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Ich brauche eine Sekretärin

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28.10.2008
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Ich brauche eine Sekretärin

Ich weiß nicht, das wievielte Mal es jetzt schon ist, dass ich abends alleine in einer Bar sitze und warte. Habe ich das zweite Dutzend schon voll? Vermutlich ja. Manchmal ärgert es mich fast ein wenig, dass ich nicht Buch geführt habe, denn so langsam beginnen die Erinnerungen doch etwas zu verschwimmen. Aber erstens hatte ich nun wirklich nicht damit rechnen können, dass ich so erfolgreich sein würde und zweitens gibt es auch Momente, an die ich nicht unbedingt zurückdenken möchte. So wie an den Typen von vergangenem Wochenende. Das war wirklich kein Spaß. Insgesamt bin ich jedoch sehr zufrieden, auch wenn ich immer noch kaum glauben kann, wie einfach das alles ist. Aber attraktive Frauen, die einsam an einer Bar sitzen und sich offenbar langweilen, scheinen für einen gewissen Typ Mann selbsterklärend zu sein.

Die Bar, in der ich heute bin, gehört zu einem eher kleinen, aber durchaus noblen Tagungshotel. Ich habe hier natürlich kein Zimmer gemietet, denn ich möchte mich morgen nicht noch mit so zeitraubenden Dingen wie dem Auschecken aufhalten, sondern einfach nur still und leise meiner Wege gehen, ohne dass jemand groß Notiz von mir nimmt.
Ich vermeide es nach Möglichkeit auch, mich dort aufzuhalten, wo die Gefahr besteht, dass ich Freunde oder Bekannte treffen könnte. Es wäre mehr als unangenehm, wenn mich jemand erkennen würde und es könnte obendrein zu echten Komplikationen führen. Deshalb habe ich meinen Wohnort und die Umgebung in einem Radius von 150 Kilometern zur Tabuzone erklärt, auch wenn ich dadurch schon ein paar sehr verlockende Angebote ablehnen musste. Natürlich kann ich nicht alle Eventualitäten ausschließen und ein gewisses Restrisiko bleibt immer, aber wenn ich den Nervenkitzel nicht lieben würde, wäre ich heute Abend nicht hier.
Es ist jetzt kurz nach 22 Uhr und so langsam füllt sich der Raum.
Schräg gegenüber sitzen vier Männer, etwa von Anfang vierzig bis Ende fünfzig, Typ mittleres Management. Sie tragen alle dunkle, elegante Anzüge und lediglich einer hat sich inzwischen seiner Krawatte entledigt. Der ohne Krawatte sieht schon die ganze Zeit zu mir herüber, mustert mich immer wieder.
Ich überlege, ob ich zum Zeitvertreib ein wenig mit dem Krawattenlosen flirten soll, als er zur Türe herein kommt.
Einsfünfundachtzig groß, volles braunes Haar, ein leicht kantiges Gesicht mit einem kräftigen schön geschwungenen Kinn und dazu noch ein schlanker, athletischer Körper, den er offenbar gut in Szene zu setzen weiß. Er trägt eigentlich nichts besonderes, nur Jeans und ein schwarzes Hemd, aber beides betont seine Figur perfekt.
In meinem Magen beginnt es zu kribbeln. Ich setze mich noch ein wenig aufrechter hin und ziehe unauffällig den Rocksaum ein kleines bisschen höher.
Er lässt seine Blicke durch den Raum schweifen, sucht vermutlich seine Geschäftspartner, mit denen er heute Nachmittag zu einem Meeting verabredet war. Ich halte die Luft an, als er sich in meine Richtung wendet.
Unsere Blicke treffen sich und ich spüre, wie das Adrenalin in meine Adern schießt. Er sieht mich an, sieht mir direkt in die Augen.
Eine Sekunde.
Zwei Sekunden.
Drei Sekunden.
Ich wende den Blick ab, schaue zu Boden, spiele die Verlegene.
Ich zähle bis zwei und sehe wieder auf, den Kopf etwas zur Seite geneigt, den Mund nur eine Winzigkeit geöffnet. Wieder kreuzen sich unsere Blicke. Seine Augenbrauen zucken für einen Moment nach oben und ich weiß, dass ich ihn am Haken habe.
Ich schenke ihm ein Lächeln und streiche eine Haarsträhne hinter mein Ohr, bevor ich mich von ihm abwende, um an meinem Martini zu nippen.
Ich beobachte ihn über den Spiegel hinter der Bar. Er hat seine Geschäftspartner gefunden und setzt sich zu ihnen. Sie unterhalten sich bald sehr angeregt, doch er wirft immer wieder Blicke in meine Richtung. Ich bin ziemlich sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis er mir entweder einen Drink bringen lässt oder ganz zufällig zur Bar geht.
Während ich geduldig warte, stelle ich mir schon in Gedanken vor, wie es sich anfühlen wird, wenn er seinen muskulösen Arm um mich legt und mich in sein Hotelzimmer führt. Was ich tun werde, wenn wir in der stillen Dunkelheit ganz alleine sind...
„Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie so einfach anspreche“, seine Stimme klingt ein wenig dunkler, als ich sie mir vorgestellt habe, „aber wenn Sie mich nicht vor den grauenhaften Geschichten meiner Kollegen retten, werde ich hier noch vor Langeweile sterben.“
Jetzt gehört er mir.

