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In der Schwebe
Er sitzt da und denkt nach. Denkt an Alles und an Nichts. Verschiedene Gedanken schwirren durch seinen Kopf, aber er macht sich nicht die Mühe, bestimmte festzuhalten.
Durch ein kleines Fenster hinter ihm strahlt der Mond sein eiskaltes Licht und gibt dem Raum einen seltsamen, aber zugleich wunderschönen Glanz.
Er sitzt noch eine ganze Weile so da und schaut zu, wie die Schatten von vorbeifahrenden Autos merkwürdig tanzen. Dann legt er sich auf sein Bett und schaut an die Decke. Sie ist mit diesen kleinen Sternen bedeckt, die im Dunkeln leuchten. Je länger er sie betrachtet, desto matter leuchten sie.
Er steht auf, die Tür knarrt leicht, als er sie öffnet. Der Flur ist dunkel und leer, seine Eltern sind nicht zu Hause. Die Wohnungstür geht auf und schließt sich hinter ihm. Viele Stufen später betritt er das Dach. Als er die Tür öffnet, strömt sofort weißes Licht über ihn und lässt ihn leicht schaudern. Ein Blick nach oben, es ist Vollmond. Der Mond, so groß, wirkt zum Greifen nahe. Er setzt sich hin auf den kalten Steinboden und stößt dabei ein leichtes Seufzen aus. Oft saß er jetzt schon hier oben und erneut verschlägt ihm der Anblick des Vollmondes den Atem. Mit weiten Augen blickt er in die Ferne und wünscht sich dort zu sein.
Einmal bis zum Mond fliegen. Sich in die Luft erheben wie ein Vogel, sich vollständig im Mondesglanz suhlen wie ein Schwein im Schlamm. Nun steht er dort oben auf diesem Dach, lässt seinen Gedanken freien Lauf und im Geist wachsen ihm bereits Flügel. Er geht ein paar Schritte zum Rand und schaut nach unten. Sieht die Autos, die Bäume, sieht die ganze Welt und es erscheint ihm alles so klein, so unbedeutend. Er geht noch ein bisschen näher und blickt erneut nach oben auf den Mond. Direkt vor ihm der Abgrund, Wind weht leicht durch sein Haar. Heißt es nicht, wenn man etwas wirklich will, dann kann man es auch? Ein Lächeln umspielt seine Lippen, er weiß, dass er es kann. Einmal frei sein wie ein Vogel.
Und dann geht er den Schritt.
Er schwebt. Glückseligkeit. Er kann fliegen, für einen kurzen Moment, dann fällt er.
Bis zum Schluss hört er nicht auf zu lächeln.
Morgen wird man ihn finden, seine Mutter wird weinen.
Morgen wird in der Zeitung stehen <11-jähriger Junge von Hochhaus gestürzt. Umstände unklar>
Morgen wird man sich Fragen stellen, viele Fragen.
Doch Morgen wird es nicht mehr geben. Für ihn.