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Im Sand

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12.07.2005
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Im Sand

Ich frage mich, wo die Sonne bleibt.
Mit der linken Wange liege ich auf dem Boden.
Ich kann fühlen, wie kleine Steinchen, Sand und Kies meinen Kopf bedecken. Meinen Körper.
Mein Blick geht geradeaus, übers Wasser, direkt auf den Horizont zu.

Ich kann nicht alles erkennen. Der Nebel liegt an diesem Morgen noch über dem Wasser und läßt sich von den ersten zarten Sonnenstrahlen noch nicht so recht vertreiben. Alles wirkt um neunzig Grad verkehrt herum.
Ich versuche, meinen Kopf aufzurichten und einen Blick auf die Szenerie zu erhaschen.
Es geht nicht. Ich spüre die Muskeln nicht mehr, um ihn zu bewegen. Ich spüre überhaupt keinen Muskel mehr. Keine Arme, keine Beine.

Ich schaffe es noch irgendwie, zu atmen. Mit jedem Stoß, den ich aus meinen Lungen presse, wirbelt der Staub vor meinem Gesicht auf.
Er beißt in den Augen und nimmt mir zusätzlich die Sicht auf den Horizont.
Dabei geht doch langsam die Sonne auf.
Ich möchte sie so gerne nochmal sehen.

Nach und nach bemerke ich, wie es unter meiner linken Wange warm wird. Als hätte ich mir in die Hosen gepinkelt.
Die Kieselsteinchen, der Staub, der Sand - alles, was sich unmittelbar vor meinem Gesicht befindet, beginnt langsam, sich rot zu färben.

Ich beobachte den Nebel und starre durch ihn hindurch. Der Horizont steht immer noch senkrecht.
Langsam beginnen die Vögel, den neuen Tag zu begrüßen. Sie singen ein fröhliches, vielstimmiges Lied. In ihren Worten höre ich Hoffnung und Zuversicht.

Ich muß husten. Es tut so wahnsinnig weh, daß ich glaube, es zerreißt mich. Ich wirbele eine riesige Staubwolke auf und huste ein paar der mittlerweile roten Kieselsteine zur Seite. Ein paar Vögel hören auf zu singen.

Das könnte ab jetzt öfter passieren. Ich schaffe es nicht mehr, durch die Nase zu atmen.

Der Nebel hängt tief. Er schweigt.
Er wartet auf die Sonne, die seinem Dasein zumindest für den Moment ein Ende bereiten wird. Sie läßt sich noch Zeit in dieser Morgendämmerung.
Ich bin der Nebel.

Das Licht bahnt sich langsam seinen Weg durch die Abermillionen von kleinen Tröpfchen, die diesen Morgen in einen sanften, grauen Schleier hüllen. Es dauert nicht mehr lange.
Der große, kreischend rote Ball erhebt sich über der Wasseroberfläche. Nein, links von der Wasseroberfläche.
Wie lange mag es wohl dauern, bis er sich aus seinem Bett geschält hat? Minuten? Stunden?

Das spielt keine Rolle. Für mich sind es nur noch Sekunden. Wie gerne würde ich jetzt eine Hand auf die Stelle meines Körpers pressen, die mich dazu bringt, mein Gesicht zu einer schmerzerfüllten Fratze zu verzerren. Doch meine Hände sind unbeweglich.

Ich spüre einen süßlichen Geschmack auf meiner Zunge. Als ich den Mund öffne, färbe ich damit noch mehr Sand rot.
Die Sonne hat jetzt das gleiche Rot wie der Sand unter und vor meinem Gesicht.

Sie beginnt langsam, den Nebel zu vertreiben. Ich kann den Tröpfchen zusehen, wie sie im gleißenden Licht des großen Feuerballs eingehen. Und ich kann hören, wie du aufstehst. Ich erkenne deinen Gang. Langsam zwar, doch grazil wie eh und je. Wie damals. Wenn ich doch nur den Kopf drehen könnte. Dann würde ich nochmal deinen makellosen Körper sehen, deine langen Beine, deinen knackigen Hintern, die tolle Figur und die langen Haare.
Ja, das mit dem Hören klappt noch. Gut genug, um zu bemerken, daß die Schrittgeräusche verstummen und sich kurz darauf mein Auto entfernt.

Die rote Sonne hat sich langsam aus ihrem Wasserbett getraut und hat ihren Weg nach links allmählich vollendet.
Sie ist nicht mehr rot, sondern gelblichweiß. Sie schickt eine Lichtgranate nach der anderen. Sie vertreibt den Nebel für mich.

Ich kann direkt in sie hineinsehen. Ihr gleißendes Licht beißt in meinen Augen.
Plötzlich fällt mir das Atmen nicht mehr so leicht.

Ich verschwende den Rest meines Lebens mit Husten, anstatt ins Licht zu sehen.
Zwei-, dreimal schaffe ich es noch.
Dann klappt das Atmen nicht mehr.
Ein paar kurze Japser.
Dann reiße ich die Augen auf.

