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Im Reservat

kaj

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03.12.2004
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Im Reservat

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Wenn irgendein abgemagerter, fast zahnloser Indianer mit schlaffer, in Falten herabhängender Haut in einem Reservat schmaläugige Touristen monatelang unermüdlich durch stinkende Schlammwüsten führte, durch das Schilf watend, jeden Schritt sich abquälend, die jämmerlichen Ärmchen zur Erklärung schwingend und wenn diese Wanderung unter dem Schnarren der gräulich gefiederten Vögel sich fortsetzte, begleitet von dem seelenlosen Starren der Augen eines echten, schon länger nicht mehr lebenden Krokodils, das eigentlich ein Souvenir ist – vielleicht eilte ich dann durch die vermodernden Schilfreste den langen Weg zum Ufer hinab, stürzte vor die schaulustige Touristenmenge, riefe das: Halt! durch das unaufhörliche, zu einem Crescendo anschwellenden Geschnarre der Vögel.

Da es aber nicht so ist; ein muskulöser junger Bursche mit Tätowierungen auf rötlicher Indianerhaut herbeieilt, zwischen den herabhängenden Blättern der Bäume, die sich vor ihm teilen; die Touristen, hingebungsvoll ihre Augen suchend, überschwänglich begrüßt; zärtlich über die grüne Echsenhaut des Krokodils streicht, als wäre es sein über alles geliebtes Haustier, das sich auf große Fahrt begibt; sich nicht entschließen kann, die Gruppe von ihm wegzuführen; sich schließlich in Selbstüberwindung der Erklärung der Vogelarten zuwendet; mit einem Auge beim Krokodil verharrend auf einen schwarzschimmernden Kormoran deutet; die Schönheit der Natur kaum begreifen kann; mit englischen Ausdrücken sie beschreibt; die Reisenden eindringlich zu peinlichster Achtsamkeit mahnt; schließlich sie vorsichtig vom Ufer wegführt, den Fluss mit seinen Armen umschließt und keine Huldigung der Touristen für genügend erachtet; während das Krokodil, vom Indianer gepriesen, hoch auf einer Baumwurzel thronend, von fremdartigen Insekten umschwirrt, in sanftem Lächeln seine Zahnreihen präsentiert – da dies so ist, sinke ich ins grünflirrende Schilf zurück und, im Sommerwind versinkend wie in einem fernen Traum, weine ich, ohne es zu bemerken.


(frei nach Franz Kafka: „Auf der Galerie“)

 

Na, wie gut, dass Du Deine Inspiration angegeben hast. Wer vergleichen möchte:

Kafka

Ist mir persönlich zu nahe an Kafka. Auch empfinde ich Deinen Text als verwirrender und weniger zugänglich. Dein Bild oder Deine Szene vom inhaltlichen Aspekt her ist nicht so stimmig. Die "Abhängigkeiten" zwischenpersonlich sind im Zirkustext klarer. Und was sich so nahe an seine Vorlage hält, muss sich nicht wundern, wenn es so direkt mit dieser Vorlage verglichen wird.

 

Hallo kaj!

Kann mich der Meinung von Zaza nur anschließen. Vor allem im zweiten Teil des Textes wirken deine Versuche, dich an Kafka zu halten, etwas gezwungen ( "sich schließlich in Selbstüberwindung der Erklärung der Vogelarten zuwendet" ist nur ein Beispiel ). Die Huldigung Kafkas würde man auch bemerken, wenn du dich weniger an seinen Text hältst und dafür versuchst, in eigenen Worten ein stimmiges Bild zu schaffen.

Gut fand ich das Bild mit dem Krokodil: Es ist in beiden Fällen tot ( so zumindest meine Interpretation ), und das schafft die nötige Parallele: Die Wirklichkeit ist eigentlich dieselbe, man sieht sie nur nicht mehr hinter dem schönen Schein.

Ciao, Megabjörnie

 

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