- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 11
In der Tiefe der Nacht
Es ist Nacht und wo ich stehe, wirft kein Mond seine Schatten.
Es ist tiefe Nacht.
Du sagst, du warst dabei, als ich geboren wurde - in jener Nacht, jener ersten aller Nächte überhaupt.
Du sagst, ich bin aus dir, um zu dir zu werden.
Du sagst, du gebarst den Tag.
Warst du auch dabei, als er geboren wurde?
Als ich ihn das erste Mal in mir spürte, wußte ich noch nicht, wer er war und was er wollte.
Ich gebar etwas mir Unbekanntes und ich wußte nicht, wie ich mit ihm umgehen sollte.
Er begegnete mir immer wieder. Meistens habe ich ihn erst sehr spät erkannt.
Allem widersprach er. Alles wollte er an sich reißen. Er war schrecklich präsent.
Du sagst, du kennst den Schmerz und die Tiefe der Nacht – wie kein anderer.
Du sagst, du bist bei uns, bis zur Vervollkommnung der Tage.
Du sagst, er existiere nicht, er sei Illusion, er sei nicht wahr - ein Geschöpf der Nacht.
Er könne in uns nur mächtig werden, wenn wir ihm den Raum geben.
Du sagst, er könne keinen einzigen Tag gebären.
Durch viele Abgründe begleitete er mich auf meinen Wanderungen.
Ich verwehrte mich ihm. Er widersprach mir. Ich aber, gab ihm keinen Raum mehr in mir, und als es hell wurde, ging er.
Voller Freude, wandte ich mich dem Leben zu.
Aber gerade eben kam er wieder. Ich wollte, ich wäre ihm heute Nacht nicht begegnet.
Ich dachte ich würde ihn kennen. Ich irrte sehr.
Er hat mich zutiefst erschreckt. Gleißendes Licht. Greller Schein. Er verdunkelte einen Teil der Welt.
Sein Lachen klang bestialisch und seine Fratze erschien mir eindrücklich und lustvoll, wie selten zuvor.
Er sagte, er wolle Ewigkeit.
Es ist tiefe Nacht. Es ist kalt. Und ich sehe niemanden hier außer mir.
Ich spüre seine Nähe. Ich spüre sie in mir. Er widerspricht mir zutiefst.
Ich weiß um meine Schwäche in der tiefen Nacht, wenn sich die Dunkelheit der Dinge bemächtigt, und ich den Weg nicht mehr erkennen kann.
Du sagst, ich solle weitergehen und nicht zurückschauen.
Ich solle keine Angst haben vor dem Abgrund.
Es sei nur meine Angst vor dem nächsten Schritt, die ihm die Macht gebe, einen Teil der Welt zu verdunkeln.
Du sagst, es gebe keinen Grund Angst davor zu haben, daß sich die Tiefe öffne.
Du sagst, Du seist das Leben und die Vollkommenheit der Tage und der einzige der Ewigkeiten gebären kann.
Ich mache den nächsten Schritt.
Kein Boden mehr unter den Füßen.
Die Tiefe umschließt mich.
Irgendwann nehme ich das Gefühl des Fallens nicht mehr wahr.
Ich wache auf.
Die Sonne scheint.
Und ich hoffe, ihm nicht mehr so oft begegnen zu müssen.