Was ist neu

In die Wüste

Beitritt
07.09.2010
Beiträge
33
Zuletzt bearbeitet:

In die Wüste

„Sprich mit ihm“, hatte Heike zu Gerhard gesagt. „Sprich mit deinem Bruder.“ Dabei hob sie ihre Brauen und neigte den Kopf, so als würde sie ihren Mann über eine Brille hinweg ansehen. Doch Gerhard hatte für Beschwichtigungsversuche im Moment nichts übrig.
„Prinzipien, Verantwortung!“ Wie ein mechanischer Hammer schlug Gerhards Zeigefinger auf die Holzplatte des Küchentisches ein.
Gerhards Bruder fehlte alles, was diesem Zeigefinger wichtig war. Prinzipien und Verantwortungsbewusstsein waren hier nur der Anfang. Stattdessen grub der Träumer zwischen Zierpflanzen herum, wohl in dem Glauben, das Grünzeug segne ihn, schenke ihm allumfassende Narrenfreiheit.

Gerhard stand auf einer Ebene aus getrocknetem Schlamm. Schlamm, der aufgeplatzt war wie eine angeschlagene Eierschale.
Seit drei Tagen hockte Gerhard der Schmerz auf dem Buckel. Am Morgen des dritten Tages hatte ihm das Ziehen entlang der Wirbelsäule die Besinnung geraubt und ihn hierher verbannt, in diese Ödnis aus Kilometern rissiger Erde.

„Er ist ein guter Gartengestalter. Die Leute wollen ihn.“ Heike hatte ihre Hand auf Gerhards Brust gelegt.
Sie hatte recht, alle Pflanzenliebhaber wollten Gerhards kleinen Bruder, der vermutlich selbst eine Pflanze war. Im Besonderen die Floristinnen liefen Jens hinterher und bewunderten ihn, wie er den ganzen Tag in der Sonne stand und Photosynthese betrieb. Braun gebrannt stemmte er die drahtigen Arme in die Seiten und lächelte ihnen entgegen.
„Neunundfünfzig, verheiratet, zweimal geschieden. Sogar einen Sohn. Er schert sich um nichts, alles kommt auf den Kompost, früher oder später“, hatte Gerhard zu Heike gesagt.
„Sag ihm das“, hatte sie geantwortet und ihre Hand mit Nachdruck von seiner Brust genommen, „Du kannst ihn nicht für den Rest deines Lebens ignorieren.“

Vor zwei Wochen hatte Jens von seiner neuen Liebe erzählt. Sie arbeitete für ein Blumengeschäft im Bahnhof. Die letzte Liebe, eine Gärtnerin aus Schweden, kümmerte sich ihrerzeit um Jens' Sohn. Jens nahm sie zur Frau. Sechs Jahre später warf die Schwedin das Haar zurück, schob die Lippen vor und wurde nie wieder gesehen.
„Implantate unserer Familie“, hatte Gerhard noch gesagt. Er klopfte sich auf seine Wampe und dachte an seine Tage als Zahnarzt. „Als ich diese kühne Sprechstundenhilfe damals kennenlernte, Heike, da wusste ich, dass du echt bist. Kein Plastik, nicht einmal Titan.“ Und er hatte versucht, Heikes Hände zu nehmen, doch diese waren unter ihre Achseln entwischt.

Jetzt befand sich Gerhard dort, wo kein Pflänzchen wuchs. Die Wüstensonne brannte ihm auf die Altersglatze. Er wollte weg von hier. Aufs Geratewohl losgehen. Mit seinem linken Fuß machte er einen ersten Schritt. Der Schmerz in seinem Rücken fuhr ihm bis zu den Ohren hinauf, unter der Schuhsohle knirschte Sand. Einen zweiten Schritt. Einen Dritten.
Er hätte genauso gut auf der Stelle treten können. Der Horizont blieb, wo er war, kein Hügel, nicht einmal ein Kaktus stellte sich Gerhard in den Weg. Er schwitzte und doch war er nicht nass. Alles, auch jeder einzelne seiner Flüche, verlor sich in der Hitze.
Und dann war da ein Tisch, mitten in der Wüste. Als Gerhard den Tisch erkannte, hastete er auf ihn zu. Es war der Schreibtisch seiner Mutter. Benutzt hatte sie ihn nicht, nur Schnittblumen drauf gestellt und Sachen in den Schubladen gelagert. Es war der Schreibtisch der Mutter, des Großvaters und wer weiß von wem noch. Gerhard keuchte, mit zittrigen Händen stützte er sich auf der Schreibtischplatte ab.

