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Hure und Heilige

Beitritt
23.03.2007
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Hure und Heilige

Juanito ist acht Jahre alt und lebt mit seiner Mutter und der Großmutter am Rande der Stadt San Raffael del Sur, einer kleinen Stadt im Südwesten Nicaraguas.
Juanito ist heute extra früher aufgestanden, er möchte noch Blumen besorgen, denn heute ist der 30. Mai und es ist „dia de madre“, Muttertag und Feiertag in Nicaragua. Er läuft an den Bach der Zementfabrik. Hier ist der Boden auch in der Trockenzeit immer feucht und hier wachsen die schönsten Blumen in der Umgebung. Er ist ein bisschen in Eile denn er möchte wieder zuhause sein, bevor seine Mutter aufwacht, denn er will sie überraschen. Gestern hatte die Lehrerin in der Grundschule erzählt, das heute Muttertag ist und alle Kinder haben für ihre Mütter Bilder gemalt, Juanito auch. Er ist ganz stolz auf sein Bild.
Hastig pflückt er einen Blumenstrauß zusammen. Der sieht richtig gut aus, denkt er und rennt so schnell er kann nach Hause. Unterwegs kommt er am Haus seines Mitschülers Franco vorbei, der sieht ihn und ruft ihm nach: „Ola Tonto…“, - Tonto heißt Blödmann -, „Tonto wohin so eilig?“ Juanito antwortet: „Keine Zeit“ und läuft weiter, nach Hause.

Vom Geklapper des Geschirrs aus der Küche geweckt kommt Esperanza langsam zu sich. Sie schlägt die Augen auf und vor ihr steht mit einem alten Küchentablett und einem riesigen Blumenstrauß, Juanito. Auf dem Tablett steht eine heiße Tasse „Cafe con letche“ und eine Papierrolle mit dem Bild, welches er in der Schule gemalt hat, umwickelt mit einer roten Schleife. „Alles Gute zum Muttertag“, platzt es regelrecht aus Juanito heraus. Vor Aufregung fängt er an zu stottern: „ IIII…Ich hab dir ein Mu…Muttertagsfrühstück gemacht, Mamita!“
Esperanza ist mit einem Schlage hellwach als sie die Situation erfasst. Sie lächelt Juanito an und sagt leise und ruhig: „Vielen, vielen Dank, mein lieber Juanito!“ Juanito stellt das Tablett auf den kleinen Tisch neben dem Bett. Mutter und Sohn nehmen sich gegenseitig in die Arme. Esperanza muss mit den Tränen kämpfen als sie Juanito in den Armen hält. Wie ein Film läuft jetzt ihr Leben mit Juanito vor ihr ab:

Sie war siebzehn Jahre alt, als sie Juan, Juanitos Vater, kennen lernte, er arbeitete wie sie in der Konservenfabrik. Juan war drei Jahre älter als sie und sie hatten sich in einander verliebt. Er hatte so große dunkelbraune Augen, wenn er sie ansah schmolz sie dahin. – Juanito hat auch solche Augen und auch ihm kann sie nichts abschlagen wenn er sie so ansieht.
Schnell wurden Juan und sie ein Paar und es passierte was immer passiert wenn zwei Menschen ineinander verliebt sind. Sie wurde schwanger, - zu schnell wie sie heute weiß! Neun Monate später wurde Juanito geboren und ihr junges Glück schien perfekt. Das gemeinsame Kind, dann noch ein Junge, - der Stammhalter, Juan war so Stolz auf „seinen Sohn“. Typisch im Lande des „Machismo“.
Doch schon im ersten Lebensjahr von Juanitos jungen Leben wurde deutlich das etwas mit ihm nicht stimmte. Seine Entwicklung war nicht normal wie bei anderen Kindern seines Alters. Ärzte wurden konsultiert und schnell wurde deutlich das Juanito eine geistige Behinderung hatte und das er niemals ein normales Leben führen kann.
Der Schock saß tief, besonders bei Juan. Er konnte es kaum ertragen, dass sein Sohn behindert, „ein Tonto“, „ein Blödmann“ sein soll. Behinderte Menschen gelten als Makel und werden vor der Öffentlichkeit versteckt. Und Juan dachte genauso. Er verlor das Interesse an seinem Sohn und an der Familie. Die Beziehung und die Familie zerbrach.
Sie stand mit Juanito alleine da und ist wieder in das Haus ihrer Mutter gezogen. Ihre Arbeit in der Konservenfabrik bekam sie wieder und am Anfang kam sie auch noch finanziell, wenn auch knapp, über die Runden. Aber dann wurde die Konservenfabrik geschlossen. Die wenige Unterstützung die ihr Juan am Anfang noch zahlte fiel auch noch weg. Später zahlte er gar nicht mehr. Sie war verzweifelt, denn sie brauchte Geld für die Behandlung und die teuren Medikamente, die Therapien – alles für Juanito.
Eine Freundin verschafft ihr in einer Bar eine Arbeit als Bedienung. Ohne lange zu überlegen fing sie in der Bar an zu arbeiten denn sie brauchte das Geld, - für Juanito.
In der Bar verkehrte die bürgerliche Oberschicht der Stadt. Schnell wurde ihr klar das von ihr mehr verlangt wurde als das servieren von Cocktails und Cervezas. Aber auch das akzeptierte sie – für Juanito. So wurde sie was sie heute noch ist, eine Puta, - eine Hure.

