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Ich

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22.04.2003
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Ich

Ich, Du, Er, Sie, Es. – Wir, Ihr, Sie.
Bleiben wir zunächst in der 1. Person Singular: ICH.

Ich bin ich, doch einen Moment bitte, so einfach ist es nicht, wird es mir nicht gemacht.
Ich bin Täter und Opfer, ein Heiliger und ein Sünder, Moralist und Schlampe,
Realist, Illusionist, Philosoph und Wissenschaftler, Idealist und simpler Mitläufer,
Choleriker und Pazifist, Jungfrau und Vampir, und letztendlich: Dominanz und Subordination.....

Eine schwache Struktur, eine armselige Kreatur, die drei Herren dienen muss –
Dem ES, der Realität und dem ÜBER-ICH. Ich weltallerärmste hatte es schwer deren Ansprüche und Forderungen in Einklang zu bringen. ...

ES ist wie ein Teufel der Tag und Nacht auf meiner linken Schulter weilt, mir Dinge in mein jungferngleiches Ohr flüstert, die meine Wangen des Schames wegen erröten lassen, ein Spieler, ein Trinker, ein Junk, ein Mörder. Ein Triebgesteuertes Wesen, beinahe nymphomanisch, manchmal phonomanisch, krankhaft, animalisch, egoistisch.
Meine Beziehung zu dem Es ist wie die des Reiters zum Pferd, Das Pferd gibt Energie für die Lokomotion, der Reiter hat das Vorrecht das Ziel zu bestimmen, die Bewegung des starken Tieres zu leiten. Doch zwischen uns beiden ereignet sich nur allzu häufig der nicht ideale Fall, dass der Reiter das Pferd dorthin führen muss, wohin es selbst gehen will.
Es ist gierig, auf sofortige Befriedigung seiner Bedürfnisse aus, ziemlich irrational.

ICH bin da ganz anders, vernünftig, und statt nach dem ewigen Lustprinzip zu handeln, handle ICH nach dem Realitätsprinzip... wäre da nicht,... das ÜBER-ICH.
Ein ScheißHeiliger, Der Moralist unter uns, vertritt traditionelle Werte und Ideale der Gesellschaft. Auf zum Mainstream!!
Ein ewiger Gegner des Es, bekämpft mit verbaler Penetration bis man freiwillig aufgibt.
Ein Selbstverherrlicher, stets mit Heiligenschein. Der unverbesserliche Engel, naiv aber glücklich.

Soviel zu den Personen dieser Erzählung, obschon bald neue Personen eintreten werden, aber dies nicht vorweg.

„Oh Weltenschmerz,“ sinnierte ICH, „Wie soll das enden? Tag ein, Tag aus dieselbe Qual, ICH ordne mich unter, doch bin ICH geboren zum Regieren, ICH laufe im Kreis, doch will ICH zum Meer, ICH verdiene Aufmerksamkeit, ja, Applaus für mein bloßes Auftreten, ICH, der Höhepunkt der Evolution, ICH, der ICH mich aufrichtete, mich auf 2 Beine stellte um die Welt mir Untertan zu machen, muss solch schreckliches Schicksal mein eigen nennen.
Als Gefährten diese Hofnarren, der eine so rot wie der Teufel selbst, ich schwöre es euch, eine Ausgeburt der Höllen Gefilde, der andere so weiß dass es mich blendet, ein stetiges Licht von ihm ausgehend. Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang höre ICH mir ihre Streitigkeiten an, fühle meine Glieder träge werden, mein Kopf hört auf zu Denken, meine Arme bewegen sich wie die einer Marionette, Der Tod ist nicht mehr weit.
Hört, Da spricht er schon wieder...“
„Du Elendiger, hältst dich für den Höhepunkt? Du bist nichts und noch viel weniger in deiner Verdammnis, Dein Herz, es schlägt noch, pumpt Lebenssaft durch deine Glieder, doch dein Hirn ist tot, schon lange.., und lebst du doch.“ schloss ES zynisch lachend.“ Hör schon auf mein lieber Freund, du weißt doch, die Würde des Menschen ist unantastbar“ erwiderte der Engel zu meiner Rechten, ging das schon wieder los! „Ha! Leck mich am Arsch du Himmelsstürmer, scher dich fort!
„Haaaaalt,“ schrie ICH, „Hier geht’s um mich, also widmet euch mir anstatt euch Nichtigkeiten an den Kopf zu werfen!“ ICH war überzeugt, das musste sie exorbitant eingeschüchtert haben, doch wie irrte ICH mich, merkte ICH es an dem finsteren Lachen des Teufels zu meiner Linken, dieses Lachen ließ mir das Blut gefrieren, erinnerte es mich doch allzusehr an jene scheppernden Blechbüchsen die an jenem besonderen Tag am Rückteil eines Automobils befestigt werden, mit der Aufschrift: „Just Married“. ICH schauderte, ES brachte mich zur Weißglut, doch Der Bibelscheißer zu meiner Rechten hielt mich vom Morden ab, mit den nicht zu vergessenden Worten: „Aber, aber werter Jüngling, wer wird denn seine Hand heben wollen, GEWALT IST KEINE LÖSUNG“
Mein Zähneknirschen brachte das Miststück zum Stillschweigen, ich war wieder Herr meiner selbst. „Und nun zurück zu mir, wie gedenkt ihr mir zu helfen....?“ fragte ich nun, einigermaßen ruhig. „Dir zu helfen? Ich hör wohl nicht recht!! Nun Gut, nun Gut, du bemitleidenswertes Geschöpf,“ unterbrach ES mich mit einer Stimme die ein Gewitter verhieß, doch seine letzteren Worte gefielen mir, „Ich schlage vor, stell dich auf den Kopf und bleibe so ganze 3 Tage stehen, die Trägheit wird verschwinden, da du deine Füße gen Himmel statt zur Erde streckst, glaub mir, du wirst schon sehen, du wirst wieder frei sein, das willst du doch?“ ICH überlegte, ES war mir nicht immer ein Freund gewesen, doch andererseits war es genau das was ich wollte: Frei sein. Ein Versuch war es wert, ICH machte einen Satz, streckte die Hände aus, ließ die Beine gleichzeitig nach Oben schnellen, ein Meisterwerk, da stand ich nun – auf dem Kopf.
„Bravo, Bravo“ sagte der Teufel während er den Engel knebelte, „ das machst du hervorragend, weiter so!“
Nun stand ich also da, das Blut schoss mir in den Kopf, doch ich verharrte. Wer weiß, dachte ich, vielleicht hilft es. Vielleicht bin ich danach wieder frei.
„Und jetzt?“ brachte ICH mühsam hervor, es hörte sich an als hätte ich Heliumballons gefrühstückt, „Was soll ICH jetzt tun?“
„Sag einen Zauberspruch, er wird dich frei machen!“
Also legte ich los. Vergebens, von Abra Kadabra über Simsalabim bis hin zu VERDAMMTE SCHEIßE MACH MICH FREI! Probierte ICH alles, nichts, keine kleinste Veränderung, noch immer die Ketten zwischen meinen Füßen, jene die mich festhielten am Pfad der Tugend, damit ich nicht abkäme vom rechten Weg.
ES hatte seinen Spaß, doch so leicht ließ ICH mich nicht davon abbringen, der Engel verdrehte entgeistert seine Augen gen Heimatsgefilde, hätte mit Sicherheit eine Menge dazu zu sagen gehabt, doch ICH war dankbar dass er geknebelt war. ScheißMoral! Wo hat sie mich hingebracht?
„Sag ein Gedicht auf“ sagte der Teufel.
„Was für eins?“
„Ein klassisches“
„mhm....“
Ich fing an Eichendorff zu zitieren:
„Ewigs Träumen von den Fernen!
Endlich ist das Herz erwacht
Unter Blumen, Klang und Sternen
In der dunkelgrünen Nacht.

