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Ich, Pontius Pilatus
An der Himmelspforte verlangte Petrus von Pontius Pilatus eine ihn überzeugende Rede, warum Pilatus keine Schuld an Jesu Tod tragen soll. Wenn es Pilatus gelänge, dürfe dieser in den Himmel auffahren. Solange wurde Pilatus ins Fegefeuer geschickt, um an seiner, dieser alles entscheidenden Rede zu schreiben.
So sitzt er nun seit gut 2000 Jahren auf einem Stuhl und grübelt, die Sätze sich laut vorlesend. Neben ihm liegen ganze Berge von Manuskripten, mehrere hundert Seiten, aber alles Geschriebene wurde wieder durchgestrichen.
„Ich, Pontius Pilatus gelobe hiermit feierlich – Argh, so ein Schwachsinn. So kann man doch keine Rede anfangen bei der es um das ewige Leben beziehungsweise die ewige Verdammnis geht – Ich, Pontius Pilatus – vielleicht doch lieber nur Pontius (wirkt persönlicher) – Ich, Pontius, spreche mich hiermit von aller Schuld frei – viel zu blasphemisch. Noch mal von vorne – Ich, Pontius, Größter Sünder auf Erden – Na, das ist jetzt schon ein wenig zu dick aufgetragen, immerhin hab ich nur den Sohn Gottes gekreuzigt. Hitler hat Millionen Juden vergast – Ich, Pontius, einer der größten Sünder der Menschheit... – läuft doch ganz gut - ... bitte um Begnadigung für – Begnadigung ist ja schon fast ein Schuldeingeständnis, besser Vergebung - ... bitte um Vergebung meiner großen Sünden. Ich bin mir bewusst, dass ich Euren Sohn, heiliger Vater, zum Kreuzigen freigegeben habe, aber nur durch mich konnte er doch seinen noch heute anhaltenden Ruhm als Märtyrer – Zu dick aufgetragen. Gott bloß nicht provozieren! Immerhin hat er seinen Sohn durch unglückliche Umstände verloren. Also noch mal - ... zum Kreuzigen freigeben habe, aber doch nur weil die Juden mich dazu gedrängt haben – keine fadenscheinigen Ausreden! – ... nur weil ich zu schwach war, anders zu handeln. Ich gelobe feierlich Besserung – so ein Schwachsinn. Ich bin doch schon tot – Ich bitte viel, viel, vielmals um Verzeihung – zu flehend – Ich bitte um Verzeihung für meinen Fehler. Außerdem – Ach, verdammte Scheiße, ich kann das nicht –
Daraufhin verlässt Pilatus wortlos das Fegefeuer, gibt sein leeres Blatt bei Petrus ab und marschiert schnurstracks in die Hölle. Immer noch besser als Schreiben, denkt er.