Mutter und Sohn lösen ihre herzliche Umarmung auf. Esperanzas Blick fällt auf ihre Mutter, die inzwischen in der Türe steht und die Situation lächeln und interessiert beobachtet hat. Sie hatte Juanito beim kochen des „Cafe con letche“ geholfen. Ihr Enkel war schon so aufgeregt. Sie hatte ein bisschen Angst , dass er sich mit dem heißen Wasser verbrühen könnte.
Die Mutter denkt: „Welch gute Entwicklung Juanito trotz seiner Behinderung doch genommen hat. Die teuren Medikamente haben ihm das Leben erleichtert. Normal wird sein Leben nicht verlaufen aber er hat gelernt mit seiner Behinderung zu leben. Er besucht inzwischen sogar die öffentliche Schule, auch wenn er kaum mitkommt und auch schon eine Klasse wiederholen musste. Juanito geht gern in die Schule und lässt sich auch nicht durch die gemeinen Tonto, Tonto Rufe seiner Mitschüler provozieren.“
Auch wie aufopfern sich Esperanza vom ersten Tag an sich immer um Juanito gekümmert hat. Ihm ihre ganze Liebe und Aufmerksamkeit geschenkt hat. – Sie hat Juanito stark gemacht. Ihn zu den Ärzten gebracht und ihn über ein Jahr lang, fast Täglich in die dreißig Kilometer entfernte Spezialschule gebracht und wieder abgeholt. Oder wie sie die Trennung von Juan, den sie ja so geliebt hatte bewältigt hat. Sie ist ein bisschen stolz auf Esperanza, „ihre Tochter“.
Esperanza hatte es auch als Kind nicht leicht. Sie hatte keinen Vater. Der hatte die Familie wegen einer anderen Frau schon früh verlassen und so musste sie ihre Tochter alleine durchbringen. Unterstützung hatte sie dabei auch nicht - aber Esperanza war ein gesundes Kind, - im Gegensatz zu Juanito.
Die Mutter weiß von Esperanzas Tätigkeit obwohl die Frauen nie darüber offen gesprochen haben. Sie hat sich am Anfang schon darüber gewundert wie viel Geld in einer Bar verdient werden konnte. Aber das war nicht ihre Welt, davon verstand sie zu wenig. Sie erfuhr die ganze Wahrheit erst viel später, durch einen Zufall. Dann konnte sie das Handeln ihrer Tochter verstehen und nachvollziehen, auch wenn sie es bis heute nicht gut findet.
Gestern war sie in der Kirche, sie kommt öfter hier her, um still und leise zu beten. In die Heilige Messe geht sie schon lange nicht mehr. Der Priester sieht das nicht so gern. Sie, als Mutter einer Puta ! Ihren Glauben hat sie trotzdem nicht verloren, - Gott liebt alle Menschen. Sie hat bei der Heiligen Jungfrau, der Schutzpatronin Nicaraguas, eine Kerze angezündet, für ihre Tochter, denn für sie ist ihre Tochter auch eine Art Santa, - eine Heilige!

 

Guten Tag Jorge Duarte-Pintor,

zunächst einmal möchte ich dich auf Kurzgeschichten.de herzlich Willkommen heißen und dir außerdem viel Spaß auf der Seite wünschen.

Du hast dir für deinen Einstand ein schwieriges und interessantes Thema ausgesucht. Leider hat mir die Umsetzung nicht ganz so gut gefallen.
Zum Einen empfand ich es als störend, dass du deine ganze Geschichte in diesem kindlich/naiven Stil gehalten hast. Das liest sich teilweise so, als wolltest du die Geschichte einem Kind erzählen und das finde ich nicht so super.

