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Hubert

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07.04.2005
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Hubert

Ein nervenzerfetzendes Piepen zerreißt die friedliche Idylle. Jeder Ton prügelt auf meine Synapsen ein und trampelt auf meinen Neuronen herum. Ich öffne ein verkrustetes Auge und versuche desorientiert, die Lärmquelle zu lokalisieren. Ich orte sie auf dem Nachttisch in Gestalt des Weckers, den ich mit einem gezielten (weil schon tausendfach geprobten) Wurf einer Pizzaschachtel, mit der ich offensichtlich übernachtet habe, zum Schweigen bringe.
Doch o Graus - es plärrt noch immer! Ich öffne das andere Auge und entdecke mein Handy, das in höchsten Tönen versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Ich greife mir die Höllenmaschine und lese auf dem Display "Hubert". Hubert. Ich hasse Hubert. Hubert ist eine Person aus meinem Bekanntenkreis, die sich mit erstaunlicher Hartnäckigkeit einbildet, mit mir befreundet zu sein. Ich hingegen lege zumeist Wert auf halbwegs intelligente Gesellschaft und meide Evolutionsbremsen, die es sogar fertig bringen, über ein schnurloses Telephon zu stolpern. Verzweifelt versuche ich, das lärmende Etwas unter meinem Kopfkissen zu ersticken, bis es tatsächlich Ruhe gibt.
Ich sinke zurück in mein Bett und überlege mir, womit ich diesen Anruf verdient haben könnte. Weit komme ich nicht, denn es klingelt schon wieder ohrenbetäubend. Entnervt hebe ich ab und brülle zornig in den Hörer:
"Scheiße, wo brennts denn!"
Meine Mutter erklärt mir höflich, dass sie wohl später nochmal anrufen würde und legt auf.
Gute Güte, für die Aktion wird der Haussegen für Wochen schief hängen. Mal wieder. Mit der Motivation eines Fließbandarbeiters schäle ich mich aus den Laken und schleppe mich ins Badezimmer. Ich grüße den mir fremden Mann im Spiegel, starte drei erfolglose Versuche, mich zu rasieren, entschließe mich, das resultierende Blutbad später aufzuwischen und widme mich stattdessen meiner Blase.
Nach vollbrachter Tat schlappe ich zurück in mein Zimmer, greife den Haufen Socken, schmeiße ihn an die Wand und wähle das Paar aus, das nicht daran kleben bleibt. Ich streife mir eine grässliche Kombination aus Cargo-Hose und Hawaii-Hemd über (Freunde bezeichnen es höflich als optische Umweltverschmutzung) und erstarre, als das Telephon erneut klingelt. "Hubert" lese ich zu meinem Missvergnügen. Ich hebe ab:
"Ja, hallo. Ähh... Eine große Pizza Salami, dazu ne Coke. Light."
"Was... ?"
"Ja, ist da nicht die Pizza Hotline?" Ich trete lustlos zwei leere Bierflaschen unter mein Sofa.
"Ähm, nein... hör mal..."
"Oh sorry, dann habe ich mich wohl verwählt. Tschüss."

Ich lege genüsslich auf, schalte meine Stereoanlage an und warte. Es klingelt erneut. Ich hebe ab, platziere das Handy direkt vor einem Lautsprecher und gehe in die Küche. Ich mache mir einen Kaffee und durchwühle den Kühlschrank auf der Suche nach etwas, das noch keine Gelegenheit hatte, Haare zu entwickeln. Ein Frischkäse, der seinen Namen seit wohl drei Monaten nicht mehr verdient, beißt mir in den Finger und flüchtet hinter ein finster dreinblickendes Omelett. Ich entscheide mich dafür, das Frühstück ausfallen zu lassen, schließe die Tür und zünde mir einen Jointstummel an, den ich im übervollen Aschenbecher entdeckt habe. Zum Glück gibts ja noch den Kaffee, denke ich mir, und wende mich der Tasse zu. Der Kaffee, um bei dieser Bezeichnung zu bleiben, stellt sich als eher solide Substanz und keineswegs als Flüssigkeit heraus. Als ich den Löffel versuche zu entnehmen, ploppt ein tassenförmiger Kaffeeblock mit heraus. Ich seufze und nehme einen Bissen, während ich einen missbilligenden Blick über meine Wohnung schweifen lasse. Nach einer Party wie der gestrigen erinnert sie mich immer an den berühmten REM Song "It's the end of the world as we know it". Die Welt endet recht häufig seit ein paar Wochen.
Ich laufe zu meinem Aquarium und angle eine Bierflasche heraus, die offensichtlich leider nicht leer war. Mal wieder hatten meine beiden Goldfische wohl zuerst verdammt viel Spaß, wurden im Laufe des Abends rüppelvoll und hatten anscheinend gegen Ende hin eine Prügelei. Der eine Fisch mit dem Veilchen kotzt und ich schmeiße zwei Aspirin ins Wasser.