„Hast du den Verstand verloren?“ Gerhard hatte seinen Bruder angeschrien. „Mutters Tisch auf den Sperrmüll?“ Das war vor etwa zwanzig Jahren.
„Nimm ihn dir, hol ihn dir zurück.“ Die Antwort kam leise, ein bitterer Zug hatte sich um Jens' Mund gelegt. „Ich, jedenfalls, will ihn nicht.“
Selten war Gerhards Ärger über Jens so groß gewesen. Heike kam der Tisch nicht ins Haus, das wusste sein Bruder doch. Am Ende des Gesprächs war Jens aus dem Raum gegangen und hatte sich im Garten versteckt.

Gerhard strich über das alte Holz. Er genoss den Duft, der ihm in die Nase stieg, sobald er das Möbelstück nur ansah, und das Bild des dunklen Flures, in dem die Schnittblumen nie lange frisch geblieben waren. Gerhard sehnte sich nach der beruhigenden Enge dieses Flures.
„Ich, jedenfalls, will ihn nicht“, hatte Jens gesagt und damit all die Blumentode gerächt, die allsonntäglich auf dem Schreibtisch begonnen hatten, um am Mittwoch hinter dem Haus zu enden.

Schließlich stand Gerhard auf und ließ das Erbstück zurück. Vor ihm lag wieder der gleich bleibende Horizont. Heike, dachte er, was bist du nur ungerecht. Mich in die Wüste zu schicken.
Wenn Heike sich rausgehalten hätte, aus den Streitigkeiten mit seinem Bruder, dann wäre alles erträglich geblieben. Gerhard wäre im Recht geblieben.

Am Morgen des ersten jener letzten drei Tage hatte Gerhard anstelle des Frühstücks einen Zettel auf dem Küchentisch gefunden. Jens anrufen stand darauf. Gerhard schob ihn beiseite und machte sich einen Kaffee.
Man sollte nicht glauben, wie abhängig Gewohnheiten machen. Heikes Frühstück fehlte ihm den ganzen Tag. Die Rückenschmerzen, die sich ankündigten, seit Gerhard beschlossen hatte, kein Wort mehr mit seinem Bruder zu wechseln, krallten sich nun in seinen Nacken und in den Lendenbereich. Die Gymnastikübungen waren wirkungslos. Abends kam Heike wie gewohnt spät von der Arbeit nach Hause. Sie fragte, ob er Jens angerufen hatte. Für den Rest des Abends verschwanden ihre Hände abermals, dieses Mal in Strickarbeiten.
Am zweiten Tag lag der gleiche Zettel auf dem Tisch. Gerhards Rücken verhärtete sich zu einem Brett.
„Du weißt nicht, was du mir antust!“, sagte Gerhard am Abend zu seiner Frau, „Mehr als dreißig Jahre dein Frühstück. Immer, jeden Morgen. Ein Frühstück, das mir sagt, dass die Welt in Ordnung ist.“
„Die Welt ist aber nicht in Ordnung.“ Heikes Nasenflügel weiteten sich. „Klopf mal an, bei deinen Prinzipien, sie werden dir wohl noch erlauben, mit deinem Bruder zu sprechen.“ Gerhard sah in ihren Augen das Spiegelbild eines Feiglings.
„Poch-poch“, sagte Heike und klopfte gegen seinen Bauch. Mit einer steilen Falte auf der Stirn drehte sich Gerhard um und ging zu Bett.
Am dritten Tag weckte ihn ein Reißen auf dem linken Schulterblatt. Es war aufgeplatzt wie eine Bratwurst. Ein nächster Riss begann mit einer Explosion im Nacken und setzte sich in vielen Verästelungen nach unten hin über den ganzen Rücken fort. Gerhard schloss die Augen. Er sah sein Rückgrat, zerfurcht, Fleisch schimmerte hervor, bis das Blut zu fließen begann. Dann wurde es Nacht um ihn.