Friedlich und schön zugedeckt liegt er in seinem Bett. Seine Hose und sein Hemd hängen ordentlich über der Stuhllehne. Ich sehe mich noch einmal um, vergewissere mich, dass ich nichts vergessen und keine Spuren hinterlassen habe, dann öffne ich die Zimmertüre und schlüpfe lautlos hinaus in den Flur.
Kein Mensch begegnet mir, als ich die Treppen hinunter husche und das Hotel durch die Tiefgarage verlasse. Vier Querstraßen weiter steht mein Auto. Ich sperre die Türen auf und lasse mich auf den Fahrersitz fallen. Jetzt kommt der unangenehme Teil. Der Teil, an den ich mich trotz allem immer noch nicht gewöhnt habe und an den ich mich wohl auch nie gewöhnen werde.
Ich nehme das Telefon aus meiner Handtasche und tippe Gabrieles Telefonnummer ein. Schon nach dem zweiten Läuten wird abgenommen.
„Ja?“
Meine Hände beginnen zu schwitzen. Jetzt müsste ich es eigentlich sagen. Nur ein Satz. Aber welcher? Meine Kollegen formulieren es meistens trocken und geschäftlich, aber das ist auch etwas ganz anderes. Sie töten im Auftrag von knallharten Geschäftsleuten, die sich unbequeme Konkurrenten vom Hals schaffen wollen. Da geht es nur um Macht und Geld und es sind keinerlei Gefühle mit im Spiel. Ich töte im Auftrag von betrogenen Ehefrauen, da geht es ausschließlich um Emotionen.
Ich schließe die Augen und hole tief Luft.
„Er ist tot.“
Wie ich es hasse. Ich brauche eine Sekretärin.

 

Allo evil Angel,

ja, dein Schreibstil ist schon ganz okay, man kommt ohne Holperer durch den Text. Allerdings war mir von anfang an klar, worauf das Ganze hinauslaufen wird. Daran kränkelts ein bisschen, denn du baust zu sher auf die Pointe auf, die sich letztlich als gar keine herausstellt.
Dann ist da noch die Sache mit der Spannung. Die solltest du höher kitzeln. So bleibt das zu sehr auf dem gleichen Level, nimmt nicht deutlich genug an Fahrt zu.
Als Alternative zu diesem wirklich ... äh ... albernen Ende könnte die Frau ja auch angeheuert sein, um die Männer wirklich zu verführen und dabei Beweismaterial für deren Untreue anzulegen. Oder so.

So ist das ein ganz netter Einstieg, aber ihm fehlt der rechte Biss.

Noch viel Spaß hier auf kg.de :)

grüßlichst
weltenläufer

 
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Hallo Rueganerin, hallo Weltenläufer,

vielen Dank für Eure Kommentare. Ihr beiden seid die Ersten, die schon von Anfang an wussten, dass sie es mit einer Mörderin zu tun haben, alle anderen sind von einer Treuetesterin ausgegangen, die Du, Weltenläufer, ja auch als Variante ansprichst.

Genau das wollte ich aber nicht, da mir die Treuetesterin zu banal und zu vorhersehbar erschien.

Vielleicht liegt die Vorhersehbarkeit der "Mordsgeschichte" aber auch daran, dass sie unter der Rubrik "Krimi" eingestellt ist, da rechnet man ja automatisch mit einem Mord. Unter "Alltag" würde es möglicherweise schon anders aussehen.

@rueganerin: nein, Schlachtszenen wird es definitiv nicht geben. Ich habe zuerst überlegt, die Szene, wie sie ihn meuchelt, zu beschreiben, habe mich aber dann dagegen entschieden, weil genau das das Problem aufgeworfen hätte, dass mit 100%iger Sicherheit Einwände gekommen wären à la: "Das kann sie als Frau gar nicht, dazu ist sie viel zu schwach" oder "So funktioniert das nie" etc. etc. etc.
Sie mordet ja nicht aus Spaß an der Freud, sondern weil sie sich damit ihre Brötchen verdient und somit müsste es eine Tötungsart sein, die a) schnell geht, b) nicht sofort ins Auge fällt, c) keinen Krach macht und d) möglichst wenig Spuren hinterlässt. Schießen, stechen, hauen fallen somit schon mal weg. Jemanden zu erdrosseln kostet Kraft und hinterlässt im dümmsten Fall bei der Mörderin sichtbare Spuren, wenn der Typ sich ordentlich wehrt. :aua: Gift dauert möglicherweise zu lang...

Ihr beide bemängelt ja, dass die Story nie richtig in Fahrt kommt. Mal ganz dumm gefragt: wie würde sie denn in Fahrt kommen?

