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Im Schulbus
Im Schulbus
Der Bus fuhr langsam über die Straße.
In seinem Inneren plapperten die Kinder, die darin saßen, umher. Einige spielten mit ihren Gameboys. Andere simsten sich eifrig Nachrichten.
Ich dagegen stöhnte.
Meine Aufgabe war es diesen Bus voll Schulkinder zu ihrer Schule zu bringen. Normalerweise fuhr mein Kollege diesen Bus. Aber der war im Urlaub und da ich die Strecke schon kannte, wurde mir der Job gegeben.
Natürlich ohne mich zu fragen, ob ich das wollte.
Und wer bin ich?
Ein 25-jähriger Busfahrer, der nicht gerade in seinem Traumjob arbeitete. Ich hatte braune Haare, und braune Augen und fand, mich eigentlich ganz attraktiv. Was mir auch schon die eine oder andere Dame bestätigte, wenn sie zu mir in den Bus stieg.
Neben mir stand ein kleines Mädchen, das unaufhörlich versuchte mit mir eine Konversation zu führen.
Aber es scheiterte daran, dass ich dies nicht wollte.
„Der andere Busfahrer unterhält sich immer mit mir“, beschwerte sich das kleine blonde Mädchen. Ich schätzte sie auf gerade mal sieben Jahre.
Ihre grünen Augen strahlten mich an.
„Der andere Busfahrer wünscht sich aber auch 50 Bälger an den Hals“, brummte ich leise, mehr zu mir, als zu der Kleinen.
„Mögen Sie keine Kinder?“, fragte sie.
Nein, antwortete ich in Gedanken. „Wie kommst du denn auf so etwas?“, antwortete ich ihr. Ich quälte mich zu einem Lächeln.
„Haben Sie Kinder?“
Eins musste ich zugeben. Höflich, war das Mädchen. Aber meine Antwort war klar. Niemals wollte ich Kinder haben.
Außerdem fühlte ich mich mit meinen 25 Jahren noch deutlich zu jung dazu.
„Nein“, antwortete ich ihr. „Und jetzt Ende der Fragestunde, ich muss arbeiten.“
Das Mädchen begann zu schmollen. Ein paar Minuten war sie sogar still, doch dann plapperte sie weiter.
„Wieso haben Sie keine Kinder?“, war ihre Frage.
Weil ich Kinder hasse, war meine stumme Antwort.
„Mir reicht es!“, brüllte ich das Mädchen an. „Wenn du nicht sofort still bist, dann fahr ich jetzt dort hinten hin.“ Ich wies mit meinem Finger in irgendeine Richtung, dann sprach ich weiter. „Da ist eine Firma, die verarbeitet Kinder zu Buletten. Und wenn du nicht ruhig bist, dann bring ich dich denen zur Verarbeitung.“
„So eine Firma gibt es dort nicht“, war ihre Ansicht.
„Doch, aber erst im 50 km Entfernung“, behauptete ich weiter. Doch mein Plan sie ruhig zu kriegen schien nicht aufzugehen.
„Hey, ich bin zwar klein, aber nicht blöd“, lachte sie mich an.
Ich brachte meinen Bus an einer roten Ampel zum stehen. Mein Kopf senkte sich auf mein Lenkrad.
„Oh Gott, wie soll ich das nur aushalten?“, stöhnte ich leise. Ich sah auf die rote Ampel, dann auf das Mädchen, das mich immer noch mit Fragen löcherte.
„Sag mal, kannst du eigentlich schon lesen?“, war meine Frage. Sie nickte.
Ich zeigte auf das kleine Schild, das über der Scheibe befestigt war. „Dann lies das!“, wies ich sie an.
„Während der Fahrt nicht mit dem Fahrer reden“, las sie laut vor.
„Und das befolgst du jetzt“, schnaubte ich.
„Aber wieso darf ich nicht mit Ihnen reden?“, war ihre Frage?
„Weil das eine Vorschrift ist!“
Plötzlich hörte ich aufgeregtes Hupen hinter mir. Ich sah auf die Ampel. Sie war grün.
Schnell fuhr ich wieder an.
Meine Stanpauke hatte leider wenig Erfolg bei dem Mädchen. Unaufhörlich plapperte sie weiter. Ich beschloss sie zu ignorieren.