Trotz meines grässlichen Katers entschließe ich mich dennoch, bei der Arbeit aufzuschlagen. Mit der Hoffnung, dass die kleinen Bastarde ihre Hausaufgaben gemacht haben, greife ich mir die Aktentasche und bereite mich darauf vor, mein kleines privates Armageddon gegen eine neue Apokalypse einzutauschen - die 6c in Latein.

 

Hallo Hub... to ergon!

dass sie wohl später nochmal anrufen
noch mal

Eine Frischkäse
Ein

Was das alles mit Hubert zu tun hat ist mir zwar schleierhaft, jedoch ist "Hubert. Ich hasse Hubert" Grund genug, eine KG so zu nennen. Da der Witz auf den Schluss hinausläuft, ist die Kürze der KG in Ordnung. Ich hätte mir allerdings etwas mehr Fleisch auf den Rippen gewünscht - also etwas länger.
Einige Formulierungen sind wirklich Klasse! Hab mich gut amüsiert.


LG
flash

 

Danke für das Feedback erstmal.

Den Tippfehler "Eine" hab ich gleich behoben, das "nochmal" lasse ich aus Trotz so stehen, weil mir das vom Gefühl deutlich mehr zusagt als das schimpansendeutsche "noch mal". Da kanns Word auch nochsooft (hihi) unterringeln, das ist mir schnuppe ; )

Was den Titel angeht; es ist mir nichts eingefallen, was besser zutreffen würde, da ich überhaupt keinen Erwartungsrahmen spannen wollte und sich Hubert demnach förmlich aufgedrängt hat.

Länger wurde die KG deshalb nicht, weil ich sie in erster Linie für ein Creative Writing Seminar an der Uni geschrieben habe, und da ist eine gewisse Kürze vonnöten, da es sowieso nur darum ging, einen Charakter zu skizzieren. Und zwar nicht nach dem Schema "Person X ist so alt, ist oft schlecht gelaunt und trinkt gerne Bier", sondern einen Charakter anhand der Handlungen die er/sie vollzieht zu entwerfen. Das Original ist übrigens auch in Englisch und daher ist das hier "nur" die deutsche Version.

Danke fürs Lob im Übrigen : )

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo to ergon,

ja, der berühmte Morgen danach. Du bedienst eine Menge Klischees, die wohl solch ein Morgen immer wieder mit sich bringt. Allerdings muss ich zugeben, dass du diese Klischees sehr gut verpackt hast und es dir dennoch gelungen ist an der einen oder anderen Stelle nicht vorhersehbare Wendungen einzubauen. So zum Beispiel als sich der Quell des Lärmes als das Handy und nicht als der Wecker herausstellte oder dass der Prot ein Lateinlehrer ist. Das hat mir sehr gut gefallen.

Ein nervenzerfetzendes Piepen zerreißt die friedliche Idylle. Jeder Ton prügelt auf meine Synapsen ein und trampelt auf meinen Neuronen herum.
Zudem schaffst du es durch schöne Formulierungen für den Leser ein Bild zu schaffen, das er kennt. Wenn man ehrlich ist, beginnt doch jeder Morgen mit einem "nervenzerfetzendes Piepen", auch ohne Party am Vorabendoder, oder? ;)

Ciao MiK

 

das "nochmal" lasse ich aus Trotz so stehen, weil mir das vom Gefühl deutlich mehr zusagt als das schimpansendeutsche "noch mal". Da kanns Word auch nochsooft (hihi) unterringeln, das ist mir schnuppe ; )
Hat nix mit Word zu tun, sondern mit der guten (unter anderem auch alten) deutschen Rechtschreibung. Noch mal ist die Umgangssprachliche Verkürzung von noch einmal. Daher ist es schlichtweg falsch, nochmal zuschreiben. Nochmals und nochmalig hingegen, wird zusammengeschrieben.

Ich möchte die KG aufgrund dieses Fehlers nur ungern ins Korrektur-Center verschieben. :D

 

Hallo to ergon,

mich als junge Altgriechin (welch Oxymoron;)) hat dein nick natürlich so sehr angesprochen, dass ich mir dein Werk gleich ansehen musste. Fand die Geschichte wirklich sehr amüsant!

