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Im Einmachglas

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15.08.2006
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Im Einmachglas

Eigentlich war es gar kein so übles Gefühl. Zumindest nicht bis die Schmerzen anfingen, die seinen Körper wie ein Wolkenbruch überschwemmten. Er war sich nicht sicher, ob er die Augen offen oder geschlossen hatte, jedenfalls war alles um ihn herum schwarz. So schwarz, wie er es niemals zuvor gesehen zu haben glaubte.
Er hatte die schizophrene Gewissheit, gestorben zu sein, bis er Geräusche in seiner Nähe wahrnahm, die er nicht mit Bestimmtheit zuordnen konnte. Plötzlich kamen seine Erinnerungen zurück. Schlagartig und mit erschreckender Klarheit. Er konnte sich daran erinnern, dass er die Landstraße entlanggelaufen war, auf dem Weg zum Bauern, um Fleisch und Eier zu kaufen.
Er hatte es nicht bis dorthin geschafft. Das Letzte, was er vor seinem inneren Auge sah, war ein silberner Kombi, der aus dem Nichts in sein Blickfeld gerast kam und ihn vom Boden riss. Er konnte sogar noch die Beulen auf der Motorhaube erkennen und das satte, mit roten Spritzern übersäte Gras unter ihm.
Dann wurde es wieder schwarz.

Er hörte eine weibliche Stimme über sich.
„Trinken Sie.“
Er trank; unbewusst und mechanisch. Die Feuchtigkeit, die sich in seinem Mund und seiner Kehle ausbreitete schmeckte nach Blut, war aber trotzdem eine Wohltat. Er konnte fühlen wie der Schmerz in seinem Körper allmählich zurückgedrängt wurde.
Er versuchte zu sprechen, doch brachte keinen Ton heraus. Sterne funkelten vor seinen geschlossenen Lidern.
„Schlafen Sie weiter, Sie brauchen Ihren Schlaf.“
Mit diesen Worten glitt er wieder zurück in das allumfassende Schwarz.

Er hatte keine Ahnung, wie lange er weg gewesen war, doch plötzlich war er wieder bei vollem Bewusstsein. Er öffnete seine Augen, die sich anfühlten, als wären sie mit Honig beschmiert, oder Blut, was der Wahrheit sehr viel näher kam.
Das Licht, dass in seine Pupillen strömte, traf ihn wie Kugeln aus einer Pistole. Für einen Augenblick bestand die Welt für ihn nur aus hellen Flecken und sich windenden Schlangen aus gleißendem Licht. Die Konturen, die diese Flecken kurz darauf annahmen, kamen ihm fremd und falsch vor. Er hatte instinktiv damit gerechnet in einem sterilen, weißen Krankenhauszimmer aufzuwachen, doch das Zimmer in dem er lag hatte auf den ersten, trüben Blick mehr Ähnlichkeit mit einem Kinderzimmer. Es war bis an die Decke voll gestopft mit Dingen, die er im Moment weder erkennen, noch zuordnen konnte. Er versuchte seinen Kopf etwas anzuheben, doch ihm fehlte die Kraft dafür.
Für einen kurzen Augenblick fühlte er sich in seine Kindheit zurückversetzt und er verbrachte etliche Sekunden damit, zu überlegen, wie alt er war.

„Oh, sie sind wach“, sagte die Stimme neben ihm.
Er wollte den Kopf drehen, doch bevor er es versuchen konnte, tauchte das Gesicht einer jungen Frau über ihm auf.
Sie hatte ein einnehmendes Lächeln.
Ehe er fragen konnte, wo er war, antwortete sie.
„Es kommt alles in Ordnung. Sie sind hier in besten Händen.“
Er war immer noch sehr schwach und so fielen seine Augen wieder zu. Sanft strich ihm die junge Frau über das Haar und er glaubte ihren Worten. Mit dem guten Gefühl es schlechter hätte erwischen zu können, schlief er wieder ein.

Mehrfach wachte er danach wieder auf, nur um kurz darauf wieder einzunicken. Die Abstände dazwischen wurden immer kürzer und jedes Mal wenn er die Augen öffnete, blickte ihn die Frau mit einem warmherzigen Gesichtsausdruck an, der ihm sagte, dass alles gut werden würde.