- Gut so?“

„mhm,.. jetzt was moderneres.“

„Auf meine Freunde,
noch ist es nicht zu spät
drum lasst uns neue Welten suchen
denn dies hab ich mir vorgenommen.
Als Segler überquer ich den Horizont
Und wenn uns auch die Kräfte fehlen,
Erd und Himmel zu besiegen,
so blieb doch eins:
Das Temperament von Heldenherzen.....“

„ Ahhhhh was ist das für ein Schachsinn??“ unterbrach mich ES, jetzt reichte es mir,
„was willst du Teufel? ICH stelle mich auf den Kopf, fange mit dem Arsch Fliegen und sage Gedichte auf, WAS WILLST DU HÖREN?“
„Ruhig Blut mein lieber, sage ein Gedicht auf, denk es dir jetzt aus, du hast genügend Zeit, doch bedenke, es muss von deinem Weltschmerz handeln, klage der Welt dein Leid und du wirst es los. Glaube mir, diesmal klappt es bestimmt!“

Ich nahm mir vor, es ein letztes Mal zu versuchen. Was hatte ich zu verlieren?
ES sollte das schönste und zugleich traurigste Gedicht zu hören bekommen, ES wird zufrieden sein, der König der Verdammten.
ICH überlegte,...... Sobald ICH die erste Zeile hatte floß es nur so aus mir heraus, ICH hatte ein verdammt noch mal gutes Gefühl bei der Sache.

„Weiter, weiter es kriecht immer weiter
Langsam trübt sich mein Gemüt auf wolkig bis heiter
Weiß ist es, hell, fast wirkt es schwach
Schwarz sein Wille, es kommt und geht ohne Krach.

Schon kriecht es mir in die Glieder
Gerade war es weg, jetzt kommt es schon wieder
Lässt mich erfrieren, lächelt mich an und lässt mich erstarren
Schickt mich hinaus in des Todes Gefilde, hält mich zum Narren.

Ich bin zu schwach, bin meiner nicht mehr mächtig
Es hält mich gefangen und droht mir bedächtig
Es bleibt einfach hier, Nie will es mehr gehn
Nur einmal! Lass mich einmal die Sonne sehn.

Es lässt mich nicht gehen, drückt mich an sich
Ich weiß was es ist, doch mit Nichten erinner´ ich mich
Es nimmt mir den Blick es raubt mir die Sinne
Laut will ich schreien, doch versagt mir die Stimme.

des Schmetterlings Fühler wie Eis auf meinem Herzen
Breitet sich in mir aus, bereitet mir schmerzen-
Schmerzen sie hören nicht auf, wie Erinnerung so klar,
Heute kommt ER, Gestern geht ER, mal ist ES hier mal ist ES da

Will es packen will es schütteln an den Haaren des Schopfes
Doch ich bin der Gefangene meines eigenen Kopfes
Der Weg ist so weit ich weiß nicht woher
Ich find die Verdammnis doch ich suche das Meer.

Mein Herz ist schwarz mein Kopf ist leer
Meine Gliedmaßen taub, ich kann nicht mehr
Meine Augen verbrannt meine Seele erfroren
Wieso hast du gerade mich auserkoren?

Gönnst mir kein Lachen, Gönnst mir kein Glück,
kaum lach ich dein Ende, kommst du zurück
Wo bist du jetzt ich kann dich nicht sehen
Versuch dir zu entkommen doch kann nicht gehen.

Manchmal kann ich fliegen und der Wind trägt mich fort
Trägt mein Herz und trägt meine Gedanken von Ort zu Ort,
doch ein Wort der Freude, keine Stunde
stehst du hinter mir, stichst in die Wunde.

Ich hasse ich hasse, Der Hass ist Groß doch brauch ich dich auch
Ich versteh es nicht sagt mein Kopf, stumm bleibt mein Bauch
Und willst du doch bleiben willst mich nicht verstehn
Muss ich mich verstecken, dem Todes Schutz entgegengehn.....


Na, wie war das? Ja, dachte ich mir, jetzt bist du sprachlos wie?
Das hast du auch verdient, Elendiger!“

Ich war stolz, mein Gedicht war grandios, ein wenig theatralisch, doch ein Meisterwerk der Melancholie. Gespannt wartete ich die Reaktion des Teufels ab, er würde überrascht sein, damit hatte er nicht gerechnet!! Doch was war das?? Er lachte, kein freundliches Lachen, oh wie schmerzlich vermisste ich diesen Augenblicks das helle, glockengleiche Lachen des noch immer geknebelten Engels.

„ Du Narr!! Fang noch an zu heulen und die Show ist zirkusreif!! Wie wäre es wenn wir diese Nummer in einen Hochseilakt mit einbeziehen?? Macht dich bestimmt frei!!!“
Ich war entsetzt! Dieser, Dieser..... Teufel, dieser Aasfresser, labt sich an den Kadavern des Weltenschmerzes, es reicht!

