- Beitritt
- 15.03.2008
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Illusionen können Hirngespinste sein
Martin liegt im Bett.
Die grelle Sonne sticht durch seine geschlossenen Augenlider. Durch ein geöffnetes Fenster dringt der Lärm einer großstädtischen Verkehrsader, die Geräusche arbeiten sich wie viele kleine Bohrer in sein Inneres voran.
Ihm ist schlecht, sein Magen liegt wie etwas Fremdes in seiner Leibesmitte.
Kennt er alles, liegt am Saufen.
Außerdem liegt er mit jemandem im Bett, obwohl er Single ist. Aber auch das ist nichts Ungewöhnliches.
Martin fragt sich, wen er gestern abgeschleppt hat.
Er hält die Hand vor das Gesicht, um die Augen vor der gleißenden Sonne abzuschirmen und schaut.
Mit dem Rücken zu ihm, in Embryonalstellung, liegt mit einem schlaffen Kondom, das ihm aus dem Hintern hängt, eine riesige weiße Maus.
Da durchfährt ihn ein Ruck, erste Bilder des gestrigen Abends kehren zurück.
Martin hat diese Maus auf dem Fest gesehen, nach dem sechsten Wodka.
In der Meinung eine Alkoholikervision zu haben, hatte er zu der Maus Kontakt aufgenommen.
Aus einem vagen Interesse heraus, ob sein Hirngespinst ihm was zu sagen hätte oder ob es vielleicht einfach verschwinden würde, wenn er es anspräche.
Jetzt ist dieses Vieh immer noch da.
Entweder eine ziemlich hartnäckige Illusion oder möglicherweise ein sehr böser Fehler
Fieberhaft versucht Martin sich zu erinnern. Nachdem sich die Maus nicht aufgelöst hatte, hatte er begonnen sich mit der Vorstellung anzufreunden, ein Zwiegespräch mit sich selbst zu führen.
Er wollte diesen ungewöhnlichen Abend nicht enden lassen und hat darum der Maus einen Wodka nach dem anderen ausgegeben.
Bald hatten sie angefangen zu flirten und es war gekommen, wie es kommen musste: er hatte das Nagetier auf einen Kaffee eingeladen.
Innerlich hatte ihn die Vorstellung mit dieser kernigen Illusion zu schlafen amüsiert, er hatte das Gefühl an einer Masturbation für Fortgeschrittene teilzunehmen, da die Maus aus seiner Vorstellungswelt kam, wäre es im Prinzip er selbst, den er ficken würde.
Bei ihm hatten sie dann keinen Kaffee, sondern weiteren Wodka getrunken.
Der seinem Erinnerungsvermögen schlecht bekam.
Anscheinend ist es zum Vollzug gekommen. Bloß mit Was?
Nach einem Blick auf den Hinterkopf, bei dem er sich vorsichtig vorbeugt, um das noch geschlechtslose nicht zu wecken, stellt er fest, dass dieses Exemplar eine Halbglatze hat.
Mehr will er nicht wissen.
Vielleicht hat es mir nicht gefallen. Martin blickte zu dem labberigen Empfängnisverhüter und sah eine weiße Flüssigkeit, die auf sein Bett tropfte.
Böser Fehler... sehr böser Fehler. Leise kriecht er aus dem Bett, zieht sich an und will sich gerade aus dem Staub machen, als sein Blick auf einen Zettel fällt, der an exponierter Stelle auf ihn zu warten scheint.
Memo an mich selbst: diese Illusion erweist sich als überraschend substanziell, sie selbst behauptet wiederholt ein Mann im Kostüm einer Diddl-Maus zu sein. Das gibt mir zu denken...
Martin öffnet die Tür und schließt sie hinter sich.
Wobei Illusionen als Hirngespinste dann aber eine Tautologie ist.
Egal!