Schade natürlich, dass der Schluss so gar nicht ankommt. Da fand ich die Pointe mal wieder besser als alle anderen... ;)

Aber wenigstens habt Ihr mir für mein Debüt die Bratpfanne nicht voll über den Schädel gezogen, das ist ja schon mal was.
Auch wenn ich mit

dein Schreibstil ist schon ganz okay, man kommt ohne Holperer durch den Text
nicht so richtig viel anfangen kann. Klingt nach "Hat dir das Essen geschmeckt?" - "Es war warm." ;)

Ich werde auf jeden Fall Eure Kommentare zu Herzen nehmen und basteln. Vielleicht bekomme ich ja noch ein wenig Spannung in die ganze Sache.

Schöne Grüße
Evil Angel

 

Hallo Evil Angel!

Willkommen auf kg.de.

Ich schließe mich den anderen an. Da von Anfang an klar ist, dass es sich um eine Mörderin handelt (spätestens hier: "Ich achte immer darauf, keine Spuren zu hinterlassen"), gibt der Text sonst nichts her. Mörderin wartet auf ihr Opfer - Zeitsprung - Mörderin hat Auftrag erledigt. Da fehlt das entscheidende, das Leser mitfiebern lassen würde. Es dürfte z.B. nicht alles so glatt gehen, du müsstest Konflikte einbauen, sei es äußere, wenn z.B. Polizisten auftauchen und sich in der Bar umsehen, oder innere, z.B. Kampf mit dem Gewissen.
Außerdem würde ich die Szene im Zimmer auf keinen Fall auslassen. Der Leser will doch sehen, wie das Opfer leidet, wenn es mitbekommt, dass es gleich abgemurkst wird. Her mit den Emotionen. (Oh, und wenn du Einwände befürchtest, dagegen gibt es ein hervorragendes Mittel: Recherchieren! - und dann dementsprechend gut beschreiben. Ohne Recherche geht nunmal gar nichts.)

Formales:
"1,85 m groß" => Zahlen schreibt man in literarischen Texten möglichst aus und man benutzt auf keinen Fall Abkürzungen.

"ganz alleine sind..." => Leerzeichen vor die Auslassungspünktchen.

Grüße
Chris

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chris,

auch Dir vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich habe begriffen, dass die Geschichte als Krimi nicht funktioniert - allerdings war sie auch nie als Krimi konzipiert. Sie entstand im Rahmen einer Übung zum Thema "Gefährliches Geheimnis", und zwar komplett ohne Genre-Vorgabe.
Meine Intention war somit nicht, einen Auftragsmord darzustellen sondern das Geheimnis dieser Frau zu enthüllen. Nur aus diesem Grund will ich die Tötungsszene nicht darstellen und nicht etwa, weil ich zu faul zum Recherchieren bin. Da ich selbst höchst allergisch auf schlecht recherchierte Erzählungen reagiere, gebe ich mir große Mühe bei Dingen, von denen ich keine oder nur wenig Ahnung habe (ganz nebenbei: zum Thema Tötungsmethoden hätte ich zwei Gerichtsmediziner als Quelle, daran wäre es also nicht gescheitert.).

Mein Fehler war wohl unter anderem, die Erzählung hier unter der Rubrik "Krimi" einzustellen, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass sofort die Schublade aufgeht und die erste Person, die auftaucht, als Mörder abgestempelt wird. Die Rubrik "Sonstige" wäre wohl besser gewesen.
Aber was solls. Fehler sind dazu da, um daraus zu lernen.

Grundsätzlich würde mich natürlich interessieren, ob die Erzählung in dieser Form unter einer neutraleren Rubrik funktioniert hätte, aber das ist ja nun leider nicht mehr herauszufinden.

Da von Anfang an klar ist, dass es sich um eine Mörderin handelt
Das verstehe ich nicht. Warum ist das von Anfang an klar? Eine Frau sitzt in einer Bar, wartet und denkt über ihren Erfolg nach. Macht sie das allein schon zur Mörderin? Hätte sie nicht auch eine Detektivin sein können (Stichwort "Treuetesterin")?
Ist da die Schublade nicht ein bisschen zu schnell aufgegangen?

(spätestens hier: "Ich achte immer darauf, keine Spuren zu hinterlassen"
Jepp, das sehe ich ein.

"1,85 m groß" => Zahlen schreibt man in literarischen Texten möglichst aus und man benutzt auf keinen Fall Abkürzungen.
Hab ich nicht drangedacht bzw. verdrängt, da ich es hasse, ausgeschriebene Zahlen lesen zu müssen. Aber natürlich ist es in meiner Schreibweise nicht korrekt.

Grüße
Evil Angel

 

Hallo Jynx,

herzlichen Dank, das ist sehr nett von Dir! :)

Viele Grüße
Evil Angel

 

Hallo rueganerin,

wow, vielen Dank für das Lob!!! :bounce: Das freut mich riesig!
Aber ohne Deine/Eure Hilfe wäre das nicht möglich gewesen.

LG Evil Angel

 

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