„Ich gebe auf, du hast gewonnen
Der letzte Krümel Glück zerronnen
Mein Körper ist bloß noch eine Hülle
Die ich mit Seelenangst schon lange fülle.“ – schloss ich, ich fand es passend in Reimen zu antworten, irgendwo meinem Niveau gemessen. Bemessen ? Nunja...

„Ich krieg zuviel, Du Pausenclown! Du Alleinunterhalter! Ich hielt dich für verrückt, doch dass deine Seele wahrhaftig so verloren wäre, davon ahnte ich nichts!“

Jetzt oder nie, ich werde konsequent sein, werde mich nicht leiten lassen von Instinkt und Gewissen, werde ICH sein, werde diesen Armleuchtern zeigen wer hier die Hosen anhat...
ICH werde gehen.


„Jetzt muss ich gehen, jetzt geh ich fort,
Traum mein Schatz, trag mich von Ort zu Ort
Ich denke nicht mehr, nur meine Lieben
Sind mit dir in der Brust hinterblieben...

- wie stilvoll, bestens für einen Umschwung.“


ICH gehe. ICH ziehe aus, das Fürchten zu lernen.
Gehabt euch wohl verehrte Feinde, beweinte Freunde.

Und so packte ICH meine Sachen und zog los, der Abenteurer in mir war geweckt,....
Von Wasser und Beeren wollte ich mich nähren, Felsen und Wälder sollten mich liebkosen,
Sollen diese beiden Tun-nicht-guts doch sehen wie sie klar kommen. „SO nicht,“ dachte ich, „Und SO ERST RECHT NICHT VERDAMMTE SCHEIßE!!“ als ICH über einen Stein stolperte.
Doch das sollte meinen Tatendrang nicht mindern, noch konnte ich zurückblicken, doch ich zwang mich geradeaus zu sehen. Ich ging schnellen Schrittes und frohen Mutes, pfiff ein Kinderlied aus alten Tagen vor mich hin, erst zaghaft, dann laut, dann übermütig.
Plötzlich erschrak ICH. Nur noch wenige Meter entfernt stand die Mauer die jenen Garten limitierte in dem ich aufgewachsen war, jenen Garten, den ICH nie verlassen hatte.
Mein Herz schlug schneller, JETZT ODER NIE!
Ich ging in Startposition, so wie ich es im TV gesehen hatte, ein Bein angewinkelt, das andere Knie auf den Boden, Die Arme Ausgestreckt, die Finger gespreizt auf das Sonnenwarme Gras. Ich zählte leise bis 3, - 2- 1- und LOS! Ich sprintete linear los, hielt auf die Mauer zu, das Ziel kam näher und näher und....
...mich verließ der Mut,... was wird dahinter sein? Wie tief werde ich fallen?

Nun das kommt auf den Versuch an, ich legte von neuem los, 3-2-1 LOOOOS! Diesmal sprintete ich schlangenlinienförmig darauf zu, um Zeit für eventuell wichtige Überlegungen zu haben. Aus der Luft betrachtet sah das ganze wie eine zauberhafte Wirtschaftskurve in Zeitraffer aus, rasende Expansion dann, OH GOTT DER BOOM! Scheiße, Regression, DEPRESSION!!! Wir sind im Arsch, doch ICH sah es zum Glück nicht aus der Luft, und dass ist annehmlich der einzige Grund warum ICH weiterhin absolut resolut aufs Ziel zuhielt. Noch eine Kurve um den Apfelbaum und dann, jaaaa, mit einem Satz über die Mauer.

Was für ein Glück das die Mauer nur Kniehoch ist, lediglich als Symbol der Begrenzung gedacht. Doch Fortuna war gütig zu mir, bei diesem rasanten Sprung, ja geradezu Flug hatte ICH mir nichts gebrochen. ICH war heil in den anderen Teil dieser Welt gekommen.
Weh mir, was für ein Glück.
Überanstrengt von den Lasten dieses Tages lehnte ICH mich an unsere GARTENMAUER um auszuruhen, ICH schloss die Augen und, oh weh, schlief ein.

