärfe.

Da wird von ehemals wertvoller Kleidung gesprochen, davon, dass er nicht Geld vom Sozialamt entgegennimmt, aber er bettelt und geht auch zur Caritas. Wie geht das zusammen? Das erklärst du leider nicht, könnte aber durchaus spannend sein.

Ich denke, dies geht aus diesen Hinweisen hervor und die Form, in der er bettelt. Darin steht zwischen den Zeilen zumindest angetönt die Geschichte seiner Herkunft und seiner Persönlichkeit. (Sozial gehobene Abstammung; narzisstisches Verhalten; unfähig sich der Realität zu stellen. Solche Menschen entweichen der Gesellschaft ansonsten eher durch Suizid oder versuchen durch wirtschaftskriminelle Machenschaften ihre Situation zu ändern. Dies hier auszuführen, wäre mir ein Abdriften ins Gewöhnliche gewesen. Zudem bietet sich die KG auch direkt dafür an, knapp ein paar Stunden zu raffen, und Hintergründe mehr zwischen den Zeilen aufscheinen zu lassen.

Die anfängliche Beschreibung deines Obdachlosen ist ansich gut gelungen bis auf einen Punkt, auf den ich gleich noch komme, aber die Geschichte dröppelt weiter dahin, ohne, dass etwas passiert, was der Geschichte etwas Spannendes gibt.

Ich denke nicht, dass der Prot. mit dem gängigen Bild von Obdachlosen übereinstimmt. Er ist unaufdringlich, bemüht Haltung zu wahren und achtet auch in der Not auf sein Äusseres. Natürlich, das was geschieht ist gewollt eine stille Geschichte, für manche vielleicht mit einem Touch an Sozialkritik, für andere eher eine lahme Krücke. Meine Erwartung, welche Leser es in diesem Fall anzusprechen vermag, waren denn auch eher diejenigen, die etwas Ruhiges suchen. Doch für die Ungläubigen und die Nervenkitzel-Fans habe ich zum Ausgleich auf die Weihnachtstage hin, aber erst dann, ein subtil makabres Präsent vorbereitet. Aber nicht in der Rubrik Weihnachten.

Es tut mir leid, dass ich dir so rein gar nichts Positives zu deiner Geschichte vermelden kann. Vielleicht steckst du gedanklich viel zu tief in den alten Weihnachtstraditionen, dass dir nie in den Sinn käme, einmal eine ungewöhnliche Weihnachtsgeschichte zu schreiben.

Da habe ich kein Problem damit, auch wenn ich bedaure, dass sie dir so gar nicht gefällt. Es kommt eben etwas auf die Lesart und die Herangehensweise an, die Erwartungen die ein Leser an den Stoff setzt. Dies ist meines Erachtens kein seltenes Handicap bei Kritikern, sie gehen oft nicht unvoreingenommen an die Materie heran. Natürlich lässt sich die Subjektivität nicht ausschalten, aber kontrollieren. Ich selbst versuche meist der Intention eines andern Autors nahe zu kommen, seine Sprache, seine Ausdrucksweise und seine Eingebung aufzunehmen, und dann zu filtern. So habe ich noch keine Gewissheit, bin mir aber der Differenzen bewusster und fokussiere es dann auf das, was mir auch objektiv störend ist. Doch ich definiere mich ja auch nur als kritischer Leser, was ich dann sage, beinhaltet immer auch eine Unvollkommenheit. Dies nicht als Kritik an dich oder deine Worte, aber hier war Gelegenheit es auszudrücken.
Was Weihnachtstraditionen angeht, habe ich mich zu Beginn geäussert. Die Ungewöhnliche gibt es übrigens, ohne Anspruch darauf, dass sie jedermann gefallen muss. Sie erfordert jedoch einen etwas speziellen Humor. Ich hatte sie bereits letztes Jahr hier in dieser Rubrik publiziert, ohne damit einen grossen Leserkreis anzusprechen: Frohes Fest, kleine Assel.

Vielleicht stört mich auch an deiner Geschichte eine Haltung, die ganz besonders uns Deutschen wie Blei an den Beinen hängt: Wir schaffen es einfach nicht, Weihnachten als etwas grundsätzlich Fröhliches zu leben.

Und dies war mir hinreichend Grund zum Schmunzeln. So leicht bricht niemand mit Traditionen, es liegt in den Mentalitäten begraben. Aber ist dies denn so arg?, der Einzelne kann doch immer ausbrechen, wenn er will. Ich bin mit dem vorliegenden Text hier eben der Ausbrecher in die umgekehrte Richtung, also eher ein Einbrecher in Gefilden, in den ich gar nichts zu suchen hätte.

Nun, bevor ich dir das ganze Verhaltenselend eines Teils der Menschheit zu Weihnachten vorwerfe

Mit diesen Worten hast du mir die grösste Freude bereitet, da es mir zeigt, dass ich mit der Geschichte mehr Emotionen wecken konnte, als ich erwarten durfte und meine eigene Beziehung zum rubrizierten Anlass dabei übertünchen konnte. So ist mir deine Kritik durchaus auch ein Lob, ohne dass ich deine Worte dabei verdrehen will.

noch eine sprachliche Kleinigkeit, die mir auffiel: ...

Nein, das tun sie nicht. Sie weisen daraufhin, dass es sich um eine handwerklich aufwendige Verarbeitung handelte, die selbstredend mit mehr Kosten einhergehen.


Du hast recht, in der von mir gewählten Formulierung ist es nicht präzis treffend. Ich werde den Text noch leicht anpassen.

Ich danke dir für deinen ausführlichen Kommentar, der mich doch in vielen Teilen zu einer Selbsthinterfragung zwang. Auch wenn unsere Perspektiven zum vorliegenden Text etwas auseinandergehen, freute ich mich über deine Auseinandersetzung damit.