Gerhard hatte das Bewusstsein verloren. Er wanderte durch seine Halluzination, hielt sich den Lendenwirbelbereich und verdrehte unkontrolliert die Augen, er brauchte Wasser. Und Hunger hatte er.
Ein Geräusch ließ ihn innehalten. Eine Musik. Gerhard hob den Kopf und sah, nur etwa dreihundert Meter vor ihm, ein Häuschen. Ein Saxophon blies seine luftigen Töne bis zu Gerhard heran, dazu die gelegentlichen Klänge eines Klaviers. Gerhard schöpfte Mut. Die Musik wurde mit jedem Schritt lauter, aus der flimmernden Silhouette des Häuschens wurden die festen Umrisse einer Kneipe. Die Tür stand einen Spalt offen.
Gerhard trat ein. Zwei Menschen waren dort. Die Bardame Heike, hinter dem Tresen. Jens, ein Gast, ihr gegenüber an den Tresen gelehnt. Sie sahen Gerhard an.
„Ich brauche Wasser, schnell“, sagte Gerhard zu seiner Frau, ging noch die letzten Schritte, bis er neben Jens stand.
„Hey, Bruder, schön, dass du vorbei schaust.“ Jens breitete die Arme aus.
Gerhard beachtete ihn nicht. Heike drehte das Radio leiser. Jens ließ die Arme sinken.
„Ich weiß, 'Antagonist', nicht wahr?“, sagte Jens, „Du bist der Zahn oben im Kiefer und ich malme von unten immer feste dagegen.“
Das hatte Gerhard gerne vorgetragen, wenn die Familie beisammen saß und Wein trank.
„Die Zähne, die beim Beißen aufeinander treffen, sind Antagonisten.“ Dabei hatte er Jens angesehen. Jens sah nicht zurück. Er schaute in sein Glas, dann immer derselbe Blick zu der Mutter herüber.
Die Mutter gab es nicht mehr, seit zwanzig Jahren. Aber diesen Blick, den gab es noch, und die Erinnerung an das Gesicht der Mutter, wenn sie sagte: „Gerhard, lass deinen Bruder in Ruhe essen, du weißt doch, dass er sonst Magenschmerzen bekommt.“
Früher murmelte Jens dann: „Er hat von dem Zucker genascht.“ Und die Mutter gab ihrem Jüngeren Recht. Irgendwann am Tag, wenn Jens nicht in der Nähe war, beugte sie sich zu Gerhard hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. „Ich weiß, dass du es nicht warst. Mach dir keine Sorgen, ich hab dich lieb.“

„Wasser, Heike, bitte, und was zu essen.“ Seinen Bruder beachtete Gerhard noch immer nicht.
„Ich glaube, ich werde heute noch einen Abstecher zum Bahnhof machen und meine Liebste überraschen“, sagte Jens und lächelte die Wand an.
„Hast du ihr dein echtes Alter verraten?“ Gerhard richtete sich jetzt soweit auf, wie es mit dem schmerzenden Rücken möglich war.
„Ja, selbstverständlich.“
„Ich weiß, dass du es nicht getan hast.“ Er sah seinen jüngeren Bruder an. „Du Lügner.“
Jens schaute nicht zurück.
Dann dieser routinierte Blick zu Heike herüber.
Wie früher zur Mutter.
Gerhard war schnell. Er packte Jens mit der einen Hand im Nacken und drückte ihm die andere unter das Kinn.
„Ich breche dir dein Orchideenköpfchen vom Stängel.“
Jens versuchte, sich aus dem Griff heraus zu ducken.
„Es ist gut, Schluss jetzt!“, rief Heike.
Gerhard ließ seinen Bruder los.
„Hier“, Heike hielt Gerhard einen gefüllten Teller entgegen.
Es roch nach getoastetem Weißbrot, nach Kaffee und hart gekochtem Ei.