ICH träumte von wunderbaren Weiten, von schier endlos hohen Bergen, von endlos weiten Seen, vom Meer, von der Freiheit.
Es war einer dieser Träume dessen Inhalt man nicht ohne weiteres wiederzugeben vermag, doch man unmittelbar nach dem aufwachen das Gefühl hat, etwas weltbewegendes geträumt zu haben. Etwas von ungeheurer Wichtigkeit, von Wärme, von Güte. Etwas völlig utopisches zwar, doch andererseits etwas das unmittelbar bevor stand.
Dieses Gefühl hatte ICH, und ICH fühlte mich sehr wohl, voller Zuversicht machte ich erst ein Auge auf, dann das andere, blinzelte um gleich darauf noch einmal zu blinzeln, das konnte doch nicht sein oder? ODER? Der Teufel und der Engel scheuten keine Mühen, waren mir den weiten, beschwerlichen Weg bis hierher gefolgt, ich kämpfte den jähen Impuls, einfach loszuschreien oder mindestens jemanden kaltblütig zu ermorden, krampfhaft hinunter und starrte die beiden stattdessen lediglich finster an.
Der Engel, er war nicht mehr geknebelt, lächelte sein gutmütiges Himmelspfortenhurenlächeln, ich unterdrückte mir ein wehleidiges Wimmern. Fast war mir der Teufel mit seinem derzeitigen Gesichtsausdruck lieber, und der war wirklich finster.
Mein Blick fiel zuerst auf seine Augen, fast schien es mir als würden sie glühen, die Augenbrauen, die ungünstigerweise in der Mitte zusammengewachsen waren ließen ihn ausschauen wie das pendente Pendant vom Sesamstraßenbert. Die Nase kräuselte sich als hätte er in eine Zitrone, die zudem noch äußerst unreif war, gebissen, und der Mund!! Die Mundwinkel hingen nicht etwa nach unten, wie man vielleicht denken könnte, nein, sie gingen steil nach oben, wie eine gestreckte Parabel, schneidend hingen seine Zähne dazwischen, allesamt spitze Zähne, wie die eines Raubtieres. Das Kinn ragte steil hervor und der Hals deutete auf so etwas wie Phonomanie hin. Es war insgesamt ein wahrlich schauriger Anblick, doch wie gesagt, alles, ALLES war besser als dieses Samaritherlächeln dieser Glühbirne!!
Als ICH die ersten Schockgedanken gedacht und somit beiseite gelegt hatte kam die Wut, und wie sie kam! War ich nicht davon gelaufen um diese Ladung geballten Elends nicht länger ertragen zu müssen?? Sollte Dies tatsächlich das beschissene Resümee derer noch beschisseneren Leben darstellen? Kleinen lieben ICH´s aufzulauern, sie zu penetrieren mit Gewissensbissen und Sexuellen Frustrationen?? Das wollte ICH mir nicht bieten lassen,
„Habt ihr den ganzen verdammten Tag eigentlich überhaupt gar nichts besseres zu tun als mich zu verfolgen? Ich hatte nichts böses im Sinn, habe nichts ausgefressen, und selbst das Auto vom Nachbarn habe ich schuldbewußt nach getaner Buße wieder zurückgegeben, also, WAS ZUM TEUFEL SOLL DAS`????“ schrie ich sie also an.
„Oh eine Erklärung folgt geschwind mein Kind, aber nenn nicht den Namen des Gegenspielers Gottes, pssst!!“ Natürlich, der Engel, und einen Moment lang erfüllte es mich tatsächlich mit Stolz das scheinheilige Lächeln dieses Miststückes gegen ein Paar angsterfüllte Augen ausgetauscht zu sehen, das war MEIN Werk, dachte ICH stolz.
Doch hielt ich es für angemessener diesbezüglich meinen Mund zu halten.
„Hat sich ausgegottet, ich gehe, und ihr werdet einen Teufel, jawohl einen T.E.U.F.E.L.
tun und mich davon abhalten, bitte, wenn ihr es so wollt, kommt mit, aber von meinem Wasser trinkt ihr nicht, auf meinem Bette nächtigt ihr nicht. SOWEIT KLAR?“
„Oh ihr seid so unwürdig, wisst ihr denn nicht dass bei uns zulande als Währungsmittel nur verlorene Seelen gelten?“ Die Stimme des Teufels war ungefähr so kalt wie der Schauer der mir infolgedessen über den Rücken lief.
„Ressourcen dieser Welt, erhört mein Gebet, helft mir, rettet mich vor diesem PACK!!!“
schrie ICH gen Himmel. Im selben Moment fragte ich mich, warum man Äußerungen, Gebete, Wünsche dieser Art immer in die Lüfte rief, war es nicht seltsam? ICH, der ich doch ganz und gar auf mich selbst gestellt bin, freien Willens, und ICH, der ich fort ging die Welt eines besseren zu belehren, ICH schrie meine Gebete in düstere Wolken, teils kondensierten Regenwassers, teils sämtliche Abgase dieser Stadt? Schrie es hinauf ohne auf ein Echo hoffen zu können? Wie auch? Hier gab es keine Berge. Streckte meine Hände in einer flehentlichen Geste der Sonne zu, doch worum flehe ich? Ich ließ mich provozieren? Jetzt und hier zum Fremdwort erklärt, wäre ja noch schöner. Kranke Personen!
Phallokratie walten lassen? Und wenn er der Teufel ist, niemals nicht!
ICH, der Philanthrop, hetze gegen sie, ja geradezu eine Philippika gegen euch Philister....

Ich hielt inne..... wie kamen mir sämtliche Wörter über die Zunge?? Fast schien es mir wie Zauberei, doch war ich wahrlich im Bilde über meine Fähigkeiten, und weil ich ein Philosoph bleiben wollte, wunderte ich mich ein wenig, sozusagen des guten Tones wegen, doch schob diesen Gedanken dann rasch beiseite, wie unwichtig, ja geradezu nichtig dies nun war.
Gerade jetzt. Es war in der tat wichtigeres zu tun als unsere Artikulation zu bestaunen, obwohl es das fast wert gewesen wäre. Wäre da nicht die Freiheit, die Sirenenartig von weit her schon lockt, pfeift mir ihre Melodie entgegen, einer Melodie der man schwerlich entsagen kann, hat man sie nur ein einziges Mal gehört.
Doch war ich nicht der einzige der dieses liebliche Liedchen vernahm, der Engel spitzte seine Ohren, soweit man das so nennen kann, eigentlich waren es nur etwas dunklere Schattierungen in diesem blendenden Weihnachtsbaumgewand von 400Watt. Nun gut, ich wartete ab.
„Meine lieben Freunde, hört ihr das auch? Was kitzelt mich da so lieblich im Ohr, eine Melodie, ja das ist es, und was für eine, wundervoll!“ kam schon bald die Reaktion des Gottesgebläses. Die Worte hättest du dir sparen können du Christstern, dachte ich, doch schon redete er weiter: „ Es lockt mich, doch sagt mein Bauch: Bleib fern wenn dir dein althergebrachtes Leben lieb ist, oh ja, und wie es das ist, Ein schönes Leben habe ich, jawohl.“ „Schon klar,“ retrovertierte ES,“ Das Glück ist mit den Dummen, dann will ich nicht wissen wie gut es erst den Scheinheiligen geht.“
„Ach, geliebter Feind, was wäre ich ohne dich? Nichts und wieder nichts, wie der Raum ohne Zeit, wie die Rose ohne Dornen, wie ....“ trug das Über-ich recht theatralisch vor,
„....ja Ne, wie Günther Kastenfrosch ohne Kasten, Luther King ohne Hoffnung, wie Che Guevara ohne Power, wie Rosa Luxemburg ohne Brandrede und wie Ulrike Meinhoff ohne Kalaschnikow. DU WÄRST VERLOREN, komm an meine Brust.... damit ich sehen kann wie deinen Flügel versengen du himmlischer Patriot. Friede sei mit uns, und alle Kästen dieser Welt gebühren Günther..“
ICH konnte mir nur schwerlich ein Lachen unterdrücken, so übel war dieser vermaledeite Kerl im Grunde genommen gar nicht, doch nahm ich mich lieber in Acht,... was macht es nun?
Es fing an, singend zu rezitieren:

„So ein Frosch braucht einen Kasten
Wo er wohnt
Und wo er pennt
Eminent
Konsequent
Dirigent
Pergament und Butterbrot
Ohne Kasten wär er TOT.“

Ich bekam zuviel, Ich wollte raus aus diesem Haufen Irrer. Das war nun wirklich nicht mehr normal, mir war es als stünde die Angst mumifiziert hinter mir, ich bräuchte nur einen Atemzug tun, schon würde sie nach mir greifen, zum Glück stand da natürlich niemand, trotzdem hatte ich Angst, wo auch immer diese sich momentan rumtreiben mag.