So ging das jeden Tag.
Sie stieg als einzige an einer kleinen Haltestelle ein. Sofort, beim hereinkommen, begrüßte sie mich und versuchte die ganze Fahrt über mich zum sprechen zu bringen.
Bis dies alles an einem Tag endete.
Es schüttete wie aus Eimern, als ich an der kleinen Bushaltestelle ankam. Von dem kleinen Mädchen war weit und breit nichts zu sehen.
„Gott sei dank!“, stöhnte ich freudig.
Doch meine Freude kam zu früh.
Durch den Regen sah ich ein kleines Mädchen rennen.
Ich wusste, dass ich ein mieses Schwein war, aber ich wartete nicht auf sie, sondern fuhr gut gelaunt los. Ohne ihre hohe Stimme ertragen zu müssen, während sie mich von der Seite mit Fragen löcherte.
Doch meine anfängliche Freude wandelte sich an den nächsten Tagen in Besorgnis.
Es waren noch genau vier Tage, die ich den Bus für meinen Kollegen fuhr. Aber an diesen Tagen wartete das Mädchen nicht an der Bushaltestelle.
War ihr etwas passiert? Oder war sie einfach nur krank?
Ich tippte auf die letztere Variante. Darauf, dass sie bald meinen Kollegen wieder belästigen konnte. Und ich wieder meinen Bus fahren konnte.
Es vergingen genau drei Monate, bis ich das Mädchen wieder sah.
In denen ich gestehen musste, dass mir die Kleine doch etwas sympathisch geworden war. Immer wieder warf ich einen Blick auf die Haltestelle, an der sie einstieg.
Dann an einem stürmischen Tag. Düstere Wolken verdeckten den Himmel, Blitze zuckten, Donner grollte. Der perfekte Tag für eine Busfahrt.
Ganz vorne saßen fünf, sich angeregt unterhaltende Rentner, hinter ihnen ein junge Mutter, die verzweifelt versuchte ihr Kind zu beruhigen. Ihr einige Tipps gebend, saß auf der anderen Seite eine ältere Dame. Ganz hinten im Bus saß eine kleine Gruppe von Teenagern. Ein Mann schmökerte in einer Zeitung, eine andere Frau las ein Buch.
Dann saß noch eine Frau im Bus, deren Blick traurig in den Regen hinaus gerichtet war. Als Ziel hatte sie den Friedhof.
Der Rest des Busses war leer.
Dann kam ich zu der Bushaltestelle, an der das blonde Mädchen immer einstieg.
Und tatsächlich, stand ein wartender Fahrgast dort.
Ein süßes kleines, blondes Mädchen. Sie trug einen blauen Regenmantel. Klatschnass stieg sie in meinen Bus.
„Hallo Herr Busfahrer“, begrüßte sie mich höflich.
Ich sah sie verwundert an. Sah in ihr strahlendes Lächeln. „Lange nicht gesehen“, brachte ich dann hervor. Ich schloss die Türen des Busses, dann setzte ich das Gefährt in Bewegung.
„Willst du zu einer Freundin?“, war meine Frage.
Sie lächelte mich nur an.
Es war komisch, das sie nichts sagte. Doch noch komischer wurde es, als die Zeit verging, und sie weiter stumm blieb.
Ich wollte fast fragen, ob sie verstummt war, als ihr Plappern begann.
Meinen Bus fuhr ich gerade durch einen dunklen Wald. Das Gewitter war genau über uns.
Ich mochte solche Unwetter nicht.
„Wie geht es Ihnen, Herr Busfahrer“, fragte sie.
„Gut“, antwortete ich ihr.
„Mögen Sie jetzt Kinder?“ Ich begann zu lachen. Etwas musste ich mir eingestehen. Irgendwie hatte ich dieses kleine Mädchen vermisst.
„Ich hab doch niemals behauptet, dass ich keine Kinder mag“, antwortete ich.
„Aber Sie mögen mich nicht“, war ihre Meinung.
„Du bist ein kleines Plappermaul“, stöhnte ich.
Die Leute bemerkte ich nicht, die mich verwirrt musterten.
Auf meiner weiteren Fahrt, löcherte mich das Mädchen mit weiteren Fragen. Langsam wusste ich, wieso ich es damals kaum erwarten konnte, dass mein Kollege wieder gesund wurde.