Des Weiteren reißt du hier sehr viele Dinge an, ohne letzlich näher darauf einzugehen. Zum Beispiel Juanitos Behinderung - zum Einen erfährt man nicht, was genau er eigentlich hat. Für mich wäre hier zumindest eine Andeutung hilfreich, damit ich mir über das Ausmaß ein Bild machen kann. Zum Beispiel scheint Juanito ja einigermaßen selbständig zu sein, wenn er alleine losziehen kann um Blumen zu pflücken.
Auch solltest du näher darauf eingehen, welche Schwierigkeiten sich für Juanitos Mutter aus der Behinderung ergeben. Beispiele wären hier z. B. dass er evtl. durchgehend betreut werden muss etc.
Auch auf das Auseinanderbrechen der Ehe solltest du näher eingehen, denn Juan hat seine Familie bestimmt nicht nur deswegen verlassen, weil sein Sohn behindert ist. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Ehe an den Umständen daraus zerbrochen ist, z. B. das Esperanza und er keine Zeit mehr füreinander hatten. Oder dass sie dauernd streiten um Dinge, die Juanito betreffen. Als Beispiel fällt mir hier ein, dass evtl. Juan den Sohn in einem Heim unterbringen möchte, während Esperanza das strikt ablehnt.

Dass Esperanza eine Hure ist, finde ich fast zuviel des Guten. Denn auch das ist ein Punkt, den du nicht nur anreißen solltest. Es reicht hier meines Erachtens nicht aus, einfach nur zu erwähnen, dass sie mit Männern schlägt um Geld zu verdienen. Insofern würde ich in diesem Punkt dafür plädieren, sie einfach nur in einer stinknormalen Bar arbeiten zu lassen. Du kannst ja einbauen, dass sie dort des Öfteren belästigt wird und die Arbeit aufgrunddessen nicht immer ein Vergnügen ist, aber sie gleich eine Prostituierte sein zu lassen ist mir hier zu starker Tobak.

So, ich hoffe, du kannst mit meinen Anregungen ein bisschen etwas anfangen.

Hier noch ein paar Textdetails:

Hier ist der Boden auch in der Trockenzeit immer feucht und hier wachsen die schönsten Blumen in der Umgebung.

Wortwiederholung

Juan war drei Jahre älter als sie und sie hatten sich in einander verliebt. Er hatte so große dunkelbraune Augen, wenn er sie ansah schmolz sie dahin.

Das ist eine sehr standartmäßige Beschreibung von Verliebtheit bzw. Liebe. Das solltest du unbedingt ändern. Eine Möglichkeit wäre z. B. dass du dem Leser Juan näher bringst und er so versteht, warum Esperanza sich in ihn verliebt hat.

Sie wurde schwanger, - zu schnell wie sie heute weiß!

Dass das jedem passiert, der schwanger wurde, bezweifle ich jetzt stark. :D

Die Mutter denkt: „Welch gute Entwicklung Juanito trotz seiner Behinderung doch genommen hat. Die teuren Medikamente haben ihm das Leben erleichtert. Normal wird sein Leben nicht verlaufen aber er hat gelernt mit seiner Behinderung zu leben. Er besucht inzwischen sogar die öffentliche Schule, auch wenn er kaum mitkommt und auch schon eine Klasse wiederholen musste. Juanito geht gern in die Schule und lässt sich auch nicht durch die gemeinen Tonto, Tonto Rufe seiner Mitschüler provozieren.“

Hm... würde man sich das wirklich so denken? Halte ich für sehr unwahrscheinlich, ehrlich gesagt. Ich finde man merkt hier sofort, dass du diese Passage nur eingebaut hast, um den Leser über den Sachverhalt in Kenntnis zu setzen. Vielleicht solltest du das dann auch einfach schreiben, ohne es jedoch die Mutter denken zu lassen.

Auch wie aufopfern sich Esperanza vom ersten Tag an sich immer um Juanito gekümmert hat.

aufopfernd

Liebe Grüße, Bella

 

Hallo Jorge,

und herzlich willkommen hier.
Den Ton deiner Geschcihte finde ich etwas naiv, wahrscheinlich wolltest du damit die kindliche Perspektive erreichen, aber festgehaltenden Gedanken und Rückblenden sind ja aus der perspektive erwachsener Frauen geschrieben. Da wäre das also nicht mehr passend.
Ich dachte ja, dass man den Muttertag in Nicaragua anders feiert, nämlich indem die Mütter mit ihren Kindern in die Schule gehen und dort ein Fest feiern.
Ansonsten ist es thematisch so ein echter Herzensschmalz, die alte Frage nach Moral, wenn doch die Umstände sie nicht zulassen. Nachteil daran ist immer, dass der moralischen Wertung im Grunde zugestimmt wird und nur Ausnahmen geltend gemacht werden, unter denen ach die soganannte Amoral heilig sein kann, etwas, wenn, wie in deinem Text, ein behindertes Kind dadurch versorgt wird. Vorurteile als Grundwerte werden dabei nicht grundsätzlich in Frage gestellt, das schmälert natürlich die gesellschaftliche Dimension des Textes. Vielleicht ist das in einem derart vom Katholizismus bestimmten Land wie Nicaragua nicht anders möglich, andererseits wurde dort die Theologie der Befreiung entwickelt.
Etwas ärgerlich sind die vielen Flüchtigkeitsfehler:

