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Im Herbstwald
Ruhe umgibt mich. Die Ruhe eines letzten sonnigen Herbsttages. Hier, mitten im Wald, höre ich nur die Lebewesen, die mich immer umgeben. Vögel zwitschern, ein Reh grast auf dem kleinen Wall in meiner Nähe. Der Wind weht einen würzigen Geruch zwischen den Stämmen hindurch.
Doch dann ist da etwas anderes. Äste knacken, Laub wird aufgewühlt. Und plötzlich heult der Motor einer Säge laut auf. Die Menschen sind leise gekommen, doch sie haben Schreie mitgebracht. Nichts mehr ist von der Ruhe geblieben, kein Vogel singt mehr sein Lied. Das Reh ist geflohen. Jetzt brüllt nur ihre Säge und sie rufen sich etwas zu, dass ich nicht verstehen kann. Es ist alles viel zu laut. Nur die Schreie, die hallen in meinem Innern wider. Es sind Todesqualen, die mich gefrieren lassen, ich spüre sie ganz deutlich. Kurz darauf ist es vorbei.
Zumindest hoffe ich es. Aber nein, die Männer haben mich bemerkt, sie kommen zu mir. Ängstlich zittere ich, doch ich kann ihnen nicht entkommen. Direkt neben mir schmeißen sie ihre Säge erneut an. Ich kann nicht mehr denken vor Krach, bin völlig betäubt. Doch der Schmerz reißt mich aus meinem Schock. Die Säge beißt sich gierig in mir fest, ich spüre jeden einzelnen Zahn in mir. Flüssigkeit läuft an mir herab, ich warte darauf zu sterben, doch der Tod ist nicht gnädig. Es dauert viel zu lange, immer tiefer frisst sich die Säge in mich hinein, zerteilt meinen Körpers Stück für Stück. Ich schwanke, verliere den Stand, doch statt mich zu erlösen, stoppen sie die Säge. Das letzte Stück, das meinen Körper verbunden hält, sie wollen hören, wie dieses letzte Stück kracht. Langsam und noch qualvoller als zuvor zerfalle ich, spüre ich jede einzelne Faser, die unter der Last nachgibt; spüre wie sie reißt, wie ich blute. Der Boden kommt näher, ich falle, doch der Aufprall ist dumpf gegen die Schmerzen der Säge, die mir die Sinne rauben. Nur der Schmerz erfüllt mich, doch noch lebe ich. Winzige Verbindungen halten mich am Leben; da kommt die Klinge ihrer stumpfen Axt, die mich nun endgültig vernichten soll. Doch sie brauchen noch drei Schläge, jeder einzelne eine Folter für mich. Immer näher komme ich dem Tod und das einzige Bild, das ich von dieser Welt mitnehmen kann, ist Schmerz, denn gegen ihn verblassen alle schönen Erinnerungen. Der letzte Schlag, ein Nebel umspült meinen Geist und endlich wird es nur noch ein dumpfes Gefühl, das verschwindet. Ich verschwinde. Ich war gern ein Teil dieses Waldes, wäre gerne auch nach dem Tod weiter im Kreislauf des Lebens geblieben, doch nun soll ich Feuerholz werden.