„Wer Narben lacht, der Wunden nie gefühlt!“ erwiderte der Engel, sich seiner scheinbaren Überlegenheit wohl bewusst.
„Wer Ärsche leckt, der Freiheit nie gehabt.“ schloss der Teufel.
„WER MIR AUF DEN SACK GEHT HAT SCHMERZEN NIE ERLEBT!!“ sagte ich, und wie ich fand, verhältnismäßig ruhig.
Obschon ich zugeben musste eine gewisse Belustigung zu empfinden, geradeso als erzählt ein billiger Zirkusclown, auf 320Euro Basis, den selben Witz seit einer Woche, zum 4.567.892sten mal, wohl war. Aber doch doch, auch wenn dieses Amüsement recht amusisch zu sein schien, vertrieb es mir die Zeit. Und Zeitvertreib bleibt Zeitvertreib, schloss ich meine These, ja, These war eventuell etwas niedrig gegriffen, vermindertes Anspruchsniveau, vielleicht sollte ich ein Essay schreiben, doch dies zu anderer Stunde desselben Mondbildes ein Sommer später.
Die Alternative lautete: altruistisch.
Doch beiseite mit diesem Gedankentum, lenkt es mich doch vom nuklearen Aspekt der Sache selbst zu sehr ab. Worum ging es? Ja, die Freiheit zu erkämpfen, war mein Ziel.
Und ist sie nicht willig, so brauch ich Gewalt.
Ich brauchte eine Gelegenheit mich unbeobachtet aus dem Staub zu machen, ich wusste es ja nicht besser, Freud hätte in einem Zustand der Desolation seine Freude an mir gehabt, sind der Teufel und der Engel, ihm nach, doch meine ständigen Begleiter, wie meine Schatten, ...
Doch Moment, was taten die beiden da?? Sie steckten ihre Köpfe zusammen, wisperten, rangen die Hände, der Engel wischte sich seine schweißnasse Stirn ab, der Teufel gab sich größte mühe seine Temperatur zu senken, die im Normalzustand immerhin beachtliche 100°C beträgt. Was, auf Gedeih und Verderb, tun die beiden da??? Ich konnte es nicht erklären, starrte unverändert auf diese scheinbare Freundschaft, konsultiert aus der „präglazialen“ Feindschaft, denn als Eiszeit hätte man diese Zeit wohlwahr benennen können.
Der Teufel schielte zu mir herüber, wie auf Kommando senkte ich schüchtern meine Augen, eher abhängig von der Konditionierung die mir jahrelang zugute kam durch Mitmenschen und Eltern, als eine bewusste Handlung.
Sogleich ertönte ein „Pssst“ dessen Urheber ich nicht ausmachen konnte, das schien mir, ja es musste, aber konnte das sein? Ohne wenn und aber, kein Zweifel: KONSPIRATION.
Die beiden konspirierten sich gegen mich? Wie hinterfotzig! Tränen stiegen mir in die Augen, das erwartete ich nicht.
Ich nahm mein Taschenmesser, erhob es, eine Geste, die eher einer Drohung als einem Gnadengesuch gleich kam, nun kein Wunder, es sollte, wenn auch kärglich im Endeffekt, eine Drohung darstellen. Nein, das Leben wollte ich mir nicht nehmen, auch ihnen nicht, ich hob also das Messer, stellte mich auf, öffnete den Mund wie zum Schrei und gääääääähnte herzhaft, die vielen Überlegungen hatten mich müde gemacht, ich war eben Abenteuer nicht gewöhnt, trotzdem behielt ich meinen Willen bei, nur ein Abschiedsgruß, eine Verewigung des letzten Versklavten Geistes musste her. Ich trat an den Baum, jener, der mir in der Nacht als Schutz zur Seite stand, heran und hob das Messer an seine Rinde. Schnitt erst zaghaft, dann etwas tiefer, dann wild entschlossen. Es sollte ein Herz werden, es erinnerte eher an die spitze Form eines Radieschens, an die Ränder, schnitzte ich noch ein Pfeil, um meinen Abenteuersinn symbolisch darzustellen, ja ich war auch eine Künstlerin, nun, der Pfeil sah letztenendes aus wie der zerfledderte Federnkiel einer gerupften Gans, doch was sollte das?
In das Federnkielherzradieschen schrieb ich folgende Lettern:

S.S.A.,
E.

Sub Specie Aeternitatis,
Ego


Ich war zufrieden, mein Vorhaben war gerächt, nichts und niemand würde mich aufhalten,
...wusste ich doch nicht dass just in diesem Moment tatsächlich konspiriert wurde, ES und Über-ich überlegten lediglich angestrengten Kopfes wie sie mich von meinem Plan abbringen konnten, sie wussten wiederum nicht dass sie mich nicht abbringen konnten. Wie ungünstig, beziehungsweise war es sehr günstig, eigentlich gleichgültig, da ja letztendlich keiner von dem anderen wusste was er nun dachte.

Nun, ich nahm mein Bündel, wie man im Märchen so schön zu sagen pflegt: meine sieben Sachen, und ging los. Prinzipiell hatte ich gegen diese Redewendung nichts einzuwenden , dumm war nur dass ich lügen müsste, denn ich hatte sorgsam gepackt:
1 Zahnbürste
1 Rolle Klopapier
1 Dose Desinfektionsspray
1 Packung Sicherheitsnadeln
1 Feuerzeug
7 einzelne Socken

mehr brauchte ich nicht zum überleben. Alles hatte ich sorgfältig ausgesucht, nichts konnte schief gehen.
Ich war gerüstet gegen Wind und Wetter, und gegen Regen.
War in der Lage ein Feuer zu erstellen, Ungeheuer in die Verdammnis zu schicken und den toten Mann zu markieren wenn es doch mal brenzlig wurde, dafür das Klopapier, Mumifizierungen deuten doch auf den Tod hin, ODER?

Gut, Gut, ich war gewappnet, und ich war mutig, ich drückte die Angst, die mir immer wieder die Kehle hochzukriechen drohte, wie ein lästiges Insekt hinunter und starrte in die Ferne.