Er ist ein bisschen in Eile denn er möchte wieder zuhause sein, bevor seine Mutter aufwacht, denn er will sie überraschen
etwas viel "denn"
Gestern hatte die Lehrerin in der Grundschule erzählt, das heute Muttertag ist
dass heute
Juanito antwortet: „Keine Zeit“ und läuft weiter, nach Hause.
Kein Komma nach weiter
vor ihr steht mit einem alten Küchentablett und einem riesigen Blumenstrauß, Juanito
ebenfalls kein Komma
und es passierte was immer passiert wenn zwei Menschen ineinander verliebt sind.
dafür hier nach passierte und passiert jeweils eines
Juan war so Stolz auf „seinen Sohn“.
stolz klein
Doch schon im ersten Lebensjahr von Juanitos jungen Leben wurde deutlich das etwas mit ihm nicht stimmte.
eigentlich jungen Lebens (ohne von), wenn aber "von" dann jungem Leben; deutlich, dass
schnell wurde deutlich das Juanito eine geistige Behinderung hatte und das er niemals ein normales Leben führen kann
deutlich, dass; und niemals ein ... führen konnte/könnte
Er konnte es kaum ertragen, dass sein Sohn behindert, „ein Tonto“, „ein Blödmann“ sein soll.
Tempus: sollte
Behinderte Menschen gelten als Makel und werden vor der Öffentlichkeit versteckt.
Auch wenn behinderte Menschen immer noch als Makel gelten, der Tempus der Geschichte ist Vergangenheit, also muss auch dieser Satz darin stehen.
Die Beziehung und die Familie zerbrach.
zerbrachen (Plural, denn Beziehung und Familie ist einer Aufzählung zweier Dinge)
Sie stand mit Juanito alleine da und ist wieder in das Haus ihrer Mutter gezogen.
Tempus: zog wieder in ...
Die wenige Unterstützung die ihr Juan am Anfang noch zahlte fiel auch noch weg. Später zahlte er gar nicht mehr.
Erst fiel die Unterstützung durch ihn weg, dann zahlte er gar nicht mehr?
Schnell wurde ihr klar das von ihr mehr verlangt wurde als das servieren von Cocktails und Cervezas.
klar, dass; wurde, als
So wurde sie was sie heute noch ist
sie, was
Esperanzas Blick fällt auf ihre Mutter, die inzwischen in der Türe steht und die Situation lächeln und interessiert beobachtet hat.
Tempus: lächelnd und interessiert beobachtet.
Sie hatte Juanito beim kochen des „Cafe con letche“ geholfen.
beim Kochen
Auch wie aufopfern sich Esperanza vom ersten Tag an sich immer um Juanito gekümmert hat
aufopfend; ein "sich" zu viel - Das denkt alles die Mutter, also Esperanza selbst?
fast Täglich in die dreißig Kilometer entfernte Spezialschule gebracht
täglich
Sie ist ein bisschen stolz auf Esperanza, „ihre Tochter“.
ah, okay, dann soltest du weiter oben "Oma" statt Mutter schreiben
Esperanza hatte es auch als Kind nicht leicht. Sie hatte keinen Vater. Der hatte die Familie wegen einer anderen Frau schon früh verlassen und so musste sie ihre Tochter alleine durchbringen
auch hier verwechselst du den bezug, danach musste Esperanza ihre Tochter alleine durchbringen (die hat ja aber nur einen Sohn)
Gestern war sie in der Kirche, sie kommt öfter hier her, um still und leise zu beten.
"sie kommt öfter hier her" hieße in die Wohnung. Das ist der Platz, an dem sie gerade ist. Wenn die Kirche gemeint ist: Sie geht öfter dort hin

Lieben Gruß, sim

 

Ola Jorge Duarte-Pintor,

da ich in Eile bin, hab ich deine Geschichte nur kurz angelesen. Kann dazu also noch nichts sagen, werde ich gewiss aber nachholen.
Nur dieses möchte ich schon kurz erwähnen:

letche schreibt sich leche, also ohne t, auch, wenn es lätsche ausgesprochen wird.

Lieben Gruß
lakita

 

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