"Ja, hallo. Ähh... Eine große Pizza Salami, dazu ne Coke. Light."
"Was... ?"
"Ja, ist da nicht die Pizza Hotline?" Ich trete lustlos zwei leere Bierflaschen unter mein Sofa.
"Ähm, nein... hör mal..."
"Oh sorry, dann habe ich mich wohl verwählt. Tschüss."
den Dialog fand ich wirklich schön absurd, weiß leider nicht wie das mit diesen gefinkelten smilies funktioniert, sonst wär das jetzt ein daumen nach oben.
Fazit: So nen coolen Lateinlehrer hätt ich auch gern gehabt;)

lg
scribine

 

Moin to ergon,

Ja, hat mir ganz gut gefallen. Wirklich lachen musste ich zwar nicht (dafür habe ich schon zu viele Texte dieser Thematik gelesen und geschrieben), aber sehr unterhaltsam. Die Schlusspointe hat funktioniert und ein paar schöne Formulierungen waren auch drin.

Ich orte sie auf dem Nachttisch in Gestalt des Weckers, den ich mit einem gezielten (weil schon tausendfach geprobten) Wurf einer Pizzaschachtel, mit der ich offensichtlich übernachtet habe, zum Schweigen bringe.
Ich täte auf das "mit der ich übernachtet habe" verzichten. Zieht den Satz brutalst in die Länge und hat die inhaltliche Fumktion eines Leerzeichens.
"Ja, hallo. Ähh... Eine große Pizza Salami, dazu ne Coke. Light."
Guter Gag, scheiterte bei mir aber daran, daß ich zu lange gebraucht hab, um herauszulesen, wer hier was sagt. Vermutlich mein Fehler.

 

Chaire!

Einerseits finde ich den Bandwurmsatz im Gegensatz zu gnoe so richtig und gut, andererseits hast du auch unnötige Längen. Beispiel:

Meine Mutter erklärt mir höflich, dass sie wohl (lieber?) später nochmal anrufen würde und legt auf.
Gute Güte, für die Aktion wird der Haussegen für Wochen schief hängen
würde ich verkürzen: Gute Güte, der Haussegen wird Wochen schiefhängen.
Mit der Motivation eines Fließbandarbeiters
würde ich ersetzen, mich hat das Wort jedenfalls ins Grübeln gebracht, welche Motivation du meinst (betrifft vielleicht nur motivierte Ffließbandarbeiter).
Ich grüße den mir fremden Mann im Spiegel
Diese Höflichkeit passt nicht in zu deinem Prot, vielleicht Ich ignoriere ..
schmeiße ihn an die Wand und wähle das Paar aus, das nicht daran kleben bleibt
:thumbsup:
Freunde bezeichnen sie höflich als optische Umweltverschmutzung
Um die (bei mir nicht eingetretene) Irritation zu vermeiden, würde ich den Zeilenumbruch anders setzen:
"Hubert" lese ich zu meinem Missvergnügen.
Ich hebe ab: "Ja, hallo. Ähh... Eine große Pizza Salami, dazu ne Coke. Light."
Als ich den Löffel versuche zu entnehmen
Umständlich und logisch falsch: der Prot holt den Löffel ja aus der Tasse und versucht es nicht nur.
Ein Frischkäse, der seinen Namen seit wohl drei Monaten nicht mehr verdient,
wohl drei würde ich streichen - unbestimmt präzise.
Die Welt endet recht häufig seit ein paar Wochen.
Und nun erwarten die Lesenden eine Erklärung, wieso seit ein paar Wochen. Also zurücklehen, der Showdown kündigt sich an - und wehe, wenn nicht.
Und was stellt sich dann heraus: Ein pflichtbewusster Lehrer, der offensichtlich auch am Wochenende trotz schwerster Beeinträchtigungen seiner Arbeit nachgeht. Kein Wunder, dass der arme Kerl Ausfallerscheinungen entwickelt. Oder ist die 6 c daran schuld?

Nette Geschichte mit einer guten Pointe. Hat mir gefallen

Lieben Gruß

Jo

 

die es sogar fertig bringen, über ein schnurloses Telephon zu stolpern.
Ganz nett. Erinnert mich aber zu sehr an ein WirelessLAN-Kabel ;)
schmeiße ihn an die Wand und wähle das Paar aus, das nicht daran kleben bleibt.
auch nett

Hallo to ergon,
öh, ja. War's das? Also, nichts gegen kurze Geschichten, aber die war ja wohl wirklich zu kurz. Da passiert ja nicht mal gescheit was. Ein Lehrer hatte n übelsten Absturz, nebenbei ruft ihn Hubert an, der zwar auch im Titel vorkommt, aber das ist für mich eigentlich völlig ungerechtfertigt, denn es wird zu wenig über ihn gesagt, nur, dass der Prot ihn nicht ausstehen kann, und am Ende tritt er seiner Klasse gegenüber.

Das Ganze ist noch mit dem viel zu abgedroschenen Telephonwitz gespickt, dass er beim zweiten Klingeln an Hubert denkt, dabei ist es seine Mutter.

