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Ich bin noch nicht bereit
Ich bin noch nicht bereit
Wie bin ich hierher gekommen? Ich weiß es nicht. Ich sitze hier und halte ihre Hand.
Ich weiß nur noch, wie das Telefon geklingelt hat und ich mich sofort auf den Weg gemacht habe. Doch dann hören meine Erinnerungen auf.
Wahrscheinlich bin ich wie immer hier hergefahren. So wie eigentlich jeden Tag. Erst den Bus, dann die U-Bahn und dann noch den kurzen Weg durch den Park.
Ich spüre ihre Hand zwischen meinen Händen. Ich halte sie fest.
So wie ich es eigentlich jeden Tag mache, wenn ich herkomme und mit ihr rede. Es ist immer eine schöne Zeit. Ich erzähle ihr alles und sie weiß immer, wie sie mir helfen kann. Sie erzählt mir dann von ihren Ängsten und wir weinen zusammen. Wir genießen jede Sekunde die wir zusammen haben.
Wenn ich immer zitternd vor Kälte ankam, nahm sie immer meine Hand und wärmte sie.
Doch heute ist es anders.
Ihre Hand ist kalt.
Ich halte sie fest.
Ich starre auf das Bett, in dem sie liegt.
Ihre Augen sind zu.
Sie sagt nichts.
Nichts kommt aus ihrem Mund, der mich gestern noch angelächelt hat und mir Glück für meine Schulprüfung heute gewünscht hat.
Ich denke zurück an den Tag, an dem sie von der Krankheit erfahren hatte. Es war kein schöner Tag. Trotzdem war sie immer optimistisch gewesen. Sie hatte die Therapie angefangen und war seitdem hier. Obwohl sie im Krankenhaus war, war sie immer noch ein wichtiger Teil der Familie geblieben. Wenn nicht sogar der wichtigste. Sie hatte immer ein lächeln für mich parat gehabt. Doch heute bewegt sich ihr Mund nicht und ihre Wangen sind nicht so schön rosig wie sonst immer. Ihr Körper liegt einfach nur auf dem Bett.
Ich bleibe trotzdem hier sitzen.
Halte ihre kalte Hand.
Höre nur meinen Atem und mein Herzklopfen.
Ich drücke ihre kalte Hand noch mehr.
Ich bleibe hier. Ich kann sie nicht loslassen.
Ich bin noch nicht bereit, sie loszulassen. Sie gehen zu lassen.