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Immer wieder Sonntags
Immer wieder Sonntags
Warum komme ich nur jedes Mal wieder hier her? Es ist heiß, die Luft ist stickig und das Bier ist warm.
Aus der Musicbox, die seit den 70ern keine neue Scheibe gesehen hat, dröhnt schon zum fünften Mal irgend ein beschissener Song von Jonny Cash.
Ich winke Gasper herbei. Der Barkeeper zieht die Augenbrauen hoch - aber er kommt.
“Hey, wann sorgst Du mal für neue Musik?”
“Wenn Ihr Typen mehr saufen würdet, dann könnte ich auch wieder mal neue Platten kaufen.” antwortet er schnippisch.
“Mir kommen gleich die Tränen, Arschloch”, sage ich. “Sieh lieber zu, dass Du mir noch ein Bier bringst, Du dummer Hurensohn. Aber diesmal ein Kaltes!” Ich hasse diese fette Sau.
Im hinteren Teil der Bar spielt Clayton mit seinen drei Kumpels Billard. Ihr Spiel dauert jetzt schon eine dreiviertel Stunde. Nur weil diese Wichser zu blöd sind, auch nur eine Kugel einzulochen. Andere können es sicherlich besser. Aber seit Gasper den Tisch aufgestellt hat, gehörte er Clayton und seinen Kumpanen. Clayton hat zwar die Statur eines Bullen, dafür ist sein Gehirn bestimmt nicht größer als so eine verdammte Billardkugel. Obwohl es heiß wie in einem Dampfbad ist, tragen sie ihre Lederjacken. Sie sind die Härtesten - Zumindest halten sie sich dafür.
Jeden Sonntagabend der gleiche Mist.
Irgendwann schmeiße ich den Job auf der Farm hin und verlasse dieses verdammte Missouri.
Die Erdnüsse schmecken auch wie Scheiße.
Neben mir nimmt eine blonde Frau platz und legt ihre Handtasche auf die Bar. Bei ihrer Frisur bin ich mir nicht sicher, ob sie gewollt ist, oder ob die Dame mit ihr gerade aus dem Bett gestiegen war. Vor 35 Jahren hat sie sicher einmal eine Miss-Wahl auf irgend einer Landwirtschaftsausstellung gewonnen und versucht nun, den äußeren Verfall mit viel Make Up zu überpinseln. Ich frage mich, wie man mit so viel Farbe auf den Lidern überhaupt die Augen offen halten kann.
Sie lächelt mich an und ich sehe, dass sie den Lippenstift nicht nur auf ihren porösen Schleimhäuten, sondern auch auf ihren gelben Zähnen verteilt hat.
“Na, Kleiner”, spricht sie mich an. “Heute schon was vor?”
Gasper kommt endlich mit meinem Miller Light. Wenigstens ist es kalt.
“Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich Dich heute treffen würde”, gebe ich zur Antwort. “Aber ich habe eine Verabredung mit meiner Lisa.”
“Was macht denn diese Lisa so besonders?”
Sie legt mir ihre Hand auf den Schenkel.
“Sie hat zwei wunderschöne braune Augen, einen riesigen Euter, drei Mägen und zwei süße spitze Hörner auf dem Kopf.”
Ihre Hand verschwindet. Beleidigt dreht sich die Verschmähte um und zeigt mir ihren Rücken. Ohne aber Zeit zu verschwenden, baggert sie den Typen rechts von sich an.
Der Typ sitzt schon die ganze Zeit dort und schüttet sich einen Whisky nach dem Anderen rein. Ich glaube nicht, dass er auch nur ein Wort von ihr mitbekommt. Dafür bestellt sie auf seine Rechnung.
Bei Clayton gibt es Ärger. Er packt einen seiner Freunde am Kragen und schlägt ihm mit der Faust auf die Nase. Blut spritzt auf den Billardtisch. Der Geschlagene fällt zurück und landet auf einem Stuhl. Er hält sich seine blutende Nase und lacht wie ein Irrer. Wahrscheinlich hat er gegen Clayton gewonnen - und das mag Clayton nicht.
Ich bekomme Sodbrennen. Bestimmt die verschissenen Erdnüsse.
Inzwischen greift der Blutende nach einem Bündel Dollars auf dem Billardtisch, worauf ihm Clayton sein Messer durch die Hand stößt. Der Typ hängt fest und schreit.
Claytons Rechte schickt ihn auf den Boden, wo er liegen bleibt. Das Messer steckt immer noch im Tisch. Ich muss aufs Klo.
Im Gang zu den Toiletten steht, in einer Nische, wo das Leergut gelagert wird, Martha. Die Kellnerin lehnt mit dem Rücken an der Wand und lässt sich im Stehen wieder einmal von irgend so einem Kerl durchvögeln. Sie bemerken mich nicht.
Martha hat die Angewohnheit laute, spitze Schreie auszustoßen, wenn sie zum Orgasmus kommt - Aber noch ist es nicht so weit.
Ich öffne die Toilettentür. Stechender Pissegestank weht mir entgegen. Vor dem Waschbecken liegt der Typ von der Bar und kotzt Blut. Ich hab schon immer vermutet, dass Gasper seinen Whisky mit irgend einem Dreck panscht. Ich muss aufpassen, nicht auszurutschen. Auf dem Boden ist mehr Pisse als in den Becken.
Während ich mich erleichtere höre ich Marthas Höhepunkt.
Aufs Händewaschen verzichte ich. Vor dem Waschbecken liegt immer noch der Typ, in einer Lache Blut, und zuckt.
