I'm thinking so much differently?
Wohin sind die Zeiten, die einem sagen, dass so viel irgendwann anders werden wird? Diese Zeiten, welche jeder Mitdreißiger zurücksehnt und sich dann hemmungslos betrinkt? Diese Zeiten, wo Frauen fast noch Mädchen waren und eine Zigarette zu rauchen noch cool war, und sie nicht mit jedem Zug die Gesundheit bedrohte? Diese Zeiten, wo Bier gerade aufhörte ekelig zu schmecken und deshalb Schnaps und Wein in den verschiedensten Variationen in sich hinein geschüttet wurde? Sie verstehen wohl welche Zeiten ich meine, auch wenn sie, wie ich im Moment noch, kein Mitdreißiger sind. Die Jugend. Da, wo im zweistelligen Alter noch eine Eins vorne stand und die zweite Zahl größer Drei und kleiner, gleich Neun betrug. Schule, und der ganze Käse, war Nebensache, selbst die Streber waren, und sie sind wahrscheinlich heute genauso, zu neunundneunzig Prozent einfach Naturtalente; anders sind natürlich die Schleimer zu betrachten. Die Mädchen wurden wichtig, diese Wesen, die sich langsam große und kleine Brüste wachsen ließen, ein Lächeln in eine Waffe verwandelten, eine lange Beziehung mit einer von ihnen noch in Monaten anwuchs und sie irgendwann zu Frauen befördert wurden. Über Freundschaft wurde in Kellern, großen Zimmern, auf Spielsplätzen, in einer Umkleidekabine nach einem Spiel diskutiert. Ein Kater war eine Trophäe und keine Schwäche. Bonzen wurden verbal angegriffen und ausgeschlossen, wenn man sie nicht ausnutzen, oder sie sich nicht mit dem einem oder anderen flotten Spruch verteidigen konnten. Heute ist das alles anders. Wirklich alles?
Alle, inklusive mir, regen sich über die Kids auf, die in unsere Stammkneipen einfallen, nichts wird mehr veranstaltet, was uns Spaß bereiten könnte; überall fallen diese Kiddies ein. Wie lange ist es her, dass wir das zum ersten Mal bemerkten? Ich meine, sie ekeln uns nicht raus aus irgendetwas, wir halten nur zu lange fest, an allen Dingen, die uns geprägt haben. Wer lässt diese Angelegenheiten schon gerne ziehen, oder überlässt sie anderen, die davon keine Ahnung haben? Nur müssen wir solche alternden Haudegen auch aus ihren Positionen verdrängt haben. Ein Bier trinkt man nicht mehr im Zirkel irgendwelcher anderen; nein, wir nennen es Feierabendbier, wenn wir mit der Büchse oder Flasche vor der Glotze verblöden. Schnaps trinken wir nicht mehr, denn der schmeckt ja ekelig.
Und die Wesen mit den großen und kleinen Brüsten? Was ist mit denen? Was mit ihrem Lächeln? Differenziert betrachten wir sie heute. Auf einmal können sie Dich zerstören, Dich ausnehmen, wenn Du reich bist, benutzen Dich als Spielzeug, wenn Du arm bist. Manche wollen sich, mit ihrer ersten eigenen Wohnung im Rücken, nun austoben; wie wir auch! Aber trotzdem kommt es uns fremd vor, dass wir solche nicht mehr als Schlampen bezeichnen, sondern als flexibel. Das Lächeln wird zumeist immer noch als Waffe bezeichnet, nur sehen wir auch die negativen Punkte einer Waffe: sie kann töten! Na gut, nennen wir es nicht töten, sondern zerstören; hier schließt sich der Kreis. Zerstören. Und zwar dann, wenn wir nicht von einer Frau loskommen und uns ihr wunderschönes Lächeln ins Gedächtnis gebrannt ist. Aus den gewachsenen kleinen Brüsten können durch Silikon mittlerweile große werden. Das ist ganz normal. Auch sie werden zu einer Waffe, doch meinen wir damit nicht, dass sie dann auch ohne BH aufrecht stehen. Die Fleischbeschau packt uns immer mehr, wenn wir Videos von weiblichen Superstars sehen und uns fragen, warum wir sie eigentlich nicht flachlegen können?!? Um darüber, und die anderen Dinge, die uns wichtig sind, zu reden, treffen wir uns nicht mehr in Kellern, großen Zimmern oder auf Spielplätzen. Nein, wir sind ja nur noch, wenn überhaupt, am Wochenende im zu Hause unserer Jugend; oder müssen da dann nichts für unsere Karriere tun, sprich arbeiten, also wollen wir so viele der alten Leute wie möglich sehen, und das geht nur auf lauten Großraumparties. Gespräche führt man zwar noch in der Umkleidekabine nach einem Handballspiel, aber sie stumpfen und flachen doch immer mehr ab, da die alte A-Jugend-Mannschaft von früher jetzt durch jüngere und ältere Mitspieler durchsetzt wurde, halt ne Herrenmannschaft, und dann kann man einfach nicht offen über die Themen reden, die früher so wichtig waren. Da kommen wieder die Bonzen ins Spiel. Auch heuer sind wir neidisch auf sie (halt die deutsche Form von Anerkennung), nur haben sie es sich zumeist selbst erarbeitet und sind nicht mehr die Kinder von den reichen Industriellen. Sie sind halt oft die Schleimer, und manchmal auch die Streber, welche die Kurve gekriegt haben. Doch man sollte diesen Themen auch zu Gute halten, dass sie verdammt pubertär waren, und deshalb nicht mehr wichtig sein dürfen; bis auf das eigenerarbeitete Bonzentum. Denn wir alle sind ja so verdammt erwachsen geworden...dieser Zustand, den wir immer erreichen wollten, wovon wir früher fast andauernd geträumt haben. So reden wir halt in unseren Träumen mit unseren Erinnerungen, unserer Jugend, weiter. Und danach wachen wir glücklich auf, denn dort hat sich nichts verändert. Wie sich das erst mit 35 oder noch mehr Jahren auf dem Buckel anfühlen muss, will ich gar nicht erst wissen, denn selbst ich bin, schon seit Jahren, immer noch zu feige mich umzubringen...