DAS ABENTEUER KONNTE BEGINNEN.


So ging ICH also los, wohl wissend, dass Engel und Teufel mir dicht auf den Fersen waren, doch solchen Begebenheiten pflegte ich mit Ignoranz zu begegnen.
Oh ja, ich konnte sehr sehr lange meinen Mund halten, über Minuten hinweg, und wenn ich mich anstrengte vielleicht sogar über Stunden, Tage, JAHRE! Abwarten.
Ich entschloss mich, stets geradeaus zu gehen, egal wohin mich das führte.
Immer weiter entfernte ich mich von unserer Gartenmauer, schon fast war ich an der Auffahrt der Nachbarn angekommen, doch ich ging weiter, Heimweh plagte mich nicht, im Gegenteil, es zog mich weit weit weg.
Ich drehte mich nach meinen Weggenossen um, die auf der Stelle so taten als stünden sie nur ganz zufällig da hinter der Straßenlaterne,
„Mir müssen was dagegen tun,“ wisperte der Teufel düster, „Auf keinen Fall darf er bis zu dem Wald kommen.“
„Warum nicht?“ entgegnete der Engel, der bereits im Begriff war, jener mystischen Melodie zu verfallen.
„Warum nicht, warum nicht...“ reagierte ES mit einem perfekt nachgeahmten Gesichtsausdruck des kleinen Engels, wobei sich seine Augenbrauen rundeten, seine Augen den Blick eines wimmernden Hundes annahmen, seine Nasenflügel zusammenstoben, seine Mundwinkel nach unten zogen und seine Unterlippe vorschoben.
„Du weißt genau warum nicht, Blödbirne. Schluss jetzt.“
„Wieso ist die Freiheit etwas schlechtes?“
„Ich sagte: Schluss jetzt verdammt, sonst hört er uns noch.“
....

Sie redeten noch weiter, doch konnte ich mir keinen Sinn daraus machen, meine Gedanken gingen kreuz und quer, doch blieb das Resultat aus.
Sie wollten mich davon abhalten zu reisen, mehr noch, sie wollten mich davon abhalten die Freiheit zu finden. Weshalb nur?
Ich ging weiter, versuchte meinen Kopf freizubekommen von einerseits extraterrestrischen Fragen andererseits von Mordgedanken,... wenn sie mir auch nicht immer gut gesinnt waren, waren wir doch ein Team verdammt, dachte ich... und jetzt hintergingen sie mich, ziehen mich nicht weiter in ihre Überlegungen ein.

Ich stürzte auf die beiden Vagabunden zu, ganz überraschend, versteht sich, und störte sie auf mit einem lauten: BUUUUHHH!!
Entsetzt stoben sie auseinander, schrien, bettelten um Gnade, um Vergebung, oder wenigstens eine geringe Strafe statt die des Todes. Übersehen habe ich das hinter den Fäusten verdeckte Lachen der beiden, ich war unerbittlich, dies war meine Stunde, sie war tatsächlich gekommen, nach Jahre des verharrens, nach Jahren des Wartens, nach Jahren der Sklaverei. Oh ja, ich würde diesen Zeitpunkt nutzen, dachte ich und bereute, es nicht laut gesagt zu haben, sie sollten noch ein letztes mal Anteil nehmen, noch ein letztes Mal Gelegenheit haben zu Lachen über die bitteren Schmerzen die mir über Jahre hinweg zugeführt worden waren, führte ich meine Überlegungen zu ende und führte weinerlich gerührt eine Hand an meine Stirn um meinem Leiden den gewissen Unterton zu geben.
Doch wie? Wie sollte, musste, würde ich sie angemessen bestrafen`?
Ich ging mehrere Varianten blitzschnell im Geiste durch, vom Mord bis zum Exil.

1. Ihr habt euch vor den Augen Gottes schuldig gemacht, nun müsst ihr eure Strafe hinnehmen,

mhm, der erste Satz gefiel mir, er sollte so stehen bleiben, ich ging noch weiter:

a) Ihr seid des Todes, geliebte Feinde. Kriechen sollt ihr, Im Angesicht der Würmer und Raupen und dem kleinen Geviechs.
Denn mehr seid ihr nicht wert, Jahre werdet ihr auf Knien gehen, werdet um den Gnadenschuss betteln, aber ihr werdet ihn nicht bekommen. Über Jahre hinweg werdet ihr jeden Hund darum bitten euch Zuflucht zu gewähren, jede Maus um etwas Nahrung,
, und am bitteren Ende werdet ihr zertrampelt von den meinen. Doch ICH, ich werde euch nicht einmal mehr ansehen, nun denn, nehmt euer Schicksal an, ein besseres sei euch nicht gewährt.


b) Geht fort, geht mir aus den Augen, ich kann euch nicht mehr sehen. Wenn euch euer
Leben lieb ist, räumt das Feld, geht so weit ihr könnt, lebt als einsame Emigranten in fremden Ländern. In Höhlen sollt ihr hausen, eure Feinde werden wilde Tiere sein.
Eure Kleider werden euch in Fetzen vom Leibe fallen, eure Schuhe werden ihre Sohlen verlieren wie ihr eure Seelen, würde ich euch am liebsten töten, bin ich zu müde auch nur einen Schlag zu tun, doch hütet euch vor meine Rache, sie würde euch vom Erdboden reißen ohne mit der Wimper zu zucken, hütet euch vor der Hand meines linken Armes die niemals ein Verbrechen ungestraft ließ!
Lauft davon, führt ein Leben in Ungnade und lasst euch niemals wieder auch nur in der Nähe meiner Schultern blicken.


Oh, sicherlich, mir wären noch einige andere Dinge eingefallen, und weil es galt, schnellstens das verhöhnende Gelächter des Teufels zu stoppen, entschied ich mich blitzschnell für Variation b) und trug sie mindestens so kulturell hochwertig vor , wie in meinen Gedanken zuvor.

Die Reaktionen waren geteilt, der Engel brach in Tränen aus, der Teufel war eine Zeitspanne von 2 Quadratsekunden ruhig um dann wiederholt in Lachen auszubrechen, was ich zu meiner Schande fälschlicherweise erst als Schluchzen gedeutet hatte, nun ja, ich dachte in diesem Moment: Hab ich dich geschlagen tief in deinem korrupten herz, nun, das ist die Strafe die Leute wie du bekommen.
Es war deprimierend. Ich hätte meinen verdammten Mund halten sollen, so wie ich es mir vorgenommen hatte.