Irgendwann war er wieder richtig wach und fühlte sich so weit seinen Kopf anzuheben, um sich umzusehen. Auf einem alten Holzstuhl neben seinem Bett saß die junge Frau, in einem unmodischen Kleid, mit eng übereinander geschlagenen Beinen und auf den Knien zusammengefalteten Händen. Sie lächelte ihn an, ohne etwas zu sagen.
Er sah an sich herab und erschrak, als er seine Beine sah.
In einem ungesunden Winkel lagen sie wie Fremdkörper unter seiner Hüfte. Er hatte das Gefühl sie bewegen zu können, doch er schaffte es nicht. Verzweifelt sah er zu der Frau neben sich. Sie starrte nur zurück. Ihr Lächeln nahm einen wolfsähnlichen Ausdruck an.
Er wollte anfangen zu sprechen, doch ein widerlicher Schmerz in seiner Kehle stoppte die Bemühungen. Hilflos blickte er sich um und bekam einen Schock. Das kleine Zimmer war bis an die Decke vollgestopft mit Käfigen, Terrarien und Einmachgläsern, in denen sich alle möglichen Arten von Kleintieren befanden. Die meisten von ihnen waren verendet.
Er konnte Eidechsen, Schmetterlinge, Mäuse und undefinierbare, halbverweste Skelette erkennen. In einem großen Käfig, auf einer Kommode direkt vor ihm, lag eine bis auf die Knochen abgemagerte Katze, mit blutigen Pfoten, die nur noch mühsam den Kopf oben halten konnte.
Die junge Frau stand neben ihm, noch immer lächelnd, ein Glas mit klarer Flüssigkeit in ihrer Hand.
„Trinken Sie aus und dann schlafen Sie noch ein bisschen, damit sie schnell wieder gesund werden.“
Er wollte aufspringen und raus aus diesem Alptraum, doch als ihr Gesicht über ihm auftauchte, war er nicht einmal in der Lage die Augen zu schließen.


ENDE

 

Und nun?
Du hörst mitten auf dem Höhepunkt des ganzen auf. An sich nicht schelcht geplant, aber hier irgendwie unangebracht. Da sind einfach zu viele offene Fragen. Soll er ihr jetzt als Fressen dienen? Soll er selbst in einen Käfig gesteckt werden? Wer bzw was genau ist sie? Ein Werwolf wegen des wolfsähnlichen Grinsens?
Kann ja sein, dass ich nur nicht ganz dahinter gestiegen bin, aber mir ist das ganze nicht tiefgehend genug, hat zu wenig Informationen.
Dein Stil ist toll, es liest sich sehr flüssig, das gefällt mir. Auch die einzelnen Passagen des Wachwerdens und Einschlafens sind gut. Allerdings hab ich da eine Anmerkung. Du schreibst relativ früh diesen Satz:

Er hatte keine Ahnung, wie lange er weg gewesen war, doch plötzlich war er wieder bei vollem Bewusstsein.

Und später dann das hier:
Irgendwann war er wieder richtig wach

Wann war er denn nun wach und konnte was wahrnehmen? Wenn er vorher schon mal bei vollem Bewusstsein gewesen war, hätte ihm da schon was auffallen müssen.

Und hier noch ein kleiner Rehtschreibfehler:

„Oh, sie sind wach“,
Das muss wegen der Anreden großgeschrieben werden.

Also alles in allem fehlen mir ein paar Details, etwas mehr Tiefgang. Aber dein Stil gefällt mir sehr.
Lieben Gruß,
Flame

 

Erst mal Danke für´s Lesen.
Das offene Ende ist bewusst gewählt. Ich mag es in solchen Situationen einfach aufzuhören und den Leser mit seinen Gedanken alleine zu lassen.
Das mit dieser Bewusstseinssache ist einfach erklärt: Die Frau gibt ihm immer etwas zu trinken, wenn er wach wird, woraufhin er dann wieder das Bewusstsein verliert. Es ist wohl ein Schmerz- und/oder Schlafmittel. (Man bedenke die gebroche Hüfte...)
LG zurück

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey!
Kurze Erklärung:

das was Flame gut findet, stört mich am meisten:
das ständige aufwachen und einschlafen,
Ich muss dir Recht geben rueganerin, es passiert nicht sehr viel mehr. Ich mocht nur, wie es geschrieben ist. Aber das mir mehr Handlung fehlt, hatte ich ja auch schon erwähnt.

@moehrle
Prinzipiell hab ich auch nichts gegen offene Enden. Aber bei dir ist einfach zu wenig Basisinformation gegeben, als das man sich da irgendwas denken könnte. Daher meinte ich, dein Ende sei hier unpassend gewählt. Ich hatte gehofft, am Schluss mehr zu erfahren. Denn für mich ist z. B. immer noch nicht klar, warum sie ihn nun festhält, was die Terrarien, Käfige etc. da machen und so. Ist sie den Tiny Toones entsprungen und heißt zufällig Elmyra? ;) Das wollte ich damit zum Ausdruck bringen.
Aber schon mal danke für die anderen Erklärungen.

Lieben Gruß,
Flame

 

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