Gerhard öffnete die Augen. Er lag in seinem Bett, neben ihm saß Heike. Sie hatte ihm das Frühstück gebracht.
„Streite mit ihm, wenn du willst, aber sprich mit ihm“, sagte sie und drückte Gerhard das Telefon in die Hand.

 

Hi Streifenhörnchen,
das ist schon ein feiner Text mit vielen Ebenen und einem freundlichen Ende, bei dem der gute und gerechte Gerhard die Erlaubnis bekommt, mit seinem schon immer verlogenen Bruder zu streiten. Also ich finde es klasse illustriert. Geschichten mit solch surrealen Sequenzen wie die Wüstenwanderung haben bei mir schon mal einen Stein im Brett, dass der Auslöser für diese Vision ein wörtlich genommenes Sprichwort ist, finde ich noch besser.

Die drei Stellen sind meine Favoriten:

Alle Pflanzenliebhaber wollten Gerhards kleinen Bruder, der vermutlich selbst eine Pflanze war. Im Besonderen die Floristinnen liefen Jens hinterher und bewunderten ihn, wie er am liebsten den ganzen Tag in der Sonne stand und Photosynthese betrieb.

„Die Zähne die beim Beißen aufeinander treffen sind Antagonisten“,

„Ich breche dir dein Orchideenköpfchen vom Stängel.“

Wie du hier aus den Berufen von Pro- und Antagonist treffende Vergleiche und Metaphern zauberst!

Wenn ich mir was wünschen dürfte, wären es etwas nuanciertere Figuren.

Grüße
Kubus

 

Hallo Kubus,

Danke für deine Kritik!
(Ich dachte ja schon, dass der Text unkommentiert im Nirvana verschwindet)

Achja, so ein Stein im Brett, das ist schon was schönes, und freut mich, dass dir die Textpassagen so gut gefallen. :)

Nuanciertere Figuren, ja, das versuche ich mal - auch auf die Gefahr hin, mit einer völlig verkopften Überarbeitung den Text richtig schön zu versauen, bis jetzt weiß ich nämlich noch nicht, wie ich die Figuren nachträglich etwas nuancieren könnte.
Aber ich mache mir mal Gedanken.

Danke nochmal und schöne Grüße!

 

Hallo Kubus,

ich habs überarbeitet, ich denke, wenigstens die Brüder dürften jetzt menschlicher und weniger schwarz-weiß erscheinen, habe aber versucht, den Rahmen der Geschichte nicht zu Sprengen, was denkst du?
Falls du einen konkreten Vorschlag oder weitere Anmerkungen haben solltest: her damit!

(Mein Magen knurrt, ich hungere nach Kritik :shy:)

schönen Gruß!

 

Hallo Streifenkaninchen :)

Hier ist ja eine ganze Menge Bruderzwist versteckt. Eifersucht auch, Sohn-Mutter-Komplex, fast das ganze Familienprogramm. Das könnte leicht nach hinten losgehen, aber du bindest die Konflikte in ansprechende Settings. Die Idee mit der Wüste ist stark. Insbesondere die Sache mit dem Tisch. Da gibst du den Assoziationen freien Raum. Wenn es gut geschrieben ist, dann mag ich das. Der Tisch, um beieinander zu sitzen, zu klären. Auf dem Sperrmüll, in der Wüste. Das ist schon stark.
Ich behaupte nicht alle Bilder enträtseln zu können, aber das brauche ich hier auch gar nicht. Wie gesagt sind hier genug Freiräume, um die Geschichte in die eigene Wüste zu pflanzen. Man beachte dieses Wortspiel :aua:

Trotz der gelungenen Bilder und des unüblichen Ausagierens des Brüder-Konflikts, finde ich den Text an vielen Stellen noch ungeschliffen.

