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Im Supermarkt
"Warum hast du den angeguckt?"
"Wen?" Ich weiß mal wieder nicht wen er meint. Soll ich mit geschlossenen Augen durch den Supermarkt laufen? Jetzt muss ich vorsichtig sein.
"Na den Typen da drüben! Sag nicht, dass du ihn nicht angeschaut hast. Ich habe es doch genau gesehen!" Dieses leise Knurren in seiner Stimme bedeutet nichts Gutes. Ich würde zu gern hoch sehen, um wenigstens zu wissen vom wem er redet. Doch das wäre im Augenblick das verkehrteste, was ich tun könnte. Ich senke meinen Blick zum Boden. Leider zu spät. Ich sehe wie sich seine Hände zu Fäusten ballen. Sehe, wie er mit sich kämpft.
"Bist du scharf auf diesen Arsch?" Es gelingt ihm kaum die Stimme zu dämpfen. Obwohl ich meine Augen krampfhaft auf den Boden richte und das Muster der Bodenfliesen sich langsam unauslöschlich in mein Gehirn brennt, spüre ich, wie mich die Blicke der Leute streifen. Ich weiß genau was sie gerade denken. Ich darf darauf nicht antworten, alles was ich jetzt sage, ist falsch und regt ihn nur noch mehr auf.
"Der würde dich sowie so nicht anpacken. Guck dich doch mal an! Wie du schon aussiehst!" Diese herablassende Art und dieses höhnische Grinsen, das ich nicht einmal zu sehen brauche, denn ich kenne es genau, all das treibt mir die Tränen in die Augen. Ich merke wie die Welt vor meinen Augen verschwimmt. Jetzt nur nicht weinen! Das ist es doch was er will.
Ich ziehe den Einkaufszettel aus der Jackentasche. Meine Hände zittern und ich kann kaum erkennen was darauf geschrieben steht.
"Du bist so dämlich! Los geh doch und lass dich von dem richtig durchnehmen. Das willst du doch." Wäre ich doch nur zu Hause geblieben. Ich hätte es wissen müssen. Warum habe ich nicht wieder gesagt, dass es mir nicht gut geht? Warum bin ich mitgefahren? Weil er es so wollte. Was hätte ich dagegen schon tun können?
Am liebsten würde ich flüchten, aus dem Laden, vor den Blicken der Menschen, vor seinen Tiraden, vor mir selbst. Doch ich tue es nicht. Ich habe Angst. Natürlich habe ich Angst vor ihm. Angst davor, was passiert, wenn wir nachher gemeinsam im Auto sitzen, davor was passiert, wenn wir wieder zu Hause sind. Doch noch viel mehr Angst habe ich davor allein zu sein! Ich atme tief durch und sage: "Komm lass uns zum Gemüseregal gehen" und hoffe, dass es besser wird.