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In ewiger Verdammnis
Schwärze. Mehr nicht.
Ich wäre gerne wieder in meiner Welt. Dort, wo Dunkelheit nicht viel mehr ist, als die Abwesenheit von Licht. Hier durchdringt sie sämtliche Ebenen meines Bewusstseins, frisst sich tief in mich hinein und droht, mich von innen heraus auszuhöhlen. Und es gibt keine Möglichkeit, ihr zu entfliehen. Ich weiß nicht genau, wo ich hier gelandet bin, aber sicher ist, dass sämtliche Dinge, die meine Existenz zuvor lebenswert gemacht haben, hier keine Bedeutung haben. Gefangen in einer Welt aus Nichtigkeit bin ich zum Gegenteil jeglicher Definition geworden - unbestimmt und klein, irgendwo verloren in der Unendlichkeit.
...
Ich habe eigentlich nur daran teilgenommen, weil ich an diesem Abend nichts Besseres zu tun gehabt hatte. Vielleicht, so dachte ich damals, würde es Spaß machen. Ein Fehler. Rückblickend hätte ich nicht dort sein dürfen.
Es war eine dieser Beschwörungen, wie ich schon unzählige zuvor mitgemacht hatte. Man setzt sich im Kreis um ein mit Blut gemaltes Pentagramm, entzündet ein paar schwarze Kerzen und rezitiert bestimmte Verse aus längst vergessenen Folianten. Meine Mitstreiter, wenn man das so nennen kann, hatten natürlich keine Ahnung, dass man zu einer richtigen Beschwörung nichts Dergleichen braucht. Der Dämon kommt nicht, wenn man ihn ruft. Der Dämon kommt, wenn er es für richtig hält.
Es machte mir Spaß, ihnen bei den Vorbereitungen zuzusehen. Wie sie mit verbissenem Gesichtsausdruck die Symbole auf den nackten Betonboden der Fabrikhalle malten und versuchten, ja kein Sonnenlicht an das heilige Feuerzeug kommen zu lassen. Dunkelheit ist der Verbündete des Dämonen, sagten sie. Sie hatten ja keine Ahnung, waren mir so herrlich unterlegen.
Ich beschloss, sie für ihre Mühen zu belohnen und mitzuspielen. Mein größter Fehler, denn ich habe die ganze Sache anscheinend unterschätzt und mich selbst zu sicher gefühlt. Dabei hätte gerade ich es eigentlich besser wissen müssen.
Die ganz in schwarz Gekleideten setzten sich, schlossen die Augen und verfielen in diesen Singsang, den ich schon immer so faszinierend fand. Sinnlos und betörend zugleich. Und dann kam mein großer Moment. Eine fahle Rauchsäule und ich erschien in der Mitte ihres Bannkreises.
Meine Anhänger hatten scheinbar selbst nicht damit gerechnet, dass ihre amateurhafte Teufelsbeschwörung Erfolg haben könnte, denn sie sahen mich mit schreckgeweiteten Augen angsterfüllt an. So war es bisher immer gewesen. Dieser kurze Moment der Erkenntnis, dass es Mächte gibt, die man besser nicht auf sich aufmerksam machen sollte. Der eine Augenblick, in dem sie merken, dass alles an das sie geglaubt hatten, tatsächlich existiert und nun dafür sorgen wird, dass für sie die Welt zusammenbrechen wird. Für diese Momente lebe ich.
Ich genoss die einsetzende Stille, blickte durch ihre leeren Augen tief in ihren Geist, spielte mit den unterschiedlichsten Ausgeburten ihrer Angst und überlegte gerade, wessen arme Seele ich zuerst in mich aufnehmen sollte, als mir ihr Anführer mit einer Schrotflinte ins Gesicht schoss.
Für jeden kommt irgendwann das Ende.
...
Das Jüngste Gericht ist langweilig, wenn es nur eine Waagschale gibt.
Der Richter machte sich gar keine Mühe, meine Sünden mit den guten Taten zu verrechnen. Wenn es jemanden gäbe, der die ewige Verdammnis verdient hätte, dann wäre das ich, sagte er. Dementsprechend gnadenlos fiel sein Urteil für mich aus.
Und jetzt bin ich hier.
Ich bin nicht in der Hölle, natürlich nicht. An keinem anderen Ort habe ich mich jemals so weit von meinem Reich entfernt gefühlt wie hier. Keine ewigen Feuer, in denen die geschundenen Seelen der verführten Sündiger in unendlicher Qual ihre Untaten zurückzahlen. Keine Legionen des Bösen, die auf einen bloßen Fingerzeig von mir die Erde mit einem Meer aus Schmerz und Leid überziehen könnten. Kein wohliger Schwefel, der die Nasen eines jeden Sterblichen mit dem Geruch des Wahnsinns infiziert. Nichts Dergleichen.
Hier bin ich alleine. Alleine in der Dunkelheit und meine größte Furcht manifestiert sich jede Sekunde aufs Neue und droht meinen Geist zu sprengen. Was, wenn ich mich in dieser schwarzen Ewigkeit verliere? Was, wenn ich keinen Ausweg finde von diesem Ort? Wenn ich hier auf das Ende der Zeit warten muss, werden sie mich vergessen. Immer kleiner werde ich in ihren Erinnerungen werden und schließlich ganz verblassen.
Und das Schlimmste daran ist, dass niemand mich vermissen wird.
Schwärze. Mehr nicht.