„Sprich mit ihm“, hatte Heike zu Gerhard gesagt, „Sprich mit deinem Bruder“, dabei hatte sie ihre Brauen gehoben und den Kopf geneigt, so als würde sie ihren Mann über eine Brille hinweg ansehen.
weswegen diese vielen Kommata? Das bremst den Einstieg unnötig aus
„Sprich mit ihm“, hatte Heike zu Gerhard gesagt. „Sprich mit deinem Bruder.“ Dabei hatte sie ihre Brauen gehoben und den Kopf geneigt, so als würde sie ihren Mann über eine Brille hinweg ansehen.

hatte er geantwortet, sein Zeigefinger hatte
da findest du dicherlich eine elegantere Lösung

Gerhards Bruder fehlte alles, was diesem Zeigefinger wichtig war: Prinzipien und Verantwortungsbewusstsein waren nur der Anfang.
Hm, bin mir nicht sicher, ob das so geht. Also nach dem Doppelpunkt müsste ja die Aussage kommen, also das, was wichtig war. Waren nur der Anfang weist darüber hinaus. Das könntest du in einem extra Satz noch anfügen:
Und das war nur der Anfang bspw.
IN der jetzigen Form sieht das falsch aus -und liest sich stockend.

m Besonderen die Floristinnen liefen Jens hinterher und bewunderten ihn, wie er am liebsten den ganzen Tag in der Sonne stand und Photosynthese betrieb. Braun gebrannt stemmte er die drahtigen Arme in die Seiten und lächelte ihnen entgegen.
„Neunundfünfzig, verheiratet, zweimal geschieden. Sogar einen Sohn. Er schert sich um nichts, alles kommt auf den Kompost, früher oder später.“, hatte Gerhard zu Heike gesagt.
das ist ein gelungener Absatz. Sehr schön. Bis auf den Punkt am Ender der wörtlichen Rede. Der muss raus, wenn es danach mit Begleitsatz weiter geht. Hast du noch ein paar Mal.

achte mal auf die hatte-gesagt Konstruktionen, davon wimmelt es im Text

Vor zwei Wochen hatte Jens von seiner neuen Liebe erzählt. Sie arbeitete für ein Blumengeschäft im Bahnhof. Die letzte Liebe, eine Gärtnerin aus Schweden, hatte sich um Jens‘ Sohn gekümmert, Jens hatte sie geheiratet, sechs Jahre hatte es gehalten, dann hatte die Schwedin ihre Haare zurückgeworfen, die Lippen vorgeschoben und wurde nie wieder gesehen.
„Implantate unserer Familie“, hatte Gerhard noch gesagt. Er hatte sich auf seine Wampe geklopft und an seine Tage als Zahnarzt gedacht. „Als ich diese kühne Sprechstundenhilfe damals kennenlernte, Heike, da wusste ich, dass du echt bist. Kein Plastik, nicht einmal Titan.“ Und er hatte versucht
zähl hier mal die hattes
Vielleicht empfiehlt es sich schlicht das Präsens zu nehmen?

Mein Magen knurrt, ich hungere nach Kritik
ich hoff, es mundet :D

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Streifenkaninchen

schön dass weltenläufer den Text nochmal hochgeholt hat, ich hätte deine Antwort glatt übersehen. :( Bei solchen Gelegenheiten kannste ruhig ne PM schreiben, dann passiert das nicht.

Du hast echt ne Menge geändert, oder? Ich habe ja die Originalversion nicht mehr, aber du führst das Wüstenszenario jetzt schrittweise ein, das gefällt mir sehr und es fügt sich gut in den Gesamttext. Also keine Verschlimmbesserung.

Ich glaube du hast auch mehr Gefühlsbeschreibungen drin und bspw Gerhards Geruchsassoziation. Die haben deine Protagonisten ein Stück näher an den Leser gebracht.

Und er hatte versucht, ihre Hände zu nehmen, doch diese waren unter Heikes Achseln entwischt. [...]
Für den Rest des Abends verschwanden ihre Hände abermals, dieses Mal in Strickarbeiten.

Schick!

nachhause

nach Hause

Viele Grüße

Kubus

 

Hallo Streifenkaninchen,

tolle Geschichte! Wirklich gern gelesen. Schöne Bilder, ansprechende Figuren, witzige Einfälle, und schön mal eine Geschichte über alte Männer zu lesen. So schön in ihren Eigenarten.

