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Ich liebe Weihnachten
Es ist um acht. Ich sehe aus dem Fenster, alles ist weiß und wenn man nicht wüsste wo die Straße ist, würde man sie nicht erkennen. Zum Glück sind jedoch nicht alle arbeitslos und so formt der Berufsverkehr die Wege nach, und spätestens um neun ist auf der Straße der Matsch braun-schwarz, so dass man endlich eindeutige Wege erkennt und selbst der Winterdienst nun weiß, wo die Straßen zum räumen waren. Zum Glück färbt sich der Schnee so schnell schwarz. Da wird man wenigstens nicht von der Sonne geblendet und auch das Unfallrisiko wird gesenkt auf Grund dieser ,sich abhebenden Farbe. Da fällt mir ein, dass ich noch ein paar Einkäufe zu erledigen habe. Brot fürs Frühstück, Nudeln und Tomatensauce zum Mittag sowie etwas Schokolade. Eventuell kauf ich mir einen Schokoweihnachtsmann. Es ist einfach ein Genuss ihm den Kopf abzubeißen. Nur die anderen Leute sind die Hölle. So schlecht kann es der Wirtschaft doch nicht gehen bei den Umsätzen. Weihnachten ist ein Fest, zumindest für den Einzelhandel. Als ich nun nach 3 Stunden den Supermarkt verlassen hatte wurde mir bewusst, dass ich noch etwas wichtiges vergessen habe. „Klopapier“, aber das war mir dann auch egal und ich dachte nur an das alte bunte Geschenkpapier im Schrank. Aber nein, das ist dann doch zu rau. Als ich endlich das Kaufhaus verlassen hatte, sah ich ein paar Kinder, die eine Schneeballschlacht veranstalteten. Dabei rutschte ein Junge auf einem weißen Fleck Schnee aus und fiel auf die Nase. Der Schnee wurde langsam rot, nur das schwarz des Straßenschnees gefiel mir um einiges besser. Das Kind fing an zu heulen. Es erfand eine wunderschöne zweite Stimme zu „Stille Nacht, Heilige Nacht“ welches aus dem Kaufhaus zu vernehmen war. Da ich ein so kulturbegeisterter Mensch bin, habe ich ihm daraufhin den Weihnachtsmann geschenkt, denn auch Künstler müssen überleben, vor allem in so schweren Zeiten. Als ich zu Hause ankam, sah ich nur den Anrufbeantworter blinken und es kam, wie ich es geahnt hatte. Meine liebe Verwandtschaft hatte mich zu ihrer Weihnachtsfeier eingeladen. Nach sekundenlanger Überlegung habe ich mit einer guten Begründung sofort abgelehnt. Das wäre einfach zu viel Heuchelei in einem Haus gewesen, und außerdem hatte ich den Weihnachtsmann schon verschenkt. Bei diesen Feiern setzt sich nicht nur der Weihnachtsmann eine beschissene Maske auf, sondern jeder verkleidet sich als Clown. Alles wegen Jesus und der Kirche
Ich habe mir gedacht, dass ich nach diesem Schock einen Spaziergang machen sollte.
Kaum war ich draußen, es war bereits dunkel, sah ich die obligatorischen Kirchgänger. Ich mag solche Menschen die zu Weihnachten in die Kirche gehen, sich dieses Spektakel angucken und alles ohne Werbeunterbrechung. Und dann denken die noch Gott würde das toll finden und sie nicht durchschauen. Sollten die Menschen nicht jeden Tag Nächstenliebe praktizieren anstatt nur zu Weihnachten. Wie ich eine Straße weiter gegangen war sah ich einen Penner, wie er versuchte etwas von der weihnachtlichen Güte zu spüren als er einen Mann nach ein paar Euro fragte. Er spürte jedoch nur einen Tritt in den Magen und sank zu Boden. Ich wollte nicht das er friert, und habe ihn sorgfältig mit seinem alten Mantel zugedeckt. Dabei sah ich ein Kreuz um seinen Hals hängen. Mittlerweile waren die Zimmer hell erleuchtet. Kerzen und Lichter überall. Ich dachte nur „Energieverschwendung“. Diese Lichter wärmen niemanden, wenn er im Herzen so kalt ist. Ich musste dabei auch an meinen alten Nachbarn denken. Seitdem der Krieg aus war verlagerte er das Schlachtfeld in seinen Garten und führte einen erbitterten Kampf um das hellste Gelände. Selbst das Knallen hat er sehr gut nachgestellt. Auf Grund seiner Kriegsverletzung an den Ohren, dreht er das WO so laut auf, dass man es so übersteuert für alles hätte halten können. Langsam wurde mir draußen kalt und ich ging zurück. Als ich an die Stelle kam, an der der Penner zuerst gelegen hatte, sah ich einen Sanitäter wie er einen Körper in den Krankenwagen schob. Ich fragte was passiert sei. War der Mann etwa doch erfroren? Der Sanitäter sagte nur er dürfe nichts sagen, aber ein Einschussloch im Kopf ließe jedoch eher auf Selbstmord deuten.
Ich konnte den alten Mann verstehen. Wenn man sich über sein Leben und die Menschen beschweren will dann doch schon bei Gott selber. Ich liebe Weihnachten.