Noch einmal sehe ich direkt in das Licht. Dann wird alles dunkel.

Leck mich, mein Schatz.
Ich habe die Sonne gesehen.

 

Cruzha schrieb über seine Geschichte:

Huhu Gemeinde,
mit vielen von Euch kann ich qualitativ einfach noch nicht mithalten. Allerdings hat mich das jetzt nicht davon abgehalten, hier einen Versuch meiner bescheidenen Künste loszulassen.
Ich freue mich natürlich über jeden, der das hier liest. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere am Ende ja sogar unterhalten.

 

hi cruzha

hab ich gern gelesen, da es schön geschrieben ist. nur entsteht nicht so wirklich eine Geschichte, da du kein Warum, keinen Hintergrund aufbaust. warum er erschossen, obwohl ich nicht einmal sicher weiß, dass hier jemand und ob es überhaupt ein er ist, erschossen wurde, wird nicht deutlich.
ich würde es schon sehr lange offen lassen, und die Geschehnisse erst spät gegen ende klären, und zwar in sachten einschüben.

grüße

 

Hi cruzha,

im Morgennebel ist der Sand feucht und klumpt, besonders am Meer. Beim Husten werden keine Staubwolken aufwirbeln können. Ansonsten geht es mir wie Aris. Du läßt mich zu sehr in der Schwebe, was die Protagonisten betrifft.

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo Cruzha!

Dein Text hat mir sehr gut gefallen, er hat etwas lyrisches. Auch mir erschließt sich jedoch die konkrete Situation, wenn es die denn gibt, was ja nicht unbedingt sein muss und den Text in meinen Augen auch nicht in seiner Qualität mindern würde, nicht ganz. Du schreibst zwischendurch "Ich bin der Nebel" das habe ich gleich wörtlich genommen, stimmte dann aber offenbar doch nicht. Es liegt offenbar ein sterbender Mensch am Strand und sieht in seinen letzten Sekunden die Sonne aufgehen. Wenn da mehr ist, ok, aber wenn nicht finde ich das so auch gut, da muss dann mMn auch nicht unbedingt noch was hin, dann ist es eben, wie es ist. Einige sprachliche Bilder finde ich bizarr bis unpassend.
Die Sprache insgesamt hat mir aber gut gefallen und die Bilder hast Du für mich sehr klar und gut sichtbar gezeichnet.
-schön!

Gruß,
Xulius

 

Hi Cruzha,

ich finde, du hast da recht gut eine Atmosphäre geschaffen, die mich zum weiterlesen angeregt hat. Schöne Bilder, flüssige Sprache. Mich würde das 'Wieso' auch interessieren, sowie eine kleine Erklärung vielleicht.

Hat mir aber gut gefallen, und ich denke nicht, dass du dich hier verstecken musst :)

LG,
Mag

 

Hi Cruzha,

der Text wäre doch in Seltsam besser aufgehoben. Lass ihn doch verschieben.

Mir hat die Geschichte gefallen, obwohl der Hintergrund, die Motive der Prots, ja noch nicht einmal das Wie klar werden. Trotzdem, die Stimmung am Meer hast du gut eingefangen.

Ändern würde ich das

Nach und nach bemerke ich, wie es unter meiner linken Wange warm wird. Als hätte ich mir in die Hosen gepinkelt.
Wenn es um die Beine ginge , wäre es okay, aber dei Wange ist einfach zu weit weg.

Gruß, Elisha

 

Erstmal Danke für eure Anmerkungen!

@Aris
Warum er getötet wurde, sollte eigentlich nicht wichtig sein. An der Stelle, an der die sich entfernenden Schritte beschrieben werden, wollte ich auch eigentlich anhand der Personenbeschreibung deutlich machen, dass hier eine Frau die Tötungshandlung durchgeführt hat.

@bernadette
Danke für den Tip mit dem klumpigen Sand. :)

@Xulius
Es stimmt: Da liegt ein Mensch am Strand und stirbt, dessen Leben gerade gewaltsam beendet wurde. Mehr sollte in der Geschichte eigentlich auch gar nicht geschildert werden.

Allgemein:
Wenn euch die Suche nach dem Motiv so sehr beschäftigt, sollte ich vielleicht nächstes Mal versuchen, so etwas in der Art einzubinden. Ich hatte eigentlich gar nicht die Absicht, im vorliegenden Text ein Motiv für die Tötung zu geben. Der Tod des Erzählers sollte keinen Sinn haben, den Motiven des Mordes keine größere Bedeutung gegeben werden. Das gewaltsame Beenden eines Lebens kann ja irgendwo keinen existenziellen Sinn haben.

Der Fokus sollte ganz auf das Opfer gerichtet sein - und seine letzten Minuten. Als Motiv eventuell: es ist eine Beziehungstat, es sollte ja zum Ausdruck kommen, dass der Erzähler von seiner Freundin getötet wurde.

 

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