Ich drehte mich wortlos um und ging von dannen. Die Wut brachte mich schnell voran, natürlich hoffte ich die beiden mit meinem Tempo abhängen zu können, doch so einfach war das nicht, egal, ich ignorierte sie.

Vor mir lag die Freiheit, so offensichtlich, dass ich sie fühlen, riechen, hören und sehen konnte. Unsere Straße lag lang und breit vor mir, wartete nur darauf von mir begangen zu werden, und dies wollte ich ihr nicht schuldig bleiben. Es würde ein langer, erschwerlicher Weg werden, doch das war es mir wert. Denn schon am Ende sah ich, noch ganz klein, den Wald, schwarz und mystisch lag er da, wie ein Schatten nur, doch so ausdrucksfähig, ja –bereit. Bereit für meine Ankunft. Er lag da wie die Freiheitsstatue. Er streckte seine Kronen in den Himmel wie die Statue die ewige Flamme. Sah auf mich nieder wie eine Mutter auf ihren Schützling, ich war gerührt!
Noch wenige Meter, ich stand fast davor. Könnte ich meinen Arm verlängern hätte ich die mit Sicherheit weiche Rinde der Bäume berühren können, doch genug geschwafelt,
ich war da! Das erste Ziel meiner Reise. Ich stand zwischen den ersten Bäumen des Waldes, noch lag die Straße hinter mir, war mein sicherer Halt. Was nun? Ich trat einige Stöckchen, einige Steinchen, ein paar Käfer und einen Vogel vor meinen Füßen her, versunken in Gedanken.
„Na, weißt du nicht mehr weiter?? Dann komm, gehen wir wieder nach Hause, wir haben ein Abenteuer gehabt, doch genug ist genug, die deinen werden sich bereits sorgen!“
sagte der Teufel gerissen, doch mich erinnerte das zu sehr an irgendeine Fabel als dass ich darauf hinein fiele. Ganz nach meinem Vorhaben ignorierte ich ihn, versuchte den Wald der Länge und der Höhe nach auszumachen, doch beides war ungeheuerlich, kein lichter Fleck in Sicht. Nun gut, das gefiel mir, Angst im dunkeln? Wer auch immer, nicht ich!
Nur diese unglaubliche Stille irritierte mich, sie beunruhigte mich gerade zu.
Kein Vogel der zwitschert, kein Bach der plätschert, nicht mal der Wind war zu hören wie er durch die uralten Bäume fegt. Oder gibt es hier kein Wind?
Ich hielt mir die Hand über die Augen, in der Hoffnung so besser sehen zu können, und in der Tat, in der Ferne ging ein Licht auf, als wäre es mein eigen. Ich steuerte darauf zu, was schwierig war, denn der Wald wurde immer dichter, und mit jedem Schritt dunkler, ein paar Mal stolperte ich, wohl über Wurzeln, Steine,.... ich hoffte nur es war nichts lebendiges, doch das Licht verlor ich nicht aus den Augen.
Es wurde immer deutlicher und mit der Zeit vernahm ich einen schwach erleuchteten Umkreis, ausgehend von der Quelle des Lichtes.
Es schien ein Lagerfeuer zu sein, doch in seinem Licht konnte ich nicht viel mehr als die umherstehenden Bäume ausmachen, doch da war noch etwas, doch konnte ich es nicht erkennen, dass heisst, das was zu erkennen war, war lediglich schwarz. Nicht so schwarz wie zuvor der Wald, oder etwa die Nacht, nein, es war eine dichte Dunkelheit, so als könne man sie greifen. Etwas mulmig wurde mir schon, doch was sollte ich tun? Klein beigeben, und umkehren? Damit ES sich an meiner Niederlage ergötzen konnte? Nein, ich schob einen Ast beiseite und trat in den schwachen Schein des Feuers. Es schien noch nicht lange zu brennen, die Scheite waren noch ganz frisch,... Dann musste hier jemand sein, dachte ich, und mir kam es vor als hätte ich soeben mein Todesurteil gesprochen. Ach was, Alles oder nichts, sagte etwas in mir, und ich stellte mich dicht vor das Feuer, hielt meine Hände in den Schein um sie zu wärmen, obwohl es Sommer war, und selbst in diesem Wald nicht sehr kalt. Gefasst, sofort wegzulaufen wenn es die Situation von mir verlangte pirschte ich mich näher an diese unheimliche Dunkelheit heran, war das real oder eine einzige Komposition aus Licht und Schatten? Nun, sagte ich leise, wenn hier jemand ist, dann da drin, was auch immer es ist,.... das werde ich herausfinden.
Ich räusperte mich, denn ich hatte das Gefühl mich irgendwie bemerkbar machen zu müssen, immerhin drang ich hier in eine Art „privates Eigentum“ ein. Wer oder was auch immer das war, er hatte sich eine eigene kleine, von der Zivilisation unabhängige Zivilisation geschaffen, und da die Türklingel, wahrscheinlich versehentlich fehlte, räusperte ich mich halt.
„Komm da weg, ich bitte dich!“ jammerte der Engel, und so banal das in dieser obskuren Situation ist, ich fragte mich diesen Momentes ob göttliche Wesen Ausscheidungsorgane haben,...
Doch ich ging weder weiter auf Gedanken ein, noch befolgte ich den Rat des Engels.
Ich ging einen Schritt in das Dunkle hinein, und noch einen, was gar nicht Not tat, denn im selben Moment hörte ich ein Schlurfen und Schlendern dass verdammt noch mal darauf hindeutete dass jemand aus den Tiefen dieses Drachenschlundes trat, scheiße, ich fragt mich wie ich in diesem Moment auf solch tiefgängige Gedanken kam, es hieß nichts weiter als dass ich verdammt noch mal in Gefahr war, und das akut! Endstadium, ...
Hirntod, das heisst, zumindest fiel ich in Ohnmacht, nein, ich wünschte lediglich in diesem Moment in Ohnmacht zu fallen, oder zumindest im Erdboden zu versinken, von einer riesigen Tanne erschlagen zu werden oder.... auf den Engel gehört zu haben.
Nichts dergleichen trat ein, kein Wunder, jegliche Sternschnuppen die ich jemals sah, hatte ich jedes mal aufs neue mit Nichtigkeiten vertan,.... hätte ich mir nicht Flügel wünschen können`? Oder Zauberkraft? Oder sonstiges essentielles? Natürlich nicht.

