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Im Debattierklub
„Ich finde wir haben nun zur Genüge festgestellt, dass die Welt von Grund auf schlecht ist.“, sagte der Frosch mit der Dauerwelle. „Wir sollten zum nächsten Tagesordnungspunkt übergehen und uns nun endlich mal mit kreativeren Themen auseinandersetzen.“ Er fing an in einigen Notizen zu kramen.
„Moment mal!“, schrie ich und warf einen demonstrativen Blick in die Runde, wobei ich heimlich immer noch nach Hinweisen suchte, ob sich der stark geschminkte Show-Magier tatsächlich in den vollschlanken bayrischen Dorfpolizisten verwandelt hatte, der nun auf seinem Platz saß, oder ob ich nur einer perfiden Täuschung aufgesessen war. „Ich dachte immer in der Satzung würde etwas von Konsens stehen. Ihr habt mich noch nicht überzeugt, also könnt ihr doch nicht einfach weiter durch die Tagesordnung brettern.“
„Woas is?“, rief der Bayer verärgert und selbst der Frosch mit der Dauerwelle blickte hilfesuchend zu meinem Selbstmitleid hinüber.
Mein Selbstmitleid schüttelte den Kopf. „Du kapierst aber auch wieder gar nichts. Mit deiner Beschränkung könnte man ja zehn Bahnübergänge unfallsicher umgestalten.“
„Nicht in diesem Tonfall.“, sagte ich eingeschnappt. Frustriert stellte ich wieder einmal fest, dass mein Selbstmitleid sogar im Sitzen mehrere Zentimeter größer war als ich.
Der Frosch mit der Dauerwelle räusperte sich. „Als Vorsitzender“, sagte er „weise ich darauf hin, dass persönliche Angriffe und Beleidigungen während den Diskussionen nicht erwünscht sind.“
„Mei Himmelsackra, ober er hod hold recht!“, schnaufte der Polizist und zerquetschte ein kleines Bierfass an der Stirn, um es gleich darauf mit einem gezielten Fallrückzieher in den Papierkorb zu befördern. Er schwitzte als er seine Uniform zurechtzog. „Mir diskuriern do scho wieder ane ganze Stund und kriegn den Saubazi net überzeugt.“ Er zeigte mit dem Finger auf mich.
Das Halbe Satanistische Hähnchen schaltete sich ein: „ Die Schlechtigkeit der Welt ist das Ergebnis einer durch und durch verdorbenen Schöpfung. Der Lichtbringer hat es von Anfang an gesagt!“
„Dieses Argument nehme ich nicht an, du bist ja dogmatisch vorbelastet. Ohne eine manichäistische Finsterniswelt gibt es keine satanische Daseinsberechtigung für halbe, sprechende Hähnchen.“
Der ungebratene Broiler befand sich für gewöhnlich in einer konstanten Depression und sagte so gut wie nichts, aber in einer emotional aufgeheizten Stimmung wie dieser richtete er sich auf und schlug mit dem Flügel. „O König des Exils, den man mit Schmach bedeckt - Und der, besiegt, voll Trotz das Haupt nur höher reckt - Satan, erbarm dich mein in meiner tiefen Not!“
Ein rotes Glühen ließ sein Federkleid verschwimmen und ich bemerkte grade noch rechtzeitig, dass sich das Hähnchen in Baudelaire verwandeln wollte, was mir in dieser Situation ja gerade noch gefehlt hätte. Das französische Tranchierbesteck, welches ich in Ermangelung eines Löffels dazu benutzt hatte, meinen Litschi-Tee umzurühren, traf es voll in der Transformation. Er erklang ein wütendes Gackern und ein lautes Plopp, dann zog sich der schwarzgekleidete Varieté-Zauberer fluchend rostfreien Edelstahl aus dem Oberarm.
Der Frosch mit der Dauerwelle trommelte mit dem kleinen Holzhammer auf den Kaffeetisch. „Zur Ordnung!“, quakte er.
„Ach halt doch den Mund!“, murmelte der Magier und wischte seine blutige Hand in den gegeelten Haaren ab. „Sonst verrate ich allen, dass deine Dauerwelle nur eine Perücke ist.“
Ich fühlte mich aus dem Zentrum der Aufmerksamkeit verdrängt. Lieber weiter beleidigen lassen, als komplett ignoriert werden. „Ihr habt mich immer noch nicht umgestimmt!“, maulte ich.
„Ach scheiß doch drauf!“, brüllte der Frosch mit der Dauerwelle. „ So was muss ich mir hier nicht bieten lassen. Allein die Tatsache, dass du dich hier von deinem eigenen Selbstmitleid beschimpfen lassen musst, beweißt, dass die Welt kein guter Ort sein kann. Und über meine Naturlocken reden wir ein Andermal. Nachdem ihr euch alle in die Ecke gestellt habt und darüber nachgedacht habt, was ihr gesagt habt!“
Wir protestierten alle laut und durcheinander, aber der Frosch blieb hart. Wir mussten den Schiedsrichter holen. Sigmund Hoyzer setzte sich auf die Couch und pfiff ein Lied über das Unbewusste, während er uns mit einem hintergründigen Lächeln zuhörte.
„Die wollen nicht mit mir spielen!“, sagte ich.
„Niemand will mit ihm spielen“, sagte mein Selbstmitleid „weil es sich nicht lohnt!“
„Die mögen meine Haare nicht!“, sagte der Frosch mit der Dauerwelle „Und keiner hört auf mich!“
„Do haud’s mi arschlings hin! Des is do koa Gaudi mehr!“, sagte der Bayer.
„In Las Vegas war alles besser!“, sagte der Magier.
Sigmund Hoyzer kraulte seinen Bart, während er die Entscheidungen längst vergessener Spiele aus seiner Pfeife auf den Boden tropfen ließ. „Meine Analyse ist vollständig und ich könnte euch jetzt verraten, wie ihr in nicht mal zehn Minuten schon angeregt über den Stein der Weisen diskutieren könntet.“
Er lächelte sanftmütig. „Aber leider habe ich gewettet, dass die Bayern gewinnen. Tut mir leid.“
Dann zeigte er uns allen die rote Karte, ließ den Polizisten einen Elfmeter auf das leere Tor schießen und Magaths Elf nahm drei Punkte mit nach Hause.
Langsam gelangte ich zu der Überzeugung, dass die Welt wirklich schlecht war.