Wieder im Gang, kommt mir Marthas Lover entgegen und steckt sein Hemd in die Hose. Ich grinse wissend. Ich habe es gesehen, Junge, denke ich. Auch wenn ich es nicht gesehen hätte - ich kann es riechen. Martha muss ihre Tage haben.
Miss Mais 1965 hat inzwischen ein neues Opfer gefunden. Ich tippe den Kerl an die Schulter. Er dreht sich um und grinst mich hinter seinem verfranzten Schnauzbart an.
“Sorry, Mister. Sie sitzen auf meinem Platz.”
“Woher soll ich denn wissen, dass das Dein Platz ist? Steht hier vielleicht irgendwo Dein Name?” Der Typ schaut sich suchend um.
“Nein, aber mein Bier steht da.” Ich deute auf mein Miller Light.
“Ach, wirklich? Das ist dein Bier, Arschloch?” Die Dame neben ihm lächelt schadenfroh. Er nimmt die Flasche, führt sie langsam zum Mund und nuckelt provozierend daran.
Ich schlage zu und ramme ihm den Flaschenhals durch die Zähne. Glas zersplittert. Der Penner rutscht quiekend vom Barhocker. Während er vor meinen Füßen Blut und seine Schneidezähne ausspuckt, werde ich wüst beschimpft und immer wieder von einer Handtasche am Kopf getroffen. Mit dem flachen Handrücken hau ich der Schlampe in die Fresse. Ich verabscheue Männer, die Frauen mit der Faust schlagen.
Ihr Kopf wird zurück gerissen. Ich sehe ihre geplatzte Lippe und das Blut, das aus ihrer Nase läuft. In ihren Augen stehen Tränen - Aber sie weint nicht. Mit dem Ärmel wischt sie sich das Blut aus dem Gesicht und verschmiert dabei ihren Lippenstift. Sie steht auf und hilft ihrem jammernden One Night Stand auf die Beine. Dann verschwinden sie in den hinteren Teil der Bar. Dabei muss sie ihn stützen. Ich hasse dieses aggressive Gesocks.
Ich setze mich wieder und bestelle ein neues Bier. Diesmal bringt es Gasper schneller.
Nach einer Zeit höre ich Glas splittern und ein Poltern. Clayton, denke ich und drehe mich um. Diesmal habe ich mich geirrt. Mit aufgeplatzten und geschwollenen Lippen steht der Zahnlose von vorhin mitten auf dem Billardtisch.
Hasserfüllt sieht er mich an und zeigt mit einer zerbrochenen Bierflasche auf mich. Ich merke, wie mich die anderen Gäste anstarren.
Was er ruft kann ich nicht verstehen. Es soll wohl soviel heißen wie: Ich bring Dich um, Du Drecksau! - Sicher bin ich mir aber nicht.
Leider hat der Typ nur einen kleinen Fehler gemacht. Als er auf den Tisch gesprungen ist, hat er Claytons Kugeln in Unordnung gebracht. Clayton fackelt nicht lange. Er packt seinen Queue und drischt ihn dem Mann in die Kniekehlen.
Der Schnauzbart knickt ein und landet auf den Knien. Clayton holt erneut aus und schlägt ihm mit dem Queue genau auf die Schnauze. Zischend ziehe ich die Luft durch meine Zähne. Verdammt, dass hat bestimmt weh getan. Der Kerl kippt nach hinten und bleibt auf dem Billardtisch liegen.
Doch der Typ ist zäher, als ich zuerst annahm. Langsam richtet er sich auf. In seiner rechten Hand hält er eine Billardkugel umklammert. Sein Gesicht ist über und über mit Blut verschmiert. Kurz überlege ich, Clayton zu warnen - lass es dann aber. Sein Problem. Clayton schreit. Auf seiner Stirn strömt Blut aus einer Platzwunde, wo ihn die Kugel getroffen hat. Er hält sich seinen Kopf und taumelt. Der Zahnlose steigt benommen vom Tisch und greift sich einen der Barhocker. Er nimmt Schwung und schlägt Clayton das Möbel ins Kreuz. Der Biker stürzt vorne über, mit dem Oberkörper auf den Billardtisch. Der Andere schlägt weiter zu. Immer wieder trifft er Clayton mit dem Hocker auf den Hinterkopf. Blut spritzt auf die Kugeln am Tisch.
Beim dritten Schlag fällt Claytons rechtes Auge heraus und rollt hüpfend in eine Ecktasche. Clayton schreit auf und fasst sich ins Gesicht. Erschöpft lässt der Angreifer den Barhocker fallen. Langsam kommt Clayton hoch. Blut läuft aus der Augenhöhle über sein Gesicht. Er greift nach dem Queue, schlägt ihn auf die Tischkante, wo er splitternd zerspringt. Dann rammt er dem Anderen das spitze Holz in den Bauch. Am Rücken tritt es wieder aus.
Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich Gasper zum Telefon greifen.
Der Zahnlose fällt auf die Knie. Ich blicke auf meine Uhr. Oh, verdammt, schon so spät! Morgen muss ich wieder früh raus. Ich lege zehn Dollar auf die Bar. Vielleicht langt der Rest ja noch für eine neue Platte.
Clayton packt den Queue und reißt ihn dem Kerl aus dem Leib. Dabei zieht er ein Stück einer Darmschlinge mit heraus, die sich um das Holz gewickelt hat.
Auf dem Weg zum Ausgang sehe ich noch, wie Clayton dem knienden Mann mit der Sohle seines Bikerstiefels in die Fresse tritt.
Ich gehe hinaus, atme frische Luft. Jeden Sonntag die gleiche Scheiße.
Ich weiß wirklich nicht, warum ich immer wieder hierher komme.