Die "Pointe", wenn man sie so nennen kann, na ja, etwas lahm.

Für mich ist die ganze Geschichte noch nicht mal Humor, sondern eher Alltag oder sogar Gesellschaft. In ihr liegt Potenzial, du könntest sie so umschreiben, dass sie zum Nachdenken anregt. Na ja, du machst das schon ;)

Bruder Tserk

P.S: Fehlerliste ist unterwegs.

 

@ MiK:

Du bedienst eine Menge Klischees, die wohl solch ein Morgen immer wieder mit sich bringt.

Danke fürs Lob erstmal; das mit den Klischees stimmt, ist aber mit voller Absicht geschehen. Ich kann mit absurden Geschichten nichts anfangen und versuche deshalb "nur", Gewohntes skurril darzustellen; da muss ich auf Klischees rumreiten : )

@ flashback: Du hast recht, aber in Franken ist das so offiziell anerkannt und legitim* ; ) Meine biologischen Grenzen kann ich nicht sprengen - liegt in der Genetik begründet.

@ scribine: Danke für den netten Kommentar. Altgriechen müssen schließlich zusammenhalten, gelle?


@gnoebel:

Ich täte auf das "mit der ich übernachtet habe" verzichten. Zieht den Satz brutalst in die Länge und hat die inhaltliche Fumktion eines Leerzeichens.

Stimmt. Ich hätte aber gerne den Aspekt mit drin, also muss ich wohl versuchen, die Syntax ein bisschen zu verbiegen...

@ jobär: Danke für die vielen Anregungen, werd mich nochmal dransetzen!

@ Tserk: Zum Vorwurf der Kürze zitiere ich mich nochmal selber:

Länger wurde die KG deshalb nicht, weil ich sie in erster Linie für ein Creative Writing Seminar an der Uni geschrieben habe, und da ist eine gewisse Kürze vonnöten, da es sowieso nur darum ging, einen Charakter zu skizzieren. Und zwar nicht nach dem Schema "Person X ist so alt, ist oft schlecht gelaunt und trinkt gerne Bier", sondern einen Charakter anhand der Handlungen die er/sie vollzieht zu entwerfen. Das Original ist übrigens auch in Englisch und daher ist das hier "nur" die deutsche Version.

Ich zitiere mich ein zweites Mal, bezogen auf deinen Kommentar zum Titel der Geschichte:

Was den Titel angeht; es ist mir nichts eingefallen, was besser zutreffen würde, da ich überhaupt keinen Erwartungsrahmen spannen wollte und sich Hubert demnach förmlich aufgedrängt hat.

Betonung in obigem Satz liegt übrigens auf "besser", nicht auf "nichts". Treffendere Vorschläge sind willkommen. Hast du eine Idee?

Die "Pointe", wenn man sie so nennen kann, na ja, etwas lahm.

Selbst wenn sie dir nicht gefällt, den Status der Pointe kannst du derselben nicht absprechen.

Für mich ist die ganze Geschichte noch nicht mal Humor, sondern eher Alltag oder sogar Gesellschaft. In ihr liegt Potenzial, du könntest sie so umschreiben, dass sie zum Nachdenken anregt.

Das könnte ich, wollte ich wirklich etwas damit aussagen, was sozialkritischer Natur wäre. Ich glaube allerdings sehr wohl, dass sie in der Kategorie Humor richtig aufgehoben ist, es sei denn dein Alltag sieht genau so aus und du siehst dich als repräsentativ an. Dann darfst du den Text gerne unter Alltag verbuchen.

Danke für die Fehlerliste, siehe meine Antwort.

* gleiches gilt für die Apostrophen, die ich nicht setze. Werds** aber wohl doch noch ändert, damits*** der gesamtdeutschen Orthographie entspricht.

** nee, glaub doch net.

*** obgleich das schon wieder scheiße aussieht...

 

Zum Vorwurf der Kürze zitiere ich mich nochmal selber:
Ich zitiere mich ein zweites Mal, bezogen auf deinen Kommentar zum Titel der Geschichte:
Schuldig. Lese mir sehr selten die anderen Kommentare durch :)

Bruder Tserk

 

Hallo to ergon,

“Evolutionsbremsen“ - soll es wirklich geben, klingt gut.


Die beiden Gags sind schon etwas alt:

„es sogar fertig bringen, über ein schnurloses Telephon zu stolpern“


„optische Umweltverschmutzung“


Besonders hat mir die Aquarienszene gefallen: Schnell geschrieben und skurril. Schön auch, dass sich da ein Lehrer outet…
Ja - von Hubert bekommt man auch ein Bild, wenn auch nur indirekt, netter Einfall.

L G,

tschüß Woltochinon

 

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