Aber! Textkram ;)

Gerhards Bruder fehlte alles, was diesem Zeigefinger wichtig war: Prinzipien und Verantwortungsbewusstsein waren nur der Anfang.

Da schließe ich mich weltenläufer an. Ich finde es nicht nur unelegant gelöst, sondern eigentlich auch zu viel.

Stattdessen grub der Träumer zwischen Zierpflanzen herum und dachte, damit wären die Rechnungen schon beglichen.

Das konnte ich erst gar nicht zuordnen. Also das mit den Rechnungen. Okay, man weiß bis dato, die beiden haben da ein Problem und sind sehr verschieden - aber was für eine Rechnung bezahlt man damit, die eigenen Neigungen auszuleben? Versteh ich nicht. Pflegt er die Blumen seines Bruders?

Gerhard stand auf einer Ebene aus getrocknetem Schlamm. Schlamm, der aufgeplatzt war wie eine angeschlagene Eierschale.
Seit drei Tagen hockte Gerhard der Schmerz auf dem Buckel. Am Morgen des dritten Tages hatte ihm das Ziehen entlang der Wirbelsäule die Besinnung geraubt und ihn hierher verbannt, in diese Ödnis aus Kilometern rissiger Erde.

Schön! Ich musste hier mal den ganzen Absatz zitieren.

Im Besonderen die Floristinnen liefen Jens hinterher und bewunderten ihn, wie er am liebsten den ganzen Tag in der Sonne stand und Photosynthese betrieb.

Toller Satz! Noch toller ohne: am liebsten.

... alles kommt auf den Kompost, früher oder später.“, hatte Gerhard zu Heike gesagt.

Für alles kommt auf den Kompost gibt es eine Eins, für den Punkt hinter später einen Strich im Diktat (der kommt da nicht hin).

Vor zwei Wochen hatte Jens von seiner neuen Liebe erzählt. Sie arbeitete für ein Blumengeschäft im Bahnhof. Die letzte Liebe, eine Gärtnerin aus Schweden, hatte sich um Jens‘ Sohn gekümmert, Jens hatte sie geheiratet, sechs Jahre hatte es gehalten, dann hatte die Schwedin ihre Haare zurückgeworfen, die Lippen vorgeschoben und wurde nie wieder gesehen.
„Implantate unserer Familie“, hatte Gerhard noch gesagt. Er hatte sich auf seine Wampe geklopft und an seine Tage als Zahnarzt gedacht. „Als ich diese kühne Sprechstundenhilfe damals kennenlernte, Heike, da wusste ich, dass du echt bist. Kein Plastik, nicht einmal Titan.“ Und er hatte versucht, ihre Hände zu nehmen, doch diese waren unter Heikes Achseln entwischt.

Sehr konsequentes Plusquamperfekt - sauber durchgezogen, aber wie das beim Lesen wirkt ... Manche schummeln ja, sie benutzen es am Anfang und am Ende ein paar Mal und wechseln zwischendurch ins Präteritum, damit die "hatte" nicht so nerven.

Die Verabschiedung der Schwedin mag ich sehr.
Im letzten Satz würde ich Heikes Hände und ihre Achseln schreiben - das finde ich deutlicher.

Der Horizont blieb, wo er war, kein Hügel, nicht einmal ein Kaktus stellte sich Gerhard in den Weg.

:)

Als Gerhard erkannte, was für ein Tisch das war, hastete er zu dem Möbelstück.

Warum so kompliziert? Als Gerhard den Tisch erkannte, hastete er darauf zu.

Gerhard war außer Puste, keuchend stützte er sich auf der Schreibtischplatte ab.

Und das klingt auch nicht wirklich, finde ich.
Gerhard, völlig außer Puste, stützte sich keuchend auf der Tischplatte ab.

Am Ende des Gesprächs war Jens aus dem Raum gegangen und hatte sich im Garten versteckt.