+++


Hallo Berg

wie lakita schon sagte: Obdachloser im Kaufhaus gehört zum Standard-Repertoire in der Weihnachtsabteilung.

Wie im vorgehenden Komm. schon ausgeführt, war ich mir dessen nicht bewusst. Aber eben, Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

Allerdings bringt deine Geschichte eine ungewöhnliche Perspektive: Sie lässt Blicke auf Hofmanns Leben vor der Obdachlosigkeit zu und zeigt seine Scham. Die Frage, wie er vom offenbar gut gestellten Herren zum Obdachlosen wurde, lässt du offen, was den Text interessanter macht.

Das freut mich sehr, dass du dies so wahrgenommen hast. Eine tiefergehende Umschreibung wäre mir zu seiner Figur nicht ganz passend erschienen.

Das Ende mit der Schneedecke, die sich wie ein Hermelinpelz über Hofmanns Träume breitet, finde ich schön.

Daran hatte ich selbst auch meine Freude.

Du verwendest oft Partizip 1, was für meine Ohren künstlich und daher unschön wirkt,

Ich werde den Text bei Tageslicht diesbezüglich nochmals durchsehen, und an stossenden Passagen allenfalls ändern.

Ansonsten gern gelesen,

Das freut mich sehr. Danke dir für dein positives Feedback und den Hinweis.

Schöne Grüsse euch allen

Anakreon

 

Ach, da bin ich Lauser noch einmal, will auch weiter nicht stören,

Ihr Lieben,

eher zufällig, denn ebenso erfahr ich soeben, dass heute um 16:35 Uhr auf Arte La Revolte des Sapins, ein Kurzfilm von ca. 15 Minuten läuft, der in der Ankündigung janz jut kling(el)t. Ach, jetzt kann nicht jeder frz. (dt.: Der Aufstand der Tannenbäume

Gruß & schönes Wochenende vom

Friedel

 

Das war aber drollig!

Lieber Friedel

Bloody Christmas, ein herziges Gegenstück zu meinem kleinen Text. Wer es nicht gesehen hat, könnte sich nicht vorstellen welchen Horror so ein geschmücktes Bäumchen anstellen kann.

:D Anakreonm

 

Hallo Anakreon,

seit ich Deine Geschichte gelesen habe, frage ich mich, warum Bettler-Protagonisten es so schwer haben. Die Geschichte ist gut geschrieben, keine Frage, und trotzdem haben es so Helden eben schwer beim Leser und ich weiß nicht warum.

Deine Geschichte erinnert mich stark an ein Märchen (ich glaube von Andersen), wo zwei Straßenkinder sich die Weihnachtsauslagen der Spielzeuggeschäfte anschauen und dann "glücklich" erfrieren, wie Dein Held. Denn er erlebt ja auch einen schönen Moment, im festlich warmen Licht der Tanne mit Konzertbegleitung. Und genau dieser Gegensatz zwischen Glück und Tod legt sich dann schwer aufs Gemüt.

Also mich hat die Langsamkeit der Geschichte nicht gestört, ganz im Gegenteil, dem hektischen Weihnachtstrubel hast Du dadurch schön ausgehebelt. Vielleicht konnte Dein Ende bei mir nicht so recht wirken, weil ich irgendwie ahnte, wohin es geht. Vorbelastet durch das Märchen wahrscheinlich. Dennoch hab ich die Geschichte bis zum Ende gelesen und zwar gern :xmas:.

Eines muss ich noch off-topic anbringen:
@ lakita - schau Dir mal die Betriebsweihnachtsfeiern an - die sind ordentlich von Sentimentalität befreit ;).

Und noch was in Modfunktion:
Nicht alles was mit Weihnachten zu tun hat, hat Bezug zu der Geschichte :teach:
Also weitere Programmtips und ähnliches bitte in den Kaffeekranz ;).

Liebe Grüße Fliege

 

Hallo Fliege

Die Geschichte ist gut geschrieben, keine Frage, und trotzdem haben es so Helden eben schwer beim Leser und ich weiß nicht warum.

Ich denke mir, dass sich gegenüber Bettler-Protagonisten ein Unbehagen bis zu Abwehr aufbaut. Von andern Figuren mit sonderlichen oder unangenehmen Eigenheiten können wir uns real distanzieren, ihre Charakteren und Verhaltensweisen als uns nicht eigen erkennen. Bei einem Menschen, der durch alle sozialen Sicherheitsnetze gefallen ist, mag hingegen vielleicht Angst vor Identifikation auftreten. Was wäre, wenn man durch Schicksalsfügung selbst in eine solche Lage käme. Es mag dann möglicherweise für einen unvoreingenommenen Lesegenuss hinderlich sein.

Deine Geschichte erinnert mich stark an ein Märchen (ich glaube von Andersen), ... Und genau dieser Gegensatz zwischen Glück und Tod legt sich dann schwer aufs Gemüt.

Stimmt, jetzt da du es sagst, dünkt mich es in den Zügen auch etwas märchenhaft. Die Geschichte von Andersen kenne ich nicht, doch in den Bezügen ist es da schon identisch, Hofmann stirbt in einem Moment von Glücksgefühl, das er noch erfahren durfte. Es schien mir wichtig, dass sein Tod leise und erst im letzten Satz auftritt, um die Melancholie zu verstärken.

Also mich hat die Langsamkeit der Geschichte nicht gestört, ganz im Gegenteil, dem hektischen Weihnachtstrubel hast Du dadurch schön ausgehebelt.

Dies ist mir Genugtuung, dass der Kontrast zur Weihnachtshektik und der geringe Level an grossen Ereignissen, dich dennoch anzusprechen vermochten.

