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Ich sehe dich

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24.08.2001
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Ich sehe dich

Ich sehe dich. Deine Augen starren in die tiefblaue Nacht über dir. Das Feuerwerk nimmst du nur noch wage wahr. Deine sprücheklopfenden Freunde sind nun nicht mehr wichtig und die Flasche Alkohol, was immer das auch war, steht alleine auf dem Boden. Du steckst die Hände in die Taschen und schließt die Augen. Wie gerne würde ich dich jetzt umarmen, deine Hände in meine nehmen. Aber es ist wie immer: Ich sage keinen Ton. Ich bemerke kaum die Kälte um mich herum. Dein Blick in die Nacht- und meiner, der deinem folgt. Kannst du es sehen? Kannst du mich sehen? Kannst du sehen, dass ich dich mag? Kannst du es spüren? Nein, vielleicht nicht. Dazu ist es zu kalt.
Frag ihn, sagt mein Kopf mir. Frag ihn nach seiner Telefonnummer oder seiner E-Mail- Adresse oder was auch immer, aber frag ihn.
Es ist wie immer: Ich sehe dich nur an.
Was kann ich tun? Die Nacht ist wunderschön und ich würde wetten, dass deine Welt genauso verschwommen ist wie meine. Und da drehst du dich um und siehst mich an. Ich bin ein wenig erschrocken. Aber dein Blick beruhigt mich. Er sagt: Komm her, zu mir. Bitte.
Und wie durch Geisterhand bewegen sich meine Füße in deine Richtung. Ich sehe dich an. Du lächelst verwirrt, du begreifst nicht, dass ich dich liebe. Aber ich komme.
Und plötzlich bin ich da. Ich sehe auf meine gefrorenen Füße und auf deine. Wieso ist es so kalt? Ich sehe auf, in deine Augen, und dein Blick spricht Bände. Wir umarmen uns. „Ist dir noch kalt?“ fragst du. Nein. Nein, mir ist nicht kalt. Mir ist nicht kalt in deiner Nähe. Aber bitte hör nicht auf zu reden. Ich mag deine Stimme. Sie streichelt über meine Seele und macht mir Hoffnung. Worauf, das weiß ich selber nicht.
„Komm jetzt, wir müssen!“
Ich werde sanft entrissen. Alles scheint wieder Gestalt anzunehmen. Das Feuerwerk ist vorbei und du stehst da und deine Augen fragen: Wieso musst du jetzt gehen?
Meine Freundin ist wie eine graue Wolke inmitten von Sonnenschein. Und du, du bist die Sonne!
„Komm jetzt, wir müssen gehen!“ Grob und mir völlig fremd werde ich am Arm gezogen. Ich greife wie aus Reflex nach deiner Hand. Oh mein Gott! Sie ist so warm! Sag mir, wieso muss ich gehen? Lass mich nicht los! Doch du kannst dich nicht an mich klammern. Wir lassen uns los. Du siehst so traurig aus. Ich verwandle mich wieder in mich selbst und der erste Blick gilt meiner Uhr. Ja, nun müssen wir wirklich gehen. Ich sehe dich an während ich rückwärts in die Menge gehe. Und dann muss ich mich doch umdrehen. Ich versuche dich zu finden. Aber du bist nicht mehr da, nur noch Menschen, überall Menschen. Aber keiner ist du. Nun kehre ich, zu meinem Entsetzen, in die Realität zurück. Ich muss den Weg finden. Alleine wegen dir. Damit ich dich wiedersehen kann. Also kehre ich kurz in mich und schon weiß ich woher wir müssen.

Zuhause quälen mich Magenschmerzen. Wieso hab ich dich alleine gelassen? Wieso hab ich, verdammt noch mal, nicht gefragt? Meine Bettdecke spendet nur angehauchte Kälte, keinen Trost.
Noch in der Nacht wird mir klar: Ich habe dich verloren.
Ich habe mich selbst verloren. Ich will dich, aber nun ist es zu spät.
Ich weiß, ich werde es das nächste Mal anders machen. Ich werde sofort fragen. Aber...

Aber für mich wird es kein nächstes Mal geben.

Für mich gibt es nur dich.

 

Deine Geschichte ist sehr melodramatisch. Fast ein bisschen zu unglaublich um wahr zu sein. Mich würde sehr interessieren, ob dies eine autobiographische Geschichte ist, oder mehr eine Art Tagtraum.
Gruß, Evelyn

 

Hallo Christiane!

Ein unheimlich schöner Text, bei dem man sofort spürt, wie intensiv du das Ganze erlebt hast.
Dir gelingt es, durch deine Beschreibung und Verbildlichung deiner Gefühle einen Sog zu erzeugen, der einen mitfühlen läßt, was du damals erlebt hast.
Dieser Text hat Seele, alle Achtung!

 

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