Ich fände ja - im Garten vergraben - eine schöne Wortspielerei an dieser Stelle :D.

... und damit all die Blumentode gerächt, die allsonntäglich auf dem Schreibtisch begonnen hatten, um am Mittwoch hinter dem Haus zu enden.

Schön!
Am Morgen des ersten jener letzten drei Tage hatte Achim anstelle des Frühstücks einen Zettel auf dem Küchentisch gefunden.

Wer ist Achim?

Gerhard sah in ihren Augen das Spiegelbild eines Feiglings. „Poch-poch“, sagte Heike und Klopfte gegen seinen Bauch. Mit einer steilen Falte auf der Stirn drehte Gerhard sich um und ging zu Bett.

Zeilenwechsel vor Poch-Poch und klopfte klein

Das mit den zunehmenden Schmerzen ist wirklich gut ...

„Hey, Bruder, schön, dass du vorbei schaust.“, sagte Jens und breitete die Arme aus.

Noch einen Diktatstrich für den Punkt hinter schaust ;)

„Ich weiß, 'Antagonist', nicht wahr?“, sagte Jens, „Du bist der Zahn oben im Kiefer und ich malme von unten immer feste dagegen.“

Bei Antagonist dachte ich sofort an Muskeln, dann an den literarischen. Wie sehr man doch in seiner eigenen Haut steckt :). Aber natürlich sind es die Zähne bei Gerhard.

Jens sah dann nicht zurück. Er schaute in sein Glas, dann immer derselbe Blick zu der Mutter herüber.

Unschöne Wiederholung. Jens sah nie zurück. er schaute ...

„Ich weiß, dass du es nicht warst. Mach dir keine Sorgen, ich hab dich lieb“, hatte sie gesagt.

Manchmal kann man auch drauf verzichten ;).

„Wasser, Heike, bitte, und was zu essen“, sagte Gerhard, ...

Vielleicht auch mal was anderes als sagte, z.B. wiederholte an dieser Stelle.

„Ja, selbstverständlich“, sagte Karl.

Und wer ist jetzt Karl?

„Ich breche dir dein Orchideenköpfchen vom Stängel“, sagte Gerhard
Jens versuchte zu entkommen.

Völlig klar, wer hier redet :), mach mal sagte Gerhard weg.
Jens versuchte zu entkommen - klingt sehr langweilig. Vielleicht doch in zwei Sätzen seine Bewegungen zeigen ...?

So Sachen sagt mein Bauch. Der grummelt ja eine ganze Menge. Nimm, was gefällt und ignoriere, wo Deiner dagegen hält.

Beste Grüße Fliege

 

Boah, auf einmal drei neue Komms, Futter! :D

Vielen lieben Dank Euch dreien! Die Überarbeitung ist noch nicht fertig, aber in Arbeit :)

Hallo Weltenläufer,

du bindest die Konflikte in ansprechende Settings. Die Idee mit der Wüste ist stark. Insbesondere die Sache mit dem Tisch. Da gibst du den Assoziationen freien Raum.

Das motiviert! :)

Deinen Vorschlag für den Einstieg habe ich übernommen, war einleuchtend.

Was die ganzen Hattes angeht, stimmt, da muss ich mir was überlegen, mit dem Präsens versuch ichs auf jeden Fall mal.

Gerhards Bruder fehlte alles, was diesem Zeigefinger wichtig war: Prinzipien und Verantwortungsbewusstsein waren nur der Anfang.
-
Hm, bin mir nicht sicher, ob das so geht.

Ich denke, ich lasse das nach dem Doppelpunkt weg, dürfte auch so verständlich sein.

Bis auf den Punkt am Ender der wörtlichen Rede. Der muss raus, wenn es danach mit Begleitsatz weiter geht. Hast du noch ein paar Mal.

Achje, stimmt.

achte mal auf die hatte-gesagt Konstruktionen, davon wimmelt es im Text

Ja, die gucke ich mir nochmal an.

ich hoff, es mundet

sehr, danke!

Hallo Kubus,

Bei solchen Gelegenheiten kannste ruhig ne PM schreiben.