Dieses Mädchen war nervig.
„Sie mögen doch keine Kinder“, rief sie laut.
„Jetzt langt es!“, brüllte ich sie an. Ich trat auf die Bremse. Mein Bus kam auf der nassen Fahrbahn zum halten. „Kannst du nicht endlich mal deine Klappe halten?“, verlangte ich von dem Mädchen zu erfahren. „Ich will doch nur meine Arbeit machen.“
Plötzlich zuckte ein Blitz am Himmel. Er schlug neben der Straße in einen Baum. Mit einem lauten kracken, schlug der brennende Baum auf die Straße auf.
„Oh Gott“, kam es von einem Fahrgast.
Hätte ich nicht gehalten, währen wir jetzt nicht mehr am Leben, ging es mir durch den Kopf. Mein Herz schlug schneller.
Ich sah auf das Mädchen. Sie war nicht mehr da.
Mein Blick wanderte durch den Bus. Aber sie war nirgends.
Die nächsten Tage ging alles durch die Presse. Dort standen Schlagzeilen, wie Nervenzusammenbruch rettete 25 Menschen das Leben oder Der Held, der mit den Geistern sprach. Zwar kam kein Wort über meine Lippen, dass mich dieses kleine Mädchen zum halten bewegt hatte, aber die Passagiere meines Busses erzählten in jeder Einzelheit wie ich mich auf dieser nächtlichen Fahrt verhielt.
Und so erlange ich als der Busfahrer der mit den Geistern spricht, Berühmtheit.
„Wow, ein echtes Medium als Kollege“, lachte mein Kollege und Freund.
„Sehr witzig“, maulte ich. Nicht nur Zeitungsreporter belästigten mich. Sogar einige Reporter von einigen Fernsehsendern wollten mich interviewen.
Plötzlich sah ich meinen Kollegen fragend an. Mir ging dieses kleine Mädchen schon seit diesem Tag nicht mehr aus dem Kopf. Konnte sie wirklich ein Geist sein. Unmöglich, redete ich mir ein.
„An dieser einen Bushaltestelle – ich komm jetzt nicht auf den Namen –, da steigt doch immer so ein sieben oder acht-jähriges Mädchen ein“, sprach ich an. „Blondes Haar, grüne Augen und sehr gesprächig.“
Mein Kollege nickte. Damals übernahm ich seine Fahrt, als er krank war.
„Wieso fragst du?“, wollte mein Kollege von mir wissen.
„Nur so“, antwortete ich ihm.
Er senkte seinen Kopf. „Ist eine traurige Geschichte“ antworte er. „Vor ein paar Monaten starb sie. Ich glaub an irgendeiner Krankheit.“
Tot, ging es durch meine Gedanken. War sie wirklich ein Geist? Hat mich in Geist gerettet?
Ich konnte es zwar nicht erklären. Aber dennoch hatte ich sie im Bus gesehen.
Und wieso das alles? stellte ich mir die größte Frage, doch die bekam ich einige Tage später beantwortet.
Mein Kollege hatte sich mit dem Mädchen angefreundet, so dass er mir ihren Namen geben konnte. So machte ich mich auf die Suche nach dem Grab. Bis plötzlich eine Frau vor mir stand.
Als ich sie erblickte, versteckte ich mich und war im ersten Moment geschockt.
Diese Frau war auch in dem Bus. Ihr trauriger Blick, der aus dem Fenster ging, war mir am meisten aufgefallen. Sie hat mir Leid getan.
Ich ahnte auch, vor welchem Grab sie stand, aber hingehen konnte ich nicht.
Wie hätte ich, dass tu können?
So traurig wie sie war, hätte ich ihr doch kaum sagen können, dass mir der Geist des Mädchens begegnet war. Sogar alle gerettet hatte.
Womöglich hielt sie es noch für einen schlechten Scherz oder noch etwas schlimmeres.
Ich wartete, bis sie gegangen war. Meine Vermutung war richtig, auf dem Grabstein, las ich den Namen des Mädchens.
Ich kniete mich davor hin. Mit einem Danke, legte ich die Blumen auf das Grab.
Von da an beschloss ich jedes Jahr an ihrem Grab ein paar Blumen niederzulegen. Als Dank.