Dennoch hab ich die Geschichte bis zum Ende gelesen und zwar gern.

Es freut mich sehr, in dir eine Leserin gefunden zu haben, die in der Geschichte einen Gewinn sehen konnte.

Ich danke dir herzlich fürs Lesen und den schönen Kommentar, der mir den Text gelungen erscheinen lässt.

Nicht alles was mit Weihnachten zu tun hat, hat Bezug zu der Geschichte

:shy: :Pfeif:

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon!

Ein ehemals gut situierter Mann, nun verarmt und zu stolz, sich einer Amtsperson zu offenbaren, zieht es vor, unerkannt zu betteln.
Das ist soweit nicht neu. Auch das Aufwärmen in Geschäften nicht.

Eine Abweichung vom bekannten Muster sehe ich da eher im Erfolg seiner Tätigkeit. Er bekommt genug Geld für eine gute, warme Mahlzeit. Aber dieser Erfolg führt zu nix Gutem, er wird ihm sogar zum Verhängnis. Hätte er keine warme Mahlzeit gehabt, hätte er nicht dieses Wohlgefühl verspürt und hätte sich besser zugedeckt.
Wenn ich nun seinen Charakter mit einbeziehe, würd ich der Geschichte den Untertitel: Ist dem Esel zu wohl, begibt er sich aufs Eis, anhängen. Oder vielleicht: Hochmut kommt vor dem Fall. Ich weiß nicht recht, jedenfalls lenkt die Geschichte meine Gedanken in diese Richtungen, da er zweimal, freilich von jeweils anderer Qualität, Erfolg und danach eine Bruchlandung gehabt hatte.
Das zweimalige Scheitern des Herrn Hofmann liegt für mich hauptsächlich in seinem Charakter begründet, weniger an den äußeren Umständen.
Nach dem Kammerspiel in Spa/Kri, nun also eine Tragödie in der Weihnachtsrubrik. Bin gespannt, was als Nächstes kommt. :D

Den ersten Satz halte ich für nicht gelungen.
Mit gedämpfter, aber doch verständlicher Stimme sprach Hofmann
Eine Stimme kann man nur hören, nicht verstehen. Mit gedämpfter Stimme, aber doch/noch verständlich, sprach Hofmann.

Die vom Boden ableitende Kälte ließ ihn manchmal unauffällig hin- und hergehen,
Auch darüber bin ich gestolpert. Die Physik wird hier zwar nur minimal mit den Füßen getreten, da die Kälte beim Energieausgleich nicht der aktive Part ist, aber der Satz ist irgendwie verquer. Die Fußwärme wird zum (kalten) Boden (hin) abgegeben. Ich meine: „Die vom Boden her ableitende Kälte“ klingt verständlicher. Oder: „Die Kälte des Bodens“ oder einfach: „Der kalte Boden ließ ihn …“

„ließ“ scheint mir der falsche Ausdruck zu sein. Ich meine, es geht hier nicht um lassen, sondern um veranlassen. Der kalte Boden veranlasste ihn, manchmal unauffällig hin- und herzugehen.

Die Kälte, ergriff seinen Körper immer stärker
Das Komma kann raus.

Sicherlich keine „starke“ Geschichte, war wohl auch nicht beabsichtigt, aber der Text lässt genug Raum für verschiedene Auslegungen, wie man an den Beiträgen sieht, passt in die Weihnachtszeit und ist doch zeitlos. Und sie ist, wie Friedel bereits sagte, solide geschrieben.

Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo Asterix

Mit grossem Interesse habe ich deine Interpretationen gelesen. Das kleine Stück ruft ein Echo hervor, das meine Erwartungen übertrifft.

Das ist soweit nicht neu. Auch das Aufwärmen in Geschäften nicht.

Schön, dass es dennoch zur Auseinandersetzung mit der Geschichte / dem Thema anregt.

Eine Abweichung vom bekannten Muster sehe ich da eher im Erfolg seiner Tätigkeit. Er bekommt genug Geld für eine gute, warme Mahlzeit.

Das ist deine Perspektive, ich bin da etwas von einem andern, realen Bild geprägt. An der Côte d’Azur, eine Gegend, die zu Unrecht als nur versnobt gilt, war vor einigen Jahren die Frage aufgetreten, ob Betteln verboten werden sollte. Die Bevölkerung stellte sich mit grosser Mehrheit gegen ein solches Verbot! Meist geben sie nur Kleingeld, aber ich sah schon Einheimische, die solchen Personen auch eine Tüte mit Essen hinstellten. Es ist also eine Frage des Savoir-vivre und der Kultur.

Hätte er keine warme Mahlzeit gehabt, hätte er nicht dieses Wohlgefühl verspürt und hätte sich besser zugedeckt.

Dies ist natürlich etwas fatal. Aber wäre seine Zukunft wirklich besser verlaufen, wäre dieses Ereignis nicht eingetreten?

Wenn ich nun seinen Charakter mit einbeziehe, würd ich der Geschichte den Untertitel: Ist dem Esel zu wohl, begibt er sich aufs Eis, anhängen. Oder vielleicht: Hochmut kommt vor dem Fall.

Eine solche Untertitelung wäre mir zu sehr im Einklang mit verbreiteten, pauschalen Vorurteilen gegen sozial Benachteiligte.

Das zweimalige Scheitern des Herrn Hofmann liegt für mich hauptsächlich in seinem Charakter begründet, weniger an den äußeren Umständen.

Da gebe ich dir recht, sein Charakter prägt ihn und seine Haltung. Dennoch scheitert er letztlich an den äusseren Umständen, den klimatischen Bedingungen.

Nach dem Kammerspiel in Spa/Kri, nun also eine Tragödie in der Weihnachtsrubrik. Bin gespannt, was als Nächstes kommt.

Ganz dem Sprichwort folgend, aller guten Dinge sind drei, ist bei dem Nächsten auch die Persönlichkeit des Prot. das tragende Element. Oder anders rum, wie sähe heute Literatur aus, wären in der Antike nur Lyrik und keine Tragödien verfasst worden? Ich ahne jetzt schon, dass es deine Erwartungen erfüllt aber nicht deinen Geschmack treffen wird. Aber mache dir dann selbst ein Bild, ab Weihnachten in der Rubrik Horror. Ich ziehe mich inzwischen warm an.

Den ersten Satz halte ich für nicht gelungen.
Eine Stimme kann man nur hören, nicht verstehen.

Ich verstehe, was du meinst, und werde es auch anpassen. Doch absolut ist deine These nicht! „Mit der Stimme können wir nicht nur sprechen, sie gibt auch – ob wir wollen oder nicht - unsere Gefühle wieder." (Zitiert nach Patrizia Noel, Sprachwissenschaftlerin)

Die vom Boden ableitende Kälte ließ ihn manchmal unauffällig hin- und hergehen, Auch darüber bin ich gestolpert. Die Physik wird hier zwar nur minimal mit den Füßen getreten, da die Kälte beim Energieausgleich nicht der aktive Part ist, aber der Satz ist irgendwie verquer. Die Fußwärme wird zum (kalten) Boden (hin) abgegeben.

Du bist mir Einer. Aber von der physikalischen Gesetzmässigkeit her stimmt es, was du sagst. Alle Kältesymptome angepasst.

Sicherlich keine „starke“ Geschichte, war wohl auch nicht beabsichtigt, aber der Text lässt genug Raum für verschiedene Auslegungen, wie man an den Beiträgen sieht, passt in die Weihnachtszeit und ist doch zeitlos. Und sie ist, wie Friedel bereits sagte, solide geschrieben.

Mit deiner reduktiven Einschätzung kann ich ganz gut leben.

Danke dir fürs Lesen, die Auseinandersetzung damit und die Kommentierung sowie die präzisierenden Hinweise.


Schöne Grüsse

Anakreon

 

Lieber Anakreon,

obwohl ich absolut kein Fan von Weihnachtsgeschichten bin, hatte wohl eine ähnliche Sozialisation wie du, treibt es mich jetzt doch auch zu einem Kommentar.

Ich fand deine Geschichte sehr schön. Warum?
Mir hat deine Charakterisierung dieses eigenartigen, ehemals erfolgreichen Herrn, der lieber hungert und friert, statt sich der Realität zu stellen, gut gefallen. Und ich finde sie sehr gelungen.
Ich sehe ihn vor mir, wie er auf dem kalten Pflaster dahinwandert.
Nicht zuletzt liegt das an deiner persönlichen Sprache und deinem unverwechselbaren Stil, mit dem du ihn beschreibst. Das macht ihn sehr vorstellbar in seiner Besonderheit. Es passt zu seinem mühevollen Versuch, seine Vornehmheit zu bewahren und den Schein aufrecht zu erhalten.

Ich fand auch das Ende sehr schön:

In seinem Traum schloss sich eine Schneedecke, einem Hermelinpelz gleich, über alles. Der Weihnachtsbaum hob sich daraus hervor, die warmen Lichter strahlten. Sie erloschen flackernd mit Hofmanns letztem Atemzug.

Ein kleiner Verbesserer: Ich denke, du müsstest den Dativ setzen am Ende. Oder??? Also so: schloss sich eine Schneedecke ... über allem.

Wahrscheinlich hattest du dir dabei aber was gedacht und falls das so ist, vergiss es einfach, bin halt manchmal ein Grammatik-Nörgel. Und eigentlich ist Sprache, also auch Grammatik, dazu da, genutzt und gelebt zu werden.

Was den Inhalt des Endes betrifft, es ist wieder so, dass du mit dem Hermelinpelz in mir als Leserin ein sehr wehmütiges, stimmungsvolles, aber auf keinen Fall kitschiges Bild entstehen lässt.

Etwas schwer getan habe ich mich mit der Kritik an deiner Geschichte, sie sei zu klischeehaft, weil du in die Weihnachtsszenerie einen Obdachlosen gestellt hast.

Ich kann diese Kritik zwar irgendwo inhaltlich nachvollziehen, wird sie doch auch von Leuten vorgetragen, deren Urteil ich beim Lesen hier sehr, sehr schätzen gelernt habe. Ich denke auch, es hat sein Gutes, wenn man sich selbst immer einen mahnenden Zeigefinger vorhält, der einen dazu anhält, neue, unbeschrittene Wege zu gehen.

Dennoch regt sich in mir als naivem, neuem Schreiberling ein gewisser Widerspruch. Man muss doch auch aufpassen, dass der Hinweis, man habe ein Klischee verwendet, nicht umgekehrt zu einem Minimaulkorb wird. Auch du, Anakreon, hast dich ja eher legitimiert und erklärt, dass du dich mit Weihnachten nicht auskennst, anstatt etwas dagegen zu sagen.
Bei einer Horrorgeschichte zu urteilen: Das ist klischeehaft etc. Alles klar, denn gerade dieses Genre lebt vom Neuen, Unerwarteten Doch warum bei einer Weihnachts- oder Alltagsgeschichte das Klischee anmahnen? Dass einem immer wieder der Obdachlose (zu Weihnachten) einfällt, liegt doch nicht an der Klischeebereitschaft eines Schreibers, an seinen schablonenhaften, abgegriffenen Vorstellungen, sondern an dem Fakt, dass Weihnachten existiert, dass Obdachlosigkeit und Verarmung hierzulande immer größer werden und dass zwischen dem Ideal von Weihnachten und der Wirklichkeit eine riesige Diskrepanz existiert. Dass es Obdachlosigkeit hierzulande gibt, ist eine bittere Realität, die sich mit Idealen, die z. B. in Weihnachten kulminieren, beißt. Und wenn einem das einfällt - was bitte, ist daran ein Klischee?
Allenfalls die dabei benutzten Formulierungen, Redensarten und Bilder könnten klischeehaft werden, da stimme ich zu.
Aber allein die Wahl und Kombination dieses Themas mit dem Obdachlosen - nein, es ist kein Klischee, sondern fiese Wirklichkeit und solange die so ist, wie sie ist, sollte man auch ungescholten darüber schreiben dürfen, solange man es gut macht.
Dass man auf die Mahnung kommt, etwas sei ein Klischee, liegt glaube ich einfach daran, dass man, wenn man viel schreibt, was bei mir ja gar nicht der Fall ist, ich kacke mir im Vergleich zu den volljährigen Autoren hier, noch in jeder Hinsicht in meine Schreiberlingswindeln, immer nach einem neuen Blickwinkel sucht, der eine neue Perspektive bietet oder einfach auch nur unterhaltend ist durch seine Neuartigkeit. Das finde ich alles gebongt, ja gerade das Interessante am Lesen und Schreiben.
Aber es darf doch auch nicht zu einer mehr oder weniger ausgesprochenen Vorschrift werden, das Beschreiben der Realität und der Bilder, die sie enthält, vermeiden zu müssen. Nach dem Motto: He, das geht nicht, du schreibst ja nur über die Realität - wo bitte ist das Neue oder das Positive?
So - das musste ich einfach mal sagen, weil es mich ein bisschen umtreibt.
Liebe Grüße und eine besinnliche Adventszeit höhö :D
wünscht dir Novak

 

Liebe Novak

Ich fand deine Geschichte sehr schön.

Das freut mich ausserordentlich, insbesondere auch, da du dich zugleich als Leserin outest, die kein Fan von Weihnachtsgeschichten ist.

Mir hat deine Charakterisierung dieses eigenartigen, ehemals erfolgreichen Herrn, der lieber hungert und friert, statt sich der Realität zu stellen, gut gefallen. Und ich finde sie sehr gelungen.

Es war die mir fassbare Form, ein solches Schicksal für eine Geschichte aufzubereiten.

Nicht zuletzt liegt das an deiner persönlichen Sprache und deinem unverwechselbaren Stil, mit dem du ihn beschreibst. Das macht ihn sehr vorstellbar in seiner Besonderheit. Es passt zu seinem mühevollen Versuch, seine Vornehmheit zu bewahren und den Schein aufrecht zu erhalten.

Es gibt sie durchaus, solche Menschen, auch wenn ich keinen kenne, der diese tiefste Stufe erreichte. Aber mir sind schon welche begegnet, die trotz Verarmung ihre Würde mit einfachen Mitteln aufrecht hielten. Ich erlebte sie als respektable Personen. Es freut mich, wenn ich mit meiner Sprache und meinem Stil dies entsprechend einfangen konnte.

Ich fand auch das Ende sehr schön:
Ein kleiner Verbesserer: Ich denke, du müsstest den Dativ setzen am Ende. Oder??? Also so: schloss sich eine Schneedecke ... über allem.

Wenn ich es so fokussiert lese denke ich, dass du recht hast, im Dativ fügt es sich besser. Das Schwanken zwischen Dialekt und Schriftsprache wird manchmal zu einer sprachlichen Fussangel, in der ich bei aller Konzentration hängen bleibe.

Und eigentlich ist Sprache, also auch Grammatik, dazu da, genutzt und gelebt zu werden.

Da bin ich mit dir und jenen Sprachwissenschaftlern, die dies auch vertreten, einer Meinung. Ist man einzig regelfixiert, ist ein Risiko von Sprachverarmung latent vorhanden, auch wenn dies nicht jedermann gerne hört.

Was den Inhalt des Endes betrifft, es ist wieder so, dass du mit dem Hermelinpelz in mir als Leserin ein sehr wehmütiges, stimmungsvolles, aber auf keinen Fall kitschiges Bild entstehen lässt.

Dieser Ausklang, der weitgehend als Sympathieträger wahrgenommen wird, fand ich als Kontrast zu der doch elenden Situation, vonnöten. Ein Hauch von Wehmut aufzunehmen, dünkte mich selbst auch nicht kitschig, es reflektiert, dass dieser Obdachlose auch Gefühle einer besseren Welt in sich hat. Schön, dass es auch bei dir so angekommen ist.

Man muss doch auch aufpassen, dass der Hinweis, man habe ein Klischee verwendet, nicht umgekehrt zu einem Minimaulkorb wird.

Selbst berührt mich solcherart Vorhaltung relativ wenig, ein Thema sei bereits wiederholt abgehandelt worden, es sei denn, ich bewege mich in zu engen Grenzen. Ansonsten gehe ich davon aus, dass jedes Thema seit der Antike schon seine Niederschrift fand. Was dabei wesentlich ist, es mit eigenen Zügen auszustatten, es unterscheidbar zu machen, von andern mehr oder weniger analogen Abhandlungen. Ansonsten müsste man sagen, das Ende neuer Literatur ist erreicht, Schluss damit.

Bei Kritik sehe ich das Dilemma vorab darin, dass es einem u. U. leichter von der Hand geht, einen fremden Text auf Schwächen zu differenzieren, zugleich aber von der eigenen Perspektive und Subjektivität begrenzt wird und dennoch objektive Sachverhalte mitschwingen. Bei der Abfassung von Rezensionen sollte man seinen Schlussfolgerungen deshalb selbst am kritischsten Gegenüberstehen, um möglichst die Objektivität im Fokus zu halten. Auch bei professionellen Kritikern wird dieser ethische Ansatz zuweilen unterlaufen, wie die Streitereien in der Literaturgeschichte zeigen. Ein menschlicher Faktor also. Auf der Gegenseite gibt es Autoren, die schon äusserten, eine positive Rezension nütze ihnen nichts. Dies ist das gröbste Missverständnis, dass man Rezensenten gegenüber einnehmen kann, da es schlichtweg nicht stimmt. Tragisch ist es meines Dafürhaltens dann, wenn Autoren gute Werke ändern, einzig, weil sie Kritiken nicht gewachsen sind. Die Auseinandersetzung zwischen Rezensenten und Autoren an sich ist jedoch fruchtbar, wenn sie sich auf einer Ebene abspielt, in der es nicht um egozentrische Positionen geht, sondern um das Werk an sich. Der Schöpfer dessen ist letztlich dann aber jener, der sich entscheiden muss, was seiner Intention am gerechtesten wird. Der Leser wird es ihm danken oder fernbleiben.

Dennoch regt sich in mir als naivem, neuem Schreiberling ein gewisser Widerspruch.

Der sich bei dir regende Widerspruch sehe ich von dem her einzig positiv. Resignation wäre das Falsche, dem ein Autor unterliegen kann. Der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel sagte an einer Literaturwoche vor rund anderthalb Jahren: Literatur hat mich streitfähig gemacht. Es ist das Schicksal professioneller Literaten, dass sie sich gegen Angriffe von aussen zur Wehr setzen müssen, da Kultur nicht einfach mit kultiviert in gutem Sinne gleichgesetzt werden darf und man sich gegen Hackordnungen verteidigen lernen muss.

Über deine positive Einschätzung der kleinen Geschichte freue ich mich sehr, da es mir zeigt, dass sie Anklang zu finden vermag. Für deine Bedenken gegen die themenbezogene Kritik hast du meinen vollen Respekt, es war mutig von dir, es offen zu äussern. Da wir hier ein Forum für Geschichten und der Auseinandersetzung mit diesen bilden, finde ich deine Stellungnahme nicht nur berechtigt, sondern vielmehr gut platziert. Danke dir fürs Lesen und deinen geschätzten Kommentar.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Lieber Anakreon,

vielen Dank für deine Worte und ebenso für deinen Zuspruch. Fand ich gut, weil ich nach dem Abschicken meiner Nachricht schon dachte, auweh, hoffentlich hab ich mein süßes Mäulchen nicht zu voll genommen.

Ich muss sagen, man lernt hier sehr viel - das hätte ich vorab gar nicht gedacht - wenn man Geschichten einfach nur liest und Überlegungen zu einer Rückmeldung anstellt. Man stößt sehr schnell - auch durch die Kommentare der anderen auf Probleme, mit denen man so gar nicht gerechnet hätte, ja, man gerät ab und an ganz schön ins Schleudern.
Dein Fazit zu der Problematik von Kritik und Rezensionen

Bei Kritik sehe ich das Dilemma vorab darin, dass es einem u. U. leichter von der Hand geht, einen fremden Text auf Schwächen zu differenzieren, zugleich aber von der eigenen Perspektive und Subjektivität begrenzt wird und dennoch objektive Sachverhalte mitschwingen. Bei der Abfassung von Rezensionen sollte man seinen Schlussfolgerungen deshalb selbst am kritischsten Gegenüberstehen, um möglichst die Objektivität im Fokus zu halten.
empfinde ich daher als ausgesprochen hilfreich. Genau das ist das Dilemma.
Aber ich glaube, sich darüber bewusst zu sein oder das zumindest zu versuchen, das ist der richtige Weg. Jedenfalls für mich.
Von daher empfinde ich deine weitere Überlegung als eine positive für alle Seiten gewinnbringende Leitlinie:
Die Auseinandersetzung zwischen Rezensenten und Autoren an sich ist jedoch fruchtbar, wenn sie sich auf einer Ebene abspielt, in der es nicht um egozentrische Positionen geht, sondern um das Werk an sich.
Für mich bedeutet das auch, die Intentionen, die ein Autor mit seinem Stückchen Text verfolgt, in den Vordergrund zu stellen und ihn, wenn man das ein wenig pädagogisch ausdrücken mag, ihn dort "abzuholen", wo er mit seinem Text steht.
Ich weiß schon, das alles hatte jetzt nicht mehr so viel mit deiner schönen Geschichte zu tun, aber man stößt beim Lesen auf unerwartete Gedanken und Überlegungen, die wollte ich gern festhalten.
Jetzt gilt es nur noch - das alles wieder in die Praxis münden zu lassen und die schönen Überlegungen in schöne Geschichten zu wandeln. Für mich gilts jedenfalls, du hasts ja schon gemacht.
In diesem Sinne mach ich mich jetzt wieder an die Arbeit.
Ganz liebe Grüße
Novak

 

Lieber Anakreon,

liebe Kritiker,

Anakreon schreibt: Bei Kritik sehe ich das Dilemma vorab darin, dass es einem u. U. leichter von der Hand geht, einen fremden Text auf Schwächen zu differenzieren, zugleich aber von der eigenen Perspektive und Subjektivität begrenzt wird und dennoch objektive Sachverhalte mitschwingen. Bei der Abfassung von Rezensionen sollte man seinen Schlussfolgerungen deshalb selbst am kritischsten Gegenüberstehen, um möglichst die Objektivität im Fokus zu halten.
Die Auseinandersetzung zwischen Rezensenten und Autoren an sich ist jedoch fruchtbar, wenn sie sich auf einer Ebene abspielt, in der es nicht um egozentrische Positionen geht, sondern um das Werk an sich.

Ja das stimmt alles.

Das Zusammenspiel zwischen Kritiker und Autor wird nicht nur durch die Kritikerseite beeinflusst, sondern genauso kräftig von der Autorenseite.

Der Autor entscheidet, ob für ihn das Glas halbvoll oder halbleer ist.

Die Persönlichkeit der miteinander Agierenden ist immer mit im Spiel, ich gehe sogar soweit, zu sagen, es geht gar nicht ohne.
Ohne wäre ein Schreibprogramm, das automatisch auf Knopfdruck stilistische
Dinge aufzeigt oder eine Plotmaschine, die je nach Genre die Kriterienliste abhakt.

Wichtig wäre mir, wenn es auf beiden Seiten gelingt, die objektiven und die subjektiven Merkmale besser zu erkennen.

Das ist für mich das Hauptproblem jeder Kritik.

Wenn ich dir vorhalte, lieber Anakreon, dass du mit deinem Geschichtenplot ein Klischee bedienst, ist das zu einem Teil objektiv gemeint und natürlich zu einem anderen Teil subjektiv. Und ich, die ich mich doch am besten von allen Menschen selbst kennen müsste, könnte dir jetzt nicht mitteilen, in welcher Höhe prozentual das eine oder das andere vorherrscht. :D

Wenn mir in deiner Geschichte zu wenig Spannung enthalten ist, ist das ein objektiver Kritikpunkt und zugleich ein subjektiver, denn es gibt Menschen, die finden weniger spannende Texte wunderbar, es gibt andere, denen recht schnell die Spannung fehlt.

Umgekehrt, um von der Empfängerseite zu reden, könnte es ja so sein, dass einen Autor das Wort "Klischee" furchtbar trifft und als höchst persönlicher Angriff gewertet werden könnte, während vielleicht ein anderer Autor daran nicht zu knabbern hat, weil er z.B. bewusst das Klischee darstellen wollte etc.
Oder die Kritik, dass der Spannungsbogen kaum vorhanden ist, schmettert vielleicht jemanden besonders nieder, einen anderen, dem es vielleicht gar nie wichtig gewesen ist, tangiert es kaum.
Hier ist ebenfalls die subjektive Seite mal deutlicher, mal weniger intensiv vorhanden als die objektive.
Es bleibt für mich immer ein Wechselspiel der Beteiligten.

Ich habe versucht, aber auch das konnte mir in der Natur der Sache liegend nur stümperhaft gelingen, dir meine Kritik zunächst so objektiv wie nur möglich darzulegen, um danach meine ureigenen von mir geprägten Eindrücke zu schildern.
Ich habe versucht, zu trennen und genau das halte ich für die einzige Möglichkeit künftighin Kritiken zu schreiben. Die Betonung liegt dabei auf "Versuch", denn ich bin an manchen Tagen ein guter Kritiker meiner eigenen Kritik und an manchen Tagen eben nicht. ;)


Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Novak

Es freut mich, dass meine Interpretation von Kritiken und die Auseinandersetzung damit, dir Ansporn sind, dich weiter in die Arbeit der Kunst des Geschichtenerzählens zu stürzen. Bin jetzt schon gespannt, was den zwei Bisherigen folgen wird. In diesem Sinne, viel schöne Inspirationen und, was damit eben auch tonnenschwer verbunden ist, viel Schaffenskraft. ;)


+++


Liebe lakita

Ohne wäre ein Schreibprogramm, das automatisch auf Knopfdruck stilistische Dinge aufzeigt oder eine Plotmaschine, die je nach Genre die Kriterienliste abhakt.

Das wäre ja schon Science-Fiction, nein, gar Horror, eine Maschine, die den Stoff aus dem die Träume sind, produziert. Wie könnte ich da meine Gedanken noch genügend ausleben? :D

Wichtig wäre mir, wenn es auf beiden Seiten gelingt, die objektiven und die subjektiven Merkmale besser zu erkennen.

So denke ich auch.

Wenn ich dir vorhalte, lieber Anakreon, dass du mit deinem Geschichtenplot ein Klischee bedienst, ist das zu einem Teil objektiv gemeint und natürlich zu einem anderen Teil subjektiv.

Doch so deutete ich es auch. Es gehört für mein Empfinden zur (literarischen) Auseinandersetzung, dass Themen oder Details zu Reibungspunkten werden, die durchaus berechtigt zu differenten Standpunkten führen können. Die Vorhaltung mich eines Klischees zu bedienen, ist mir aber nicht arg, wenn ich selbst überzeugt bin, dass es mir dies in diesem Fall nicht ist. Natürlich musste ich mir den Blick von Lesern vor Augen halten. Wobei mir diese Abhandlung unter dem Motiv Weihnachten an sich schon diffizil schien, ungeachtet ob der Prot. nun über eine Luxusunterkunft verfügt oder nur über einen illegalen Schlafplatz unter einem Brückenbogen.

Wenn mir in deiner Geschichte zu wenig Spannung enthalten ist, ist das ein objektiver Kritikpunkt und zugleich ein subjektiver, denn es gibt Menschen, die finden weniger spannende Texte wunderbar, es gibt andere, denen recht schnell die Spannung fehlt.

Spannend ist die Geschichte sicher nicht gross, rein von der geschriebenen Handlung her. Als mein eigener Leser kam ich jedoch zum Schluss (Egozentrik!), es stehe sehr viel zwischen den Zeilen. Hier hatte ich die Unverschämtheit, mich in der Iceberg Theory nach Hemingway zu versuchen, obwohl er dazu äusserte, es dann anzuwenden, wenn man genug davon versteht. :dozey: Obwohl ich mir dies nicht anmassen will.

Ich habe versucht, aber auch das konnte mir in der Natur der Sache liegend nur stümperhaft gelingen, dir meine Kritik zunächst so objektiv wie nur möglich darzulegen, um danach meine ureigenen von mir geprägten Eindrücke zu schildern.

Nein, nein, stümperhaft habe ich deine Kritik nun überhaupt nicht wahrgenommen. Die beste Kritik ist mir immer, wenn jemand aufrichtig sagt, was er denkt. Ob ich diesen Perspektivenwechsel dann ganz oder teilweise nachvollziehen kann, zustimme oder ablehne, ist dann eine andere Sache. Hierbei leitet mich stets auch meine Intention, dass ich nie mit der Absicht schreibe einen Bestseller zu verfassen, aber stets mit dem Vorhaben, im Moment das Beste für diesen Text zu geben. Vielleicht klemmt dies dadurch dann zuweilen gegenüber objektiven Kritikteilen.

Die Betonung liegt dabei auf "Versuch", denn ich bin an manchen Tagen ein guter Kritiker meiner eigenen Kritik und an manchen Tagen eben nicht.

Ich denke, dies geht uns allen so, aber ohne diese menschliche Komponente wären wir ja übermenschliche Kritiker. = Mein Güte, Reich-Ranicki! Aber ich weiss gar nicht ob der sich selbst so versteht, wie er mancherorts durch den Kakao gezogen wurde, als Übervater der Kritik. Auf seiner Website steht ja immerhin der Satz: "Klarheit ist die Höflichkeit des Kritikers."

Glattwegs mit einem :D nahm ich zur Kenntnis, dass du nebst mir auch die Kritiker angesprochen hast.

Noch ein letztes Wort zur Geschichte. Mir selbst gefällt sie und ich möchte nicht missen, sie geschrieben zu haben. Aber ich verstehe durchaus, dass sie bei differenzierter Betrachtung wahrscheinlich manchen Lesern nicht entsprechen wird.

Danke dir für deinen nochmaligen und konstruktiven Kommentar, der mir bestätigt, dass wir keine grundlegenden Differenzen hegen, hier in den Perspektiven von Spannung und Klischee aber berechtigt etwas auseinanderdriften. Mich sensibilisiert es vielleicht etwas dahingehend, die breiten Bedürfnisse der Leser nicht aus den Augen zu verlieren.

Schöne Grüsse an euch beide

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin, Anakreon.
So verschieden die Leser, so verschieden die Meinungen.
Zunächst einmalfinde ich Deine Geschichte flüssig im Stil, und unaufgeregt gut erzählt.
Ich kann aus dem Grund nicht viel klischeehaftes daran finden, weil ich auch einmal eine obdachlose Weihnacht erlebt habe, und darum das von Dir Erzählte nicht als Klischee empfinden kann. Vielmehr wünsche ich einigen Menschen denen es chronisch zu gut geht, auch einmal eine Zeit des Mangels, danach feiert man so ein Fest anders... ( selbst wenn man nicht in die Kirche geht, oder sonstwie gläubig ist)
Auch wenn ich nicht gestorben bin, oder mich unter Weihnachtsbäumen zur Ruhe betten musste, hab ich die Geschichte, vielleicht auch aufgrund der Dankbarkeit, die dadurch in mir aufkam, gerne gelesen.
L.G. Lord

 

Hallo Lord

Es freut mich sehr, dass dich die Geschichte in ihrer Wesensart angesprochen hat.
Dass es kein verklärtes Bild wird, aber auch keine Anti-Weihnachtsgeschichte, daran lag mir viel. Da Weihnachten für einige Menschen doch ein (be)sinnlicher Feiertag ist, fand ich es diesbezüglich provokativ, ohne despektierlich zu sein.
Dass der Text nicht nur als Unterhaltungswert wahrgenommen, sondern auch auf Widerstände stossen wird, überraschte mich an sich nicht. Er enthält Elemente, die an individuellen Sensitivitäten kratzen können, birgt Identifikationspotenzial verschiedener Artung. Wenn es nachdenklich stimmt, da es ein Bild von Armut aus dem Ghetto holte, oder da es das Anderssein eines sonst unbeachteten (fiktiven) Menschen skizzierte, freut es mich diabolisch diesen Nerv getroffen zu haben.

Dass du deine Empfindung einbrachtest, aus der Erinnerung einer selbst erfahrenen „obdachlosen Weihnacht“, die sich ja in vielfältiger Form ergeben kann, finde ich schön. Es bestätigt mir, dass der Gehalt der Geschichte sinnverwandte Assoziationen zu wecken vermag.

hab ich die Geschichte, vielleicht auch aufgrund der Dankbarkeit, die dadurch in mir aufkam, gerne gelesen.

Das ist mir eine Freude, wenn es dir ein solch starkes Gefühl weckte und du es gerne gelesen hast. Ich danke dir für deinen Kommentar, der die anderen Meinungsbilder noch auf besondere Weise ergänzt.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Liebe Marai

Das freut mich sehr, dass diese schon eine Weile zurückliegende Geschichte deinen Gefallen fand. Es war meine Absicht damit bedacht zu unterhalten und wählte dafür eine Form von Lebensskizze, die man so gezeichnet kaum wahrnimmt. Um seine Tragik zu kompensieren, sollte es Hofmann gegönnt sein, auch in dieser Lebenslage seine Würde zu wahren und einen friedlichen Abgang nehmen zu können. Zu diesem Baummotiv inspirierte mich übrigens jener, der jeden Dezember imposant auf dem Paradeplatz in Zürich steht.

Danke für das Lesen und kommentieren.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

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