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Im Alten Postfuhramt

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25.08.2001
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Im Alten Postfuhramt

Der Raum ist ein Gewölbe, wenn ich nicht wüßte, daß er ebenerdig liegt. Wir sind spät gekommen, aber das Fest ist noch im Gange. Ein paar Musiker spielen auf eigenartigen Instrumenten. Sie schauen versonnen ins Leere, als ob jemand anders spielte. Wenige Leute hocken zusammen auf Bänken, die mit Papier gedeckt sind. Meine Begleiterin ist zur Gastgeberin gegangen, wohl möchte sie ihr gratulieren. Es gibt psychoaktive Getränke, meines schmeckt etwas nach Tomate, wenn ich die Augen schließe. Allein sitze ich dort und schaue auf die Wand, an die verwackelte Bilder projiziert werden, nicht das Geringste vermag ich zu erkennen. Ich höre zu. In einem Lichtfragment der Diskokugel sehe ich auf dem freien Oberarm einer Tanzenden eine Schweißperle, die mich anblitzt wie ein Diamant. Sie ist das Einzige, was sich bewegt. Ich finde im fremden Rhythmus nicht den geringsten Halt, während sie Schritte macht, passend, als wäre sie eine Tastatur, die ein Mensch mit gleichgültiger Miene bedient. Sie läßt ihre Hüften kreisen. Wie eine Wespe, die im Limonadenglas ertrinkt. Die Tanzende hat mich bemerkt. Ihr Kopf scheint zu schweben, während ihr Körper sich mir langsam nähert. Sie legt die Arme um meine Schultern, läßt ihre Hände locker baumeln. Ich weiß nicht, wie viele Finger es sind, die mein Schulterblatt berühren. Ihre Augen schauen ernst und ruhig in die meinen. In ihrer meergrauen Iris verliert sich der Blick eines Ohnmächtigen, den vorher Einsamkeit liebte.
Das Leben wird nie mehr so sein wie früher.
Ihr Mund öffnet sich zum Kuß.

Ich erwache aus meinen abwegigen Träumen und bin wieder ein Brief, der im Alten Postfuhramt vergessen wurde. Ohne Absender, unfrankiert. Ein Stümper hat mich verfaßt. Aus purer Bosheit, mit einem Knochengriffel und verstrahlter Tinte machte sich der Widersacher ans Werk und versagte. Dieses Gemäuer war sein vieleckiges Verlies für mich, von Anfang an. Es birgt seine ganze Scham und Verachtung. Wenn ich nur wüßte, welchen Bann er auf meine Blätter schrieb. Wahrscheinlich bin ich leer und ohne Adressaten; so bleibe ich für immer liegen, in Staub und Ruß, der schon vor langer Zeit die Fenster erblinden ließ. Nicht einmal meine Gedanken schaffen den Weg nach draußen. Eine Nachricht ohne Herkunft, ohne Inhalt und ohne Bestimmung. Was konnte mich nur derart hassen?

Ich muß wohl geträumt haben, so kurz vor dem Aufprall noch. Für den Bruchteil eines Augenblicks meinte ich tatsächlich, mehr zu sein. Mehr zu sein als ein Schweißtropfen, der in seinem Leben von der Drüse bis zum Fußboden nichts erfährt. Außer Haut.

 

Tja, was wäre unsere Welt heute, wenn JFK nicht durch ein (immer noch mehr als merkwürdiges) Attentat gestorben wäre... hm.

Ach so... zu deiner Story. Jo, Buddy. Ähem... Ich glaube, diese Sätze sagen alles:

Sie läßt ihre Hüften kreisen. Wie eine Wespe, die im Limonadenglas ertrinkt.

Ahhhhhhhh ja.

Aber mit folgendem reißt du alles wieder raus! Reschpekt!

Mehr zu sein als ein Schweißtropfen, der in seinem Leben von der Drüse bis zum Fußboden nichts erfährt. Außer Haut.

DAS hat was! Cool! Und somit eine recht ordentliche, seltsame Geschichte, jo.

Sodele!

Poncher

 

Morschen,

ja, seltsam ... aber nicht schlecht. Ein Appetizer, könnte mehr sein. Manche Sätze sind sehr gelungen im lyrisch-seltsamen Aufbau.

Heiko

 

Jo, gut geschrieben. Aber leider konnte ich nichts damit anfangen... :(

Gruß
stephy

 

stephy, darf ich dich mal zitieren? "Ich glaube, dafür bin ich zu doof" - ich auch... :rolleyes:

 

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