Das Schlurfen kam eindeutig näher, dieser jemand, Gott sorge dafür dass es nicht IRGENDETWAS war, musste schon viele Wege auf diesen Schuhen zurückgelegt haben, die Sohlen hörten sich an als erfüllten sie schon lange nicht mehr ihre Aufgabe...
Der Situation gemessen verhielt ich mich relativ ruhig, ich suchte lediglich verzweifelt nach einer Mordwaffe, oder irgendetwas dass ich dazu gebrauchen konnte, mich meiner selbst zu Verteidigen.
Das Schlendern wurde durch einen Schatten ergänzt, der Effekt war perfekt, doch waren wir nicht im Theater, oder sonstiger Institution, der Schauer der schon seit geraumer Zeit meinen Rücken per pedes erkundete, wandelte sich in eiskalten Angstschweiß.
Dann stand ER vor mir.
Sein Anblick war..... bedauernswert.
Er trug einen sehr alten, kaputten Hut, der als Kopfbedeckung gegen Wind und Wetter nicht mehr taugte als einer dieser Malerhüte, provisorisch zurechtgebastelt aus einem Stück Zeitung...
Sein Mantel wies auf Tierliebe hin, er von Motten zerfressen, von Tauben beschissen und von Ratten bewohnt. Seine Hose, um zunächst bei der Kleidung zu bleiben, sähe mit Sicherheit ganz ähnlich aus, bestünde sie nicht nur noch aus einem Hosenbein.
Ja, und seine Schuhe,.... so wie ich sie mir vorgestellt hatte. Entsetzlich.
Mir schauderte es erneut, diesmal jedoch aus Mitleid, nicht aus Angst.

Plötzlich verzog sich das Gesicht des Alten, wie ein Leichentuch legte sich ein furchtbarer Ausdruck auf Stirn, Augenhöhlen, Nase und den zum Schrei weit geöffneten Mund.
„GUUUUUTEN MORGEN!“
Ich sah mich verwirrt um, der alte Mann war plötzlich verschwunden,..wieso hatte er mir einen guten Morgen gewünscht, mitten am Tag?

Nach ein paar Minuten wurde mir klar, dass ich geträumt hatte. Nicht der alte Mann war, es der mir einen guten Morgen wünschte, sondern mein Wecker. Ich hatte noch einen dieser Kinderwecker in Form eines Huhnes, das je nach Bedarf krähte oder „kuckkuck“ sagte, solange bis man ihn durch Druck auf den Hahnenkamm, was dieses „Guten Morgen“ auslöste, zum Schweigen brachte.
Ich war wohl letzte Nacht über einem Werk Nietzsches eingeschlafen und hatte von der Freiheit geträumt.

Ich denke, ich werde sie suchen gehen.

 

Hallo, maybe,

am 15. Juni 2003 hastu diese gar nicht so kurze Geschichte hier eingestellt, ohne dass bisher jemand darauf geantwortet hätte, was ja der eigentliche Sinn dieser Plattform sein soll.

Die Geschichte beginnt mit den Personalpronomen, die zugleich als Instanzen der Tiefenpsychologie verwendet werden. Die Instanzen streiten sich. Dabei begehstu, maybe, den Fehler, die Krone der Schöpfung mit dem ICH gleichzusetzen. Die Krone der Schöpfung ist immer alle Instanzen und noch vieles mehr, Psyche, Physis und alles, was zwischen und an den Polen Leib und Seele hängt.

Maybe, Dein Text ist langatmig und er kommt dem Leser sehr, sehr lange vor. Weniger wäre in diesem Fall tatsächlich mehr. Und es fällt - zumindest mir -schwer, die Geschichte nachzuerzählen.

Verfolgen wir den Streit: ICH und ES verbünden sich, um sich zu befreien, und sei’s durch Zauberei. Als Zauber nicht hilft versuchen ICH und ES es mit Gedichten. Eichendorff wird bemüht. Und nach zwei Fehlversuchen erfolgt ein eigenes Produkt, - wie ein Karnevalsauftritt und zugleich Hausfrauenlyrik: reim dich oder stirb!

Und plötzlich will das ICH allein ausziehen, ohne Grund. Das ICH wird Sponti!
ICH lässt die beiden andern allein und es wird ein komischer Fluchtversuch. Hier find ich tatsächlich unterhaltsame und komische Elemente im Text.
Logisch jedoch, dass eine Instanz den anderen nicht entkommen kann, denn sie gehören zusammen.

Und die Pointe? Es war ein Traum: „Ich war wohl letzte Nacht über einem Werk Nietzsches eingeschlafen und hatte von der Freiheit geträumt.“ Da es ein Traum war könnte die (dann natürlich gekürzte und gestraffte) Geschichte eher etwas unter der Rubrik "Seltsam", statt "Philosophie" sein.

In einem langen Text kann formal vieles falsch laufen und mir ist mit Sicherheit gar nicht so wenig durchgegangen. Also:

„weltallerärmste“ wäre besser geschrieben als Welt aller ärmste,
„letztenendes“ letzten Endes
„…bereitet mir schmerzen…“ Schmerzen,
„Angst im dunkeln“ Dunkeln
„ …was ist das für ein Schachsinn??“ Schwachsinn
„ …nach Jahre des verharrens, …“ Verharrens,
„allzusehr“ allzu sehr.

„ …, der andere so weiß KOMMA dass es mich blendet, ein stetiges Licht“
„ …doch ICH war dankbar KOMMA dass er geknebelt war.“
„Sobald ICH die erste Zeile hatte KOMMA floß es nur so aus mir heraus, …“ floss
„ …werde diesen Armleuchtern zeigen KOMMA wer hier die Hosen anhat...“
„Es war einer dieser Träume KOMMA dessen Inhalt man nicht ohne weiteres wiederzugeben vermag, …“
„ …und den toten Mann zu markieren KOMMA wenn es doch mal brenzlig wurde, …“
„Kein Vogel KOMMA der zwitschert, kein Bach KOMMA der plätschert, nicht mal der Wind war zu hören wie er durch die uralten Bäume fegt.
„Im Angesicht der Würmer und Raupen und dem kleinen Geviechs.“ Genitiv: des kleinen Geviechs.

Nix für ungut,

Friedrichard

 

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