Da war ich wohl zu schüchtern, aber jetzt weiß ichs :)

Also keine Verschlimmbesserung.
puh, da bin ich erleichtert.


Ich glaube du hast auch mehr Gefühlsbeschreibungen drin ...
Die haben deine Protagonisten ein Stück näher an den Leser gebracht.

Gut, dass das geklappt hat.

nach Hause
hups.

Danke fürs Lob und die Kritik!

Ach, und PS, Kubus, Kaninchen, nie, niemals Hörnchen ;)

Hallo Fliege,

tolle Geschichte! Wirklich gern gelesen.

Das freut mich sehr :)


Gerhards Bruder fehlte alles, was diesem Zeigefinger wichtig war: Prinzipien und Verantwortungsbewusstsein waren nur der Anfang.
-
Da schließe ich mich weltenläufer an. Ich finde es nicht nur unelegant gelöst, sondern eigentlich auch zu viel.

Ja, das seh ich ein und vermutlich lasse ich das nach dem Doppelpunkt einfach weg.


Stattdessen grub der Träumer zwischen Zierpflanzen herum und dachte, damit wären die Rechnungen schon beglichen.
Das konnte ich erst gar nicht zuordnen.

Ich meinte damit, dass die Ungerechtigkeiten, an die sich Gerhard erinnert "ausgeglichen" würden, aber ich gebe zu, das ist zu unpräzise, da mach ich was.

Schön! Ich musste hier mal den ganzen Absatz zitieren.

Danke!


Toller Satz! Noch toller ohne: am liebsten.

Hab ich rausgenommen.

für den Punkt hinter später einen Strich im Diktat (der kommt da nicht hin).

Nach diesen fiesen Punkten werde ich nochmal den ganzen Text absuchen!


Manche schummeln ja, sie benutzen es am Anfang und am Ende ein paar Mal und wechseln zwischendurch ins Präteritum, damit die "hatte" nicht so nerven.

Das versuche ich mal und das Präsens, mal gucken was besser passt.

Im letzten Satz würde ich Heikes Hände und ihre Achseln schreiben - das finde ich deutlicher.

Habe ich übernommen.


Als Gerhard erkannte, was für ein Tisch das war, hastete er zu dem Möbelstück.
-
Warum so kompliziert? Als Gerhard den Tisch erkannte, hastete er darauf zu.

Ja, da ändere ich was.

Gerhard war außer Puste, keuchend stützte er sich auf der Schreibtischplatte ab.
-
Und das klingt auch nicht wirklich, finde ich.

Und hier auch.

Ich fände ja - im Garten vergraben - eine schöne Wortspielerei an dieser Stelle.

:D Das ist schon witzig, aber hört sich für meinen Geschmack zu sehr nach Begräbnis an.


Wer ist Achim?

Äh, niemand, den habe ich auch ganz schnell entfernt.

Zeilenwechsel vor Poch-Poch und klopfte klein

Übernommen.

Bei Antagonist dachte ich sofort an Muskeln, dann an den literarischen. Wie sehr man doch in seiner eigenen Haut steckt . Aber natürlich sind es die Zähne bei Gerhard.

Find ich toll, dass das so gut ankommt.


Und wer ist jetzt Karl?

Auch niemand :Pfeif:

Jens versuchte zu entkommen - klingt sehr langweilig. Vielleicht doch in zwei Sätzen seine Bewegungen zeigen ...?

Da mach ich was drann.

So Sachen sagt mein Bauch. Der grummelt ja eine ganze Menge. Nimm, was gefällt und ignoriere, wo Deiner dagegen hält.

Ich habe so gut wie alles genommen, auch Sachen, die ich hier nicht zitiert habe.
Vielen, vielen Dank für den ausführlichen und wirklich sehr hilfreichen Kommentar!

Also noch mal danke Euch, überarbeitete Version folgt!

 
Zuletzt bearbeitet:

Ach, und PS, Kubus, Kaninchen, nie, niemals Hörnchen

Entschuldige bitte, Streifenkaninchen, das habe ich durcheinandergebracht. Kommt nicht wieder vor.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom