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Horst Motherkiller and his Evil Satans
eine ziemlich wahre geschichte...
Irgendwie hatte ich ihn mir größer vorgestellt.
Wie der Typ jetzt auf der anderen Seite des Tisches saß, lässig in seinem Campingstuhl zurückgelehnt, die Hände ineinander verschränkt auf die schmuddelige Holzplatte gelegt und unablässig auf seinem Kaugummi kauend, wirkte er jedenfalls alles andere als bedrohlich. Links und rechts neben ihm saßen drei weitere schmierige Kerle, allesamt in schwarz gekleidet, allesamt weit von der Segnung ihrer letzten Dusche entfernt.
"Referenzen", begann Horst, "sach an!"
"Naja... angefangen hab ich als Mucker. Auf kleinen Feiern den Ententanz gespielt und so. Stimmung gemacht. Ich bin nicht stolz drauf, aber irgendwo muss man ja anfangen. Danach bin ich dann zu den Monty..."
"Schon ma ner Fledermaus den Kopp abgebissen?"
"Bitte?"
"Ob du schon ma ner Fledermaus den Kopp abgebissen hast."
"Einmal", gab ich zu. Rückblickend hatte ich an diesem Abend sicher nicht die beste Figur abgegeben, damals mit Marv, the Maroder und Siggi, dem Leichencounter in Mannes Partykeller. Irgendwann nach dem siebten Bier hatte irgendwer die glorreiche Idee gehabt, dem Ozzy Tribut zu zollen. Scheiße, waren wir breit gewesen damals. "Schmeckt eigentlich wie Hühnchen."
"Nich übel. Kannsde spielen?", fragte er weiter.
"Wär ich sonst hier? Schon bei den Monty Grabowskis damals, hab ich die Scheiße aus meinem Bass geprügelt. Keiner hat damals mehr gerockt, als meine Linda und ich." Linda war mein Bass. Eine Göttin von einem Instrument.
"Monty Grabowskis? Das klingt so spannend wie eingeschlafene Eier", sagte einer der Rocker und zwang Horst zu einem grunzenden Lacher.
"War auch leider ne Swing-Combo. Darum bin ich da auch schnell geflogen. Kam nicht gut, als ich auf dem Tanzabend des Kegelvereins plötzlich Life's a fuckin' Bitch von der Bühne gebrüllt hab."
"Sahne", sagte Horst und stand offensichtlich kurz davor mir zu applaudieren. "Weiter."
"Naja, ich hatte Glück, dass Pocke auch auf der Feier war. Weiß der Geier, was er da gewollt hatte." Pocke, seit diesem Abend einer meiner besten Kumpel und eigentlich mehr Elch als Mensch, hätte eher sein linkes Ei gegeben, als zuzugeben, dass er vor allem wegen der Atmosphäre dort gewesen war. "Jedenfalls hat der mich dann in seine Band genommen. Speed-Metal."
"Bäh!" Im ersten Moment vergaß ich meinen Ekel gegenüber dem, was die Rocker in diesem Moment machten und wunderte mich über die erstaunliche Synchronität, mit der sie auf den Tisch spuckten. "Speed ist was für am Arsch amputierte Sackhupen", sagte einer von ihnen - der mit den eingeschlafenen Eiern.
"Ja, sicher", bestätigte ich schnell und spuckte ebenfalls auf den Tisch. Ich wollte diesen Job unbedingt. "Echte Kerle machen eh nur... äh..."
"Hyper-Thrash-Metal mit Black- und ohne Darkeinflüsse. Oder so." Hillarious Günther, der Drummer, wie ich später erfahren sollte.
"Genau, mein ich doch. Das is für echte Kerle."
"Du hast diese Pussys doch wohl hoffentlich orntlich in den Arsch gefi..."
"Aber sicher. Also, metaphorisch gesprochen. Pocke ist ja ein netter Kerl, aber der Rest der Band war nichts als ein Haufen Volltrottel. Der Leadgitarrist konnte nicht mal anständig rückkoppeln."
"Speed-Metal... ich sachs ja immer wieder", grunzte Horst verächtlich und machte eine Kaugummiblase.
"Naja, auf einem der Konzerte hab ich dann meine Hose runtergelassen und einen fahren lassen. Mitten in Zeckes Solo." Das war ein lustiger Abend gewesen. Irgendwann im Spätherbst vor dreißig zahlenden Leuten. Fuffzig Pfennig und drei Marlboros, fairer Preis eigentlich. "War mein letztes Konzert mit denen. Und seitdem such ich nen neuen Job."
"Okay... wie is mit Groupies?"
"Groupies?"
"Na, Weiber halt."
"Ich weiß, was das ist. Aber auf Kegelfeiern is da nicht viel mit."
"Du hast noch nie Backstage ne Alte geknallt?"
"Die waren teilweise so alt, dass sie von alleine geknallt haben."
"Scheiß Witz, aber wegen mir bisse dabei."
"Muss ich nicht vorspielen?" Das schien die Band aus dem Konzept zu bringen. Sie steckten hektisch die Köpfe zusammen, berieten sich und schließlich sagte Günther:" Okay, dann mach uns mal Jack, the Killerrabbit - aber nur das Basssolo, wir trinken zeitig."
"Kenn ich nicht. Hast du mal die Noten?"
"Noten? Alter, geh doch gleich zu Speed-Metal zurück", sagte Horst.
Ich improvisierte also, schrammelte mit meiner Linda die Luft in Fetzen und prügelte die Welt zu Klump. Also, ich hätte es getan, hätte ich einen Verstärker gehabt. So klang meine Darbietung wohl eher nach einem bekifften Paarhufer, der auf einer Gieskanne den Flohwalzer bläst, aber es reichte aus. Die Jungs standen ehrfürchtig auf, gaben mir nacheinander die Hand und ich war dabei.
"Hör mal", sagte Günther und nahm mich beiseite, "ich hoffe, dir ist klar, auf was du dich hier einlässt, oder?"
"Denk schon."
"Du musst mindestens deine Seele dem Teufel verkaufen und so. Sonst kannst du nicht mitmachen."
"Ich scheiß auf den Teufel."
"Damit bist du um einiges weiter, als die anderen hier. Weißt du, das Wichtigste in unserer Branche ist, immer zu wissen, wo man steht."
"Alles klar."
"Viel hier ist auch Rumgepose. Ich meine, der Kerl nennt sich Motherkiller. Der hat sicher noch nie seine... naja, aber das muss jeder selber wissen. Ist auf jeden Fall ein gutes Sprungbrett so was."
"Ey, ich war Mucker, ich weiß, was Rumgepose ist."
"Okay, dann auf gute Zusammenarbeit." Wir stießen mit gutem Oldesloer Anisklumpen an, ich bekam zu später Stunde von Horst persönlich einen neuen Künstlernamen und wurde in einer feierlichen Zeremonie in den Rang eines Devilfuckers erhoben.
So begann meine musikalische Karriere.
Wenig später endete sie, als ich inmitten der Proben zum neuen Album - irgendwas mit Shithead im Titel - feststellte, dass meine Linda für Typen wie Ein-Saiten-Gitarrist Erwin ne Nummer zu gut war.
Ich sattelte also mein Instrument und gründete gemeinsam mit Günther, Pocke und einem ständig betrunkenen Althippie unbestimmter Herkunft namens Ulf meine eigene Band. Vielleicht werden Scandalous gnoebel and his Mighty Wurstfingers nie ganz aus Horsts Schatten treten können, aber mit etwas Glück können wir vielleicht irgendwann selbst zur Sonne werden.